OGH 9ObA13/14y

OGH9ObA13/14y29.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** B*****, vertreten durch Beck & Dörnhöfer Rechtsanwälte in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Sauerzopf & Partner Rechtsanwälte OG in Eisenstadt, wegen 898,12 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 2013, GZ 8 Ra 55/13m‑27, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 23. Jänner 2013, GZ 23 Cga 30/12i‑18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 299,57 EUR (darin enthalten 49,93 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin nach dem Kollektivvertrag für Handelsangestellte in die Beschäftigungsgruppe 2 einzustufen ist, ist zutreffend. Wenngleich die Revision im Hinblick auf die maßgebliche Auslegungsfrage zum Kollektivvertrag zulässig ist (vgl RIS‑Justiz RS0109942 mwN) kann daher auf die Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Ausführungen der Klägerin ist ergänzend Folgendes entgegenzuhalten:

I. Einleitend kann festgehalten werden, dass unstrittig für die Auslegung der Kollektivverträge die für Gesetze geltenden Grundsätze herangezogen werden, also von dem objektiven Wortsinn im Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen und der ersichtlichen Absicht der Kollektivvertragsparteien ausgegangen und zugrunde gelegt wird, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen und einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen erzielen wollten (RIS‑Justiz RS0008828; RS0008897 bzw etwa auch RS0010088).

II. Nach den wesentlichen, hier vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen bestand die Tätigkeit der Klägerin im Lager darin, die Listen der Bestellungen der Filialen der Beklagten auszudrucken und dann die in diesen Listen hinsichtlich Bezeichnung und Menge vermerkten Artikel, für die in diesen Listen auch schon der Platz der Artikel im Lager vermerkt war, in einen Warenkorb, mit dem die Klägerin durch das Lager ging, zu legen. Dabei wurden sowohl die Waren als auch die Liste mit einem Handscanner von der Klägerin markiert. Die so zusammengestellten Waren wurden dann von der Klägerin auf einer großen Palette zusammengestellt und für den Versand verpackt und verklebt. Über das EDV‑System wurde ein Lieferschein ausgedruckt und vom zuständigen Spediteur abgeholt. Fallweise hat die Klägerin einer anderen Mitarbeiterin, die für die Bestellungen von Privatkunden zuständig war, ausgeholfen bzw diese vertreten. Der Vorgang war bei dem Zusammenstellen der Waren im Wesentlichen ähnlich. Ferner hat die Klägerin Retourwaren anhand der Retourscheine kontrolliert, den Rücksendungsgrund im EDV‑System eingegeben, die Ware eingescannt und wieder in die Regale geräumt. Beschädigte Waren wurden in einem Defektlager abgelegt. Teilweise hat die Klägerin auch den bestellten Wareneingang übernommen, anhand der Lieferscheine kontrolliert, ausgepackt und in die Regale geräumt. Diese Waren wurden mit dem vom EDV‑System ausgedruckten Etiketten beklebt.

Die Arbeits‑ und Personaleinteilung wurde grundsätzlich vom Lagerleiter vorgenommen, der auch bei Auftreten von Problemen beim Ablauf, etwa fehlenden Waren, die Entscheidungen traf. Der Lagerleiter war für die Bestellung des Verpackungsmaterials, die Bestandskorrekturen, den Schriftverkehr mit den Spediteuren, die Tarifverhandlungen und die Anbote zuständig. Im Übrigen haben die Klägerin und ihre Kolleginnen ihre Arbeit selbständig durchgeführt. Als die zentrale Aufgabe einer „Kommissioniererin“ wie der Klägerin wird das Zusammenstellen der Waren entsprechend den Aufträgen der Kunden verstanden. Hingegen gilt als Kommissionär jemand, der es übernimmt, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen.

III. Nach Punkt 2a des allgemeinen Teils der Gehaltsordnung des Kollektivvertrags für Angestellte im Handel hat die Einreihung in die Beschäftigungsgruppen nach der Art der Tätigkeit zu erfolgen.

Soweit ein Angestellter mehrere Tätigkeiten ausübt, die in verschiedene Beschäftigungsgruppen fallen, hat seine Einordnung in diejenige Gruppe zu erfolgen, die der überwiegenden Tätigkeit entspricht (Punkt 2b des Allgemeinen Teils der Gehaltsordnung).

Aushilfsweise Tätigkeiten in einer höheren Beschäftigungsgruppe rechtfertigen nur dann eine höhere Einstufung, wenn sie in einem Jahr ununterbrochen länger als 5 Wochen bei Urlaub und 12 Wochen bei Krankheit dauern (Punkt 3a des Allgemeinen Teils der Gehaltsordnung).

Die Beschäftigungsgruppe 2 soll nach der allgemeinen Beschreibung im Kollektivvertrag „Angestellte, die einfache Tätigkeiten ausführen“ erfassen und entsprechend der lit b in „Lager und Logistik“ alle Angestellten, soweit sie nicht in einer höheren Beschäftigungsgruppe einzustufen sind.

Die Beschäftigungsgruppe 3 hingegen, die die Klägerin anstrebt, erfasst „Angestellte, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten selbstständig ausführen“. Davon sollen etwa im Ein‑ und Verkauf erste Verkäufer oder Filialleiter, die nicht in einer höheren Beschäftigungsgruppe einzustufen sind, erfasst werden.

Hinsichtlich des hier maßgeblichen Bereichs Lager und Logistik hat der Kollektivvertrag bei der Beschäftigungsgruppe 3 bei der Aufzählung der Beschäftigungsbeispiele folgenden Wortlaut:

„Lager und Logistik:

Lagererste, wenn mehrere Arbeitnehmer im Lager beschäftigt sind,

Kommissionäre

Selbständige Expedienten

Angestellte mit entsprechendem Verantwortungsbereich in der Logistik“.

In der Beschäftigungsgruppe 4 werden dann Angestellte mit selbständiger Tätigkeit erfasst und dabei im Bereich des Lagers und der Logistik Lager‑Logistikleiter, die für Wareneingang, Lagerhaltung und Warenausgang verantwortlich sind, genannt.

IV. Das Berufungsgericht ist nun zusammengefasst davon ausgegangen, dass schon der Begriff des Selbständigen Expedienten in der Beschäftigungsgruppe 3 im Lager und Logistikbereich die ganzen Fragen des Versandes von Waren und Gütern, der Zusammenstellung, der Beachtung der verschiedenen Sicherheits‑, Transport‑ und Umweltbestimmungen, des Auffindens der geeignetsten Beförderungsmethoden, des Abschlusses von Transportversicherungen, der Bearbeitung von Versandpapieren udgl umfasse. Das bloße Zusammenstellen der Waren könne daher nicht vom Begriff des Kommissionärs im Sinne des Kollektivvertrags erfasst sein. Der Kommissionär habe ja Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen.

V. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt festgehalten, dass in der Regel aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels in einer Beschäftigungsgruppe auf die Einstufung in die betreffende Beschäftigungsgruppe zu schließen ist (zuletzt etwa 9 ObA 129/13f, vgl aber auch 9 ObA 33/11k oder 8 ObA 189/02f). Das setzt aber naturgemäß voraus, dass die Arbeitnehmerin eine Tätigkeit ausführt, die einem Tätigkeitsbeispiel in der jeweiligen Beschäftigungsgruppe entspricht. Im Falle einer Unklarheit des Begriffs eines Tätigkeitsbeispiels ist auf die allgemeine Beschreibung der Beschäftigungsgruppe und die Wertigkeit anderer in der Beschäftigungsgruppe eingestufte Tätigkeiten zurückzugreifen.

Die Revision zeigt nun grundsätzlich zutreffend auf, dass eine tatsächliche Tätigkeit eines Kommissionärs iSd § 383 Abs 1 UGB, der also selbständig Waren für Rechnung des Handelsunternehmens einkauft und verkauft im Rahmen der Tätigkeit im Lager und der Logistik eines Handelsunternehmens schwer denkbar ist. Allerdings kommt aus dem Begriff des Kommissionärs ebenso wie aus der grundsätzlichen Einordnung als Angestelltentätigkeit (vgl dazu § 1 Abs 1 AngG) und der allgemeinen Beschreibung der Beschäftigungsgruppe zum Ausdruck, dass mit dieser Tätigkeit eine „höhere“ oder „kaufmännische“ Aufgabe verbunden sein muss. Diese kann aber in der überwiegend manipulativen Tätigkeit, wie sie die Klägerin ausgeübt hat, nicht gesehen werden.

Soweit sich die Klägerin darauf stützt, dass sie selbständig auch ihrer Kollegin geholfen und Retourware erledigt bzw beim Wareneingang gearbeitet habe, ist sie darauf zu verweisen, nach den Allgemeinen Bestimmungen der Gehaltsordnung die überwiegende Tätigkeit maßgeblich ist. Auch ist keine Darstellung erfolgt, wonach die Kollegin der Klägerin in einer höheren Beschäftigungsgruppe einzustufen gewesen wäre und die Klägerin diese länger als 5 Wochen bei Urlaub bzw 12 Wochen bei Krankheit vertreten habe müssen.

Insgesamt vermögen die Ausführungen der Revision die Auslegung des Berufungsgerichts nicht zu widerlegen.

Der Revision war dementsprechend nicht Folge zu geben.

VI. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.

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