European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00202.13I.0612.000
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Revision des Klägers:
1. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Die Rüge läuft auf eine in dritter Instanz unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung hinaus.
2. Einer der in § 1205 ABGB behandelten vier Fälle der automatischen Auflösung der Gesellschaft liegt nicht vor. Diese Bestimmung enthält aber keine abschließende Regelung der Auflösungstatbestände (10 Ob 225/02i). Auch eine (konkludente) Auflösungsvereinbarung ist möglich. Aus allgemeinen Vorschriften ergibt sich ferner, dass die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung zulässig ist und deren Eintritt die GesbR beendet. So kann etwa die Scheidung einer Ehe die Auflösung der GesbR unter Ehegatten bewirken, nicht aber, wenn sie nach der Scheidung das gemeinsame Unternehmen weiterführen (vgl 3 Ob 515/92; Riedler in KBB 4 § 1205 Rz 6; Jabornegg/Resch in Schwimann , ABGB³ V § 1205 Rz 8). Das gilt ebenso für eine GesbR unter Lebensgefährten, wenn die Lebensgemeinschaft aufgelöst worden ist (vgl 4 Ob 35/98w).
Der von den Streitteilen in der Rechtsform einer GesbR geführte Vertrieb von Produkten (Kosmetika, Haushaltsartikel etc) der A***** Gesellschaft m.b.H. war nach den Feststellungen ganz auf ihre Lebensgemeinschaft zugeschnitten. Beide wurden bereits gemeinsam angeworben, im „Agenten-Antrag“ wurden beide Personen genannt, ebenso im Antrag auf „Umschreibung“ der „Geschäftspartnerschaft“ im Jahr 2001. Sie bildeten ferner eine „Teampartnerschaft“, die nach den Vertragsbedingungen nur Ehe- und Lebenspartnern offen stand. Die erwirtschafteten Einkünfte wurden zur Bestreitung des „Familienunterhalts“ verwendet. Mit der Beendigung der Lebensgemeinschaft stellte der Kläger die für die Gesellschaft ausgeübten Tätigkeiten zur Gänze ein. Dass dies von der Beklagten „erzwungen“ worden wäre, wie der Kläger in der Revision behauptet, steht nicht fest. Die Beklagte beendete ihrerseits die „Teampartnerschaft“ des Klägers. Statt dessen verfügt der Kläger nun über eine eigene „Geschäftspartnerschaft“.
Unter diesen konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls wirft die zweitinstanzliche Beurteilung, die Gesellschaft sei mit der Beendigung der Lebensgemeinschaft aufgelöst worden, keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
3. Der Kläger stützt sich auf allgemeine Auslegungsgrundsätze und meint, redliche und vernünftige Parteien hätten für den ‑ von den Streitteilen nicht bedachten ‑ Fall der Auflösung ihrer Lebensgemeinschaft vereinbart, dass die im Jahr 2001 nur aus steuerlichen Gründen vorgenommene „Umschreibung“ der „Geschäftspartnerschaft“ mit der A***** Gesellschaft m.b.H. vom Kläger auf die Beklagte wieder rückgängig gemacht werde.
Dieses Auslegungsergebnis ist aber keineswegs zwingend. Nach einer Feststellung des Erstgerichts erfolgte die „Umschreibung“ auf die Beklagte in ‑ offenbar analoger ‑ Anwendung der Regel D-6 des „Geschäftspartnerhandbuchs“ (Beilage ./A), nach welcher der Eintritt in das „Geschäftspartnerverhältnis“ grundsätzlich nur Ehegatten gestattet ist, während in allen anderen Fällen „ausschließlich“ die Bestimmungen zum Verkauf einer „Geschäftspartnerschaft“ gemäß Regel D-7 gelten (so auch Punkt 6.5 der Geschäftsbedingungen).
Nach dieser Vertragslage käme aber nach Ehescheidung oder Auflösung der Lebensgemeinschaft die Rückübertragung der „Geschäftspartnerschaft“, wie sie hier vom Kläger angestrebt wird, mangels Vorliegens der für eine (neuerliche) „Umschreibung“ geforderten Voraussetzung einer aufrechten Ehe oder Lebensgemeinschaft nicht mehr in Betracht. Schon aus diesem Grund wirft es keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, wenn sich das Berufungsgericht zu einer ‑ in der Berufung überdies gar nicht geltend gemachten ‑ ergänzenden Vertragsauslegung im Sinne der nunmehrigen Revisionsausführungen nicht veranlasst sah. Dass die Streitteile im Jahr 2001 von einer allenfalls abweichenden Geschäftspraxis der A***** Gesellschaft m.b.H. Kenntnis hatten, geht aus den Feststellungen nicht hervor.
II. Zur Revision der Beklagten:
1. Die Lebensgemeinschaft der Streitteile wurde mit deren „endgültigen Trennung“ am 31. 10. 2010 beendet. Die Beklagte lässt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass damit auch die zwischen den Streitteilen seit dem Jahr 1993 bestehende GesbR aufgelöst wurde, unbekämpft. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung, dass die Auflösung einer GesbR zunächst zu einer Umwandlung in eine schlichte Rechtsgemeinschaft führt, die solange besteht, bis sie durch Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens beendet wird (3 Ob 247/00w; 3 Ob 29/04t; 7 Ob 150/09y; 5 Ob 209/11p; RIS‑Justiz RS0112712, RS0114988).
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, zwischen den Streitteilen bestehe eine schlichte Rechtsgemeinschaft, stimmt mit dieser Rechtsprechung überein. Die Revisionsbehauptung der Beklagten, es bestehe kein gemeinschaftliches Vermögen mehr, vernachlässigt, dass die (veräußerbare) „Geschäftspartnerschaft“ samt der gemeinsam geschaffenen Vertriebsstruktur selbst solches Vermögen repräsentiert.
2. Anspruchsgrundlage für das Begehren auf Rechnungslegung (als Teil einer Stufenklage nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO) ist für die Zeit bis zur Auflösung der GesbR § 1198 ABGB (SZ 27/157; 7 Ob 150/09y; RIS‑Justiz RS0029105). Aus § 1199 Satz 3 ABGB ergibt sich überdies ein umfassendes Bucheinsichtsrecht, dessen Grenze das Schikaneverbot bildet (vgl RIS‑Justiz RS0022121, RS0022130; Riedler aaO § 1199 Rz 3). Die Pflicht zur Rechnungslegung wird auch durch die Auflösung der Gesellschaft nicht berührt (3 Ob 192/60 = RZ 1961, 13; 7 Ob 150/09y).
Die Beklagte vermag in ihrem Rechtsmittel nicht schlüssig darzulegen, aus welchen Gründen sie zur Verweigerung der Rechnungslegung über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und der Bucheinsicht für den Zeitraum von März 2009 bis einschließlich Oktober 2010 berechtigt sein soll. Einen Schikaneeinwand hat sie nicht erhoben.
3. Die Meinung der Beklagten, sie führe seit Ende Oktober 2010 ein „eigenes“ Unternehmen, spricht nicht gegen die von den Vorinstanzen auch für diesen Zeitraum bejahte Rechnungslegungspflicht:
Das Berufungsgericht hat diese Verpflichtung primär damit begründet, dass die Beklagte als Geschäftsführerin ohne Auftrag anzusehen sei (vgl § 1039 ABGB). Damit folgte es jener Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, nach der ein ehemaliger Gesellschafter, der nach Auflösung der Gesellschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung der (des) anderen Gesellschafter(s) das Unternehmen weiterführt, nicht mehr auf gemeinsame Rechnung und zum gemeinsamen Nutzen, sondern auf eigene Rechnung handelt und insoweit, als er dabei das im Mit- oder Alleineigentum der (des) anderen stehende Gesellschaftsvermögen verwendet (hier also etwa die „Geschäftspartnerschaft“ samt der gemeinsam geschaffenen Vertriebsstruktur), als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird (vgl SZ 23/48; 3 Ob 125/60; 7 Ob 247/62; auch 5 Ob 555/76; RIS‑Justiz RS0022091, RS0024982; Grillberger in Rummel , ABGB³ II/1, § 1215 Rz 4; Jabornegg/Resch aaO § 1215 Rz 3).
Mit ihrem (einzigen) Einwand gegen diese Begründung, es mangle im vorliegenden Fall an einer entsprechenden „Entscheidungsgrundlage“, zeigt die Beklagte abermals keine korrekturbedürftige Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht auf.
4. Es trifft zwar zu, dass der Kläger seinem Klagebegehren den Fortbestand der GesbR zugrunde legte. Er hat in erster Instanz seine Ansprüche aber auch daraus abgeleitet, dass die „pyramidenartigen Vorteile“ aus dem Aufbau der Vertriebsstruktur selbst ohne weitere Entwicklungstätigkeit weiter fort wirken würden (AS 112). Das kann auch zutreffen, wenn trotz Auflösung der Gesellschaft einer der Gesellschafter aus der bestehenden Vertriebsstruktur weiterhin den Nutzen zieht.
Wenn sich daher die Vorinstanzen zur Stattgebung des Rechnungslegungsbegehrens auch für den an die Auflösung der Gesellschaft anschließenden Zeitraum für befugt erachteten, geschah dies in vertretbarer Auslegung des erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt auch insoweit nicht vor.
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