OGH 1Ob200/13p

OGH1Ob200/13p27.2.2014

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S***** M*****, vertreten durch List Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde W*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner Rechtsanwälte in Linz, wegen 44.060,34 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. September 2013, GZ 4 R 140/13f‑15, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 14. Mai 2013, GZ 4 Cg 19/13x‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.982,52 EUR (darin 330,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revsionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin einer im Gemeindegebiet der Beklagten gelegenen Liegenschaft mit einem darauf befindlichen Wohnhaus. Diese Liegenschaft befindet sich in einer Lage, die seit Jahrzehnten als sogenannter „Rutschhang“ bekannt ist. Aufgrund von Hangbewegungen hat die Beklagte bereits in der Vergangenheit eine Drainage unter anderem auch am Grundstück der Klägerin durchgeführt.

In der Zeit zwischen 4. 4. 2011 und 27. 5. 2011 trat die Klägerin mit insgesamt sieben Schreiben an die beklagte Marktgemeinde heran, worin sie immer wieder auf Geländebewegungen hinwies und die Beklagte zur Beobachtung des Geländes und Ergreifung geeigneter Maßnahmen aufforderte. Unter anderem wurden in diesen Schreiben auch Risse am Haus der Klägerin sowie ein massiv fortschreitender Schaden am Grundstück angesprochen. Aufgrund dieser Schreiben zog die Beklagte einen Geologen bei, um in einem Verfahren nach § 48 Oö Bauordnung 1994 (BauO) Empfehlungen zur Sicherung des Wohnhauses aus geologischer Sicht zu erstellen.

Mit Schreiben vom 15. 6. 2011 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, verschiedene Maßnahmen zur Gebäudesicherung vorzuschreiben. Zugleich wurde ihr der Aktenvermerk des Geologen übermittelt, in dem bestimmte Arbeiten zur nachhaltigen Sicherung ihres Gebäudes empfohlen werden, und die Klägerin unter Berufung auf § 48 Abs 4 der Oö BauO 1994 aufgefordert, binnen vier Wochen zu den im Aktenvermerk angeführten Sicherungsmaßnahmen Stellung zu nehmen und mitzuteilen, wie sie die Instandsetzung durchzuführen beabsichtige. Abschließend wurde in diesem Schreiben festgehalten, dass nicht von Gefahr in Verzug auszugehen sei.

Daraufhin forderte die Klägerin in zwei Schreiben die Beklagte dazu auf, sich ab sofort jeder weiteren behördlichen Tätigkeit in Bezug auf die Baulichkeit der Klägerin zu enthalten und das „rechtswidrige Sanierungsverfahren“ durch ein unbefangenes Organ einzustellen. Zugleich gab die Klägerin bekannt, an den Empfehlungen des Geologen nicht interessiert zu sein, weil von einer Gefährdung des Wohnhauses zum „jetzigen Status“ nicht die Rede sei.

Am 13. 7. 2011 stellte die Klägerin durch ihren Vertreter bei der Beklagten den Antrag, „festzustellen, dass sich das Haus von Frau […] in ordnungsgemäßen Zustand befindet, jedenfalls aber keine Baugebrechen aufweist, die einen Sanierungsauftrag gemäß § 48 Abs 4 Oö BauO 1994 rechtfertigen.“ Am 23. 11. 2011 stellte sie den Antrag, „die Baubehörde der Marktgemeinde […] möge unverzüglich, längstens aber innerhalb von sechs Monaten feststellen, dass die Baubehörde nicht berechtigt ist, gemäß § 48 Oö BauO 1994 einen Sicherungs- und Sanierungsauftrag für die Baulichkeit in der […] in Ansehung des ordnungsgemäßen Bauzustandes zu erteilen.“

Den Antrag der Klägerin vom 23. 11. 2011 wies der Bürgermeister der Beklagten als Baubehörde erster Instanz zurück. Ihre dagegen gerichtete Berufung wurde vom Gemeinderat der Beklagten als unbegründet abgewiesen, weil „derzeit keine baubehördliche Anordnung nach § 48 Oö BauO vorliege“. Der Antrag vom 13. 7. 2011 wurde mit Bescheid des Gemeinderats vom 9. 7. 2012 „mangels Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides“ als unzulässig zurückgewiesen.

Nach Durchführung eines Lokalaugenscheins teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 12. 10. 2012 mit, dass das Ermittlungsverfahren gemäß §§ 47, 48 Oö BauO 1994 eingestellt werde, weil „in rechtlicher Hinsicht noch von keinem Mangel iSd § 47 Oö BauO und von keinem Baugebrechen iSd § 48 Oö BauO auszugehen“ sei.

Die Klägerin leitete ihren Amtshaftungsanspruch aus dem Schreiben des Bürgermeisters der Beklagten vom 15. 6. 2011 ab. Bei diesem Schreiben handle es sich nicht um eine bloße Mitteilung, weil die Beklagte vom Vorliegen eines Baugebrechens ausgegangen sei. Tatsächlich sei ein solches nicht gegeben gewesen, weswegen „dieser Bauauftrag“ sowohl formal als auch inhaltlich rechtswidrig gewesen sei. Durch die Beauftragung von zwei Sachverständigen seien ihr Kosten von 13.581,60 EUR erwachsen. Auch sei es erforderlich gewesen, einen Rechtsanwalt beizuziehen, wodurch ihr Kosten von 30.478,74 EUR entstanden seien.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, das Schreiben vom 15. 6. 2011 sei weder als Bescheid noch als Bauauftrag zu qualifizieren. Zudem sei es wegen zahlreicher Schreiben des Klagevertreters, worin immer wieder auf Hangrutschungen und auf befürchtete Schäden am Haus der Klägerin hingewiesen worden sei, geboten gewesen, fachliche Beratung durch einen Ingenieurkonsulenten für Geologie in Anspruch zu nehmen und ein entsprechendes Verfahren einzuleiten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auch wenn das Schreiben vom 15. 6. 2011 keinen Bescheid darstelle, sei es als Akt der hoheitlichen Verwaltung anzusehen. Amtshaftung setze aber ein Verschulden eines Organs voraus, das nicht gegeben sei, wenn die Handlungsweise auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht. Dass überhaupt ein Verfahren nach § 48 Oö BauO 1994 eingeleitet worden sei, sei der Klägerin zuzuschreiben, die in zahlreichen Schreiben Schäden an ihrem Grundstück und Haus behauptet habe. Da noch kein Instandsetzungsauftrag erteilt worden sei, worauf sich die Klägerin berufe, komme Amtshaftung nicht in Betracht. Zum Teil seien die Ansprüche der Klägerin auch verwirkt, weil Rettungsmaßnahmen im Sinne des § 2 Abs 2 AHG unterlassen worden seien.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es teilte die Ansicht, dass das Schreiben des Bürgermeisters der beklagten Marktgemeinde vom 15. 6. 2011 einen Akt der Hoheitsverwaltung darstelle. Mit der darin enthaltenen Aufforderung zur Äußerung iSd § 48 Abs 4 der Oö BauO 1994 sei jedoch keine unmittelbare Rechtswirkung verknüpft, weswegen dieses Schreiben ungeachtet einer allfälligen Rechtswidrigkeit oder eines Verschuldens der Beklagten für den behaupteten Schaden nicht adäquat kausal gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften unter anderem die Gemeindennach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben.

2. Ihren Standpunkt, mit Schreiben vom 15. 6. 2011 sei ihr durch den Bürgermeister der beklagten Gemeinde ein „Bauauftrag“ erteilt worden, hält die Klägerin im Revisionsverfahren zu Recht nicht mehr aufrecht. Sie beruft sich aber darauf, dass sie „der Gefahr der Erlassung eines rechtswidrigen bescheidmäßigen Instandsetzungsauftrags“ vorbeugen habe müssen, und spricht damit einen Aufwand an, der ihr in Abwehr eines drohenden Schadens schuldhaft und rechtswidrig zugefügt worden sei. Dazu zählt sie nicht nur die Kosten, die sie durch die Beauftragung von Sachverständigen zu tragen gehabt habe, sondern auch den mit dem Einschreiten ihres Vertreters verbunden Aufwand.

3.1 Angelegenheiten der Bauordnung werden von den Gemeinden durch hoheitliche Akte der Vollziehung im eigenen Wirkungsbereich erledigt. Liegt eine Aufgabe vor, die ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RIS‑Justiz RS0049948).

3.2 In Anwendung dieser Grundsätze haben bereits die Vorinstanzen zutreffend angenommen, dass das Schreiben des Bürgermeisters vom 15. 6. 2011 in Vollziehung der Gesetze ergangen ist und damit einen Akt hoheitlicher Verwaltung darstellte, der ‑ bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 1 Abs 1 AHG ‑ Amtshaftung begründen könnte.

4.1 Für den nach § 1 Abs 1 AHG zu ersetzenden Schaden gelten die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts (Schragel, AHG³§ 1 Rz 167). Nach § 1293 Satz 1 ABGB ist jeder Nachteil an Vermögen, Rechten oder an der Person positiver Schaden. Dazu zählt auch der Aufwand zur Gefahrenabwehr oder zur Verhinderung einer Schadensvergrößerung (8 Ob 6/09d; vgl RIS-Justiz RS0022802; RS0023516; Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.00 § 1293 Rz 10 ff; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1293 Rz 10 mwN). Der zweckmäßig aufgewendete

Rettungsaufwand kann auch in Rechtsverfolgungskosten liegen (vgl 1 Ob 87/08p; 8 Ob 6/09d; 1 Ob 38/11m uva). Das gilt allgemein für Verfahrenskosten und damit zusammenhängende weitere Aufwendungen, die einer an einem behördlichen Verfahren beteiligten Person durch rechtlich nicht vertretbare Entscheidungen oder Verfahrensschritte (oder -verzögerungen) erwachsen sind (Schragel aaO § 1 Rz 173 mwN). Dessen ungeachtet hat das Berufungsgericht die Adäquanz des Schreibens vom 15. 6. 2011 für den von der Klägerin als Rettungsaufwand begehrten Ersatz pauschal verneint, weil dieses wegen seines informellen Charakters keine unmittelbaren Rechtswirkungen nach sich gezogen habe. Diese Begründung greift zu kurz.

5.1 Ein Schaden ist adäquat herbeigeführt, wenn seine Ursache ihrer allgemeinen Natur nach für die Herbeiführung eines derartigen Erfolgs nicht als völlig ungeeignet erscheinen muss und nicht nur infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen zu einer Bedingung des Schadens wurde. Der Schädiger haftet für alle, auch für zufällige Folgen, mit deren Möglichkeit in abstracto zu rechnen gewesen ist, aber nicht für einen atypischen Erfolg (RIS-Justiz RS0022906; RS0022546; RS0022944; RS0022914 ua). Die Adäquanz kann daher nur verneint werden, wenn das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden nach allgemeiner Lebenserfahrung gleichgültig ist und nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war (RIS-Justiz RS0098939).

5.2 Das Schreiben vom 15. 6. 2011 enthält den Hinweis, dass es als Aufforderung gemäß § 48 Abs 4 Oö BauO 1994 zu verstehen sei. Nach dieser Bestimmung hat die Baubehörde dem Eigentümer Gelegenheit zu geben, innerhalb einer angemessenen Frist mitzuteilen, wie er die Instandsetzung durchzuführen beabsichtigt, wenn diese auf verschiedene Art und Weise möglich ist. Kann erwartet werden, dass auf eine solche Art und Weise das Baugebrechen behoben wird, hat die Baubehörde den Instandsetzungsauftrag darauf abzustellen (§ 48 Abs 4 letzter Satz Oö BauO 1994). Von einem Schreiben mit bloß informellem Charakter kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts daher keine Rede sein, auch wenn es für die Klägerin noch keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltete. Eine solche Aufforderung ist Teil des in § 48 Oö BauO 1994 geregelten Verfahrens und wird regelmäßig dem eigentlichen Bauauftrag unmittelbar vorangehen. Es ist daher keineswegs ungewöhnlich, dass der Eigentümer des davon betroffenen Gebäudes bereits aus Anlass eines solchen Schreibens Maßnahmen zur Abwehr ergreift, wenn er die rechtlichen Voraussetzungen für die ihm vorgeschlagenen Sanierungsarbeiten, deren Kosten er zu tragen hätte, in Zweifel zieht. Daraus, dass Amtshaftung grundsätzlich nur für unverbesserbare Vollzugsakte geleistet werden soll (vgl 1 Ob 15/95; 1 Ob 55/95 = SZ 69/145 uva; RIS‑Justiz RS0053077), kann nicht abgeleitet werden, dass es dem von einem schuldhaft rechtswidrigen Organverhalten Betroffenen verwehrt wäre, den drohenden Schaden im Rahmen der ihm offenstehenden Möglichkeiten erst gar nicht entstehen zu lassen. Ohne nähere Auseinandersetzung mit den einzelnen der nach Ansicht der Klägerin notwendigen Schritte zur Abwehr des drohenden Bauauftrags kann daher weder die Adäquanz des Schreibens vom 15. 6. 2011 für den gesamten von ihr geltend gemachten Aufwand von vornherein verneint werden, noch beurteilt werden, inwieweit dieser zur Herstellung des aus ihrer Sicht rechtmäßigen Zustands ‑ der Einstellung des Verfahrens - tatsächlich notwendig war (vgl 1 Ob 30/86 = SZ 59/141; 1 Ob 50/13d). Dass die Vorinstanzen in diesem Sinn eine Auseinandersetzung mit der Frage, welcher Aufwand mit welchen Maßnahmen konkret verbunden war, unterließen und die Klägerin auch nicht zur Aufschlüsselung ihres Begehrens aufforderten, schadet hier aber nicht.

6.1 Amtshaftung für ein rechtswidriges Verhalten eines Organs tritt nur ein, wenn es auch schuldhaft ist. Eine bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände vertretbare Rechtsanwendung mag zwar rechtswidrig sein, begründet aber kein Verschulden iSd § 1 Abs 1 AHG (RIS-Justiz RS0050216). Dementsprechend kann in der Regel nur ein Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder ständigen Rechtsprechung, das unvertretbar ist und keine sorgfältige Überlegung erkennen lässt, einen Amtshaftungsanspruch zur Folge haben (RIS‑Justiz RS0049912). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

6.2 Die in den Bauordnungen enthaltenen Schutzbestimmungen verfolgen generell die Hintanhaltung von Schädigungen oder Gefährdungen (RIS-Justiz RS0119032). § 48 Abs 2 der Oö BauO 1994 ist eine solche Schutzbestimmung und verpflichtet die Baubehörde, wenn sie Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens erlangt, die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen und dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens aufzutragen.

6.3 Voraussetzung für ein Vorgehen der Behörde nach § 48 Oö BauO 1994 ist das Vorliegen eines Baugebrechens. Das ist unter anderem der Fall, wenn sich der Zustand einer baulichen Anlage so verschlechtert hat, dass unter anderem eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Hygiene oder die körperliche Sicherheit von Menschen oder für fremde Sachwerte entsteht, gleichgültig, worauf die Verschlechterung zurückzuführen ist (§ 48 Abs 1 Z 1 Oö BauO 1994). Nicht erforderlich ist, dass die Gefahr bereits eingetreten ist. Es genügt, dass sie „entsteht“ (VwGH 1. 9. 1998, Zl 98/05/0064; 27. 2. 2002, Zl 2001/05/0349 = bbl 2002/83). Bei Vorliegen dieser Voraussetzung hat die Baubehörde den Eigentümern der Anlage (in der Regel auf Grundlage einer Sachverständigeneinschätzung) die Behebung der Mängel bescheidmäßig vorzuschreiben (N. Raschauer/W. Wessely, Die Durchsetzung von Untersuchungs‑ und Überwachungsaufgaben ‑ explizite und implizite Ermächtigungen?, bbl 2012, 153 [160]).

7.1 Auch für ein auf § 48 Abs 4 Oö BauO 1994 gestütztes Schreiben ist daher zu fordern, dass die Baubehörde Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens hat, also über eine derartige Verschlechterung des Gebäudezustands, dass daraus eine Gefahr für die in § 48 Abs 1 Oö BauO 1994 genannten Güter entsteht, informiert ist. Gleichgültig ist dabei, worauf diese Verschlechterung zurückzuführen ist. Ursache dafür kann auch die Beschaffenheit des Untergrundes sein.

7.2 Nach den Feststellungen hat der Klagevertreter zwischen 4. 4. 2011 und 27. 5. 2011 sieben Schreiben an den Bürgermeister der Beklagten gerichtet, worin auf Geländebewegungen hingewiesen und die Beklagte zur dringenden Beobachtung und Setzung geeigneter Maßnahmen aufgefordert wurde. Darin wurden unter anderem auch Risse am Haus der Klägerin im Zusammenhang mit dem als Rutschhang bekannten Gelände geltend gemacht. Damit ergaben sich bereits aus den Schreiben der Klägerin Anhaltspunkte für die Notwendigkeit geotechnischer Maßnahmen, um einer durch geologische Gegebenheiten bedingten Verschlechterung des Gebäudezustands und damit dem Entstehen einer Gefahr im Sinne des § 48 Abs 1 Z 1 Oö BauO 1994 entgegenzuwirken. Auch der von der Beklagten in Reaktion auf diese Schreiben beauftragte Geologe hat in seinem Aktenvermerk (Anhang zum Schreiben vom 15. 6. 2011) Rissbildungen im Mauerwerk und Aufwölbungen des Kellerbodens dokumentiert, die von ihm bereits ab Ende 2007 durch Ortsaugenscheine befundet worden waren. Das Schreiben der Beklagten vom 15. 6. 2011 beruhte daher entgegen der Auffassung der Klägerin keineswegs auf einer unvertretbaren Rechtsansicht, weil mit einem auf § 48 Abs 2 Oö BauO 1994 gestützten Auftrag nicht so lange zuzuwarten wäre, bis sich die Gefahr verwirklicht hat. Ein solcher Auftrag wäre bereits dann zu erlassen, wenn nach sachkundigem Wissen bzw der allgemeinen Erfahrung bei Nichtbehebung des Mangels eine Gefährdung iSd § 48 Abs 1 Z 1 Oö BauO 1994 eintreten würde (VwGH 27. 2. 2002, Zl 2001/05/0349 mwN). Die Annahme eines Baugebrechens als Voraussetzung für ein Schreiben gemäß § 48 Abs 4 Oö BauO 1994 war damit vertretbar.

8. Da grundsätzlich nur eine für die Entscheidung erhebliche Aktenwidrigkeit wahrgenommen werden kann (RIS-Justiz RS0043265), muss nicht mehr geprüft werden, ob das Berufungsgericht, wie die Klägerin geltend macht, die ihr angelastete (teilweise) Verwirkung ihres Anspruchs gemäß § 2 Abs 2 AHG auf eine aktenwidrige Grundlage stützte. Der von ihr behauptete Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit des Erstgerichts kann im Übrigen im Revisionsverfahren auch nicht mehr nachgetragen werden (vgl RIS‑Justiz RS0041773).

9. Der Revision ist damit im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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