OGH 10ObS16/14x

OGH10ObS16/14x25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Claudia Gründel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei N*****, vertreten durch Mag. Felix Kandler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist-Straße 1, wegen Witwenpension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2013, GZ 7 Rs 134/13x‑39, womit das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 30. Oktober 2012, GZ 27 Cgs 135/12h‑28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00016.14X.0325.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Witwenpension mit dem Vorbringen, sie habe 2006 in Israel mit dem bei der beklagten Partei versicherten F***** M***** H***** (in der Folge nur mehr: „Versicherter“) eine Partnerschaftsvereinbarung abgeschlossen, die nach dessen Tod vom Gericht und dem Sozialamt in Israel anerkannt worden sei. Wenngleich nach israelischem Recht allein das Institut der religiös‑rechtlichen Ehe bestehe und das Institut der zivilrechtlichen Ehe unbekannt sei, sei eine verschiedengeschlechtliche Partnerschaft, wie sie zwischen ihr und dem Versicherten bestanden habe, als Ersatz für das fehlende Institut der zivilen Ehe anerkannt und stehe der Ehe gleich. Sie und der Versicherte hätten nur deshalb eine andere Form der Ehe gewählt, weil sie die religiöse Ehe nicht schließen konnten oder wollten.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Eine Eheschließung habe nicht stattgefunden, weshalb sich die Klägerin nicht im Personalstand einer Witwe befinde, wie dies von § 258 ASVG verlangt werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf zusammengefasst folgende Feststellungen:

Der 1922 geborene Versicherte bezog seit 1985 eine österreichische Invaliditätspension. Er lebte in Israel. Am 30. 6. 2006 schloss er dort mit der 1927 geborenen Klägerin einen schriftlichen Lebensgemeinschaftsvertrag. In diesem vereinbarten die Partner ua, dass sie keinerlei Forderungen im Hinblick auf Unterhalt stellen oder stellen werden, dass Gütertrennung für das bestehende und auch zukünftige Eigentum und Vermögen der Partner gelte und dass jeder Partner das Recht hat, einseitig über das Ende der Beziehung zu entscheiden. Weiters war vereinbart, dass der Versicherte an die Klägerin monatlich (umgerechnet) 894 EUR für gemeinsames Wirtschaften und die laufenden Kosten der Wohnung überweist. Der Lebensgemeinschaftsvertrag wurde nicht von Zeugen unterschrieben, er wurde zu Lebzeiten auch nicht notariell beglaubigt. Am 1. 1. 2011 verstarb der Versicherte. Am 9. 1. 2011 teilte das National Insurance Institute der Klägerin in Beantwortung deren Ansuchens mit, basierend auf den eingereichten Dokumenten sei beschlossen worden, sie als öffentlich eingetragene Partnerin des Verstorbenen ab Datum des zwischen ihr und diesem abgeschlossenen Finanzvertrags anzuerkennen. Das lokale Arbeitsgericht Tel‑Aviv‑Jaffa fasste am 5. April 2011 in einem von der Klägerin gegen die „Versicherer Sozialversicherungsanstalt der Arbeiter GmbH“ angestrengten Verfahren das Urteil, dass die Klägerin die Lebensgefährtin des Verstorbenen gewesen sei und sie an den daraus resultierenden Rechten entsprechend den Gesellschaftssatzungen der „Versicherer Sozialversicherungsanstalt der Arbeiter GmbH“ anspruchsberechtigt sei.

Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, die Ermittlung des israelischen Rechts habe erbracht, dass es in Israel keine zivile Eheschließung gebe, sondern die Eheschließung nach dem jeweiligen religiösen Recht der Brautleute vor der religiösen Eheschließungsbehörde zu erfolgen habe; die Eheschließung von Juden somit nach Aufgebot vor dem Rabbiner, der nach der Trauung eine Eheschließungskurkunde erteile. Es bedeute keine Durchbrechung des Grundsatzes des Erfordernisses der religiösen Eheschließung, wenn einige in Israel geltende Gesetze Bestimmungen enthielten, die einzelne Vermögensrechte (wie zB Pensions‑ oder Erbansprüche nach dem Tod eines der Partner) auch in freier Gemeinschaft miteinander lebenden (verschiedengeschlechtlichen) Partnern zuerkennen. Die Partnerschaft der Klägerin mit dem Versicherten begründe daher für den österreichischen Rechtsbereich nicht die Rechtswirkungen einer Ehe. Der Klägerin komme somit der Personenstand einer Witwe iSd § 258 ASVG nicht zu, was aber Voraussetzung für den Anspruch auf Witwenpension wäre. Für einen Partner einer verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, die nicht Ehe sei, sei im österreichischen Recht kein Anspruch auf Hinterbliebenenpension vorgesehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und billigte diese Rechtsansicht. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin wäre nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängig wäre, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist oder eine solche Rechtsprechung fehlt (§ 502 Abs 1 ZPO). Ist fremdes Recht maßgeblich, ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO lediglich dann zulässig, wenn durch eine Abweichung der inländischen Gerichte von gefestigter fremder Lehre und Rechtsprechung die Rechtssicherheit gefährdet wird. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat allerdings nicht die Aufgabe, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten, weil ihm insoweit nicht die dem § 502 Abs 1 ZPO zugrundegelegte Leitfunktion zukommt (RIS‑Justiz RS0042940 und RS0042948).

Einen Fehler bei Ermittlung des israelischen Rechts zeigt das Rechtsmittel allerdings nicht auf.

Die Hinterbliebenenpension nach § 258 ASVG soll den Unterhaltsausfall ersetzen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entsteht (RIS‑Justiz RS0117422). Es sollen daher nach dem Zweck und ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes (§ 258 ASVG) nur Ehegatten bzw seit 1. 1. 2010 auch eingetragene (gleichgeschlechtliche) PartnerInnen (vgl § 259 ASVG idF BGBl I 2009/135) unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Hinterbliebenenpension haben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die bloße ‑ wenn auch noch so lange und bis zum Tod des Versicherten dauernde ‑ nichteheliche Lebensgemeinschaft mit einem Versicherten im Sinn eines eheähnlichen Zustands, der dem typischen Erscheinungsbild des Zusammenlebens von Ehegatten entspricht, nach dem Tod des Versicherten keinen Anspruch auf Witwenpension eröffnet (RIS‑Justiz RS0085158). Da die Hinterbliebenenpension Ersatz für den Entfall einer Unterhaltsleistung sein soll und zwischen Lebensgefährten keine Unterhaltsverpflichtung besteht (RIS‑Justiz RS0116507 [T3]), hat ein (bloßer) Lebensgefährte beim Tod des Versicherten keinen Anspruch auf Hinterbliebenenpension (10 ObS 2/06a, SSV‑NF 20/8). Es stellt sich daher die Frage, ob die von der Revisionswerberin mit dem Versicherten 2006 in Israel eingegangene Verbindung für den österreichischen Rechtsbereich als Ehe rechtswirksam ist, oder es sich um eine Lebensgemeinschaft handelt, die nach § 258 ASVG keinen Anspruch auf Witwenpension eröffnet.

Dazu ist auszuführen:

1. § 16 IPRG (Formstatut) regelt, in welcher Form eine Ehe geschlossen werden muss, um für den österreichischen Rechtsbereich Wirksamkeit zu entfalten. Unter „Form“ ist die Art und Weise zu verstehen, in der die Ehekonsenserklärung zu erfolgen hat, also der äußere Ablauf des Eheschließungsakts. Dazu zählen insbesondere die Mitwirkung (und Bestimmung) des Trauungsorgans und von Zeugen sowie die Beurkundung, aber auch die Anwesenheitspflicht bzw die Möglichkeit einer Ferntrauung (Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, 02.20). Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschrift des Ortes der Eheschließung (§ 16 Abs 2 IPRG; RIS‑Justiz RS0127050).

2.1. Wie bereits die Vorinstanzen ausgeführt haben, gilt in Israel kein einheitliches Eherecht für die Gesamtbevölkerung, sondern besteht die Notwendigkeit der religiösen Eheschließung (Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, 02.25; Staudinger Art 13 EGBGB Rz 668 mN aus der dt.Rspr). Eheschließungen in Israel sind demnach nur nach religiösem Recht vollziehbar. Sie erfolgen vor der religiösen Behörde (dem Geistlichen) der Verlobten und gemäß deren religiösem Recht. Eine zivile Eheschließung ist nicht möglich (Margalith/Assan in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe‑ und Kindschaftsrecht, Israel [Stand 30. 11. 2012] 28; 44). Für Konfessionslose wurde mit dem Gesetz vom 22. 3. 2010 über das Partnerschaftsbündnis von Konfessionslosen, 5770-2010 erstmals die Möglichkeit geschaffen, eine Partnerschaft einzugehen, die nach Eintragung durch einen Registerbeamten in ihren Wirkungen weitgehend einer Ehe gleich kommt (Margalith/Assan in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe‑ und Kindschaftsrecht, Israel [Stand 30. 11. 2012] 57f).

2.2. Auf die Einhaltung aller mit einer Eheschließung verbundenen religionsgesetzlichen Vorschriften für Juden achtet der Ortsrabbiner. Die Form der Eheschließung geschieht mit der Antrauung der Frau in Gegenwart von Zeugen durch Anstecken eines Ringes an den Zeigefinger ihrer rechten Hand unter einem über den Köpfen der Brautleute ausgebreiteten Trauhimmel oder Gebetsmantel. Nach der Eheschließung wird jedem der Eheleute von der religiösen Eheschließungsbehörde eine Eheschließungsurkunde erteilt (Margalith/Assan in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe‑ und Kindschaftsrecht, Israel [Stand 30. 11. 2012] 49).

2.3. Dass diese Form der Eheschließung oder auch jene einer anderen Religionsgemeinschaft eingehalten worden wäre, behauptet die Revisionswerberin nicht. Sie bringt auch nicht vor, dass der von ihr 2006 abgeschlossene Lebensgemeinschaftsvertrag in den zeitlichen Anwendungsbereich des Gesetzes über das Partnerschaftsbündnis von Konfessionslosen falle und die weiteren Voraussetzungen nach diesem Gesetz erfüllt wären (Eintragung als konfessionslos im Bevölkerungsregister, persönliches Erscheinen beider Partner vor dem Registerbeamten, die dabei ihren Willen zur Eingehung eines Partnerschaftsbündnisses erklären, Eintragung durch den Beamten). Es wird von der Revisionswerberin auch nicht mehr geltend gemacht, dass ihr und dem Versicherten die Eingehung einer religiösen Ehe nicht möglich gewesen wäre.

3.1. Im Hinblick darauf, dass in Israel keine Zivilehe existiert, ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft zu einer weitgehend gleichwertigen Alternative geworden. Nichteheliche Lebensgemeinschaften sind mittlerweile der Ehe weitgehend gleichgestellt. Bei derartigen Lebensgemeinschaften besteht grundsätzlich die Vermutung der Gütergemeinschaft, das Recht auf Annahme des Nachnamens des nichtehelichen Lebenspartners, das Recht zur gesetzlichen Erbfolge und auf Unterhalt aus dem Nachlass. Ein genereller Unterhaltsanspruch existiert nicht, er kann jedoch vertraglich geregelt werden (Walter Homolka, Das Jüdische Eherecht [2009], 27f).

3.2. Wie bereits die Vorinstanzen ausgeführt haben, stellt die Gewährung von Ansprüchen ‑ wie zB von Erb‑ oder auch Pensionsansprüchen ‑ aber keine Durchbrechung des Grundsatzes der alleinigen Anerkennung der religiösen Eheschließung dar. Diese Bestimmungen sind als Spezialregelungen zu verstehen, die nicht analog auf andere Rechtsgebiete angewendet werden können. Es handelt sich nicht um eherechtliche, sondern nur um vermögensrechtliche Vorschriften, die unter bestimmten Voraussetzungen ein Vermögensrecht zusprechen, das sonst nur einem Ehepartner zusteht (Margalith/Assan in Bergmann /Ferid, Internationales Ehe‑ und Kindschaftsrecht, Israel [Stand 30. 11. 2012] 58 f; Walter Homolka, Das Jüdische Eherecht, 27f). Den Revisionsausführungen, es gäbe nach israelischem Recht zwei frei wählbare „Arten der Eheschließung“, kann demnach nicht gefolgt werden, bietet doch die freie nichteheliche Lebensgemeinschaft nur eine Alternative zur Eheschließung, stellt aber keine Eheschließung dar. Auch mit ihrem Hinweis auf die im Lebensgemeinschaftsvertrag enthaltene Zahlungsverpflichtung des Versicherten für Wohnung und gemeinsames Wirtschaften und die Anerkennung dieses Vertrags durch die israelischen Behörden zeigt die Revisionswerberin keine den Vorinstanzen bei Ermittlung des israelischen Rechts unterlaufene erhebliche Fehlbeurteilung auf, die eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof notwendig macht. Das ASVG bietet auch keine Handhabe dafür, auf die Gründe Bedacht zu nehmen, die eine Eheschließung verhindert haben (10 ObS 262/94, SSV‑NF 8/121).

4. Gegen die Anknüpfung des Anspruchs auf Hinterbliebenenpension nach den §§ 258 f ASVG an die mit einer Unterhaltspflicht verbundene Ehe (bzw eingetragene Partnerschaft) bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (10 ObS 123/08y, SSV‑NF 22/78 ua).

Die außerordentliche Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.

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