OGH 12Os123/13z

OGH12Os123/13z14.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Buchner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Johannes A***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB, AZ 113 Hv 168/12x des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 26. Februar 2013, GZ 113 Hv 168/12x‑47, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, und des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 113 Hv 168/12x des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt der in der Hauptverhandlung am 26. Februar 2013 ergangene Beschluss auf Abtretung des Verfahrens an das Bezirksgericht Döbling § 488 Abs 3 StPO.

Der Beschluss wird aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien aufgetragen, sich der Verhandlung und Urteilsfällung über den Strafantrag vom 13. Dezember 2012 zu unterziehen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Wien legt Dr. Johannes A***** im Verfahren AZ 113 Hv 168/12x des Landesgerichts für Strafsachen Wien mit Strafantrag vom 13. Dezember 2012 (ON 25) zur Last, am 19. August 2011 in W***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Elisabeth W***** durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit zur Nutzungsüberlassung eines näher bezeichneten Hauses verleitet zu haben, wodurch Margarethe M***** ein Schaden in Höhe von insgesamt 3.318 Euro entstanden ist.

In der (vertagten, ON 38) Hauptverhandlung am 26. Februar 2013 verkündete der Einzelrichter aufgrund von ‑ seiner Ansicht nach ‑ einen 3.000 Euro nicht übersteigenden Betrugsschaden indizierenden Verfahrensergebnissen (nach entsprechender Modifikation des Strafantrags durch die Staatsanwältin; ON 47 S 8 f) den „Beschluss auf Abtretung des Verfahrens an das sachlich und örtlich zuständige Bezirksgericht Döbling“, wozu der Angeklagte und die Staatsanwältin einen sofortigen Rechtsmittelverzicht erklärten (ON 47 S 10). Sodann verfügte der Einzelrichter die Aktenübermittlung an das „Bezirksgericht Döbling zuständigkeitshalber unter Hinweis auf die Einschränkung des Strafantrags und den rechtskräftigen Unzuständigkeitsbeschluss vom 26. Februar 2013“ (ON 1 S 17).

Im Verfahren AZ 506 Hv 111/13w des Landesgerichts Korneuburg legt die Staatsanwaltschaft Korneuburg Dr. Johannes A***** mit Strafantrag vom 20. August 2013 (ON 5) unter anderem als Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB beurteiltes strafbares Verhalten im Mai 2013 in G***** zur Last.

Mit Beschluss vom 27. August 2013 trat das Bezirksgericht Döbling das nunmehr unter der AZ 31 U 36/13x geführte, vom Landesgericht für Strafsachen Wien abgetretene Verfahren an das Landesgericht Korneuburg zu dem zuvor bezeichneten Verfahren „zur gemeinsamen Führung gemäß § 37 StPO“ ab (ON 1 S 18).

Rechtliche Beurteilung

Der im Verfahren AZ 113 Hv 168/12x des Landesgerichts für Strafsachen Wien am 26. Februar 2013 gefasste Beschluss auf Abtretung des Verfahrens an das Bezirksgericht Döbling steht ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt ‑ mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Während die sachliche Unzuständigkeit des Landesgerichts als Einzelrichter bei (a-limine-)Prüfung des Strafantrags vor Anordnung der Hauptverhandlung gemäß § 485 Abs 1 Z 1 StPO uneingeschränkt ‑ somit auch in Betreff einer Zuständigkeit des Bezirksgerichts ‑ wahrzunehmen ist, bestimmt § 488 Abs 3 StPO für die Hauptverhandlung, dass das Landesgericht als Einzelrichter seine Unzuständigkeit nur im Fall einer von ihm erachteten Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffen- oder Geschworenengericht ‑ somit nicht auch des Bezirksgerichts ‑ mit Urteil auszusprechen hat.

Nach dieser auf dem Grundsatz der Prozessökonomie beruhenden (auch in § 261 Abs 1 StPO zum Ausdruck gebrachten) Konzeption der Strafprozessordnung, derzufolge nach Eröffnung der Hauptverhandlung das mit der Sache bereits befasste Gericht ‑ sofern nicht die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung gegeben erscheint ‑ das Urteil schöpft, schließt die Zuständigkeit des ‑ erkennenden ‑ Gerichts höherer Ordnung die niedrigere sachliche Gerichtskompetenz in sich, weil auch ein bezogen auf den Gegenstand der Anklage qualifizierter Spruchkörper mit Blick auf die Systematik der verfahrensrechtlichen Vorschriften und ungeachtet unterschiedlicher Anfechtungsmöglichkeiten stets auf dem Gesetz beruht. Erachtet daher der Einzelrichter des Landesgerichts in der Hauptverhandlung, dass die abzuurteilende Tat in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts fällt, so bleibt es bei seiner Entscheidungskompetenz und er hat ein Sachurteil zu fällen, nicht aber seine sachliche Unzuständigkeit auszusprechen. Gleiches gilt im Übrigen für das Schöffen- und das Geschworenengericht (vgl zum Ganzen 13 Os 208/77; 12 Os 46/90; 11 Os 208/09m; RIS‑Justiz RS0098800; RS0099146; RS0100460; Lewisch, WK‑StPO § 261 Rz 3; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 115).

Der Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien auf Abtretung des Verfahrens an das Bezirksgericht verletzt daher das Gesetz in der Bestimmung des § 488 Abs 3 StPO, ist ‑ als der Strafprozessordnung fremd ‑ wirkungslos und war daher zur Klarstellung zu beseitigen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 496; Lewisch, WK-StPO § 261 Rz 30; RIS-Justiz RS0116267). Einer förmlichen Aufhebung auch des davon rechtslogisch abhängigen Beschlusses des Bezirksgerichts Döbling auf Abtretung des Verfahrens an das Landesgericht Korneuburg bedurfte es nicht (RIS-Justiz RS0100444).

Das Landesgericht für Strafsachen Wien wird sich daher der Verhandlung und Urteilsfällung über den im Verfahren AZ 113 Hv 168/12x eingebrachten Strafantrag zu unterziehen haben. Mit diesem Verfahren, dem der Vorwurf einer früheren Straftat (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO) zu Grunde liegt, wird das Verfahren AZ 506 Hv 111/13w des Landesgerichts Korneuburg gemäß § 37 Abs 3 StPO zu verbinden sein.

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