OGH 9ObA129/13f

OGH9ObA129/13f29.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichthofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Andreas Hach in der Rechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Döller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert: 21.800 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. Juli 2013, GZ 10 Ra 127/12p‑18, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 26. April 2012, GZ 35 Cga 14/12b‑12, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.327,68 EUR (darin 221,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist der Betriebsrat der Beklagten. Diese ist eine von mehreren Tochtergesellschaften des Fonds Soziales Wien, bei denen Arbeitnehmer im Bereich „soziale Arbeit“ (Sozialarbeiter) beschäftigt sind. Auf das Dienstverhältnis der Mitarbeiter der Beklagten und anderer Tochtergesellschaften findet der Kollektivvertrag für ArbeitnehmerInnen des Fonds Soziales Wien in der Fassung der 4. Novelle (1. 7. 2011) Anwendung, der in seinem Gehaltsschema unter anderem folgende Gehaltsbandgruppen enthält:

„60. Gehaltsbandgruppe 2:

60.1 Funktionsbeschreibung: Bedienstete mit berufsspezifischer Ausbildung und/oder Erfahrung, die öfters wechselnde Tätigkeiten innerhalb eines Sachbereiches nach spezifischen Vorgaben selbständig erledigen. Weitgehend selbständige Bearbeitung der Aufgaben nach spezifischen Vorgaben; erfordert eigene Festlegungen und Entscheide, wofür entsprechendes Fachwissen erforderlich sind.

60.2. Stellenbeispiele: Betreuung, Hauskoordination, Hausmanagement, Sachbearbeiter, Sozialpädagogik.

60.3. Gehaltsbänder 2011

Gehaltsband: 5 6 7

Modellstelle: -30 -33 -36

61. Gehaltsbandgruppe 3:

61.1 Funktionsbeschreibung: Weitgehend selbständige Bearbeitung eines breit umfassenden Bereiches mit Resultats- und Führungsverantwortung von ausführenden MitarbeiterInnen, die in einem Sachgebiet tätig sind. Von der Stelle wird die Ausarbeitung neuer Lösungen gefordert, wofür umfassende Berufs- und Fachkenntnisse erforderlich sind, langjährige Erfahrung.

61.2. Stellenbeispiele: Sozialarbeit, Fachbearbeitung, Sozialpädagogik, Leitung von Themenbereichen, MentorInnen und Teamleitung, JuristInnen, BetriebswirtInnen.

61.3. Gehaltsbänder 2011

Gehaltsband: 8 9 10 ...

Modellstelle: -39 -42 -45 ...“.

Am 13. 3. 2007 wurde zwischen der Geschäftsführung, dem Betriebsrat, der Gewerkschaft und der Personalvertretung eine Vereinbarung getroffen, in der die Modellstellen, ein Einreihungsplan sowie die Anforderungsarten für die Erstellung der Modellstellen festgelegt wurden. Die Vereinbarung wurde auf der ersten Seite (Präambel) unterzeichnet. Zum Modellstellenprofil „Kundenservice SOA [= Sozialarbeit, Anm] in Krankenanstalten 01“ ist darin festgehalten:

„Wirkungsbereich (18 %)

Ausführungen von öfters wechselnden Aufgaben innerhalb eines abgegrenzten Aufgabenbereichs, was Verständnis für die Ablauflogik und das Erkennen der Prioritäten erfordert. Die Ausführungen erfordern Anpassungen und Optimierungen innerhalb des eigenen Aufgabenbereichs. Diese werden eigenständig wahrgenommen.

Entscheidungskompetenz (18 %)

Bearbeitung mehrerer im Ablauf logisch zusammenhängender Aufgaben nach Ausführungsbestimmungen oder sonstigen spezifischen Vorgaben (Richtlinien, Gesetzen, Betriebsvorschriften, Qualitätsrichtlinien, Arbeitsanweisungen, Schemata ...), was Ermessensentscheide im bekannten Lösungsspektrum erfordert. Neben der selbständigen Ausführung der eigenen Aufgaben wird auch die fachliche Betreuung von MitarbeiterInnen des eigenen oder anderer Organisationsbereiche bzw. externen AnsprechpartnerInnen (KundInnen, Behörden, Vereine etc.) übernommen.

Fachkompetenz (20 %)

Zur Erfüllung der Anforderungen bedarf es üblicherweise einer FHS (auch SOZAK) sowie praktischer Erfahrung von 6 Monaten, das entspricht einer Berufspraxis von 1-2 Jahren.

Kommunikations- und Kundenorientierung (16 %)

Der Schwerpunkt der Beratung liegt in der Empfehlung von Abläufen/Maßnahmen nach Analyse und Beurteilung von Sachverhalten unter Abwägung von Chancen und Risiken. Abstimmung mit anderen Organisationseinheiten/Institutionen. Die überwiegende Kommunikation findet mit internen oder externen Kontaktpersonen, KlientInnen, BürgerInnen und KundInnen von zumeist ähnlichem Positionsniveau aus verschiedenen Bereichen statt. Auch externe Routinekontakte auf fachlich anspruchsvollerem Niveau.

Extrafaktorielle (Passive) psychische Belastung (6 %)

Die Ausrichtung der Funktion ist ausgerichtet auf Pflege- und Betreuungsbedürftige (psychisch oder physisch Beeinträchtigte). Die damit verbundene Konfrontation erfordert von der StelleninhaberIn besonderes Einfühlungsvermögen und Festigkeit. Die Dauer dieser Beanspruchung erstreckt sich bis zu 50 % der Arbeitszeit.“

Der Stellenwert errechnete sich danach mit 33,40. Er ergibt nach dem Einreihungsplan eine Einreihung in das Gehaltsband 7.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die MitarbeiterInnen der Beklagten, die im Bereich „Sozialarbeit im Krankenhaus“ beschäftigt sind, aufgrund ihrer Aufgaben in die Gehaltsbandgruppe 3 des zugrundeliegenden Kollektivvertrags einzustufen seien. Darin sei unter den Stellenbeispielen der Bereich „Sozialarbeit“ ausdrücklich angeführt. Das vereinbarte Modellstellenprofil sei nicht Teil des Kollektivvertrags, sondern eine gesonderte Vereinbarung, die mangels Hinterlegung beim Bundesministerium keine Normwirkung entfalten könne. Der Verweis im Kollektivvertrag auf den ‑ nicht im Kollektivvertrag selbst geregelten ‑ Modellstellenplan sei unzulässig und unwirksam.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte die mangelnde Klagslegitimation des Klägers ein. Die Kollektivvertragsparteien hätten einen Modellstelleneinreihungsplan vereinbart, der Bestandteil des Kollektivvertrags und damit normativ ausschlaggebend sei. Ungeachtet dessen umschreibe der zwischenzeitig überholte Begriff Sozialarbeit keine spezifischen Tätigkeitsinhalte, sondern bezeichne verschiedenste höher‑ und niederwertige Tätigkeiten für zu betreuende Menschen, sodass die kollektivvertraglichen Funktionsbeschreibungen von Bedeutung seien. Nach ihnen seien SozialarbeiterInnen in Krankenhäusern ‑ anders als etwa „Case-ManagerInnen“ ‑ mangels einer Resultat‑ und Führungsverantwortung zutreffend in die Gehaltsbandgruppe 2 eingeordnet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte die Aufgaben der sozialen Arbeit bei der Beklagten wie folgt fest:

„Die Aufgaben der sozialen Arbeit sind bei der Beklagten in zwei Bereiche eingeteilt: Sozialarbeit in den Krankenanstalten und Sozialarbeit in den Regionen. Sozialarbeiter in den Krankenanstalten sind hierarchisch einem Teamleiter und nicht einer Krankenanstalt unterstellt; zudem sind sie fachliche Ansprechpersonen von sogenannten Seniorenbetreuerinnen, denen sie allerdings hierarchisch nicht vorgesetzt sind. Die Sozialarbeiterin entscheidet jedoch selbst, welche Tätigkeiten sie an die jeweilige Seniorenbetreuerin delegieren möchte. Klienten werden der Sozialarbeiterin zu etwa 80 % von der Krankenstation zugewiesen; 20 % der Klienten suchen eigenständig den Kontakt zur Sozialarbeiterin oder werden von den Angehörigen geschickt.

Die inhaltliche Tätigkeit einer Sozialarbeiterin in Krankenanstalten lässt sich wie folgt darstellen: Die Sozialarbeiterin hat neben dem sozialversicherungsrechtlichen Status auch das soziale Umfeld sowie die rechtlich-finanzielle Situation des Klienten abzuklären. Im Rahmen der Abklärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klienten hat sich die Sozialarbeiterin davon zu vergewissern, ob für die Dauer des Krankenhausaufenthaltes ein ausreichender Krankenversicherungsschutz vorliegt. In weiterer Folge hat sie im Rahmen eines Anamnesegesprächs, welches im Fallplanungsblatt auch zu dokumentieren ist, das soziale Umfeld zu klären, dh ob es Angehörige gibt, die einzubinden sind bzw die auch weitere Hilfestellungen leisten können. Falls es sich um einen pflegebedürftigen Klienten handelt, ist auch ‑ nach Zustimmung des Betroffenen ‑ anzufragen, ob eine dauerhafte oder kurzfristige Betreuung nach der Entlassung aus der Krankenanstalt entweder durch die Angehörigen selbst oder durch ein Pflegeheim gesichert ist. In rechtlich-finanzieller Hinsicht hat die Sozialarbeiterin zu prüfen, ob allenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditäts‑ oder Berufsunfähigkeitspension, von Pflege‑ oder Krankengeld oder von Mindestsicherung bzw für eine Rezeptgebührenbefreiung vorliegen.

Die Sozialarbeiterin hat gegebenenfalls darauf Bedacht zu nehmen, dass der Klient, falls wohnversorgt, seine Wohnung nicht verliert. Bei bereits eingetretener Obdachlosigkeit versucht sie, eine Wohnung zu organisieren. Bei mangelnder 'Wohnungsfähigkeit' versucht sie, eine Unterbringung in einer entsprechenden Einrichtung zu gewährleisten. Sie hat auch auf Basis der erhaltenen Informationen den Klienten über seine Möglichkeiten aufzuklären. Diese Beratung beinhaltet ‑ von Fall zu Fall unterschiedlich ‑ Informationen zur Heimhilfe, Besuchsdienst, Tageszentren, Reinigungsdienste, Pflege- und Krankengeld etc. Die Sozialarbeiterin organisiert die entsprechenden Formulare und unterstützt den Klienten bei Bedarf beim Ausfüllen. Ob und welche Anträge seitens des Klienten gestellt werden, bleibt allerdings diesem vorbehalten. Sollte für die Kommunikation mit dem jeweiligen Klienten ein Dolmetsch erforderlich sein, wird dieser zur Unterstützung von der Sozialarbeiterin beigezogen. Allfällige Empfehlungen aus sozialarbeiterischer Sicht ‑ zB Weiterbetreuung nach Entlassung etc ‑ leitet sie an die jeweilige Krankenstation weiter, die wiederum das krankenhausinterne Entlassungsmanagement hievon in Kenntnis setzt. Weitere Maßnahmen werden von diesem gesetzt.

Bei Fällen, in denen der Klient nicht entlassen werden kann, da er in seiner Wohnung nicht mehr über eine Strom- bzw Gasversorgung verfügt, stellt die Sozialarbeiterin einen Antrag beim Land Wien, MA 40, zur 'Hilfe in besonderen Lebenslagen'. Gleichzeitig informiert sie hiervon den Ombudsmann der Wien Energie und ersucht um Stundung offener Beträge, um auch weitere Mahnkosten zu vermeiden. Nachdem das Land Wien die Soforthilfe bewilligt hat ‑ damit gemeint: die offenen Energiekosten übernimmt ‑, kann der Klient aufgrund der Gewährleistung der Energieversorgung aus der Krankenhauspflege entlassen werden. Als Voraussetzung für die angeführte Unterstützung durch das Land Wien hat die Sozialarbeiterin einen Sozialbericht zu verfassen.

Die von der Sozialarbeiterin durchzuführende Dokumentation ihrer Tätigkeit lässt sich in eine quantitative ‑ für die bloße Statistik ‑ und in eine qualitative Dokumentation einteilen. Letztere wird anhand eines Anamneseblattes, das einen Leitfaden der Beklagten mit den erforderlichen Daten beinhaltet, geführt. Für jeden Einzelfall wird der jeweilige Fallverlauf dokumentiert. Ergänzend sind Maßnahmen in eine gemeinsam von der sozialen Arbeit und der jeweiligen Krankenanstalt geführten Datenbank einzutragen. Die Sozialarbeiterin bespricht gegebenenfalls einzelne Fälle auch mit der jeweiligen Stationsschwester oder einem Oberarzt. Sie ist hiebei jedoch weder weisungsgebunden noch weisungsbefugt tätig.

Bei Fällen von Gewalt in der Familie schaltet die Sozialarbeiterin auch die Kriseninterventionsstelle ein, erklärt dem Klienten aber bereits vorab Inhalt und Möglichkeiten der Krisenintervention, wie zB 'Gewaltschutz‑EV' etc. Das tatsächliche Kriseninterventionsgespräch und das Stellen damit in Zusammenhang stehender Anträge werden nicht von der Sozialarbeiterin durchgeführt. Eine Zusammenarbeit mit anderen Sozialarbeitern erfolgt grundsätzlich nicht.

Voraussetzung für die Bewältigung dieser Aufgaben ist zunächst die Ausbildung (mittlerweile) in der Fachhochschule. Im Rahmen dieser praxisorientierten Ausbildung erlernen Sozialarbeiter neben den rechtlichen Grundlagen für ihre Beratung ‑ ASVG, UBG, FremdenG ‑ auch das Führen von Klientengesprächen bzw Gesprächen mit schwierigen Angehörigen. Darüber hinaus erhalten sie Informationen zum Erkennen bestimmter Krankheiten wie Alkoholismus, Demenz, etc. Eine Empfehlung an die ärztliche Betreuung zur Durchführung bestimmter Behandlungen aufgrund der von der Sozialarbeiterin erkannten Erkrankungen ist von ihren Dienstpflichten nicht mitumfasst.

Durchschnittlich verbleiben die Klienten sechs Tage in stationärer Behandlung, während dessen sie von einer „Sozialarbeiterin in Krankenanstalten“ betreut werden. Mit der Entlassung des Klienten aus der Krankenanstalt endet auch die Betreuungsverpflichtung. In weiterer Folge werden die Klienten von den 'Sozialarbeiterinnen in den Regionen' (extramural) betreut. Diese wären auch grundsätzlich in die Gehaltsbandgruppe 2 einzuordnen, erhalten aber als Ausgleich für den Wegfall der SEG‑Zulage einen entsprechenden geldwerten Ausgleich.

Neben den Sozialarbeitern in den Regionen […] ist das sogenannte 'case management' bei der Muttergesellschaft etabliert. Das 'case management', welches ebenfalls von Sozialarbeiterinnen durchgeführt wird, umfasst nicht die Einzelbetreuung von Klienten (intramural, Sozialarbeiterinnen in Krankenanstalten, bzw extramural, Sozialarbeiterinnen in den Regionen), sondern befasst sich vielmehr mit der Vergabe von Fördermitteln etc und Systemarbeit im Allgemeinen.“

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Klagslegitimation des Klägers. Wie bei der beispielhaften Erwähnung der Sozialpädagogik sowohl in Gehaltsgruppe 2 als auch 3 müsse für die Einordnung in die Gehaltsbänder die kollektivvertragliche Funktionsbeschreibung maßgeblich sein, sodass es auf die genaue inhaltliche Tätigkeit des Arbeitnehmers ankomme. Inhaltlich entsprächen die Aufgaben der SozialarbeiterInnen in Krankenhäusern der Funktionsbeschreibung für die Gehaltsbandgruppe 2. Sehe man das Modellstellenprofil aufgrund der Beiziehung des Betriebsrats als unzulässige freie Betriebsvereinbarung an, könne es als bloße Vertragsschablone unter Berücksichtigung des arbeitsrechtlichen Günstigkeitsprinzips keinen Einfluss auf die Auslegung des Kollektivvertrags haben. Soweit es aufgrund der Unterzeichnung durch die Gewerkschaft als Kollektivvertrag zu qualifizieren sei, könne es mangels ordnungsgemäßer Kundmachung keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit entfalten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge. In der Regel könne aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Einstufung in die betreffende Beschäftigungsgruppe geschlossen werden. Durch die Aufnahme der „Sozialarbeit“ als eines der Beispiele für eine der Gehaltsbandgruppe 3 zu unterstellende Tätigkeit hätten die Kollektivvertragsparteien unmissverständlich ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, dass Sozialarbeit grundsätzlich eine der Funktionsbeschreibung der Gehaltsbandgruppe 3 entsprechende Tätigkeit darstelle und die Tätigkeit ‑ unabhängig vom im Einzelfall gegebenen Arbeitsbereich ‑ als weitgehend selbstständige Bearbeitung eines breit umfassenden Bereichs mit Resultats‑ und Führungsverantwortung von ausführenden MitarbeiterInnen, die in einem Sachgebiet tätig sind, anzusehen sei. Die von den MitarbeiterInnen der beklagten Partei im Krankenhaus verrichtete sozialarbeiterische Tätigkeit stelle die durchschnittliche und aktuelle Tätigkeit eines Sozialarbeiters/einer Sozialarbeiterin dar, womit diese Mitarbeiter in den Kernbereich des Beispiels für die Gehaltsbandgruppe 3 fielen. Gerade in einem solchen Fall müsse es bei dem Grundsatz bleiben, dass Normunterworfene aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Einstufung in die betreffende Beschäftigungsgruppe ‑ hier Gehaltsbandgruppe ‑ schließen könnten.

Die Wertung sei aber auch nachvollziehbar und sachgerecht. Die Tätigkeit setze eine qualifizierte Ausbildung ‑ mittlerweile an der Fachhochschule ‑ voraus und umfasse ein breites Tätigkeitsspektrum, das weitestgehend selbstständig bearbeitet werde. Der Sozialarbeiter/die Sozialarbeiterin im Krankenhaus habe neben dem sozialen Umfeld und dem sozialversicherungsrechtlichen Status auch die rechtliche und finanzielle Situation des jeweiligen Klienten abzuklären und letztlich zu entscheiden, welche konkreten Maßnahmen in den verschiedenen Lebensbereichen zu treffen seien. Insgesamt handle es sich um eine qualifizierte, verantwortungsvolle und breit gefächerte Tätigkeit, bei der ‑ wenn auch nicht Führungsverantwortung im eigentlichen Sinn des Wortes ‑ so doch jedenfalls Resultatsverantwortung und ein hohes Maß an Selbstständigkeit gegeben seien. Demgegenüber sei die Selbstständigkeit der Bediensteten der Gehaltsbandgruppe 2 nach den dort genannten Beispielen wie etwa Betreuung, Hauskoordination, Hausmanagement, Sachbearbeitung oder Fachpflege deutlich reduziert. Spezifische Vorgaben, durch die die selbstständige Tätigkeit der SozialarbeiterInnen im Krankenhaus entsprechend eingegrenzt würde, ließen sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Letztlich könne auch eine ‑ wenn auch sehr eingeschränkte ‑ Führungsverantwortung dahingehend erkannt werden, dass der Sozialarbeiter/die Sozialarbeiterin fachliche Ansprechperson der SeniorenbetreuerInnen sei und selbstständig entscheide, ob und welche Tätigkeiten an diese delegiert würden.

Das vereinbarte Modellstellenprofil entfalte als rein schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien keine normative Wirkung und sei aufgrund des Günstigkeitsprinzips jedenfalls nicht geeignet, eine gegenüber der kollektivvertraglichen Regelung ungünstigere Einstufung der Dienstnehmer zu rechtfertigen. Dem Modellstellenprofil als authentische Interpretation des Gehaltsschemas des Kollektivvertrags durch die Kollektivvertragsparteien und einer daraus resultierenden Entfaltung einer Normwirkung stehe die fehlende ordnungsgemäße Kundmachung der Vereinbarung entgegen. Es stelle auch keinen Verzicht des Klägers auf einen Rechtsstreit über die Einreihung dar. Das Recht zur Klagsführung nach § 54 Abs 1 ASGG sei kein persönliches Recht des Betriebsrats, sondern Teil seiner Befugnis, die Interessen der Belegschaft zu vertreten, wofür ihm auch Parteistellung eingeräumt werde. § 54 Abs 1 ASGG eröffne dem Betriebsrat das Recht, im Rahmen seines Wirkungsbereichs auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens betreffen, zu klagen oder geklagt zu werden. Die Möglichkeit eines vertraglichen Verzichts des Betriebsrats auf die Befugnis, die Belegschaft zu vertreten bzw auf einen Teil dieser Vertretungsbefugnis könne dem Gesetz schon mangels entsprechender Rechtsfähigkeit des Vertretungsorgans nicht entnommen werden.

Die Revision sei zulässig, weil eine größere Gruppe von Arbeitnehmern von der Auslegungsfrage betroffen sei.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Die dem normativen Teil eines Kollektivvertrags angehörenden Bestimmungen sind nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen (RIS‑Justiz RS0008782; RS0008807 ua). Den Kollektivvertragsparteien darf dabei grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, sodass bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RIS‑Justiz RS0008828; RS0008897). Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS‑Justiz RS0010088). Denn die Normadressaten, denen nur der Text des Kollektivvertrags zur Verfügung steht, können die Vorstellungen, die die Kollektivvertragsparteien beim Abschluss vom Inhalt der Normen besessen haben, weder kennen noch feststellen. Sie müssen sich vielmehr darauf verlassen können, dass die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat (RIS‑Justiz RS0010088 [T18] ua). So wie es nicht Sache der Rechtsprechung ist, eine unbefriedigende Regelung des Gesetzes zu korrigieren, darf auch einem Kollektivvertrag nicht zu diesem Zweck eine Deutung gegeben werden, die dem klaren und unzweideutig formulierten Wortlaut zuwiderliefe (8 ObA 70/07p; 9 ObA 33/11k mwN uva).

Zur streitgegenständlichen Frage der Einordnung von Sozialarbeit in Krankenhäusern hält der Oberste Gerichtshof die Begründung des Berufungsgerichts sowohl in ihrer methodischen Ableitung als auch inhaltlich für zutreffend, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Der Ansicht der Beklagten, dass damit nicht auf die Funktionsbeschreibungen zu Gehaltsbandgruppe 3 Bedacht genommen werde, ist die bereits vom Berufungsgericht zitierte Rechtsprechung entgegenzuhalten, dass in der Regel aus dem Zutreffen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Einstufung in die betreffende Beschäftigungsgruppe geschlossen werden kann (9 ObA 33/11k, s auch 8 ObA 189/02f). Dieser Grundsatz ist auch nicht auf Kollektivverträge beschränkt, in denen sich die Beschreibung einer Gehaltsgruppe in der Aufzählung von Berufsbildern oder Stellenbeispielen erschöpft. So wird etwa in dem der Entscheidung 9 ObA 33/11k zugrunde liegenden Kollektivvertrag für Handelsangestellte die Beschäftigungsgruppe 3 abstrakt mit „Angestellte, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten selbständig ausführen“ beschrieben und erst in der Folge mit Tätigkeitsbeispielen illustriert.

Hinzu kommt, dass der streitgegenständliche Kollektivvertrag - anders als für eine Tätigkeit im Bereich Sozialpädagogik, die sowohl in Gehaltsbandgruppe 2 als auch 3 erwähnt wird - den Bereich „Sozialarbeit“ gerade nicht in beiden Gehaltsbandgruppen anführt, sodass nach den genannten Auslegungsgrundsätzen davon ausgegangen werden muss, dass die Kollektivvertragsparteien die Sozialarbeit nur der Gehaltsbandgruppe 3 zuordnen wollten. Die von der Beklagten gewünschte gehaltsbandgruppenübergreifende Differenzierung innerhalb der Sozialarbeit ist damit gerade nicht indiziert, ohne dass damit schon grundsätzlich aufgabenspezifische Differenzierungen der Sozialarbeit ausgeschlossen wären (die Gehaltsbandgruppe 3 umfasst mehrere Gehaltsbänder).

Den Kollektivvertragsparteien ist hier auch nicht von vornherein eine unsachliche Wertung zu unterstellen, wenn man berücksichtigt, dass die Tätigkeit als Sozialarbeiter nicht nur eine qualifizierte Ausbildung, sondern ein eigenständiges Arbeiten mit und für Patienten erfordert, das nach dem festgestellten Sachverhalt ein breites Spektrum ihres psychosozialen, medizinischen, rechtlichen und finanziellen Umfeldes betrifft, ohne dass dafür im Einzelnen spezifische Vorgaben im Sinn der Gehaltsgruppe 2 gemacht würden. Richtig ist zwar, dass bei der festgestellten Tätigkeit der Sozialarbeit in Krankenanstalten das für eine Einstufung in die Gehaltsbandgruppe 3 vorgesehene Kriterium der Führungsverantwortung nicht nennenswert ausgeprägt ist. Zu bedenken ist allerdings, dass Sozialarbeit in ihrem Kernbereich auf ein selbstständiges Arbeiten und Betreuen von Patienten oder anderen Personen vor Ort ausgerichtet ist, sodass die Eingliederung von SozialarbeiterInnen in eine Betriebshierarchie ‑ wie sie von einer Führungsverantwortung vorausgesetzt wird ‑ insgesamt reduziert ist. Wenn die Kollektivvertragsparteien dessen ungeachtet Sozialarbeit als Stellenbeispiel für die Gehaltsbandgruppe 3 nennen, so kann dies nicht anders verstanden werden, als dass dem Merkmal der Führungsverantwortung in Bezug auf Sozialarbeit nur sehr eingeschränkte Bedeutung zukommen soll, zumal Leitungsfunktionen wie die Leitung von Themenbereichen oder eine Teamleitung eigene Stellenbeispiele für die Gehaltsbandgruppe 3 bilden.

Wollten die Kollektivvertragsparteien aber Sozialarbeit einer „weitgehend selbstständigen Bearbeitung eines breit umfassenden Bereiches mit Resultats- und Führungsverantwortung von ausführenden MitarbeiterInnen“ gleich halten, so besteht kein hinreichender Anlass, diese Zuordnung in Frage zu stellen.

II. Die Beklagte meint weiter, beim Klagerecht handle es sich um ein persönliches Recht des Betriebsrats, über das dieser durch Abschluss der Vereinbarung bereits im Sinne eines Verzichts disponiert habe.

Auch in diesem Punkt kann jedoch auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Zielsetzungen, Voraussetzungen und zur rechtlichen Qualifikation der Prozessführungsbefugnis des Betriebsrats verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Hervorzuheben ist, dass die Prozessführungsbefugnis des Betriebsrats nach herrschender Ansicht eine gesetzliche Prozessstandschaft zur Wahrnehmung der von ihm vertretenen Arbeitnehmer bedeutet (s Neumayr in ZellKomm2 § 54 ASGG Rz 15 mwN). Richtig ist zwar, dass § 54 Abs 1 ASGG einen Betriebsrat nicht zur Führung eines Feststellungsverfahrens im Sinn dieser Bestimmung verpflichtet. Diese Bestimmung kann deshalb aber noch nicht dahin gedeutet werden, dass er befugt wäre, unabhängig von einem Prozess auf die Möglichkeit einer künftigen Klagsführung und gerichtlichen Überprüfung der kollektivvertraglichen Einstufung der von ihm vertretenen Arbeitnehmer zu verzichten.

III. Zusammenfassend erweist sich die Revision danach als nicht berechtigt, sodass ihr keine Folge zu geben ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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