OGH 8Ob70/14y

OGH8Ob70/14y25.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr.

Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Oedl und Mag. Otmar Moser, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei E***** S*****, vertreten durch Dr. Lorenz Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ersitzung (hier wegen Streitanmerkung; Streitwert 5.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 28. Mai 2014, GZ 22 R 181/14t‑13, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG).

Begründung

1. Die Klägerin behauptet, eine Teilfläche eines Grundstücks, das in ihrem Hälfteeigentum steht, durch Errichtung einer Garage und alleinige Nutzung derselben (in ihr Alleineigentum) ersessen zu haben. Sie begehrt daher gestützt auf den Titel der Ersitzung vom Beklagten die Einwilligung in die lastenfreie Abschreibung dieser Teilfläche sowie deren Zuschreibung und Vereinigung mit ihrem eigenen Grundstück. Gleichzeitig beantragte sie, die Klage auf dem dem Beklagten gehörenden Hälfteanteil gemäß § 70 GBG anzumerken.

Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Verfahren wendet sich der Beklagte gegen die Klagsanmerkung mit der Begründung, dass sich die Ersitzung des Eigentumsrechts nur auf ein fremdes Grundstück beziehen könne, nicht aber auf eine Teilfläche eines Grundstücks, das im ideellen Miteigentum des Ersitzungsklägers stehe. Er bezieht sich damit auf die Unschlüssigkeit der Klage, die ‑ ausgehend vom Klagsvorbringen ‑ auch im Rahmen der Entscheidung über die Streitanmerkung zu prüfen ist (RIS‑Justiz RS0074232).

Damit ist der Beklagte nicht im Recht.

2.1 Für die Ersitzung eines (dinglichen) Rechts an einer fremden Sache ist die Ausübung dieses Rechts im Wesentlichen gleichbleibend zu bestimmten Zwecken und im bestimmten Umfang erforderlich. Notwendig ist eine für den Eigentümer des belasteten Gutes erkennbare Rechtsausübung. Die Ersitzung schafft originär Eigentum, lässt aber einen ersessenen Grundstreifen nicht dem Grundstück des Ersitzers zuwachsen. Vielmehr kann der Grenzverlauf zwischen zwei Grundstücken nur durch bücherlichen Eigentumswechsel oder durch Berichtigung der strittigen Grenze geändert werden (RIS‑Justiz RS0011310; 1 Ob 13/99i).

2.2 Klar ist, dass eine Ersitzung des Eigentumsrechts durch den Alleineigentümer selbst nicht in Frage kommt. Anerkannt ist zudem, dass das Eigentum auch an einer bestimmten Teilfläche eines Grundstücks ersessen werden kann (RIS‑Justiz RS0011696; RS0045838; 7 Ob 226/01p). Ausgenommen davon sind nach § 50 VermG lediglich jene Teile von Grundstücken, die bereits im Grenzkataster eingetragen sind (RIS‑Justiz RS0011696). Darauf stützt sich der Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr.

In der Entscheidung 5 Ob 236/06a führte der Oberste Gerichtshof aus, es sei durchaus denkbar, dass die Verpflichtung, der Abschreibung eines Trennstücks von der eigenen Liegenschaft zuzustimmen, hinsichtlich mehrerer beklagter Miteigentümer auf unterschiedlichen Sachverhalten und Rechtsgründen beruhen könne. Aus diesem Grund liege bei einer Leistungsklage auf Einwilligung in die Abschreibung eines Trennstücks von einer Liegenschaft sowie auf Einverleibung des Eigentumsrechts die Passivlegitimation auch nur eines Miteigentümers der Liegenschaft vor.

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass Allein‑ oder Miteigentum an einem gesamten fremden Grundstück oder an einer Teilfläche davon ersessen werden kann, wobei das ersessene Grundstück im Allein‑ oder im Miteigentum stehen kann. Somit kann etwa auch nur eine bestimmte Teilfläche eines Grundstücks, das im Miteigentum steht, Gegenstand der Ersitzung sein. Es kann sogar die Ausübung des Eigentumsinhalts gemeinsam mit dem bücherlichen Eigentümer zur Ersitzung eines Miteigentumsanteils führen, wodurch Miteigentum erst begründet wird ( Mader/Janisch in Schwimann 3 § 1455 ABGB Rz 6).

2.3 In dem der Entscheidung 9 Ob 2020/96s zugrunde liegenden Fall haben die Rechtsvorgänger mehrerer Kläger vom Rechtsvorgänger der Beklagten unter anderem einen halben Weg gekauft. Einen auf den Kaufvertrag gegründeten Anspruch konnte die Klägerin infolge Verjährung nicht mehr geltend machen. Sie stützten sich daher auf eine Ersitzung und begehrten die Einverleibung des Eigentumsrechts bezüglich der einen Weghälfte. In dieser Entscheidung führte der Oberste Gerichtshofs aus:

„Die Rechtsprechung hat den Standpunkt vertreten, dass ein Eigentumsrecht am eigenen Grund nicht ersessen werden kann. Im vorliegenden Fall wurde mangels Eintragung im Grundbuch Eigentum nicht erworben. Die Ersitzung ist der Erwerb eines Rechts durch qualifizierten Besitz während der gesetzlich bestimmten Zeit. Sie führt zu einem originären Rechtserwerb, der zur Folge hat, dass der bisherige Rechtsinhaber sein Recht verliert. Erworben wird das Recht, das inhaltlich dem ausgeübten Recht entspricht. Auch bei gegebenem Miteigentum wäre der Erwerb des ideellen dem Vertragspartner vorbehaltenen Miteigentumsanteils (zweite Weghälfte) durch den anderen Vertragspartner möglich, sodass auch Erwerb durch Ersitzung dadurch eintreten kann, dass die alleinige Besitzausübung, die die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausdruck bringt, durch den bisherigen Hälfteeigentümer ‑ im Bewusstsein berechtigter (Hälfte‑)Eigentümer bzw Dienstbarkeitsberechtigter zu sein ‑ erfolgt. Das Recht des Alleinbesitzers, das nach § 312 ABGB unter anderem auch im Betreten, dem das Befahren gleichzusetzen ist, bestehen kann, haben die Kläger und ihre Rechtsvorgänger gegen die Beklagte und deren Rechtsvorgänger ausgeübt und diese haben sich gefügt. Die Kläger haben daher Eigentum an dem von ihnen in der redlichen Meinung, Eigentümer zu sein, benützten Wegteil erworben.“

Mit diesen allgemeinen Überlegungen zum Eigentumserwerb durch Ersitzung brachte der Oberste Gerichtshof zum Ausdruck, dass der Alleinbesitz (alleinige Gebrauchshandlungen) durch einen Miteigentümer eines Wegs diesem Miteigentümer das Alleineigentum verschaffen kann, er also den Miteigentumsanteil des bisherigen anderen Miteigentümers ersitzen kann.

2.4 Auch die Frage, ob die Teilfläche eines Grundstücks, das im ideellen Miteigentum des Ersitzungsklägers steht, von diesem (in sein Alleineigentum) ersessen werden kann, ist in der Rechtsprechung geklärt.

In dem der Entscheidung 5 Ob 233/08p zugrunde liegenden Fall begehrten die Kläger (Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft) gestützt auf den Rechtstitel der Ersitzung (primär) die Feststellung ihres Eigentumsrechts an einer Teilfläche eines Grundstücks entsprechend ihren jeweiligen Miteigentumsanteilen. Das erwähnte Grundstück gehörte zur Nachbarliegenschaft der beklagten Mit‑ und Wohnungseigentümer. Die Beklagten machten geltend, dass eine Rechtsvorgängerin der Kläger (Hildegard O) bis 1981 Miteigentümerin der Nachbarliegenschaft der Beklagten gewesen sei und daher nicht Eigentum an einer eigenen Sache hätte ersitzen können. Dazu führte der Oberste Gerichtshof aus:

„Freilich konnte Hildegard O ihren „eigenen“ Miteigentumsanteil an der [Nachbarliegenschaft] nicht ersitzen, doch ändert dies nichts an der rechtlichen Möglichkeit, die „übrigen“ (ideellen) Miteigentumsanteile ersitzen zu können.“

Diese Ansicht ist konsequent, weil sich das ideelle Miteigentum an einem Grundstück auch auf eine konkret bestimmte Teilfläche dieses Grundstücks, das im Miteigentum steht, bezieht. Hat ein Miteigentümer des Grundstücks diese Teilfläche (in sein Alleineigentum) ersessen, so kann sich die Ersitzung nur gegen die übrigen Miteigentümer richten. Die Klage (Klagsanmerkung) betrifft dann die Miteigentumsanteile der übrigen Miteigentümer. Dies bedeutet, dass ein Miteigentümer das Alleineigentum am bisherigen gemeinschaftlichen Grundstück ersitzen kann, sodass sich die Ersitzung in einem solchen Fall auf den anderen (fremden) Miteigentumsanteil oder den anderen (fremden) Miteigentumsanteil in Ansehung einer Teilfläche bezieht.

Es kann somit auch eine Teilfläche, die im ideellen Miteigentum des Ersitzungsklägers steht, von diesem (in sein Alleineigentum) ersessen werden. Genau dies ist hier der Fall. Eine Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ist damit nicht gegeben.

2.5 Die Kritik des Beklagten an den referierten Vorentscheidungen ist nicht berechtigt. Der bloße Hinweis, dass die Überlegungen des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 9 Ob 2020/96s für den dort zu beurteilenden Sachverhalt nicht relevant gewesen seien, kommt kein argumentatives Gewicht zu. Das Argument, in der Entscheidung 5 Ob 233/08p bleibe der Oberste Gerichtshof letztlich die Begründung schuldig, was nun der eigene und was der Miteigentumsanteil an einem konkret ersessenen Teil eines Grundstücks sei, ist nicht stichhaltig.

3. Weitere Argumente, die gegen die hier strittige Streitanmerkung sprechen würden, vermag der Beklagte nicht vorzutragen. Insgesamt zeigt er damit keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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