OGH 2Ob79/13a

OGH2Ob79/13a17.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Kalivoda, Dr. Veith, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde A*****, vertreten durch Mag. Hannes Arneitz, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei „K*****“ *****, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Walter Suppan, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 31.029,42 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse: 50.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2013, GZ 7 R 46/12g‑16, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 25. Juni 2012, GZ 26 Cg 119/11p‑12, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00079.13A.0317.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst wird zu Recht erkannt, dass das Urteil einschließlich seines bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten hat:

„Das Klagebegehren,

1. es werde mit Wirkung zwischen klagender und beklagter Partei festgestellt, dass die in den Baurechtsverträgen vom 8. 7. 1981 zu Punkt V, vom 26. 6. 1987 zu Punkt VI und vom 8. 9. 1996 zu Punkt V von der klagenden Partei eingegangene Ausfallshaftung für die nicht zur Vergabe kommenden Wohnungen gegenüber der klagenden Partei mangels zwingend erforderlicher aufsichtsbehördlicher Genehmigung gemäß § 104 K-AGO durch die Kärntner Landesregierung rechtsunwirksam sei, und

2. die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 31.029,42 EUR samt 4 % Zinsen aus 1.205,86 EUR seit 1. 1. 2003, aus 1.487,82 EUR seit 1. 1. 2004, aus 4.891,80 EUR seit 1. 1. 2005, aus 6.384,49 EUR seit 1. 1. 2006, aus 7.708,95 EUR seit 1. 1. 2007, aus 6.029,09 EUR seit 1. 1. 2008, aus 1.874,86 EUR seit 1. 1. 2009, aus 356,14 EUR seit 1. 1. 2010 und aus 1.090,41 EUR seit 1. 1. 2011 zu bezahlen,

wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 18.338,10 EUR (darin 2.407,85 EUR USt und 3.891 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die klagende Gemeinde wollte in den 1980er und 1990er Jahren Wohnraum schaffen, um eine Abwanderung aus den ohnehin bevölkerungsschwachen Gebieten zu unterbinden. Zu diesem Zweck schloss sie mit der beklagten Partei im Juli 1981, Juni/Juli 1987 und September 1996 Baurechtsverträge. In diesen wurde der beklagten Partei jeweils für die Dauer von 80 Jahren ein Baurecht an im Eigentum der klagenden Partei stehenden Grundstücken bestellt, das in der Folge verbüchert wurde. Mit Erlöschen des Baurechts durch Ablauf der vereinbarten Frist gehen die Bauwerke in das Eigentum der klagenden Partei über.

In allen Baurechtsverträgen wurde vereinbart, dass der klagenden Partei das alleinige „Einweisungsrecht“ bei der Vergabe der zu errichtenden Wohnungen zukommen soll. Die beklagte Partei verpflichtete sich, die Wohnungen nur an jene Personen zu vermieten, die ihr von der klagenden Partei namhaft gemacht werden. Dafür übernahm die klagende Partei die „volle Ausfallshaftung“ für den Fall, dass sich nicht für sämtliche Wohnungen Bewerber (Interessenten) finden oder Wohnungen nach Auflösung des Mietverhältnisses leer stehen sollten. Die klagende Partei übernahm sämtliche damit verbundene Kosten, insbesondere anteilige Baukosten, Steuern, öffentliche Abgaben, Instandhaltungs‑ und Verwaltungskosten, Betriebskosten, Heizkosten und anteilige Tilgungsbeträge. Die beklagte Partei hatte im Hinblick auf das Einweisungsrecht auf der Ausfallshaftung bestanden. Sie errichtete die Wohnanlagen nur deshalb, weil die klagende Partei die Ausfallshaftung übernahm.

Die vom Gemeinderat genehmigten Verträge wurden von „der Landesregierung“ (als Aufsichtsbehörde) „rechtlich geprüft“, „eine Genehmigung nach § 104 K‑AGO erfolgte nicht.“ Die klagende Partei wurde aber auch nicht auf das Erfordernis einer Genehmigung hingewiesen.

Bis in das Jahr 2001 waren die 48 errichteten Wohnungen durchgehend vermietet, ab 2002 wurde die Ausfallshaftung ‑ zunächst nur mit geringen Beträgen ‑ schlagend. Als sich der an die beklagte Partei zu entrichtende Betrag im Jahr 2004 auf knapp 10.000 EUR erhöhte, wurde die Aufsichtsbehörde bei Prüfung des Rechnungsabschlusses der klagenden Partei auf diesen Rechnungsposten aufmerksam. Ein von der klagenden Partei am 4. 11. 2005 gestelltes Ansuchen auf nachträgliche aufsichtsbehördliche Genehmigung beantwortete die Aufsichtsbehörde mit Schreiben vom 23. 11. 2005 dahin, dass eine solche nicht mehr möglich sei. Im April 2006 fanden deshalb Gespräche mit der beklagten Partei statt, die aber keine endgültige Klärung brachten.

Im Jahr 2008 ersuchte die klagende Partei um „rechtliche Prüfung“ des Baurechtsvertrags aus dem Jahr 1981 und erhielt vom Amt der Landesregierung unter Hinweis auf ein (im Prozess nicht vorgelegtes) Rechtsgutachten die Auskunft, dass eine Haftungsübernahme ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde rechtsunwirksam sei.

Am 10. 2. 2012, bereits während des Rechtsstreits, stellte die klagende Partei an die Aufsichtsbehörde den Antrag auf Ausfertigung eines Bescheids, der am 29. 2. 2012 erlassen wurde und in Rechtskraft erwuchs. Der Spruch des Bescheids lautet:

Dem Antrag der Gemeinde […] vom 4. 11. 2005 auf nachträgliche Genehmigung von Haftungsübernahmen in Form von Baurechtsverträgen mit der […] wird gemäß § 104 Abs 1 lit b in Verbindung mit Abs 4 der K‑AGO, LGBl Nr. 66/1998, idgF, keine aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt. Der Antrag der Gemeinde […] wird somit abgewiesen.

Jedenfalls bis einschließlich 2010 wurden die aus der Ausfallshaftung anfallenden Beträge an die beklagte Partei bezahlt.

Die klagende Partei begehrte mit ihrer am 8. 8. 2011 beim Erstgericht eingebrachten Klage die Feststellung, dass die mit der beklagten Partei vereinbarte Ausfallshaftung mangels aufsichtsbehördlicher Genehmigung rechtsunwirksam sei, sowie die Zahlung von 31.029,42 EUR sA.

Sie brachte vor, die Übernahme der Ausfallshaftung hätte zu ihrer Wirksamkeit gemäß § 104 Abs 1 lit b K-AGO der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedurft. Diese liege nicht vor. Gemäß § 1435 ABGB sei die klagende Partei daher zur Rückforderung der in den Jahren 2002 bis 2010 an die beklagte Partei geleisteten Beträge berechtigt, wovon sie aus „advokatorischer Vorsicht“ lediglich die (rechnerische) Hälfte geltend mache. Das Feststellungsinteresse folge aus der noch langen Laufzeit der Baurechtsverträge.

Die beklagte Partei wandte ua ein, eine genehmigungspflichtige Bürgschafts‑ oder Haftungs-verpflichtung iSd § 104 K‑AGO liege nicht vor. Im Übrigen habe die Aufsichtsbehörde den Verträgen mündlich oder stillschweigend ohnedies die Genehmigung erteilt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenteilbegehrens (insoweit erfolgte die Abweisung nur in den Gründen) statt.

Es ging vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und erachtete die Vereinbarung einer Ausfallshaftung als genehmigungspflichtig iSd § 104 Abs 1 lit b K‑AGO. Die Aufsichtsbehörde entscheide mittels Bescheid, ein solcher liege nun vor. Die Genehmigungspflicht hätte beiden Streitteilen bekannt sein müssen, dennoch habe keine Seite auf die Genehmigung gedrängt. Die klagende Partei müsse sich ihr Fehlverhalten anrechnen lassen. Da sie aber ohnehin nur die Hälfte ihrer Zahlungen zurückverlange, sei ihrem Begehren stattzugeben.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

Es erblickte darin einen Verfahrensmangel, dass die Feststellung, es sei keine Genehmigung nach § 104 K‑AGO erfolgt, im Rahmen der Beweiswürdigung nicht begründet worden sei. In rechtlicher Hinsicht hielt das Berufungsgericht jene Rechtsprechung für anwendbar, nach der ein Dritter in seinem Vertrauen zu schützen sei, wenn das kompetente Organ einer Gebietskörperschaft „(hier: das Amt der Kärntner Landesregierung)“ den Anschein erweckt habe, die Handlung sei durch seine Beschlussfassung gedeckt. Es bedürfe daher ergänzender Feststellungen zum Einwand der beklagten Partei, dass der übernommenen Ausfallshaftung eine konkludente oder mündliche Genehmigung erteilt worden sei.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung „zur Frage der Möglichkeit der Ersetzung einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung durch die Schaffung eines äußeren Tatbestandes einer in der Vergangenheit erfolgten Genehmigung“ nicht vorliege.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der klagenden Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben, allenfalls auch in der Sache selbst zu entscheiden und das Klagebegehren abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil das Berufungsgericht von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Das Rechtsmittel ist im Ergebnis auch berechtigt, was allerdings zu einer (zulässigen) reformatio in peius (RIS‑Justiz RS0043858, RS0043903, RS0043939) und zur Abweisung des Klagebegehrens führt.

Die klagende Partei macht geltend, bei der aufsichtsbehördlichen Genehmigung nach § 104 K‑AGO handle es sich um einen behördlichen Willensakt im Rahmen der Hoheitsverwaltung und nicht um eine privatrechtliche Willenserklärung. Ein Bescheid könne niemals konkludent oder schlüssig erlassen werden.

Hiezu wurde erwogen:

1. Keine konkludente Genehmigung:

1.1 Die Gemeindeaufsicht erfasst den gesamten eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde einschließlich der Privatwirtschaftsverwaltung. Sie ist eine Verwaltungsaufgabe, die in Hoheitsverwaltung zu erfüllen ist ( Hauer in Klug/Oberndorfer/Wolny , Das Österreichische Gemeinderecht, 17. Teil, Gemeindeaufsicht [2008] Rz 5 und 7). Die Genehmigungsvorbehalte des (nunmehr) § 104 K‑AGO (zu dieser Bestimmung sogleich) wurden in Ausführung des Art 119a Abs 8 B‑VG normiert ( Sturm , Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung 5 [2009] § 104 Anm 1; vgl auch Potacs in Rebhahn , Beiträge zum Kärntner Gemeinderecht [1998], Aufsicht über Gemeinden 129 [135 ff]). Die Genehmigung ist durch Bescheid zu erteilen oder zu verweigern ( Hauer aaO Rz 239; Sturm aaO § 104 Anm 11). Im Bescheid als eine der Formen hoheitlichen Verwaltungshandelns wird in einer bestimmten Angelegenheit gegenüber einem bestimmten Adressaten in förmlicher und rechtskraftfähiger Weise über Rechte bzw Rechtsverhältnisse materiell‑ oder verfahrensrechtlicher Art abgesprochen. Als Wesensmerkmal unentbehrlich ist immer sein normativer Inhalt, also der Wille der Behörde, hoheitliche Gewalt zu üben und dabei Rechte bzw Rechtsverhältnisse in bindender Weise festzustellen oder zu gestalten. Der Bescheid ist schriftformgebunden und setzt ‑ wie erwähnt ‑ förmliches Verwaltungshandeln voraus, sodass ein „fingierter“ (stillschweigender) Behördenakt nicht Bescheidcharakter haben kann (1 Ob 138/99x mwN aus dem verwaltungsrechtlichen Schrifttum; vgl auch 3 Ob 150/11x).

1.2 Auch wenn der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis B1033/00 (VfSlg 16.159/2001) ein an eine Gemeinde gerichtetes Schreiben der Aufsichtsbehörde, in dem diese den ihr zur Genehmigung vorgelegten Zusammenarbeitsvertrag „zur Kenntnis genommen“ hatte, als Genehmigung wertete und dabei Vertrauensgesichtspunkte ins Treffen führte (skeptisch dazu Hauer aaO Rz 239), muss eine (analoge) Anwendung der vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsprechung jedenfalls daran scheitern, dass die hoheitlich agierende Aufsichtsbehörde kein nach privatrechtlichen Grundsätzen bewertbares Verhalten setzt.

1.3 Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass ein den dargelegten Kriterien entsprechender genehmigender Bescheid der Aufsichtsbehörde nie ergangen ist. Auch die angeblich nicht begründete Feststellung des Erstgerichts, eine Genehmigung nach § 104 K‑AGO sei nicht erfolgt, ist ‑ wie sich aus dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen eindeutig ergibt ‑ nur in diesem Sinn zu verstehen. Da aber ein Vertrauensschutz der beklagten Partei im gegebenen Zusammenhang nicht in Betracht kommt, erweist sich der Ergänzungsauftrag an das Erstgericht schon aus diesem Grund als verfehlt.

2. Keine genehmigungspflichtige Vereinbarung:

2.1 Aus den bisherigen Ausführungen ist für die klagende Partei aber noch nichts gewonnen. Im Hinblick auf den schon in erster Instanz erhobenen Einwand der beklagten Partei ist nämlich zu prüfen, ob die Vereinbarung der Ausfallshaftung in den Baurechtsverträgen der Streitteile überhaupt genehmigungspflichtig war, die Vereinbarung somit nur unter der aufschiebenden (Rechts‑)Bedingung ihrer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde wirksam zustande kam (vgl 2 Ob 7/98p; 7 Ob 147/05a). Zu beurteilen ist dies nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsabschlusses.

2.2 Der zur Zeit des ersten Vertragsabschlusses im Juli 1981 in Geltung stehende § 92 der Allgemeinen Gemeindeordnung (AGO) idF LGBl 1966/1 lautete:

Genehmigung von Rechtsgeschäften

(1) Die Aufnahme von Darlehen und die Übernahme von Bürgschaften durch die Gemeinde bedürfen der Genehmigung der Landesregierung.

[...]

Diese Bestimmung wurde durch die Novelle LGBl 1981/66 mit Wirkung vom 1. 10. 1981, also noch vor Abschluss der beiden weiteren Baurechtsverträge, dahin geändert, dass sie lautete wie folgt:

Genehmigungsvorbehalte

(1) Der Genehmigung der Landesregierung bedürfen nachstehende Rechtsgeschäfte der Gemeinde:

a) die Aufnahme von Darlehen;

b) die Übernahme von Bürgschaften und sonstigen Haftungen;

c) die Veräußerung oder Belastung von unbeweglichem Gemeindevermögen, das ganz oder teilweise mit Landesmitteln oder mit Bedarfszuweisungen erworben wurde.

[…]

(5) Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte der Gemeinde (Abs 1) werden erst mit der Genehmigung der Landesregierung rechtswirksam. [...]

Im Zuge der Wiederverlautbarung des Gesetzes im Jahr 1982, LGBl 1982/8, wurde (nur) die Paragraphenbezeichnung von 92 auf 104 geändert, die auch nach der Wiederverlautbarung als Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung (K‑AGO) im Jahr 1998, LGBl 1998/66, erhalten blieb.

2.3 Die klagende Partei stützt sich auf den Genehmigungsvorbehalt nach § 104 Abs 1 lit b K‑AGO, und zwar auf den Tatbestand der „Übernahme sonstiger Haftungen“, der in der ersten der hier interessierenden Fassungen des § 92 AGO noch gar nicht geregelt war und erst durch die Novelle LGBl 1981/66 in das Gesetz Eingang fand.

Dabei hatte der Gesetzgeber offensichtlich vor Augen, dass nicht bloß die Bürgschaft, sondern auch andere Sicherungsgeschäfte, demnach also die Übernahme der Verbindlichkeiten Dritter (iS eines Schuldbeitritts, einer Garantie etc) von der Genehmigungspflicht erfasst sein sollen. Für dieses Verständnis vom Tatbestand der „Haftungsübernahme“ spricht nicht nur der allgemeine juristische Sprachgebrauch, es findet eine systematische Stütze auch darin, dass in lit b die Übernahme der „sonstigen Haftungen“ jener der Bürgschaft gleichgesetzt wird, bei der es ja ebenfalls um die Haftung für fremde Schulden geht. Auch die wortgleiche Formulierung in § 85 Abs 3 Oö GemO wird in der Lehre ganz offenkundig in diesem Sinne ausgelegt (vgl Putschögl/Neuhofer, Oö Gemeindeordnung 19904 [2009] § 85 Anm 2). Schließlich könnte diese Interpretation auch eine plausible Erklärung für das passive Verhalten der Aufsichtsbehörde in den 1980er und 1990er Jahren sein, die trotz Kenntnis der ihr zur „rechtlichen Prüfung“ vorgelegten Verträge und (zweifellos) auch der Gesetzeslage keinen Anlass für einen Akt der Genehmigung oder deren Verweigerung sah.

2.4 Aus obiger Auslegung folgt für den vorliegenden Fall, dass die Vereinbarung einer Ausfallshaftung in den Baurechtsverträgen der Streitteile gar nicht genehmigungspflichtig iSd (zuletzt) § 104 Abs 1 lit b K‑AGO war. Denn in den Baurechtsverträgen „übernahm“ die klagende Partei zwar das Risiko für den Ausfall von Mietentgelten, das sonst ihren Vertragspartner als Vermieter getroffen hätte. Diese „Haftungsübernahme“ erfolgte jedoch nur als Gegenleistung für das ausbedungene Einweisungsrecht, dem die beklagte Partei ‑ dies lässt sich den Feststellungen unmissverständlich entnehmen ‑ andernfalls nicht zugestimmt hätte. Die Vereinbarung einer Ausfallshaftung begründete somit ein synallagmatisches Verhältnis, keinesfalls bewirkte sie aber das Einstehen für eine fremde Schuld.

2.5 Der Bescheid vom 29. 2. 2011 steht der soeben vorgenommenen Prüfung der Genehmigungsbedürftigkeit besagter Vereinbarung nicht entgegen:

Wohl sind die Gerichte an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden selbst dann gebunden, wenn die Bescheide fehlerhaft (gesetzwidrig) sein sollten. Der Zivilrichter hat den Bescheid nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit zu prüfen (6 Ob 84/05d uva; RIS‑Justiz RS0036981). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist aber nur der Spruch rechtsgestaltender Bescheide von Verwaltungsbehörden für das Gericht bindend (6 Ob 84/05d; 8 Ob 50/07x; RIS‑Justiz RS0036880 [T12], RS0036948 [T4], RS0037051). Die auf einen bestimmten Sachverhalt gestützte Beurteilung der Rechtsfrage ist von der Bindung hingegen nicht umfasst (RIS‑Justiz RS0037015).

Der Spruch des Bescheids vom 29. 2. 2011 enthält keine Aussage zu der Frage, ob die in Rede stehende Vereinbarung einer Ausfallshaftung unter den in (nunmehr) § 104 Abs 1 lit b K‑AGO geregelten Tatbestand der Übernahme von „sonstigen Haftungen“ fällt. Die (implizite) Bejahung dieser Vorfrage durch die Aufsichtsbehörde vermag als Aspekt der rechtlichen Beurteilung das Gericht nicht zu binden. Diesem ist daher die Prüfung der Genehmigungsbedürftigkeit der Vereinbarung nicht verwehrt.

2.6 Ergibt die Prüfung, dass die Vereinbarung gar keiner aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedurfte, wurde sie bereits mit ihrem Abschluss wirksam, ein Schwebezustand trat nicht ein. Der Bescheid der Aufsichtsbehörde vom 29. 2. 2011 konnte daher in Ansehung der strittigen Vereinbarung keine rechtsgestaltende Wirkung entfalten. Die mit den Vertragsabschlüssen eingetretene (unbedingte) Wirksamkeit der Vereinbarung bleibt von diesem Bescheid daher unberührt.

3. Ergebnis und Kosten:

3.1 Aus den dargelegten Erwägungen ist das Verfahren im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens spruchreif, was eine Entscheidung in der Sache selbst ermöglicht (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

3.2 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die auf Berechnungsfehlern beruhenden (überhöhten) Ansätze waren zu korrigieren, ein weiterer Rechenfehler bei der Verzeichnung der Kosten der Berufung wurde zugunsten der beklagten Partei berichtigt. Für die Rekursbeantwortung gebührt lediglich ein Einheitssatz von 50 %.

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