OGH 8Ob2/14y

OGH8Ob2/14y26.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. S***** K*****, vertreten durch Ing. DDr. Hermann Wenusch, Rechtsanwalt in Rekawinkel, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei P***** KG, *****, wegen 60.000 EUR sA und Feststellung, über den Revisionsrekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 14. November 2013, GZ 30 R 29/13z-30, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 24. Mai 2013, GZ 54 C 5/13h-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der Nebenintervenientin die mit insgesamt 3.799,26 EUR (darin enthalten 633,21 EUR USt) bestimmten Kosten des Zwischenstreits über die Zulassung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte errichtete im Jahr 2008 im Auftrag des Klägers einen Dichtbetonkeller für dessen Fertigteilhaus, die Nebenintervenientin war mit der Planung des Projekts beauftragt.

Der Kläger macht (zusammengefasst) Gewährleistungs‑ und Schadenersatzansprüche geltend und brachte vor, der Keller sei aufgrund mangelhafter Bauausführung durch die Beklagte feucht.

Die Beklagte wandte ein, es liege kein Mangel vor. Sie habe ihre Bauleistung nach den Planunterlagen der Nebenintervenientin und unter deren Bauaufsicht fachgerecht erbracht. Die Klagsforderungen seien zudem verjährt. Die Beklagte verkündete der Nebenintervenientin mit der Begründung den Streit, sie werde sich im Fall des Unterliegens an ihr regressieren.

Die Nebenintervenientin trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten bei. Sie brachte vor, die Polier‑ und Detailplanungen für das Bauvorhaben erstellt sowie stichprobenweise die Einhaltung der Planzeichnungen geprüft zu haben, bestritt aber eine Übernahme der Bauaufsicht. Ihr rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten bestehe darin, dass sie sonst deren angekündigten Regressforderungen ausgesetzt wäre.

Der Kläger sprach sich gegen die Zulassung der Nebenintervention auf Beklagtenseite mangels rechtlichen Interesses aus und forderte die Nebenintervenientin statt dessen auf, dem Streit auf seiner Seite beizutreten.

Das Erstgericht ließ die erklärte Nebenintervention zu. Der angekündigte Regressanspruch einer unterliegenden Beklagten gegen die Nebenintervenientin könne nach dem Prozessvorbringen zumindest nicht ausgeschlossen werden. Zwar bestehe zwischen Beklagter und Nebenintervenientin kein Vertragsverhältnis und wirke auch ein (allfälliger) Bauaufsichtsvertrag nicht zu ihren Gunsten; dies schließe aber Rückgriffsansprüche nach § 896 ABGB im Verhältnis zwischen Beklagter und Nebenintervenientin nicht zur Gänze aus.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers Folge, wies den Beitritt der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Die Nebenintervenientin habe nach dem wechselseitigen Vorbringen lediglich am Obsiegen des Klägers, aber nicht der Beklagten ein rechtliches Interesse. Die Beklagte würde nämlich nur dann obsiegen, wenn nicht ein Fehler der Bauausführung, sondern ein Planungsfehler die Mängel verursacht hätte; in diesem Fall wäre aber die Nebenintervenientin allenfalls dem Kläger regresspflichtig. Dagegen würde die Beklagte verlieren, wenn die behaupteten Schäden auf ihr eigenes rechts‑ oder vertragswidriges Verhalten zurückzuführen seien. Die bloße Ankündigung der Regressforderungen durch die Beklagte mache diese nicht ausreichend plausibel. Auch sonst sei kein konkretes rechtliches Beitrittsinteresse der Nebenintervenientin ersichtlich.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Nebenintervenientin ist zulässig, weil die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO vorliegen und die Entscheidung des Rekursgerichts einer Korrektur bedarf. Der Kläger hat nach Freistellung (§§ 508a, 528 Abs 3 ZPO) eine Gegenschrift erstattet. Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

1. Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RIS‑Justiz RS0035638) und sich daraus ein rechtlich begründeter Anlass ergibt, das Obsiegen einer Partei herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0035638 [T5]). Das rechtliche Interesse besteht, wenn die Entscheidung sich nicht nur wirtschaftlich, sondern zumindest mittelbar auch auf seine rechtlichen Verhältnisse günstig oder ungünstig auswirkt.

Das rechtliche Interesse muss konkret sein, so beispielsweise das Interesse eines Solidarschuldners im Rechtsstreit des Gläubigers gegen den anderen Solidarschuldner (RIS‑Justiz RS0106173). Es reicht aus, wenn der zu befürchtende Rückgriff plausibel, aber nicht in allen Einzelheiten dargestellt wird (RIS‑Justiz RS0106173).

2. Das rechtliche Interesse muss grundsätzlich ex ante beurteilt werden.

Die Beklagte hat sich ‑ abgesehen vom Verjährungseinwand ‑ im Verfahren primär darauf gestützt, dass Mängel überhaupt nicht vorlägen. Das rechtliche Interesse der Nebenintervenientin an einem Obsiegen der Beklagten aus diesem Grund liegt auf der Hand, würde es doch gegen sie selbst gerichtete Ansprüche sowohl von Beklagten- als auch von Klägerseite ausschließen.

Auf allfällige weitere Gründe, etwa ob bei Annahme gemeinsamer Schadenszufügung auch Rückgriffsansprüche nach § 896 ABGB ex ante nicht auszuschließen wären, kommt es damit nicht mehr an.

Der Umstand, dass ein Verfahrensausgang möglich ist, bei dem sich ein Beitritt auf Seiten des Klägers - rückblickend betrachtet - als zweckmäßiger erweisen könnte, steht der Annahme eines rechtlichen Interesses der Nebenintervenientin am Obsiegen des Beklagten nicht entgegen. Ist eine Inanspruchnahme des Dritten je nach Prozessausgang durch beide Streitparteien möglich, hat er die Wahl, welche Seite er durch eine Nebenintervention unterstützen will (RIS‑Justiz RS0117330).

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Zwischenstreits gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Der Nebenintervenientin sind die Kosten der Beantwortung des Rekurses ON 15 und die Kosten ihres Revisionsrekurses zu ersetzen. Die bloß affirmative Beantwortung des Rekurses des Klägers gegen den Zurückweisungsbeschluss (ON 16) war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht dienlich und daher nicht zu honorieren. Eine Pauschalgebühr nach TP 3 GGG ist nicht angefallen, es gebührt auch kein Streitgenossenzuschlag (RIS‑Justiz RS0112657).

Stichworte