OGH 14Os39/14p

OGH14Os39/14p6.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung der Carmen H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 27. Jänner 2014, GZ 38 Hv 95/13f‑43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung der Carmen H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat sie am 30. Oktober 2013 in K***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer rezidivierend schizoaffektiven Psychose in manisch depressivem Mischzustand mit begleitender paranoid-psychotischer Symptomatik, beruht, die Mitarbeiterin des Jugendamts beim Magistrat der Stadt K*****, Barbara M*****, durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur aktiven Intervention in Bezug auf die aktuellen Streitigkeiten der Betroffenen mit ihren beiden minderjährigen Kindern zu nötigen versucht, indem sie telefonisch ankündigte, die Kinder widrigenfalls zu töten, und dadurch das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus dem Grund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen verfehlt ihr Ziel.

Die Behauptung, dass im hier vorliegenden Fall für die Annahme eines § 74 Abs 1 Z 5 vorletzter Fall StGB entsprechenden Verhältnisses zwischen der Genötigten (einer Mitarbeiterin des mit der Betreuung der Familie betrauten zuständigen Jugendamts; US 3, 5 f, 8) und denjenigen, gegen die sich das angedrohte Übel richtete (den minderjährigen Kindern der Betroffenen), sohin für die rechtliche Beurteilung der inkriminierten Äußerung als gefährliche Drohung, eine ‑ indes nicht festgestellte ‑ Übertragung der Obsorge für die Minderjährigen an das Jugendamt durch Beschluss des zuständigen Pflegschaftsgerichts erforderlich gewesen wäre, leitet die Beschwerde nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Mit Blick auf § 290 StPO bleibt anzumerken, dass der Begriff der Schutzbefohlenen nicht allein im Sinn des Personenrechts des ABGB (oder der Vorschriften über die Aufgaben von Sicherheitsorganen), sondern ‑ unabhängig von einer im Gesetz keineswegs verlangten rechtlichen Basis ‑ im Sinn wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Gegebenheiten und einer sich daraus ergebenden Verantwortung auszulegen ist (Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 27; vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0106586, RS0092432). An einer solchen Verantwortung einer Mitarbeiterin des Jugendamts für das Wohl der in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnhaften und (bereits seit etwa 2002) betreuten minderjährigen Kinder aber kann nicht ernsthaft gezweifelt werden.

Weshalb in Bezug auf die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite der Gebrauch von verba legalia ‑ unter konkretem, von der Beschwerde prozessordnungswidrig bloß zum Teil zitiertem Sachverhaltsbezug (US 3, 6, 9) ‑ als Tatsachengrundlage für die vorgenommene Subsumtion ungenügend sein soll, und es ‑ neben den Konstatierungen zur Intention der Betroffenen und ihrem Wissen um die jahrelange Betreuung ihrer Familie durch das von ihr kontaktierte Jugendamt (US 3, 5, 8 f) ‑ weiterer Feststellungen dazu bedurft hätte, dass sich ihr Vorsatz auch auf dieses Schutzbefohlenenverhältnis bezog, lässt die Rüge gleichfalls offen (RIS-Justiz RS0099620, RS0095939).

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass der Vorsatz des Täters zwar alle Tatbildelemente in ihrem sozialen Bedeutungsinhalt umfassen muss. Dabei genügt aber (bei deskriptiven wie bei normativen Tatbestandsmerkmalen) eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“; genauer juristischer Kenntnisse bedarf es nicht (vgl Fabrizy, StGB11 § 5 Rz 3; Kienapfel/Höpfel/Kert AT14 Z 11 Rz 11; Reindl in WK² StGB § 5 Rz 12; 11 Os 46/13v, 11 Os 40/12k; RIS‑Justiz RS0114316).

Entgegen dem weiteren Einwand (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 11 zweiter Fall: RIS‑Justiz RS0090372; Ratz in WK² StGB Vor §§ 21‑25 Rz 8) haben die Tatrichter hohe Wahrscheinlichkeit künftiger Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen mit schweren Folgen durch die in der Beschwerde (teilweise) wiedergegebenen Urteilsannahmen (US 5 iVm US 10 f) ausdrücklich bejaht und die konstatierten Prognosetaten („gefährliche Drohungen mit dem Tode oder/und schwere Körperverletzungen“; US 5) zutreffend als solche mit schweren Folgen beurteilt (vgl dazu RIS-Justiz RS0116500).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Stichworte