OGH 10Ob54/13h

OGH10Ob54/13h17.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Tonninger Schermaier Maierhofer & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 36.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. August 2013, GZ 4 R 116/13b‑11, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Dezember 2012, GZ 39 Cg 9/12k‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00054.13H.0617.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein zur Unterlassungsklage nach § 28 KSchG befugter Verein.

Die Beklagte ist einer der bundesweiten Anbieter von Mobiltelefondienstleistungen in Österreich. Sie schließt im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit laufend mit Verbrauchern Verträge ab, denen sie unter anderem die Allgemeinen Entgeltbestimmungen für die Marke „t*****“ zugrunde legt. Diese enthalten folgende Klausel:

3. Vereinbarte Mindestvertragsdauer bzw Zusatzpaketbindung

[...]

3.2. Restentgelte

3.2.1. Wenn das Vertragsverhältnis entgegen der vertraglichen Bestimmung vor Ablauf der vereinbarten Mindestvertragsdauer (bzw Kündigungsverzicht) gelöst wird, verrechnen wir Ihnen alle noch ausstehenden Grundgebühren/Paketpreise/Mindestgesprächsumsätze bis zum Ablauf der vereinbarten Mindestvertragsdauer bzw Paketbindedauer, maßgeblich für die Höhe der ausstehenden Grundgebühren ist der Zeitpunkt der Vertragsbeendigung. Grundlage für die Berechnung der Restentgelte ist das feste monatliche Entgelt in voller Höhe ‑ entsprechend Ihrem Tarif bzw Ihrem Zusatzpaket. Allfällige bei Vertragsabschluss individuell vereinbarte Rabatte verlieren bei der Berechnung der Restzahlung ihre Wirksamkeit. Wir behalten uns darüber hinaus die Rückverrechnung bereits gewährter Rabatte vor.

Weiters verrechnen wir Ihnen eine Abschlagszahlung von 80 Euro je aktivierter SIM‑Karte ‑ für Vorteile (zB Endgerätestützung, Gesprächsgutschrift) die wir Ihnen bei Vertragsabschluss oder bei Abgabe eines weiteren Kündigungsverzichts gewährt haben.

Dass die Beklagte bei Verwendung ihrer Marke „t*****“ Verbraucher im Hauptanmeldeformular nochmals auf diese Klausel ausdrücklich hinweist, ist nicht feststellbar.

Der Marktführer „A*****“ hat eine ähnliche Bestimmung in seine Verträge aufgenommen, die zu einer Abschlagszahlung von 79 EUR bei vorzeitiger Vertragsauflösung verpflichtet.

Am 19. 12. 2011 beanstandete der Kläger den zweiten Absatz dieser Klausel und forderte die Beklagte auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung für diese Klausel und/oder sinngleiche Klauseln abzugeben. Die Beklagte lehnte diese mit Schreiben vom 19. 1. 2012 ab.

Die vorliegende Klage ist darauf gerichtet, der Beklagten die Verwendung der beanstandeten oder sinngleicher Klauseln sowie die Berufung auf sie zu untersagen und dem Kläger die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer Samstagausgabe der Kronen‑Zeitung zu erteilen. Die Klausel sei gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB und verstoße gegen § 864a ABGB. Ein Verbraucher, der seinen Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Mindestvertragsdauer kündige, müsse noch alle bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer ausstehenden vertraglichen Entgelte zahlen. Er zahle daher gleich viel wie derjenige, der am Vertrag festhalte. Der Unternehmer werde hingegen von seiner Leistungspflicht befreit und erspare sich die Leistungsbereitschaft. Zusätzlich sei eine weitere Abschlagszahlung von 80 EUR je aktivierter SIM‑Karte für den Fall der vorzeitigen Kündigung normiert, was dazu führe, dass ein Verbraucher, der bis zum Ende der Mindestvertragsdauer am Vertrag festhalte, bessergestellt sei als jener, der vorzeitig kündige. Der Abschlagszahlung komme daher Strafcharakter zu, der einer sachlichen Grundlage entbehre und gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB sei. Nachteilig und überraschend im Sinn des § 864a ABGB sei die Klausel, weil Verbraucher im Fall der vorzeitigen Kündigung nicht mit einem weiteren Entgelt zusätzlich zu den noch anfallenden Grundgebühren rechnen müssten.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Bei Vertragsabschlüssen unter der Marke „T*****“ weise sie auf dem jeweiligen Hauptanmeldungsformular ausdrücklich auf die beanstandete Klausel hin. Auch bei Verträgen der Marke „t*****“ sei von einer ausreichenden Aufklärung der Kunden auszugehen. Die Klausel sei aber auch ohne besonderen Hinweis weder gesetz‑ noch sittenwidrig, weil sie dem am 21. 2. 2012 in Kraft getretenen § 25 Abs 4 Z 3 lit b TKG idF der Novelle BGBl I 102/2011 entspreche, wonach Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zwischen Betreibern von Kommunikationsdiensten und Nutzern zumindest die Bedingungen für die bei Beendigung des Vertragsverhältnisses fälligen Entgelte einschließlich einer Kostenanlastung für Endeinrichtungen enthalten müssten. Der Gesetzgeber schreibe diesen Betreibern solche Regelungen vor. Vertragsentgelte bei vorzeitiger Beendigung des Vertrags seien daher üblich und zulässig. Die Abschlagszahlung sei sachlich gerechtfertigt und nicht gröblich benachteiligend, weil die Beklagte bei ihrer Preiskalkulation für die den Verbrauchern zur Verfügung gestellten Endgeräte davon ausgehe, dass die Verträge im Regelfall nicht sofort mit Ablauf der Mindestvertragsdauer von 24 Monaten, sondern erst nach durchschnittlich 28 bis 30 Monaten gekündigt würden. Diese um durchschnittlich vier bis sechs Monate längere Nutzungsdauer ermögliche es der Beklagten, hochwertige Endgeräte zu günstigen Preisen abzugeben. Die Verbraucher profitierten daher unmittelbar von dieser Vorgangsweise. Umgekehrt sei bei einer vorzeitigen Vertragsauflösung klar, dass es zu keiner weiteren Nutzung der Leistungen der Beklagten nach Ablauf der Mindestvertragsdauer kommen werde, weshalb die Beklagte eine entsprechende Abschlagszahlung in ihre Tarife einkalkulieren müsse. Letztlich sei der Verbraucher dadurch nicht benachteiligt, weil er einen realistischen Preis für sein Endgerät bezahle. Allein der Umstand, dass der Kunde, der seinen Vertrag mit Ablauf der Mindestvertragsdauer kündige, gegenüber jenem, der seinen Vertrag vorzeitig auflöse, begünstigt werde, mache die beanstandete Klausel nicht gröblich benachteiligend; habe es doch jeder Kunde selbst in der Hand, ob die Klausel für ihn wirksam werde oder nicht. Die Klausel sei auch nicht ungewöhnlich und überraschend im Sinn des § 864a ABGB, weil die Vereinbarung einer Abschlagszahlung für gewährte Vorteile bei vorzeitiger Vertragsbeendigung mittlerweile verkehrs‑ und branchenüblich sei. Der Verbraucher rechne mit weiteren Nachteilen bei vorzeitiger Vertragsbeendigung.

Der Kläger erwiderte, dass ein Hinweis auf die beanstandete Klausel in einem weiteren Vertragsformblatt im Hinblick auf die gleichen rechtlichen Konsequenzen der Verwendung gesetzwidriger Klauseln in AGB und Vertragsformblättern nicht ausreiche. Außerdem gelte die Anmeldung für die Marke „T*****“ nicht für die beanstandete Klausel, die in den Entgeltbestimmungen für die Marke „t*****“ enthalten sei. § 25 Abs 4 TKG lege nur den Mindestinhalt von AGB zwischen Kommunikationsdiensten und Nutzern fest. Eine Aussage über die inhaltlichen Grenzen solcher Vereinbarungen treffe die Norm nicht. Die Beklagte könne die Abschlagszahlung auch nicht mit ihrer internen Kalkulation rechtfertigen, weil sie mit Verbrauchern eine Mindestvertragsdauer von 24 und eben nicht von 28 oder 30 Monaten vereinbare. Auch auf die Verwendung einer ähnlichen Klausel durch die T***** A***** könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, weil es bei der Beurteilung der Klausel unter dem Gesichtspunkt des § 864a ABGB nicht allein auf deren objektive Verbreitung sondern darauf ankomme, dass sie bei objektiver Beurteilung sachlich angemessen und fair sei. Abgesehen davon schlössen Handykunden ihre Verträge in aller Regel nicht bei allen Anbietern, sondern nur bei einem konkreten Anbieter ab. Sie rechneten daher nicht damit, bei vorzeitiger Auflösung des Vertrags mehr zahlen zu müssen als bei Einhaltung der Mindestvertragsdauer.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass im Rahmen der Geltungskontrolle nach § 864a ABGB vorweg zu prüfen sei, ob die beanstandete Klausel eine nachteilige Bestimmung ungewöhnlichen Inhalts darstelle, mit der Vertragspartner des AGB‑Verwenders vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchten, dass sie also überraschend sei. Die Nachteiligkeit der Klausel sei aufgrund Abweichens vom dispositiven Recht evident. Mit einer höheren Kostenbelastung als bei einer Mindestvertragsdauer müsse der Verbraucher bei vorzeitiger Vertragsauflösung nicht rechnen. § 25 Abs 4 Z 3 lit b TKG idF der Novelle 2011 könne nicht dahin ausgelegt werden, dass solche Entgelte uneingeschränkt zulässig seien und nicht mehr der Kontrolle durch die §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB unterlägen. Über die inhaltliche Berechtigung der beanstandeten Abschlagszahlung sage § 25 Abs 4 Z 3 lit b TKG nichts aus. Ein ausdrücklicher gesonderter Hinweis auf die nachteilige Klausel sei nach den Feststellungen nicht erfolgt. Ob eine gesetzwidrige Klausel in Vertragsformblättern und/oder in AGB verwendet werde, mache keinen Unterschied. Es liege daher ein Verstoß gegen § 864a ABGB vor. Außerdem sei die Klausel gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB, weil der Kunde ohne sie bei vorzeitiger Aufkündigung nur die ausstehenden Entgelte bis zum Ablauf der Mindestvertragsdauer zahlen müsste. Es bestehe daher ein auffallendes Missverhältnis zwischen den vergleichbaren Vertragspositionen des vorzeitig und des mit Ende der vertraglichen Bindung kündigenden Verbrauchers. Interne Kalkulationen stellten keine Rechtfertigung dar. Die Behauptung, der Verbraucher sei nicht benachteiligt, weil er im Endeffekt einen realistischen Preis für sein Gerät zahle, gehe ins Leere, weil der Maßstab an dem bei Einhaltung der Mindestvertragsdauer zu entrichtenden Entgelt anzulegen sei. Dass Kunden vor Ablauf der Mindestvertragsdauer kündigten und dementsprechend keine längere Bindung wollten, könne in die (Gesamt‑)Kalkulation der Beklagten durchaus Eingang finden. Das Klagebegehren sei ohne Einschränkung des Unterlassungsbegehrens auf die Marke „t*****“ berechtigt; gegen das Veröffentlichungsbegehren sei kein begründeter Einwand erhoben worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es verneinte die gerügte primäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz und verwies zur Rechtsrüge auf die Grundsätze des Verbandsprozesses, wonach die Auslegung von Klauseln im kundenfeindlichsten Sinn zu erfolgen habe und die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB der Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB vorgehe. Hinsichtlich des vom Erstgericht bejahten Verstoßes gegen § 864a ABGB zeige die Berufung keinen nachvollziehbaren Grund auf, weshalb es für Verbraucher, die den Vertrag vorzeitig auflösten, nicht nachteilig sein sollte, dass sie (zusätzlich zu den in voller Höhe bis zum Ablauf der vertraglich vereinbarten Mindestvertragsdauer zu zahlenden monatlichen Entgelten) auch noch eine Abschlagszahlung von 80 EUR zu leisten hätten, ohne eine weitere Gegenleistung zu erhalten. Ein solches Entgelt sei als Vertragsstrafe (Pönale) zu beurteilen, die gemäß § 1336 Abs 1 ABGB einer gesonderten Vereinbarung bedürfe. Auch aus dem mit 21. 2. 2012 in Kraft getretenen § 25 Abs 4 Z 3 lit b TKG idF BGBl I 102/2011 sei für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung verhalte Netzbetreiber weder dazu, Entgelte in bestimmter Höhe für den Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung in den Tarifen vorzusehen, noch setze sie solchen Entgelten oder Kostenbelastungen Grenzen in inhaltlicher oder betraglicher Hinsicht, sodass deren Zulässigkeit weiter nach den §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB zu prüfen sei. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 4 Ob 164/12i eine Klausel, die einen Aufpreis für die Inanspruchnahme nur eines Teils einer Leistung vorsehe, als ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB beurteilt und dies damit begründet, dass der Kunde überrascht sein werde, wenn er bei Verzicht auf einen Teil der Leistung mehr zahlen müsse als bei Inanspruchnahme der gesamten Leistung. Dies müsse auch für die hier in Rede stehende Abschlagszahlung gelten: Der durchschnittliche Verbraucher werde nämlich (selbst unter Annahme einer weiteren Verbreitung solcher Entgelte infolge Verwendung einer vergleichbaren Klausel durch den Marktführer) angesichts redlicher Verkehrsgepflogenheiten beim Abschluss eines Mobilfunkvertrags nicht damit rechnen, dass er bei vorzeitiger Kündigung trotz Verzichts auf die Inanspruchnahme weiterer Mobildienstleistungen nicht nur die gesamten bis zum Ende der Mindestvertragsdauer anfallenden monatlichen Entgelte, sondern (ohne dass für ihn ein darüber hinausgehender Schaden erkennbar werde) auch noch eine Pönale zu entrichten habe. Dass er im Ergebnis mit höheren Kosten belastet und schlechter gestellt werde als ein Kunde, der die Telefonieleistungen bis zum Ende in Anspruch nehme und den Vertrag genau mit Ablauf der Bindung beende, sei überraschend. Gerade die Vereinbarung einer zweijährigen Bindung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Endgeräts (gratis und/oder zu einem gegenüber dem tatsächlichen Wert geringeren Entgelt) werde den Kunden annehmen lassen, der Netzbetreiber habe den Tarif so kalkuliert, dass die Anschaffungskosten durch die während der Vertragsbindung zu zahlenden monatlichen Entgelte finanziert werden. Daher werde er auch unter diesem Gesichtspunkt keine Notwendigkeit für eine weitergehende Pönale bei vorzeitiger Kündigung erkennen. Die Klausel sei somit ungewöhnlich und nachteilig im Sinn des § 864a ABGB. Nach § 879 Abs 3 ABGB sei aber noch die gröbliche Benachteiligung zu prüfen, die voraussetze, dass sie sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Die Beklagte versuche die Klausel mit ihrer auf eine Mindestvertragsdauer von 28 bis 30 Monaten beruhenden Preiskalkulation zu rechtfertigen und vertrete dabei im Ergebnis den Standpunkt, vorzeitig kündigende und damit nicht vertragstreue Kunden „bestrafen“ zu dürfen. Eine Notwendigkeit für diese Vorgangsweise bestehe jedoch schon deshalb nicht, weil es der Beklagten frei stünde, ihre Tarife auf Grundlage der Möglichkeit zur ordentlichen Vertragsbeendigung nach 24 Monaten (und nicht erst nach 28 bis 30 Monaten) zu kalkulieren. Wenn sie dies aus Konkurrenzgründen nicht tun wolle, müsse sie die daraus allenfalls entstehenden Verluste selbst tragen. Demgegenüber solle eine Vertragsstrafe einerseits den Schuldner zur korrekten Erfüllung veranlassen und andererseits die dem Gläubiger aus einer trotzdem erfolgten Vertragsverletzung erwachsenden Nachteile durch Pauschalierung seines Schadenersatzanspruchs ausgleichen. Sie gebühre nach herrschender Meinung zwar auch dann, wenn kein Schaden eingetreten sei; der Umstand, dass gar kein oder ein geringfügiger Schaden eingetreten sei, stelle allerdings ein besonders gewichtiges Mäßigungskriterium dar. Da der Abschlagszahlung aber schon von vorn herein nicht die Funktion eines Schadensausgleichs zukommen solle, führe sie (jedenfalls) zu einer gröblichen Benachteiligung jener Kunden die zwar vertragswidrig vorzeitig kündigen, aber ohnehin schon den Nachteil erlitten, der Beklagten die weiteren monatlichen Entgelte ohne Gegenleistung bis zum Ablauf der Vertragsbindung ersetzen zu müssen. Auch von einer zu weitreichenden Begründung durch das Erstgericht könne keine Rede sein, weil es nicht generell Kostenanlastungen für Endgeräte bei vorzeitiger Vertragsbeendigung oder Abschlagszahlungen, die über die restlichen Entgelte hinausgehen, als gröblich benachteiligend beurteilt habe. Vielmehr habe es sich darauf beschränkt, die beanstandete Abschlagszahlung auf ihre gesetzliche Zulässigkeit zu prüfen, wobei es zum richtigen Ergebnis gelangt sei, dass es ihr an einer sachlichen Rechtfertigung fehle. Die Berechtigung des Veröffentlichungsbegehrens bedürfe keiner Überprüfung, weil sie von der Beklagten weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren bestritten worden sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof vergleichbare Klauseln in AGB eines Mobilfunkbetreibers, die für eine größere Anzahl von Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung seien, noch nicht beurteilt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In der Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; ihr jedenfalls aber nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Auch in der Revision beruft sich die Beklagte auf den mit der TKG‑Novelle BGBl I 102/2011 eingeführten § 25 Abs 4 Z 3 lit b TKG, wonach „Abschlagszahlungsklausen“ in AGB von Mobilfunkanbietern nunmehr grundsätzlich zulässig und nur noch in Ausnahmefällen untersagt seien. Eine Klausel, die auf einer neu eingeführten „spezialgesetzlichen“ Vorschrift basiere und außerdem branchenüblich sei, könne nicht gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB und schon gar nicht ungewöhnlich und nachteilig im Sinn des § 864a ABGB sein. Die vom Berufungsgericht angeführte Entscheidung 4 Ob 164/12i sei zu einer Klausel von AGB einer Fluggesellschaft ergangen und mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil den Flugpreiserhöhungen keine gesetzliche Bestimmung zugrunde gelegen sei. Außerdem würden Fluggesellschaften nicht in Vorleistung treten, während die Kunden der Beklagten eine Vorleistung empfingen (entweder durch eine Stützung des Endgeräts oder eine entsprechende Gesprächsgutschrift). Daher sei auch die Begründung des Berufungsgerichts, dass die Abschlagszahlung keinen Schadensausgleich bezwecke, verfehlt, weil sich aus der beanstandeten Klausel ergebe, dass sie nur schlagend werde, wenn die Beklagte in Vorleistung getreten sei, nachdem sich der Kunde zu einer Mindestvertragslaufzeit verpflichtet habe. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht Feststellungen insbesondere zum Wert der Smartphones (und somit der Vorleistungen), die Kunden dafür erhielten, dass sie Verträge mit einer Mindestlaufzeit abschlössen, als entbehrlich erachtet.

Die Revisionsbeantwortung hält dem entgegen, die Klausel sei durch § 25 Abs 4 Z 3 lit b TKG nicht der Kontrolle nach § 864a und § 879 Abs 3 ABGB entzogen, weil sie auf keiner neu eingeführten Spezialvorschrift basiere. Das Argument, die Klausel sei branchenüblich, sei für die Prüfung nach den genannten Normen des ABGB von vornherein irrelevant. Die Beurteilung von AGB‑Bestimmungen einer Fluggesellschaft in der Entscheidung 4 Ob 164/12i sei dahin verallgemeinerungsfähig, dass es zwar zulässig sein könne, dem Verbraucher, der einen Teil der vereinbarten Leistung nicht in Anspruch nehme, das volle Entgelt (für die gesamte Laufzeit bzw die gesamte Leistung) zu verrechnen, nicht aber darüber hinaus noch weitere Zahlungen vorzusehen. Auch wenn sich die Beklagte weiterhin darauf berufe, dass die wirtschaftliche Rechtfertigung der Klausel ein wichtiges Indiz für deren Zulässigkeit sei, verfehle sie das Thema: Sie erhalte ja ohnehin alles, was ihr während der Vertragsdauer zustehe, auch von den Kunden, die den Vertrag vorzeitig auflösten. Daher erleide die Beklagte durch die vorzeitige Auflösung keinen Schaden und es stelle sich gar nicht die Frage eines Schadensausgleichs aufgrund der vorzeitigen Kündigung. Da ein Verbraucher nicht damit rechne, mehr zahlen zu müssen als sämtliche Leistungen bis zum vereinbarten Vertragsende, sei die Klausel überraschend und nachteilig im Sinn des § 864a ABGB und daher auch unter diesem Aspekt zu verbieten.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

1. § 25 Abs 4 Z 3 lit b TKG legt fest, dass AGB zwischen Betreibern von Kommunikationsdiensten und Endnutzern, soweit dies nach der Art des Dienstes möglich ist, zumindest die Vertragslaufzeit und die „Bedingungen für eine Verlängerung und Beendigung der Dienste und des Vertragsverhältnisses einschließlich der bei Beendigung des Vertragsverhältnisses fälligen Entgelte einschließlich einer Kostenanlastung für Endeinrichtungen zu enthalten“ haben.

1.1. Dieser Regelung entsprechend ist im ersten (hier nicht zu beurteilenden) Absatz des P 3.2. der AGB festgehalten, dass der Kunde bei vorzeitiger Kündigung alle bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer noch offenen „Grundgebühren/Paketpreise/Mindestgesprächsumsätze ...“ zu zahlen habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten sagt die Bestimmung des § 25 Abs 4 Z 3 lit b TKG aber nichts über die Zulässigkeit der zusätzlichen, darüber noch hinausgehenden Abschlagszahlung aus (vgl RIS-Justiz RS0113221 [T3]), die im bekämpften zweiten Absatz der Klausel aufscheint. Sie ist vielmehr nach den § 864a und § 879 Abs 3 ABGB zu prüfen.

2. Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB geht der Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB vor (RIS‑Justiz RS0037089). Die Verbandsklage nach § 28 KSchG kann nach ständiger Rechtsprechung auch gegen Klauseln gerichtet werden, die unter § 864a ABGB fallen (7 Ob 44/13s mwN).

2.1. Objektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnen (RIS‑Justiz RS0014646). Die Ungewöhnlichkeit ist objektiv zu verstehen. Die Subsumtion hat sich an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren. Ein Abstellen auf die subjektive Erkennbarkeit gerade für den anderen Teil ist daher ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0014627). Erfasst sind alle dem Kunden nachteilige Klauseln. Eine grobe Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RIS‑Justiz RS0123234).

3. Eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beidseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt (§ 879 Abs 3 ABGB). Ein Abweichen vom dispositiven Recht wird unter Umständen schon dann eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB sein können, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung ergibt. Sie ist jedenfalls anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition im auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht, wenn also keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt (RIS‑Justiz RS0016914). Bei der Beurteilung, ob eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners bewirkt wird, hat sich der Rechtsanwender daher am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren (RIS‑Justiz RS0014676; 7 Ob 44/13s mwN).

4. Wie die Vorinstanzen zutreffend ausführen, wird die Beklagte durch die in P 3.2. Abs 1 der AGB bei vorzeitiger Kündigung festgelegte Zahlungsverpflichtung des Kunden nicht schlechter gestellt, als wenn ein Kunde den Vertrag mit Ende der Mindestvertragsdauer kündigt: Besteht doch auch bei aufrechtem Vertragsverhältnis keine Verpflichtung des Kunden, Dienste des Mobilfunkbetreibers (über die dort genannten Leistungen hinaus) tatsächlich zu nutzen.

4.1. Die Beurteilung, dass ein Kunde ungeachtet des Umstands, dass auch „A*****“ eine ähnliche AGB‑Klausel verwende, schon deshalb nicht mit einer solchen Regelung rechnen muss, weil der Abschlagszahlung nach P 3.2. Abs 2 keinerlei Gegenleistung gegenübersteht, ist daher nicht zu beanstanden:

4.2. Auch wenn die Beklagte damit argumentiert, sie trete mit Vertragsabschluss gegenüber den Kunden in „Vorleistung“, ist ihr nämlich zu erwidern, dass ihre Kunden schon gemäß P 3.2. Abs 1 der AGB bei vorzeitiger Vertragsauflösung sämtliche Entgelte bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer zu entrichten haben, wobei sich die Beklagte darüber hinaus auch die Rabattrückforderung vorbehalten hat.

4.3. Da feststeht, dass unabhängig davon, wann ein Kunde den Vertrag kündigt, jedenfalls alle bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit ausstehenden Entgelte und rückverrechneten Rabatte (nach‑)gezahlt werden müssen, ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der Kunde bei vorzeitiger Vertragsauflösung auch noch verpflichtet sein sollte, eine Abschlagszahlung in Höhe von 80 EUR für „Vorteile (zB Endgerätestützung, Gesprächsgutschrift)“ zu leisten; dies, unabhängig davon, ob er solche „Vorteile“ überhaupt noch nutzen kann. Auch in diesem Zusammenhang kommt vielmehr dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass den Kunden selbst bei aufrechtem Vertragsverhältnis keinerlei Verpflichtung trifft, die von der Beklagten angebotenen Leistungen bis zum vereinbarten Vertragsende tatsächlich in Anspruch zu nehmen.

5. Die Vertragsstrafe ist ein pauschalierter Schadenersatz, der an die Stelle des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung tritt und die oft schwierigen Schadensfeststellungen vermeiden soll; sie soll also einerseits den Schuldner zur korrekten Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlassen, andererseits dem vereinfachten Ausgleich der dem Gläubiger aus einer trotzdem erfolgten Vertragsverletzung erwachsenden Nachteile durch Pauschalierung seines Schadenersatzanspruchs dienen (RIS‑Justiz RS0032013 [T3 und T7]).

5.1. Von einer solchen Schadenspauschalierung kann in der vorliegenden Konstellation aber keine Rede sein: Führte sie doch zu einer gröblichen Benachteiligung der Kunden, die zwar vertragswidrig vorzeitig kündigen, aber dennoch ‑ ohne Gegenleistung ‑ sämtliche weitere Zahlungen bis zum Ablauf der Vertragsbindung erbringen müssen. Dass die zusätzliche Abschlagszahlung einer Vertragsstrafe gleichkommt, die nicht zulässig vereinbart werden kann, weil die bekämpfte Klausel gegen die § 864a und § 879 Abs 3 ABGB verstößt, haben die Vorinstanzen somit zutreffend erkannt. Feststellungen zu den internen Kalkulationen der Beklagten und zum Wert der Smartphones sind daher entbehrlich.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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