OGH 7Ob18/14v

OGH7Ob18/14v22.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. A***** K*****, 2. T***** L*****, beide: *****, beide vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, und der Nebenintervenienten 1. DI A***** H*****, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte in Graz, und 2. Gemeinde ***** L*****, vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Werner Purr, Rechtsanwalt in Graz, wegen 263.112,86 EUR sA und Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Parteien und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. November 2013, GZ 3 R 203/13t‑92, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zur außerordentlichen Revision der Kläger:

Die Zulassungsbeschwerde beruft sich zum einen darauf, ein Mitverschulden scheide schon wegen mangelnder fachlicher Kenntnisse des Geschäftsführers der Bauträgerin (J***** N*****) aus, zum andern wird geltend gemacht, der Oberste Gerichtshof habe zu 4 Ob 137/11t offen gelassen, ob ein Werkbesteller verpflichtetet sei, einen fachgerecht ausgearbeiteten Plan vorzulegen, wenn der Werkunternehmer das Werk nach ihm übergebenen Plänen auszuführen habe, und sich auch später zu dieser Rechtsfrage nicht geäußert.

Damit werden keine nach § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat für die Erstellung eines Werks auf Grund vorhandener Pläne der Besteller dem Unternehmer „taugliche Pläne“ zur Verfügung zu stellen (RIS-Justiz RS0021646). Aus der jüngeren Rechtsprechung, wonach ein Verschulden eines sachverständigen Gehilfen dem Werkbesteller nur zuzurechnen ist, wenn der Werkbesteller Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die auf Grund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den Werkbesteller selbst treffen oder die er nachträglich übernommen hat (RIS-Justiz RS0021766 [T3]; 5 Ob 16/13h mwN), ist für den Standpunkt der Kläger ebenfalls nichts zu gewinnen; wurde doch die sich damit stellende Vorfrage, ob der Werkbesteller eine ihn selbst treffende Pflicht oder Obliegenheit verletzte, durch die zu RIS-Justiz RS0021646 zitierten Entscheidungen ‑ gerade für die hier vorliegende Konstellation ‑ bereits eindeutig beantwortet:

Vom Werkbesteller dem Werkunternehmer zur Verfügung gestellte Pläne sind „Stoff“ im Sinn des § 1168a ABGB (2 Ob 185/10k mwN; RIS-Justiz RS0022045 [T17]; RS0022075 [T3]). Wenn der Besteller dem Unternehmer nicht nur das Ziel ‑ also das herzustellende Werk ‑ vorgibt, sondern auch die Art der Herstellung konkret und verbindlich vorschreibt, wird eine Anweisung erteilt (5 Ob 16/13h; vgl auch 6 Ob 120/10f), mit der der Besteller die Festlegung des Herstellungsprozesses zu seiner Sache macht und damit eine Tätigkeit übernimmt, die üblicherweise dem Unternehmer zukommt (5 Ob 16/13h mwN).

In solchen Fällen hat der Werkbesteller für die Tauglichkeit des von ihm zur Verfügung gestellten Planes einzustehen: Treffen ihn solche Mitwirkungspflichten, muss er sich auch Fehler jener fachkundigen Vorunternehmer anrechnen lassen, die ihm untauglichen Stoff oder unrichtige Pläne und Gutachten geliefert haben (5 Ob 16/13h mit Hinweis auf § 1313a ABGB). Ob und inwiefern der Werkunternehmer die Planung zu überprüfen hatte, ob also auch er das Misslingen des Werks aufgrund eines falschen Planes zu verantworten hat, ist eine andere Frage und Thema des § 1168a ABGB.

Da die ständige Rechtsprechung die von den Revisionswerbern aufgeworfene Rechtsfrage (wenn auch nicht zu 4 Ob 137/11t, sondern) bereits im Rechtssatz RIS-Justiz RS0021646 und auch zuletzt (in der auch von den Klägern zitierten Entscheidung 5 Ob 16/13h) eindeutig beantwortet hat, ist daraus keine Zulässigkeit des außerordentlichen Rechtsmittels abzuleiten. Auch die übrigen Ausführungen zur Revisionszulässigkeit zeigen eine in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage nicht auf:

Welche Sorgfaltspflicht (§ 1299 ABGB) bei einem bestimmten Arbeitsvorgang einzuhalten ist, stellt schon angesichts der Einzelfallbezogenheit dieser Frage keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (3 Ob 222/04z). Dies muss auch für die Frage gelten, ob einer bestimmten juristischen oder natürlichen Person in einer bestimmten Hinsicht Sachverständigeneigenschaft zukommt oder nicht. Im vorliegenden Fall ist die Einstufung der Bauträgerin als Sachverständige jedenfalls vertretbar, weil derjenige, der eine besondere Tätigkeit ausübt, auch dafür einstehen muss, dass er die nötigen Fähigkeiten hat (RIS‑Justiz RS0026557) und demnach als Sachverständiger anzusehen ist. Es stellt daher jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar, die Bauträgerin hinsichtlich des von ihr bereitgestellten Einreichplans als Sachverständige zu qualifizieren. Dass sich das Berufungsgericht bei dieser Beurteilung von den Feststellungen des Erstgerichts entfernt hätte, ist nicht ersichtlich.

Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:

Die Beklagte begründet das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und damit die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision wie folgt:

Zur Rechtsfrage, in welchem Umfang der Werkunternehmer Einwendungen gegen den Bauherrn infolge übergegangener Ansprüche erheben könne, und zu der Fallkonstellation der Warnpflicht, wonach sich der Bauträger eines Sachverständigen bei der Planung und Ausführung bediene und eine unrichtige behördliche Baubewilligung erteilt worden sei, lägen keine Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vor. Das bekämpfte Urteil weiche von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Entfall der Warnpflicht ab (vgl 2 Ob 277/08m).

Dem ist zu erwidern:

Die Frage, ob im Einzelfall das Unterbleiben der Aufklärung über einen ‑ bei vorauszusetzender Sachkunde - erkennbaren Umstand eine schuldhafte, haftungsbegründende Warnpflichtverletzung darstellt, bildet wegen der Kasuistik der Fallgestaltung keine allgemein bedeutsame Frage des materiellen Rechts, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme (RIS-Justiz RS0116074; 7 Ob 119/13w). Auch der Umfang der Warnpflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und begründet daher ebenso wenig eine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0116074 [T1 und T2]).

Soweit die außerordentliche Revision von einer „unrichtigen baubehördlichen Baubewilligung“ ausgeht, ist darauf nicht weiter einzugehen, weil sich die Beklagte insoweit vom festgestellten Sachverhalt entfernt. Gleiches gilt für die Ausführungen, DI H***** hätte bereits zum Zeitpunkt der früheren Errichtung zweier Häuser am selben Hang (infolge Einschreitens derselben Mitarbeiterin: DI J***** P*****) auffallen müssen, dass ‑ entgegen den baubehördlichen Auflagen ‑ eine Flachgründung erfolgt sei, und für die weitere Behauptung, dass der Schaden zur Gänze verhindert worden wäre, wenn DI H***** eine solche Warnung ausgesprochen hätte. Insoweit ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Demgemäß ist auch die Entscheidung, auf die sich die Beklagte in der Zulassungsbeschwerde beruft, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar (2 Ob 277/08m): Der dortigen Klägerin war nämlich bewusst, dass ohne baubehördliche Bewilligung, um die sie ja angesucht hatte, nicht mit der Bauführung begonnen werden durfte. Sie musste auch jedenfalls damit rechnen, dass im Fall der Versagung der Bewilligung die Baueinstellung und sogar der Abbruch des konsenslos errichteten Gebäudes drohte, weshalb im Hinblick auf diese jedem Bauwerber einsichtigen Risiken an die Warnpflicht der dort zweitbeklagten Partei keine allzu hohen Anforderungen zu stellen waren.

Im vorliegenden Fall steht die Auffassung der Beklagten, es könne sie gegenüber der sachverständigen Werkbestellerin keine Verletzung der Warnpflicht treffen, im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl jüngst 5 Ob 16/13h) und zur herrschenden Lehre (Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.01 § 1168a Rz 61; Krejci in Rummel³, § 1168a Rz 32; Rebhahn in Schwimann³ § 1168 Rz 15), die übereinstimmend von einer Warnpflicht ‑ auch gegenüber sachverständigen Werkbestellern ‑ ausgehen.

Beide außerordentliche Revisionen sind daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen, was nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.

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