OGH 10ObS36/14p

OGH10ObS36/14p17.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Y*****, vertreten durch Mag. Kamen Sirakov, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Bundespflegegeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 2014, GZ 9 Rs 136/13f‑39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 10. Juni 2013, GZ 1 Cgs 40/12x‑25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wegen Nichtigkeit wird verworfen.

Im Übrigen wird der Revision teilweise Folge gegeben.

Im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens auf Gewährung von Bundespflegegeld für die Zeit vom 1. 10. 2011 bis 31. 12. 2011 wird das angefochtene Urteil bestätigt.

Im darüber hinausgehenden Umfang werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Entscheidungsgründe:

Die 1937 geborene Klägerin lebt seit 2005 in Österreich und wohnt seit 2012 bei einer ihrer Töchter in Wien. Sie bezieht eine Pensionsleistung aus Bulgarien und seit 1. 7. 2010 von der beklagten Partei die Ausgleichszulage, hat aber keinen Anspruch auf den Bezug einer Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension nach österreichischem Recht.

Aufgrund ihrer im Einzelnen festgestellten körperlichen und psychischen Behinderungen benötigt sie bereits seit Antragstellung grundsätzlich Unterstützung bei der täglichen Körperpflege, der Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, der Verrichtung des Stuhlgangs und der Vorbereitung und Anleitung beim An- und Auskleiden. Sie ist auf Hilfe bei der Pflege der Leib- und Bettwäsche, der Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, dem Instandhalten des Wohnraums und auf Mobilitätshilfe im weiteren Sinn angewiesen.

Am 22. 9. 2011 beantragte sie bei der beklagten Partei die Zuerkennung des Pflegegeldes nach dem Bundespflegegeldgesetz.

Mit Bescheid vom 22. 11. 2011 wies die beklagte Partei diesen Antrag ab, weil die Klägerin keine österreichische Pension beziehe.

Die Klägerin begehrt mit der fristgerecht eingebrachten Klage von der beklagten Partei die Gewährung von Bundespflegegeld in der gesetzlichen Höhe ab 1. 10. 2011.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin gehöre nicht zu den nach § 3 oder § 3a BPGG Anspruchsberechtigten. Für die Zeit vom 1. 10. 2011 bis 31. 12. 2011 gebühre das Pflegegeld mangels einer österreichischen Pensionsleistung nicht. Die mit dem gerichtlichen Vergleich vom 14. 12. 2011 rückwirkend gewährte EWR-Ausgleichszulage sei keine für das Pflegegeld notwendige Grundleistung. Das Pflegegeld sei eine Leistung bei Krankheit im Sinn der VO (EG) Nr 883/2004. Pflegebedürftige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich hätten daher Anspruch auf Pflegegeld, sofern sie der österreichischen Krankenversicherung zugehörig seien. Unterliege die Pflegebedürftige jedoch in der Krankenversicherung den Rechtsvorschriften eines anderen EU-Mitgliedstaats, sei dieser für die Gewährung pflegebedingter Leistungen zuständig. Da der Bezug der bulgarischen Rente die Krankenversicherungspflicht der Klägerin in Bulgarien begründe, sei das Klagebegehren unberechtigt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Festellungen. Rechtlich führte es aus, nach Art 21 Abs 1 der VO (EG) Nr 883/2004 erhielten Personen, die in einem anderen als dem für die Versicherungsleistung zuständigen Mitgliedstaat wohnten, bei Pflegebedürftigkeit Geldleistungen direkt vom zuständigen Träger, nicht jedoch vom Träger des Wohnorts ausbezahlt. Die Klägerin unterliege als Bezieherin einer bulgarischen Pension der bulgarischen Krankenversicherung. Für die Entscheidung über einen Anspruch auf Pflegegeld sei daher der ausländische Träger zuständig. Die von der Klägerin bezogene Ausgleichszulage knüpfe lediglich an die konkrete Einkommenssituation und den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland an. An der Maßgeblichkeit der bulgarischen Krankenversicherung vermöge dies nichts zu ändern. § 3 Abs 1 und § 3a Abs 1 BPGG kämen im räumlichen Geltungsbereich der VO (EG) Nr 883/2004 nicht zur Anwendung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die beklagte Partei sei nicht passiv legitimiert. Vor dem Wirksamwerden des PflegegeldreformG seien bis 31. 12. 2011 die Länder für die Gewährung von Pflegegeld an Personen zuständig gewesen, die ausschließlich eine Versorgungsleistung nach ausländischen Vorschriften beziehen. Alle am 1. 1. 2012 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren auf Zuerkennung des Pflegegelds nach den bisherigen landesgesetzlichen Regelungen seien vom bzw gegen den bis zum 31. 12. 2011 zuständigen Entscheidungsträger nach den landesgesetzlichen Regelungen zu Ende zu führen (§ 48c Abs 4 BPGG). Gemäß § 21 Abs 1 WPGG seien die Leistungen nach diesem Gesetz durch Antrag beim Magistrat geltend zu machen. Lange beim Magistrat ein Antrag ein, der bei einer anderen Behörde, einem Sozialversicherungsträger, einem Gericht oder einem Gemeindeamt eingebracht und weitergeleitet worden sei, so gelte er als ursprünglich richtig eingebracht. Diese Bestimmung entspräche im Wesentlichen der Regelung des § 25 Abs 1 BPGG. Da die beklagte Partei für den Antrag auf Pflegegeld der Klägerin vom 22. 9. 2011 nicht zuständig (gewesen) sei, werde sie den Antrag an den Magistrat der Stadt Wien weiterzuleiten haben.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei beantwortete außerordentliche Revision der Klägerin ist aus dem Grund der Rechtssicherheit zulässig; sie ist im Ergebnis zum Teil auch berechtigt.

1. Die Revisionswerberin meint, das angefochtene Urteil scheine mit Nichtigkeit belastet. Gehe das Berufungsgericht von einer absoluten Nichtigkeit des Bescheids der beklagten Partei aus, weil das Land Wien für die Entscheidung zuständig gewesen sei, und somit davon aus, dass kein Bescheid vorliege, so hätte es wegen Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO die Klage zurückweisen und das bisherige Verfahren aufheben müssen.

Dem ist zu erwidern, dass die Klägerin an die beklagte Partei den Antrag auf Zuerkennung von Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz stellte. Darüber hat die beklagte Partei mit Bescheid entschieden. Die Verfahrensvoraussetzung für die auf Gewährung von Bundespflegegeld gerichtete Klage nach § 67 Abs 1 Z 1 iVm § 65 Abs 1 Z 1 ASGG ist daher gegeben. Die Nichtigkeitsrüge ist demnach unbegründet.

2. Einen Mangel des Verfahrens erblickt die Klägerin darin, dass das Berufungsgericht die Verfahrensrüge in der Berufung nicht zum Anlass genommen habe, dem Erstgericht die Weiterleitung des Aktes an das Land Wien aufzutragen.

Die Rüge ist unbegründet. Die Revisionswerberin übersieht, dass Gegenstand des Verfahrens der Anspruch auf Bundespflegegeld und nicht ein Anspruch auf Pflegegeld nach dem Wiener Pflegegeldgesetz ist.

3. Für die Zeit vom 1. 10. 2011 bis 31. 12. 2011 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Bundespflegegeld:

Festzuhalten ist zunächst, dass die Klägerin unstrittig bulgarische Staatsbürgerin ist und in den persönlichen Geltungsbereich der VO (EG) Nr 883/2004 fällt. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtslage vor dem PflegegeldreformG, BGBl I 2011/58, die für diesen Zeitraum maßgebend ist (vgl § 49 Abs 17 BPGG), haben „EWR-Pensionisten“, die - wie die Klägerin - keine der in § 3 Abs 1 BPGG genannten Grundleistungen beziehen, keinen Anspruch auf Bundespflegegeld. Denn sie wurden bis dahin nicht in den anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem BPGG einbezogen (RIS-Justiz RS0117519; vgl 10 ObS 321/00d; 10 ObS 286/02k).

4. Die Ausgleichszulage (§ 292 ASVG) ist keine der im Katalog des § 3 Abs 1 BPGG genannten Leistungen. Wenngleich im Geltungsbereich der VO (EG) Nr 883/2004 eine ausländische Pension einer inländischen Pension für den Bezug von Ausgleichszulage gemäß Art 5 lit a dieser Verordnung gleichzustellen ist (10 ObS 172/10g, SSV‑NF 25/63 = SZ 2011/95; RIS-Justiz RS0127042), ist die Ausgleichszulage selbst keine Rente (Pension) im Sinn der VO (EG) Nr 883/2004, sondern eine „beitragsunabhängige Geldleistung“ (Art 70 der Verordnung), wie der Europäische Gerichtshof zur Vorgängerverordnung VO (EWG) Nr 1408/71 entschieden hat (EuGH C‑160/02, Skalka , Slg 2004, I‑05613). Pflegegeld (nach dem BundespflegegeldG und den Landespflegegeldgesetzen) ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine „Leistung bei Krankheit“ im Sinn des Art 3 Abs 1 lit a VO (EG) Nr 883/2004 (vgl EuGH C‑215/99, Jauch , Slg 2001 I-1901; C‑286/03, Hosse , Slg 2006 I-01771) und als Geldleistung bei Krankheit zu qualifizieren (EuGH C‑388/09, da Silva Martins , Slg 2011 I‑05737; vgl Fuchs in Fuchs , Europäisches Sozialrecht 6 Art 3 VO (EG) Nr 883/2004 mwN). Nach Art 29 Abs 1 iVm Art 21 und Art 24 VO (EG) Nr 883/2004 ist für die Gewährung von Pflegegeld an Pensionisten (Rentner) mit einer Pension (Rente) eines anderen EU-Mitgliedstaats der pensionsauszahlende Staat und nicht der Wohnsitzstaat zuständig. Da die Ausgleichszulage eine beitragsunabhängige Leistung ist, kann sie nicht zu einem Wechsel der Zuständigkeit für die Gewährung von Geldleistungen bei Krankheit führen (vgl Art 70 Abs 3 VO (EG) Nr 883/2004; Felten , Pflegegeld für Ausgleichszulagenbezieher aus anderen EU-Mitgliedstaaten?, ÖZPR 2014, 44 f).

5. Mit 1. 1. 2012 hat sich die Rechtslage geändert. Der Anspruch auf Pflegegeld richtet sich nunmehr ausschließlich nach dem BundespflegegeldG (vgl § 49 Abs 17 BPGG). Anspruch auf Pflegegeld nach diesem Gesetz, den die Klägerin geltend macht, besteht seither auch ohne Grundleistung gemäß § 3 Abs 1 und 2 BPGG für österreichische Staatsbürger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 3a Abs 1 BPGG). Den österreichischen Staatsbürgern sind Fremde gleichgestellt, insoweit sich eine Gleichstellung aus Staatsverträgen oder Unionsrecht ergibt (§ 3a Abs 2 Z 1 BPGG).

6. Die Klägerin hat seit 1. 1. 2012 Anspruch auf Pflegegeld nach § 3a Abs 2 Z 1 BPGG:

Dieser Anspruch setzt lediglich voraus, dass die betreffende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat und keine Grundleistung bezieht. Das trifft auf einen Ausgleichszulagenbezieher, der in Österreich lebt und eine Pension aus einem anderen EU-Mitgliedstaat bezieht, grundsätzlich zu. Weder ausländische Pensionen noch die Ausgleichszulage sind im Katalog von Grundleistungen gemäß § 3 Abs 1 Z 1 ‑ 10 BPGG angeführt. Daher können sich Unionsbürger unter den genannten Voraussetzungen auf § 3a Abs 2 Z 1 BPGG berufen, weil Art 18 AEUV jedwede Diskriminierung von Unionsbürgern gegenüber eigenen Staatsbürgern verbietet. Dies bedeutet, dass ein Unionsbürger auch bei Bezug einer beitragsunabhängigen Leistung wie der Ausgleichszulage, Pflegegeld gemäß § 3a BPGG in Anspruch nehmen kann, wenn sein gewöhnlicher Aufenthaltsort ‑ wie im Fall der Klägerin ‑ in Österreich liegt (vgl Felten , Pflegegeld für Ausgleichszulagenbezieher aus anderen EU‑Mitgliedstaaten?, ÖZPR 2014, 44 [45]). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat sie unter Zugrundelegung des § 4 BPGG und der EinstufungsV zum BundespflegeG Pflegebedarf in anspruchsbegründender Höhe.

7. Dem steht nicht - wie das Erstgericht und Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld³ Rz 192 meinen - entgegen, dass die Klägerin nur eine bulgarische Rente bezieht und Österreich nach den oben genannten Koordinierungsbestimmungen der VO (EG) Nr 883/2004 für Geldleistungen bei Krankheit (Pflegebedürftigkeit) nicht zuständig ist, sondern Bulgarien, dessen Recht Geldleistungen bei Pflegebedürftigkeit vorsieht (s die bei Fuchs , Europäisches Sozialrecht 6 314 f abgedruckte Liste der Verwaltungskommission vom Mai 2010 [unter: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=de&catId=868 ]).

8 . Greifeneder/Liebhart (aaO Rz 183 und 192) führen aus, nach der KoordinierungsVO gelte der ‑ in Art 23 VO (EG) Nr 883/2004 konkretisierte - Grundsatz, dass nur die Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaats anzuwenden seien. Aufgrund dieses Grundsatzes der Einheitlichkeit des Systems der sozialen Sicherheit könne nur vom zuständigen Staat die Sach- und Geldleistung der Krankenversicherung bezogen werden, weshalb der Anspruch auf Pflegegeld in Österreich ausgeschlossen sei, wenn Österreich nach der KoordinierungsVO nicht der für Leistungen der Krankenversicherung zuständige Staat sei. Da es sich um eine Frage der Zuständigkeit des Leistungsträgers handle, könne auch nicht mit dem Gebot der Gleichbehandlung von EU (EWR)-Bürgern mit den österreichischen Pflegegeldbeziehern argumentiert werden.

Dem ist zu erwidern:

Es trifft zu, dass die Vorschriften über die Bestimmung des anwendbaren Rechts in der ‑ von der VO (EG) Nr 883/2004 abgelösten ‑ VO (EWG) Nr 1408/71 nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ua bezwecken, dass die Betroffenen grundsätzlich dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen, sodass die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden (EuGH C‑611/10 und C‑612/10, Hudzinski und Wawrzyniak , Rn 41 mwN). Unter Berufung auf Vorjudikatur sprach der EuGH im Urteil in den Rechtssachen Hudzinski und Wawrzyniak (Rn 45 ff) aus, dass die Koordinierungsbestimmungen für Familienleistungen dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat, der nach diesen Vorschriften nicht als zuständiger Staat bestimmt ist, nicht verwehren, allein nach seinem nationalem Recht einem Wanderarbeitnehmer Familienleistungen zu gewähren. Demnach kann ein Mitgliedstaat einen Leistungsanspruch nicht deshalb verneinen, weil er nach Unionsrecht nicht zuständig ist, wenn der Anspruchswerber alle Anspruchsvoraussetzungen nach rein nationalem Recht erfüllt. Auch wenn dieses Urteil Familienleistungen betrifft, sind die auf Vorjudikate gestützten Aussagen des EuGH angesichts ihrer allgemeinen Natur auch für die Kategorie „Leistung bei Krankheit“ anwendbar (vgl Felten , Pflegegeld für Ausgleichszulagenbezieher aus anderen EU-Mitgliedstaaten?, ÖZPR 2014, 45 f).

9. Da die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen nach § 3a Abs 2 Z 1 BPGG erfüllt, steht demnach einem Anspruch auf Pflegegeld nicht entgegen, dass nach Unionsrecht Bulgarien der für Geldleistungen bei Krankheit zuständige Staat ist. Denn nach rein nationalem Recht sind die Voraussetzungen des § 3a BPGG erfüllt. Dies gilt selbst dann, wenn die betreffende Person bereits Pflegeleistungen aus diesem anderen pensionsauszahlenden Staat bezieht. In diesem Fall wäre Österreich verpflichtet, zumindest einen Unterschiedsbetrag zu zahlen, sollte das österreichische Pflegegeld höher als die ausländische Leistung sein ( Felten , Pflegegeld für Ausgleichszulagenbezieher aus anderen EU‑Mitgliedstaaten?, ÖZPR 2014, 44 [45]).

10. § 7 BPGG normiert, dass Geldleistungen, die wegen Pflegebedürftigkeit nach anderen bundesgesetzlichen oder ausländischen Vorschriften gewährt werden, auf das Bundespflegegeld anzurechnen sind. Diese Antikumulierungsnorm erfasst aber nur tatsächlich bezogene Leistungen; ein erst zu realisierender Anspruch rechtfertigt daher noch keine Anrechnung (vgl 10 ObS 1/03z, SSV‑NF 17/44; Pfeil , BPGG 117; Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld³ Rz 233). Die Antikumulierungsvorschrift des Art 34 VO (EG) Nr 883/2004 ist in der vorliegenden Konstellation nicht anwendbar, betrifft sie doch das Zusammentreffen einer Geldleistung wegen Pflegebedürftigkeit und einer Sachleistung aus diesem Grund.

11. Da bislang nicht erörtert wurde, ob die Klägerin vom zuständigen Staat Geldleistungen wegen Pflegebedürftigkeit bezieht, war zur Prüfung der Frage des Vorliegens einer anrechenbaren ausländischen Leistung mit Aufhebung vorzugehen.

12. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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