European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00208.13V.0630.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der Kläger und A***** O***** erwarben am 8. 8. 2007 zwei A*****‑Genussscheine um (inklusive 7 % Agio) 6.141,80 EUR.
Die Beklagte war Abschluss- und Konzernprüferin der Jahresabschlüsse 2000 bis 2008 der A***** AG, der I*****-Konzernabschlüsse der Jahre 2004 bis 2008 und der Jahres- und Konzernabschlüsse 2001 bis 2008 der A***** Gruppe AG (bis 16. 2. 2007: A***** AG).
In der Filiale der B ***** GmbH (fortan: B & S) in V***** war P***** M***** als selbständige Versicherungsmaklerin tätig. Bei einem Termin bei P***** M***** erkundigte sich der Kläger nach Ansparformen, worauf ihm P***** M***** (ua) die A*****‑Zertifikate nannte, die als „sichere Sache“ beworben wurden. M***** erklärte, die Renditen, die damit erzielt werden könnten, würde man sonst nirgends bekommen. Nach diesem Erstgespräch im Jahr 2007 übergab P***** M***** dem Kläger Folder, Prospekte sowie Ausdrucke von Internetseiten von A*****. In den Prospekten, die inhaltlich nicht mehr bekannt sind, stand sinngemäß vermerkt, dass man mit A*****‑Genussscheinen „reich werden könne“. Ob in diesen Prospekten ein Hinweis auf die Art der Überprüfung der A*****‑Firmen enthalten war, steht nicht fest. Bei einem weiteren Kontakt zwischen dem Kläger und P***** M***** zeigte ihm diese Ausdrucke von Bilanzen von A***** vermutlich des Jahres 2006. Es handelte sich bei den Internetausdrucken jedoch nicht um den vollständigen Jahresabschluss, sondern lediglich um 2, 3 oder 4 Seiten, in denen Aktiva und Passiva benannt waren und am Schluss ein „Plus“ war, was dem Kläger jedenfalls ein positives Bild vermittelte. Einzelne Posten fielen dem Kläger nicht auf, er sah nur das Gesamtbild einer positiven Bilanz, deren Umfang allerdings kärglich war. Es gab keinen Posten in der Bilanz, auf den sich der Kläger hinsichtlich des Ankaufs der Genussscheine gestützt hätte. Der Kläger ist aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in der Lage, eine Bilanz zu lesen. Dass in der heruntergeladenen, lediglich mehrseitigen offenbar zusammengefassten Bilanz ein Bestätigungsvermerk aufschien, steht nicht fest.
Bei sämtlichen Jahresabschlüssen bis 2007 erteilte die Beklagte einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, bei den Jahresabschlüssen 2008 erteilte sie nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk.
Bei den A*****‑Genussscheinen handelt es sich um ein sogenanntes Schneeballsystem (Pyramidenspiel). Bis zum Oktober 2008 kauften die A*****‑Gesellschaften die Genussscheine zum jeweiligen Kurswert zurück, danach nicht mehr. Im Mai 2010 wurden über die Vermögen der A***** AG und der A***** Gruppe AG Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Kläger begehrt mit seiner am 26. 9. 2011 beim Erstgericht eingelangten Klage von der Beklagten die Zahlung von 6.141,80 EUR (Kaufpreis samt 7 % Agio) sA, hilfsweise Zug um Zug gegen Übergabe der Genussscheine. In eventu begehrt der Kläger die Feststellung der Haftung der Beklagten für jenen Schaden, der aus dem Ankauf der A*****‑Genussscheine im Wert von 6.141,80 EUR entstehe. A***** O***** habe ihre Ansprüche dem Kläger abgetreten.
Die Beklagte habe bei Prüfung der Jahres‑ und Konzernabschlüsse zumindest grob fahrlässig gehandelt, indem sie diverse ‑ näher bezeichnete ‑ Unrichtigkeiten in den Bilanzen nicht aufgedeckt und uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt habe. Die A*****‑Gesellschaften hätten ein Schneeballsystem betrieben, was der Beklagten bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte auffallen müssen. Sie wäre verpflichtet gewesen, die Bestätigungsvermerke zu versagen, einzuschränken oder zumindest von ihrer Redepflicht Gebrauch zu machen. Es sei geradezu undenkbar, dass die Beklagte von den Machenschaften des Dr. A***** nichts mitbekommen habe. Bei gewissenhafter und pflichtgemäßer Durchführung der ihr auferlegten Aufgaben hätte die Beklagte bereits im Jahr 2000, mit Sicherheit aber in den Folgejahren bemerken müssen, dass die Buchhaltungsunterlagen und Bilanzen der A***** unrichtig und dubios gewesen seien, dass die Summe der ausgegebenen Genussscheine multipliziert mit deren angeblichem Wert das tatsächliche Vermögen der A***** um ein Vielfaches überstiegen und dass es sich bei der von der A***** gewählten Konstruktion um ein klassisches Schneeballsystem gehandelt habe, wodurch die Anleger (= Kläger) letztlich zu Schaden gekommen seien. Es sei offensichtlich, dass Prüfberichte und testierte Jahresabschlüsse mit der Geschäftsführung der A***** AG abgestimmt bzw „geschönt“ worden seien. Gegen den Geschäftsführer der Beklagten werde ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Bilanzfälschung geführt. Der Kläger habe sich selbst regelmäßig über die Entwicklung der Genussscheine informiert. Aus der Homepage der A*****, den testierten Bilanz‑ und Jahresberichten sowie aus den monatlichen Aussendungen sei ersichtlich gewesen, dass von Seiten der Beklagten zu keinem Zeitpunkt Einwände gegen die einzelnen Jahresabschlüsse erhoben worden seien. Weiters habe die B & S, die ihm die Genussscheine vermittelt habe, aufmerksam deren Entwicklung verfolgt und sämtliche damit zusammenhängenden Informationen regelmäßig an die einzelnen Anleger weitergeleitet. Dazu gehöre natürlich auch die Überprüfung, ob es allenfalls seitens des Wirtschaftsprüfers irgendwelche Einwände zu den einzelnen Jahresabschlüssen gebe. Wäre die Beklagte ihrer Warnpflicht nachgekommen, so hätte dies B & S sofort realisiert und Warnungen an ihre Kunden weitergeleitet. Der Kläger hätte keine Ankäufe getätigt und allenfalls gehaltene Genussscheine unverzüglich verkauft, sodass ihm kein Schaden entstanden wäre. Bei Nichterteilung des Bestätigungsvermerks bzw bei richtiger Bilanzerstellung bereits ab 2000 wäre der Ankauf der Genussscheine im August 2007 nicht mehr möglich gewesen, weil die A***** Gruppe AG und auch die ***** AG in dieser Form nicht mehr existieren hätten können. Im Oktober 2008 sei er von der B & S darüber informiert worden, dass die Genussscheine nicht mehr ‑ wie zuvor ‑ von A***** zum jeweils gültigen Monatskurs zurückgenommen würden, womit die Genussscheine nahezu wertlos geworden seien. Dem Kläger sei ein Schaden in Höhe der gesamten Investition entstanden. Da jedoch nicht auszuschließen sei, dass aus dem Konkursverfahren eine Quotenzahlung erfolge, erhebe er das Eventualbegehren auf Feststellung.
Die Beklagte beantragt Abweisung der Klagebegehren. Dem Kläger fehle die Aktivlegitimation, weil die Genussrechte im Miteigentum des Klägers und seiner Gattin stünden und als Gesamthandforderungen nicht vom Kläger allein geltend gemacht werden könnten. Ein Fehlverhalten oder Verschulden der Beklagten werde bestritten. Allfällige Ansprüche des Klägers seien nach Maßgabe der Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhandberufe (AAB) bzw für Abschlussprüfungen (AAB AP) idF 2000, 2006, 2007, 2008 und 2009 bereits verjährt, weil nach diesen ein Schadenersatzanspruch binnen sechs Monaten nach Kenntnis vom Schaden, jedenfalls aber innerhalb von drei Jahren nach dem anspruchsbegründenden Ereignis verjähre. „Geschützte Dritte“, wie es der Kläger zu sein behaupte, könnten ihre Ansprüche nur innerhalb der durch den Vertrag gezogenen Grenzen geltend machen. Überdies sei der Primärschaden bereits durch Offenlegung der (ersten) von der Beklagten geprüften Jahresabschlüsse eingetreten, sodass die Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB mit 23. 5. 2001, 16. 7. 2002 bzw 13. 9. 2002 zu laufen begonnen habe und zur Zeit der Klagseinbringung bereits abgelaufen gewesen sei. Das prospektpflichtige Angebot sei am 17. 9. 2001 beendet gewesen, sodass die fünfjährige Präklusionsfrist für die Haftung als Prospektprüfer bei Klagseinbringung ebenfalls bereits abgelaufen gewesen sei. Auch die Betragsbegrenzung nach § 275 Abs 2 UGB sei zu berücksichtigen. Das Klagebegehren entspreche auch insofern nicht der Judikatur, als bei Geltendmachung eines Vertrauensschadens nur die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Zinsen und Dividenden Zug um Zug gegen Ausfolgung der Wertpapiere gefordert werden könne. Da der Kläger über die ihm zugeflossenen Dividenden schweige, sei sein Begehren unschlüssig. Dem Feststellungsbegehren fehle das rechtliche Interesse. Die Kausalität sei nur dann gegeben, wenn sich der Anleger im Vertrauen auf den ihm bekannten Bestätigungsvermerk zur Zeichnung entschlossen habe. Es müsse ein Kausalzusammenhang zwischen dem schuldhaft fehlerhaft erteilten Bestätigungsvermerk und dem Erwerb der Beteiligung oder einer späteren Behalteentscheidung bestehen. Sei dieser Zusammenhang nicht gegeben, bestehe keine Haftung. Gleiches gelte für die Haftung als Prospektprüfer. Soweit der Kläger behaupte, er hätte bei Versagung von Bestätigungsvermerken vor Oktober 2008 seine Genussscheine verkauft, sei ihm zu erwidern, dass bei Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks das Szenario des Oktober 2008 nur zeitlich vorverlagert worden wäre, A***** also die Rückkäufe bereits zu dieser Zeit eingestellt hätte, und der Kurs verfallen wäre. Dem Kläger wäre dann ein gleichartiger Schaden entstanden. Die B & S sei eine 75%ige Tochtergesellschaft der A***** AG gewesen, sodass nicht zu erwarten sei, dass sie Warnungen an ihre Kunden weitergeleitet hätte. Die Beklagte habe die Bilanzen ordnungsgemäß geprüft, allfällige Mängel seien nicht erkennbar gewesen.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren auf der Grundlage des eingangs zusammengefassten Sachverhalts ab. Rechtlich folgerte es, dass Forderungen einer Miteigentümergemeinschaft Gesamthandforderungen seien, weshalb der Kläger ‑ ungeachtet der vorgelegten Zessionserklärung ‑ nicht legitimiert sei, Leistung nur an sich zu verlangen. Gehe man davon aus, dass über das Vermögen der A***** AG und der A***** Gruppe AG je am 4. 5. 2010 das Konkursverfahren eröffnet worden sei, so habe die 6-monatige Verjährungsfrist des § 8 Abs 4 AAB 2000 bzw § 8 Abs 3 AAB 2006 am 5. 5. 2010 zu laufen begonnen und habe am 4. 11. 2010 geendet. Der Anspruch des Klägers sei daher jedenfalls verjährt und zwar unabhängig von den von der Beklagten angestellten Überlegungen betreffend die Verjährung des Anspruchs aus dem Primärschaden. Vor allem aber habe es der beweispflichtige Kläger verabsäumt darzulegen, welchen tatsächlichen Einfluss die ihm vorgelegte Bilanz der Beklagten auf seine Anlageentscheidung gehabt habe, inwieweit also Versäumnisse der Beklagten kausal für den Ankauf der Genussscheine gewesen seien. Der Kläger habe schon aus den ihm zur Verfügung gestandenen, dürftigen Bilanzen von vermutlich 2006 keinen einzigen Aspekt benennen können, der ihn tatsächlich zum Kaufentschluss bewogen habe. Allfällige Versäumnisse der Beklagten als Abschlussprüfer seien daher nicht kausal für den Kaufabschluss des Klägers gewesen. Das auf die Haftung der Beklagten als Abschluss- und Prospektprüfer gerichtete Klagebegehren sei daher auch aufgrund fehlender Kausalität abzuweisen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es vertrat zunächst hinsichtlich der Prospekthaftung die Rechtsansicht, dass die Ursächlichkeit für einen Schaden dann gegeben sei, wenn sich der Anleger im Vertrauen auf den ihm bekannten Prospekt zum Kauf entschlossen habe (RIS‑Justiz RS0108626). Die Beweispflicht für seine Kenntnis des Prospekts treffe den Kläger. Mangels festgestellter Prospektkenntnis habe das Erstgericht eine Haftung der Beklagten aus ihrer Funktion als Prospektkontrollor zutreffend verneint. Ob auch ein Berufen auf eine durch den Prospekt ausgelöste positive Anlagestimmung zur Bejahung der Kausalität oder zumindest eines Anscheinsbeweises ausreichen könne, müsse nicht geklärt werden, weil eine solche positive Anlagestimmung nicht ausdrücklich behauptet worden sei.
Auch für die Haftung als Abschlussprüfer gelte, dass ein Vertrauen des Anlegers auf den Jahresabschluss und den vom Abschlussprüfer erteilten Bestätigungsvermerk deren Kenntnis voraussetze. Von den Schutzwirkungen des Prüfungsvertrags sollten nur diejenigen Dritten erfasst sein, die im Vertrauen auf den ihnen bekannten Bestätigungsvermerk disponiert haben. Diese Beschränkung erscheine auch geboten, könne doch nicht davon ausgegangen werden, dass § 275 UGB jeden schütze, der auch nur durch entfernte Folgewirkungen einer unrichtigen Prüfung geschädigt werde. Eine derartige uferlose Haftung würde dazu führen, dass die Ansprüche derjenigen, die im Vertrauen auf die ihnen bekannten Bestätigungsvermerke disponiert haben, aufgrund der (auch bei Dritthaftung anwendbaren [vgl 5 Ob 262/01t]) Haftungsbegrenzung nach § 275 Abs 2 UGB verringert würden. Da diese Anleger aber weit eher schutzwürdig seien als solche, die nicht in die konkreten inkriminierten Bestätigungsvermerke vertraut haben, erscheine die Differenzierung sachlich geboten. Demgemäß könne sich der Kläger, dem die konkreten Jahresabschlüsse und Bestätigungsvermerke nicht bekannt gewesen seien, nicht darauf stützen, dass es ihm bei ordnungsgemäßer Prüfung nicht mehr möglich gewesen wäre, die Genussscheine zu erwerben. Es bedürfe keiner weiteren Erörterung, ob er in erster Instanz diesbezüglich überhaupt ein ausreichendes Vorbringen erstattet habe (§ 482 Abs 2 ZPO). Es sei nämlich nicht ausreichend, dass der Kläger darauf vertraute, dass nur Genussscheine von Gesellschaften vertrieben würden, deren Jahresabschlüsse über einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk verfügten. Vielmehr komme es darauf an, ob der Kläger in die konkreten Jahresabschlüsse samt Bestätigungsvermerken vertraut habe oder nicht. Aus den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts ergebe sich, dass der Kläger zwar einige Seiten einer Bilanz gesehen habe, zur Kenntnis des Bestätigungsvermerks habe das Erstgericht jedoch eine Negativfeststellung getroffen. Da somit nicht einmal feststehe, dass der Kläger von der Existenz des Bestätigungsvermerks gewusst habe, könne er die Kaufentscheidung denkunmöglich im Vertrauen auf diesen getroffen haben.
Soweit der Kläger geltend mache, einen Schaden dadurch erlitten zu haben, dass er die Papiere zwischen deren Erwerb und dem Zusammenbruch des Veranlagungssystems im Oktober 2008 im Vertrauen auf die Bestätigungsvermerke der Beklagten behalten und nicht verkauft habe, sei ihm entgegenzuhalten, dass er selbst vorgebracht habe, bei Versagung oder Einschränkung des Bestätigungsvermerks und der Veröffentlichung dieser Umstände wäre das „System A*****“ zusammengebrochen. Damit behaupte er aber, dass sich der Zusammenbruch nur zeitlich vorverlagert hätte. Er zeige aber keinen Schaden auf, für den die von der Beklagten zu verantwortenden Bestätigungsvermerke kausal gewesen seien; schon daran scheitere ein Schadenersatzanspruch des Klägers. Auf dessen Aktivlegitimation und die vom Erstgericht angenommene Verjährung müsse daher nicht mehr eingegangen werden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil es an eindeutiger Rechtsprechung des Höchstgerichts zur erheblichen Rechtsfrage fehle, ob eine Haftung nach § 275 UGB die Kenntnis des konkreten haftungsbegründenden Bestätigungsvermerks voraussetze oder nicht. Weiters könnten die Ausführungen zur „Anlagestimmung“ in 4 Ob 5/13m und 10 Ob 69/11m darauf hindeuten, dass der Oberste Gerichtshof ein Abgehen von der bisherigen Judikatur, wonach es für eine Haftung nach § 11 KMG auf die Kenntnis des Prospekts ankomme, erwäge.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsstattgebung. Hilfsweise stellt der Kläger auch Aufhebungsanträge zur neuerlichen Entscheidung des Erstgerichts, in eventu des Berufungsgerichts.
Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision des Klägers zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und in ihrem primären Aufhebungsantrag auch berechtigt, weil die Vorinstanzen die Voraussetzungen für den vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruch teilweise unrichtig beurteilt haben.
1. Der Oberste Gerichtshof hat die vom Kläger behauptete Aktenwidrigkeit und die angebliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO):
1.1. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn Feststellungen auf einer aktenwidrigen Grundlage beruhen, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RIS‑Justiz RS0043298 [T1]; vgl auch RS0043284 [T3]; RS0043324 [T8]). Der Kläger macht demgegenüber (nur) geltend, das Berufungsgericht habe die Feststellungen des Erstgerichts zur Kausalität der in kopierten Teilen eingesehenen Bilanz aus (vermutlich) 2006 für den Kaufentschluss unrichtig ausgelegt („ausgebessert“). Dies wäre ‑ gegebenfalls ‑ einfach dadurch zu korrigieren, dass die tatsächlich getroffenen Feststellungen der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden, sodass insoweit eine ‑ zumal entscheidungswesentliche ‑ Aktenwidrigkeit nicht aufgezeigt wird. Im Übrigen versucht der Kläger unter diesem Rechtsmittelgrund in tatsächlicher Hinsicht zu unterstellen, ihm seien die jeweiligen Jahresabschlüsse und Bestätigungsvermerke bekannt gewesen, womit er ‑ unzulässig ‑ von dem eingangs wiedergegebenen, vom Erstgericht anders festgestellten Sachverhalt abweicht.
1.2. Als Verfahrensmangel macht der Kläger geltend, dass die Kausalitätsfrage je nach der Schwere des Verschuldens (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) unterschiedlich streng zu beurteilen sei und dennoch Feststellungen zu dem vom Kläger behaupteten vorsätzlichen Handeln der Beklagten unterblieben seien. Der Kläger releviert aber mit diesen Ausführungen, selbst wenn sie richtig sein sollten, einen sekundären Feststellungsmangel, welcher der Rechtsrüge zuzuordnen wäre und keinen Mangel des Berufungsverfahrens begründet.
2. Auf die in erster Instanz als (selbständige) Anspruchsgrundlage herangezogene Haftung der Beklagten als angebliche Prospektkontrollorin (§ 11 KMG) kommt der Kläger in seiner Revision nicht mehr konkret zurück; darauf muss daher nicht mehr eingegangen werden (8 Ob 105/13v ÖBA 2014/2010; 5 Ob 143/12h; 5 Ob 245/10f mwN).
3. Der Kläger macht einen Schadenersatzanspruch geltend, der, soweit er Miteigentümern zusteht, teilbar ist (RIS‑Justiz RS0013214; RS0017289) und dessen gesonderter Geltendmachung durch einen einzelnen Miteigentümer keine spezifischen Gemeinschaftsinteressen entgegenstehen, die gewahrt werden müssten und die Annahme einer Gesamthandforderung nahelegten (vgl Parapatits in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 848 Rz 4 f). Der Kläger ist daher ‑ entgegen dem vom Erstgericht insoweit angenommenen Abweisungsgrund ‑ nach erfolgter Zession zur Geltendmachung des gesamten Schadenersatzbegehrens aktivlegitimiert.
4. Die von der Beklagten behauptete Verjährung eines allenfalls berechtigten Schadenersatzanspruchs des Klägers liegt nicht vor:
4.1. § 275 Abs 5 UGB gilt auch gegenüber geschädigten Dritten (RIS‑Justiz RS0128186). Die Frist beginnt für den Bereich bloß fahrlässiger Schadensverursachung durch den Abschlussprüfer von Kenntnis des Schadens und Schädigers unabhängig mit Eintritt des (primären) Schadens; bei Ansprüchen Dritter ist das die durch den Bestätigungsvermerk veranlasste Vermögensdisposition (9 Ob 60/12g mwN; RIS‑Justiz RS0128186 [T2]). Für eine vorsätzliche Schadenszufügung ‑ auch im Sinn eines „einfachen“ Vorsatzes, ohne dass die Voraussetzungen der zweiten Variante des § 1489 Satz 2 ABGB vorliegen ‑ ist die Verjährungsfrist hingegen eine subjektive. Bei vorsätzlicher Pflichtverletzung des Abschlussprüfers ist der Beginn der fünfjährigen Verjährungsfrist daher nicht mit der Entstehung des Schadens, sondern erst mit Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger anzusetzen (RIS‑Justiz RS0128186 [T7]). Der Primärschaden (Erwerb der Genussscheine) entstand (frühestens) im August 2008 und die Klageerhebung erfolgte innerhalb von 5 Jahren im September 2011. Im Übrigen hat der Kläger auch vorsätzliche Pflichtverletzung der Beklagten behauptet.
4.2.1. Die Beklagte stützt ihren Verjährungseinwand auch auf Punkt 8 Abs 3 und 4 der Allgemeinen Auftragsbedingungen für Abschlussprüfungen (AAB AP 2006). Diese lauten (Blg ./15):
„(3) Jeder Schadenersatzanspruch kann nur innerhalb von sechs Monaten nachdem der oder die Anspruchsberechtigten von dem Schaden Kenntnis erlangt haben, spätestens aber innerhalb von drei Jahren ab Eintritt des (Primär‑)Schadens nach dem anspruchsbegründenden Ereignis gerichtlich geltend gemacht werden, soferne nicht in gesetzlichen Vorschriften zwingend andere Verjährungsfristen festgesetzt sind.
(4) Gilt für Tätigkeiten § 275 UGB kraft zwingenden Rechtes, so gelten die Haftungsnormen des § 275 UGB insoweit sie zwingenden Rechtes sind und zwar auch dann, wenn an der Durchführung des Auftrages mehrere Personen beteiligt gewesen oder mehrere zum Ersatz verpflichtete Handlungen begangen worden sind, und ohne Rücksicht darauf, ob andere Beteiligte vorsätzlich gehandelt haben.“
4.2.2. Diese Auftragsbedingungen führen, soweit sie hier überhaupt zeitlich relevant sein können, zu keiner rechtswirksamen (vertraglichen) Verkürzung der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB. Deren zwingender Charakter im Sinn eines verbindlich normierten Mindeststandards (4 Ob 89/04y ÖBA 2005, 260 = wbl 2005, 20 = ZIK 2004/184) folgt nämlich ‑ ungeachtet ihrer nicht allein den Ausschlag gebenden systematischen Stellung ‑ nach Gesetzeszweck und Sinnzusammenhang aus § 275 Abs 4 UGB ( Haberl , Die Haftung des Wirtschaftsprüfers als gesetzlicher Abschlussprüfer, 112 f; Dehn, Die Haftung des Abschlussprüfers nach § 275 HGB [nF], ÖBA 2002, 377 [388] mwN in FN 79; Doralt/Koziol, Abschlussprüfer: Haftung und Versicherung, Rz 35; Völkl/Lehner in Straube , UGB II/RLG 3 § 275 Rz 89; Bielesz , Rezentes zur Haftung des Abschlussprüfers, VWT 2014, 46 [48]; aA Keppert, Zur Verjährung der Haftung des Abschlussprüfers, SWK 7/2005, 41 [43]).
4.3. Die AAB 2000, auf die die Beklagte die Verjährungseinrede und das Erstgericht die Klagsabweisung ebenfalls gestützt haben, sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf Ansprüche gegen den Wirtschaftstreuhänder als Jahresabschlussprüfer nach § 275 UGB nicht anzuwenden (RIS‑Justiz RS0119141).
5. Es ist im Verfahren nicht strittig, dass der Abschlussprüfer (auch) Dritten, die wegen eines erkennbar unrichtigen Jahresabschlusses Vermögensschäden erlitten haben, haftet. Der Vertrag zwischen einem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft ist ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, nämlich zu Gunsten jener (potenziellen) Gläubiger der geprüften Gesellschaft, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen und dann bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen davon ausgehen können, dass Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht ihres (potenziellen) Schuldners nach fachmännischer Ansicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Der Prüfungsauftrag wird zwar von der Gesellschaft erteilt, hat aber, weil es um die Erfüllung einer gesetzlichen Prüfpflicht geht, den zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen, sodass die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers und die damit bezweckte Information (potenzieller) Gläubiger der geprüften Gesellschaft jedenfalls Vertragsinhalt wird (RIS‑Justiz RS0116076).
6. Es entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Geschädigte nicht nur den Eintritt des behaupteten Schadens und dessen Höhe, sondern auch den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Schadenseintritt zu behaupten und zu beweisen hat (RIS‑Justiz RS0022862). Die Beweislast, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft ebenfalls den Geschädigten (RIS‑Justiz RS0022900 [T5 und T11]). Auch in der Frage des Kausalitätsbeweises bei einer Haftung wegen Aufklärungs- oder Beratungsfehlern bei einer Vermögensanlage folgt der Oberste Gerichtshof dem allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsatz, wonach der geschädigte Kläger die Voraussetzungen für seinen Ersatzanspruch nachzuweisen hat. Er hat daher auch die Beweislast für die Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten zu tragen. Eine teilweise in der Lehre befürwortete Beweislastumkehr oder eine Beweiserleichterung im Sinn eines Anscheinsbeweises wird von der ständigen Rechtsprechung in diesem Zusammenhang abgelehnt (10 Ob 46/13g mwN; RIS‑Justiz RS0106890).
7. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen geht es aber im vorliegenden Fall nicht allein um ein erweisliches Vertrauen des Klägers (und seiner Gattin) in konkret bekannte, von der Beklagten erteilte und veröffentlichte Bestätigungsvermerke. Vielmehr hat der Kläger sinngemäß auch behauptet, die B & S, die die Genussscheine vermittelt habe, habe aufmerksam deren Entwicklung verfolgt und sämtliche damit zusammenhängenden Informationen regelmäßig an die einzelnen Anleger weitergeleitet. Dazu habe auch die Überprüfung gehört, ob es allenfalls seitens des Wirtschaftsprüfers irgendwelche Einwände zu den einzelnen Jahresabschlüssen gebe. Wäre die Beklagte ihrer Warnpflicht nachgekommen, so hätte dies B & S sofort realisiert und Warnungen an ihre Kunden weitergeleitet. Der Kläger hätte keine Ankäufe getätigt und allenfalls gehaltene Genussscheine unverzüglich verkauft, sodass ihm kein Schaden entstanden wäre. Bei Nichterteilung des Bestätigungsvermerks bzw bei richtiger Bilanzerstellung bereits ab 2000 wäre der Ankauf der Genussscheine im August 2007 praktisch nicht mehr möglich gewesen. Mit diesem Vorbringen behauptet der Kläger einen hypothetischen Geschehnisablauf, der bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten (Verweigerung bzw Einschränkung der Bestätigungsvermerke), den entstandenen Schaden verhindert hätte und der folglich ebenfalls als mögliche Grundlage seines Schadenersatzanspruchs der Überprüfung bedarf (10 Ob 46/13g VbR 2014/58; 10 Ob 48/13a; 6 Ob 187/13p VbR 2014/59; ohne Auseinandersetzung mit dieser Frage nur 8 Ob 105/13v ecolex 2014/85 [ Wilhelm ] = ÖBA 2014/2010 = RdW 2014/154).
8. Nach ständiger Rechtsprechung sind an den Beweis des hypothetischen Kausalverlaufs keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Die Anforderungen an diesen Beweis werden geringer angesetzt als die Anforderungen an den Nachweis der Verursachung bei einer Schadenszufügung durch positives Tun. Denn die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der (potenzielle) Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen eben nicht stattgefunden hat. Es genügt daher die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist. Der Anleger hat daher ein Vorbringen zu erstatten, mit dem die Verursachung eines Schadens plausibel gemacht wird. Dem Beklagten steht dann der Nachweis offen, dass ein anderer Verlauf wahrscheinlicher sei (10 Ob 46/13g; vgl auch 4 Ob 67/12z mwN; RIS‑Justiz RS0022900). In diesem Sinn ist der Kläger mit seinen zuvor (Punkt 7.) wiedergegeben Vorbringen jedenfalls seiner Behauptungspflicht ausreichend nachgekommen. Das Erstgericht wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit diesem Vorbringen des Klägers und der widersprechenden Behauptung der Beklagten, wonach aus bestimmten Gründen gerade nicht zu erwarten gewesen wäre, dass B & S Kundenwarnungen vorgenommen hätte (P. 5.5.2 in ON 4), auseinanderzusetzen und eine für die Beurteilung des hypothetischen Kausalverlaufs ausreichende Tatsachengrundlage zu schaffen haben. Zu diesem Zweck war dem in der Revision erhobenen (primären) Aufhebungsantrag Folge zu geben.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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