OGH 11Os171/13a

OGH11Os171/13a11.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sattlberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian E***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 1. Oktober 2013, GZ 34 Hv 100/13y‑13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Mag. Breier und der Verteidigerin Dr. Vinkovits zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian E***** dreier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1, 15 StGB (I) und ebenso vieler Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in K*****

(I) außer dem Fall des § 206 StGB an einer unmündigen Person, nämlich dem am 14. Mai 1999 geborenen Mario U*****, geschlechtliche Handlungen im Dezember 2012 (1) und im Februar oder März 2013 (2) unternommen, indem er dessen Penis in die Hand nahm und für ca zwei bis drei Minuten Masturbationsbewegungen durchführte sowie im April oder vor dem 14. Mai 2013 (3) zu unternehmen versucht;

(II) von Juni bis 22. Juli 2013 in drei Fällen eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden Person unter sechzehn Jahren vorgenommen, um dadurch sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er den am 14. Mai 1999 geborenen Mario U***** am Bauch streichelte und dessen Penis anfasste, um Masturbationshandlungen an ihm durchzuführen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist nicht im Recht.

Der Subsumtionsrüge (Z 10) zuwider sind „Masturbationsbewegungen“ am Penis des Tatopfers nicht nach § 206 StGB zu beurteilen. Nach ständiger ‑ dem erklärten Willen des Gesetzgebers Rechnung tragender (vgl dazu JAB 927 BlgNR XVII. GP, 3 [zu BGBl 1989/242]; EBRV 1230 BlgNR XX. GP, 20 f [zu BGBl I 1998/153]) ‑ Rechtsprechung liegt eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung nur dann vor, wenn es zu einer oralen, analen oder vaginalen ‑ bei einem Handverkehr gerade fehlenden ‑ Penetration kommt oder kommen soll (RIS‑Justiz RS0116530 [T1], RS0094959, RS0095201 [insb T4] = 15 Os 109/13p, RS0094905, RS0095025; vgl auch 12 Os 63/13a; in diesem Sinn auch die überwiegende Lehre, vgl Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 25 ff, 28, § 206 Rz 12, § 207 Rz 7; Fabrizy, StGB11 § 206 Rz 1; differenziert Kienapfel/Schmoller, BT III2 Vorbem §§ 201 ff Rz 48 und §§ 206‑207 Rz 30 sowie Hinterhofer, SbgK § 201 Rz 48 f und § 207 Rz 16, der Handonanie aber ebenfalls als [bloß] geschlechtliche Handlung ansieht). Davon abzugehen, sieht sich der Oberste Gerichtshof ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ nicht veranlasst.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von nicht geltend gemachter, zum Nachteil des Angeklagten ausschlagender Nichtigkeit betreffend den Schuldspruch II (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Handlungen, an denen ein Unmündiger oder Jugendlicher aktiv oder passiv beteiligt ist, können nämlich § 208 StGB nicht unterstellt werden (RIS‑Justiz RS0095130 [T1]; SSt 56/71; Philipp in WK2 StGB § 208 Rz 1, 13; Leukauf/Steininger, Komm3 § 208 Rz 7; Hinterhofer, SbgK § 208 Rz 30).

Aufgrund dieser verfehlten Subsumtion war ‑ entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ die Urteilsaufhebung unvermeidlich (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO). Denn die insoweit getroffenen Feststellungen tragen auch eine Tatbeurteilung nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB derzeit nicht (vgl Philipp in WK2 StGB § 202 Rz 9 ff, insb Rz 13; § 212 Rz 9). Es bedarf diesbezüglich einer Ergänzung des Verfahrens.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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