OGH 9Ob57/13t

OGH9Ob57/13t26.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** B***** S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Preisl, Dr. Helgar Georg Schneider, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei M***** R*****, vertreten durch Dr. Kurt Bayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 75.000 EUR sA und Feststellung, über die „außerordentliche Revision“ der klagenden Partei (Revisionsinteresse 15.000 EUR) und die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 62.000 EUR) gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Juni 2013, GZ 4 R 87/13w-87, mit der infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 28. März 2013, GZ 8 Cg 72/11g-80, teilweise aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die „außerordentliche Revision“ der klagenden Partei gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Abweisung eines Mehrbegehrens von 15.000 EUR durch das Erstgericht mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist, wird zurückgewiesen.

2. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

I. Der klagende Forstwirt und der beklagte Forwarderfahrer arbeiteten am 18. 3. 2010 erstmals bei einer motor-manuellen Forsternte zusammen, ohne sich vorweg in einem Koordinationsgespräch oder sonst über die besonderen Schutzmaßnahmen abzusprechen. Eine Sprechfunkverbindung war nicht vorhanden, obwohl aufgrund des Lärmpegels der Arbeitsmaschine eine Kommunikation sonst nicht möglich war. Die entlang einer Forststraße in der Kranreichweite des Forwarders gelegenen Baumstämme (Einfachbloch - 4 Meter, Zweifachbloch - 8 Meter, Dreifachbloch - 12 Meter) wurden vom am Weg positionierten Beklagten mit dem Forwarder zugezogen und vom Kläger mit der Motorsäge zu einem verkaufsfähigen Sortiment von 4 Meter Länge zugeschnitten. Danach lud der Beklagte diese in den Forwarder. Gegen 17:00 Uhr fuhr der Beklagte den Kran auf die maximale Kranreichweite aus, um ein vom Schnee bedecktes Dreifachbloch (12 Meter) zu ergreifen und näher an das Fahrzeug heranzuziehen. Der Beklagte fixierte den Baumstamm mit dem Forwarder, in dem er diesen Baumstamm stirnseitig zwickte. Im Rahmen des Zuzugs kam es zu Problemen, die der Kläger erkannte. Wegen der Gefahr des Herabstürzens des Baumstammes entschied sich der Kläger, seinen bisherigen Aufenthaltsort etwa fünf Meter von der Kransäule entfernt und damit in deren Schwenkungsbereich zu verlassen. Diesen Aufenthaltsort hatten beide Streitteile als sicheren Standort angesehen. Der Fluchtweg des Klägers führte diesen aus Panik heraus und mangels erforderlicher Zeit für eine Kontaktaufnahme direkt in den engsten Gefahrenbereich, in dem sich dann plötzlich der Holzstamm löste und den Kläger erfasste und diesem schwere Verletzungen zufügte. Der Aufenthaltsort des Klägers war kein sicherer Aufenthaltsort, da er sich im Gefahrenbereich des Forwarders aufhielt und den minimalen Sicherheitsabstand von zwanzig Metern nicht einhielt. Das Betretungsverbot von zwanzig Metern gilt nicht nur für „Betriebsfremde“, sondern auch für Mitarbeiter des Forstbetriebs. Sobald sich eine Person in diesem Gefahrenbereich befindet, ist die Arbeit einzustellen. Der Bediener des Krans hat sich jeweils zu vergewissern, dass sich niemand in diesem Gefahrenbereich aufhält. Auch muss ein Forwarderfahrer immer damit rechnen, dass sich ein Stamm aus dem Griff löst. Obwohl der Beklagte wusste, dass ein Sicherheitsabstand von zwanzig Metern einzuhalten gewesen wäre, wies er den Kläger nicht darauf hin und forderte ihn auch nicht auf, diesen Gefahrenbereich zu verlassen. Bei Beachtung der Gefahrenzone von zwanzig Metern hätte der Unfall vermieden werden können, weil der Kläger gar nicht erst in eine bedrohliche Situation gekommen wäre, die ihn veranlasst hätte, seinen Standort zu verlassen.

Der Kläger begehrt unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % Schmerzengeld in Höhe von 65.000 EUR sowie eine Verunstaltungsentschädigung von 10.000 EUR und auch die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Folgen in diesem Ausmaß.

Das Erstgericht stellte die Haftung des Beklagten für die unfallkausalen Schäden mit 50 % fest. Es schätzte die Verunstaltungsentschädigung mit 20.000 EUR und das Schmerzengeld mit 100.000 EUR ein und sprach dem Kläger unter Berücksichtigung des 50%igen Mitverschuldens 60.000 EUR sA zu. Beim Schmerzengeld ging das Erstgericht davon aus, dass die zukünftigen Schmerzen noch nicht einschätzbar seien und daher nur die Schmerzen bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung der Bemessung des Schmerzengeldes zugrunde zu legen seien. Ausgehend davon, wies es das Mehrbegehren an Schmerzengeld in Höhe von 15.000 EUR sowie das Zinsenmehrbegehren ab.

Der Kläger ließ diese Abweisung des Schmerzengeldanspruchs unbekämpft.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten hinsichtlich des Feststellungsbegehrens und des Zuspruchs an Verunstaltungsentschädigung in Höhe von 10.000 EUR nicht Folge, hielt fest, dass die Abweisung von 15.000 EUR sA unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, hob das erstgerichtliche Urteil jedoch im Übrigen auf und verwies insoweit die Rechtssache zur Bemessung des Schmerzengeldes an das Erstgericht zurück. Im Wesentlichen legte es dem Aufhebungsbeschluss zugrunde, dass das Erstgericht unberechtigt eine bloße Teilbemessung und keine Globalbemessung des Schmerzengeldes vorgenommen habe.

Rechtliche Beurteilung

II. Zur Zurückweisung der „außerordentlichen Revision“ des Klägers:

Mit seinem als „außerordentliche Revision“ bezeichneten Rechtsmittel wendet sich der Kläger dagegen, dass das Berufungsgericht ausführte, dass die Abweisung des Mehrbegehrens von 15.000 EUR mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen sei. Der Kläger stellt den Antrag, die Wortfolge „welches hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens von 15.000 EUR unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist“ aufzuheben bzw insoweit die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die „außerordentliche Revision“ ist unzulässig.

Mit dem Hinweis darauf, dass ein Teil des erstgerichtlichen Urteils mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen sei, hat das Berufungsgericht nur den Gegenstand des Berufungsverfahrens abgegrenzt. Der Eintritt der Rechtskraft erfolgt unabhängig von jeglicher Beschlussfassung darüber (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0110466). Eine abgesonderte „außerordentliche Revision“ gegen diese Klarstellung in der Entscheidung des Berufungsgerichts ist nicht zulässig. Ebensowenig wäre es zulässig, den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts zu bekämpfen, da dieser keinen Rechtskraftvorbehalt iSd § 519 Abs 2 ZPO enthält (RIS-Justiz RS0109580 mwN). Insoweit bedarf es auch keines Eingehens darauf, inwieweit der Kläger durch die Begründung des Aufhebungsbeschlusses beschwert sein könnte (RIS-Justiz RS0041929; RS0043947 jeweils mwN).

Die bloß auf Aufhebung der Klarstellung über den Umfang des berufungsgerichtlichen Verfahrens gerichtete „außerordentliche Revision“ war daher mangels Zulässigkeit zurückzuweisen. Im Übrigen wäre selbst gegen einen Beschluss im Sinne des § 490 ZPO ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

III. Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:

Als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO macht der Beklagte vor allem geltend, dass die Vorinstanzen das in der Panikreaktion gesetzte Fehlverhalten des Klägers nicht richtig gewürdigt hätten.

Die Vorinstanzen haben aber in jedenfalls vertretbarer Weise zutreffend auf die ständige Judikatur verwiesen, wonach plötzliche und überraschende bedrohliche Ereignisse, die ein überstürztes Handeln erfordern, etwaige Ungeschicklichkeiten des Verhaltens des Geschädigten, überhaupt entschuldbar erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0023292).

Nach den konkreten Feststellungen wurde der Kläger durch die von ihm bemerkte Gefahr des Herabstürzens des Baumstammes in Panik versetzt und hat den falschen Fluchtweg gewählt. Die massive - und sicher später auch realisierende - Gefahr, von einem herabstürzenden Baumstamm getroffen zu werden, ist durchaus geeignet eine entschuldbare Fehlreaktion hervorzurufen. Wenn diese in der Gesamtbeurteilung der Vorinstanzen, die zu einer 50%igen Mitverschuldensannahme geführt haben, nicht stärker berücksichtigt wurde, so liegt darin jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung (allgemein zur mangelnden Eignung der Darstellung einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO RIS-Justiz RS0087606 ua). Zu den Ausführungen der Revision, wonach keine Rechtsprechung zu § 176 Forstgesetz 1975 vorliege, kann auf die bereits vorliegende Entscheidung verwiesen werden (RIS-Justiz RS0058873).

Im Übrigen bekämpft der Beklagte weitgehend nur in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichts (RIS-Justiz RS0043371) bzw macht nicht mehr bekämpfbare Verfahrensmängel geltend (RIS-Justiz RS0042963 uva).

Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage war daher die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

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