OGH 6Ob212/13i

OGH6Ob212/13i16.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) mj B***** C*****, 2) G***** C*****, 3) DI E***** C*****, alle vertreten durch Dr. Viktor Igáli‑Igálffy, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Peter Bibiza, Rechtsanwalt in Wien, wegen 74.000 EUR sA (erstklagende Partei), 24.926,58 EUR sA (zweitklagende Partei) und 23.926,58 EUR sA (drittklagende Partei) und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. September 2013, GZ 14 R 125/13z‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00212.13I.1216.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, wann der für eine erfolgversprechende Klagsführung ausreichende Kenntnisstand erreicht ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0034908 [T13]). Dasselbe gilt für die Frage des Ausmaßes der Erkundungspflicht des Geschädigten über den die Verjährungsfrist auslösenden Sachverhalt (RIS‑Justiz RS0113916). Diese Fragen können daher, von auffallender Fehlbeurteilung abgesehen, in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründen (vgl RIS‑Justiz RS0034908 [T19]).

2. Aus dem mehrmaligen Verweis der Revisionswerberin auf die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises ist für sie nichts gewonnen:

Von dem Grundsatz, dass die Beweislastumkehr das Verschulden betrifft, der Beweis der Kausalität jedoch weiterhin dem Gläubiger obliegt, ist der Oberste Gerichtshof bei ärztlichen

Behandlungsfehlern abgegangen, weil hier wegen der in diesen Fällen besonders vorhandenen Beweisschwierigkeiten des Patienten, die Kausalität nachzuweisen, nur dem zur Haftung herangezogenen Arzt die Mittel und Sachkunde zum Nachweis zur Verfügung stehen. Steht ein ärztlicher

Behandlungsfehler fest und ist es unzweifelhaft, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts durch den ärztlichen Kunstfehler nicht bloß unwesentlich erhöht wurde, hat der Belangte (Arzt oder Krankenanstaltenträger) zu beweisen, dass die ihm zuzurechnende Sorgfaltsverletzung „mit größter Wahrscheinlichkeit“ nicht kausal für den Schaden des Patienten war (vgl RIS‑Justiz RS0106890 [T18], RS0038222).

Demnach verbleibt die Behauptungs‑ und Beweislast dafür, dass überhaupt ein Behandlungsfehler begangen wurde, welcher Arzt dafür verantwortlich ist und dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts durch den Kunstfehler nicht bloß unwesentlich erhöht wurde, beim Patienten. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass eine ausreichende Kenntnis insbesondere darüber, welchem Arzt welcher konkrete Kunstfehler vorzuwerfen ist, erst nach Vorliegen aller Gutachten gegeben war, ist durchaus vertretbar. Die auf bloßen Mutmaßungen basierende subjektive Überzeugung des Geschädigten reicht für den Beginn des Fristenlaufs nicht aus (4 Ob 144/11x).

3. Die Ausführungen der Revision zur Erkundigungsobliegenheit bzw Obliegenheit zur Einholung eines Gutachtens können die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nicht nachvollziehbar begründen. Nach den Feststellungen haben die Kläger ja gerade Befunde und Gutachten eingeholt, um Kenntnis von allen für die Klageerhebung relevanten Umständen zu erlangen. Die Verletzung einer Erkundigungsobliegenheit liegt damit aber gerade nicht vor.

4. Die Revisionsausführungen zur Ablaufshemmung durch Vergleichsverhandlungen sind irrelevant, weil die Vorinstanzen die verneinte Verjährung der Klagsansprüche nicht auf eine solche Ablaufshemmung gestützt haben.

5. Hinsichtlich des Anspruchsschreibens des Klagevertreters ist die Revisionswerberin neuerlich auf die Entscheidung 4 Ob 144/11x zu verweisen: Daraus ergibt sich, dass selbst dann, wenn die Klage ebenso wie der früher erhobene Vorwurf auf Mutmaßungen beruht, die Annahme nicht zwingend ist, dass die Klage objektiv bereits im Zeitpunkt, als der Vorwurf erhoben wurde, möglich gewesen wäre. Gleichermaßen kann auch ein anwaltliches Anspruchsschreiben auf Mutmaßungen basieren und zwingt nicht zur Annahme, dass in diesem Zeitpunkt die Erhebung einer Klage objektiv bereits möglich gewesen wäre.

Stichworte