European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00150.13Z.1008.000
Spruch:
Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das die Klage abweisende Urteil erster Instanz wiederhergestellt wird.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 719,50 EUR (darin 119,92 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 492,56 EUR (darin 82,09 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Mit Kaufvertrag vom 19. März 2012 erwarben die beiden Kläger von der beklagten Partei mit Wohnungseigentum verbundene Miteigentumsanteile an einer Liegenschaft in Wien 20. Laut Punkt VI. war die Wohnung bis zum 10. Juli 2012 an die Käufer zu übergeben.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2012 erklärten die Kläger den Rücktritt vom Vertrag.
Mit der am 27. November 2012 eingebrachten Klage begehren die Kläger die Feststellung, dass der Kaufvertrag vom 19. März 2012 nicht (mehr) bestehe. Aus mehreren auf das Verhalten der beklagten Partei zurückzuführenden Gründen seien sie vom Kaufvertrag zurückgetreten. Die beklagte Partei sehe sich aber nicht veranlasst, den Treuhänder mit der Rückabwicklung zu beauftragen. Es bestehe daher ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.
Die beklagte Partei wandte ein, die Wohnung habe sich zum vereinbarten (späteren) Übergabetermin Anfang Oktober 2012 in einem annahmebereiten Zustand befunden, weshalb die Übernahme vertragswidrig verweigert worden und der Rücktritt unberechtigt gewesen sei. Für den Fall der Uneinigkeit über das Vorliegen von die Übergabe hindernden Mängeln sei die ausschließliche Zuständigkeit eines ‑ als Schiedsgutachter bezeichneten ‑ Schiedsrichters vereinbart worden. Wenn diese Person als Schiedsgutachter zu qualifizieren sei, fehle es am rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung, solange der Schiedsgutachter nicht angerufen worden sei. Im Übrigen fehle es am rechtlichen Interesse an der Feststellung auch schon deshalb, weil die Kläger bereits eine Leistungsklage auf Rückzahlung einbringen hätten können.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Voraussetzung dafür, dass wirksam ein Rücktritt vom Vertrag erklärt werden habe können, sei das Vorliegen von Mängeln. Obwohl die entsprechende Überprüfung einem Schiedsgutachter vorbehalten worden sei, hätten die Kläger kein entsprechendes Verfahren eingeleitet.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf. Das rechtliche Interesse der klagenden Parteien an der begehrten Feststellung sei zu bejahen, weil aus dem Kaufvertrag nicht nur bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche, sondern auch allenfalls erst künftig entstehende Schadenersatzansprüche aus schuldhaftem Verzug der beklagten Partei denkbar seien. Damit decke ein allfälliger Leistungsprozess auf Herausgabe des Treuhanderlags nicht alle denkmöglichen Ansprüche der Kläger aus dem behaupteten Verzug der beklagten Partei ab.
Das Erstgericht habe zwar keine Feststellungen zu dem von den Klägern behaupteten endgültigen Scheitern des Schiedsgutachterverfahrens getroffen. Aus diversen Umständen gehe aber hervor, dass die Bestellung des im Kaufvertrag benannten Schiedsgutachters endgültig gescheitert sei. In einem solchen Fall bestehe weder Raum für eine im streitigen Rechtsweg von der beklagten Partei begehrte Vertragsergänzung auf Bestellung eines anderen Schiedsgutachters noch auf Anrufung eines Gerichts zur Bestellung eines Schiedsgutachters analog § 587 Abs 6 ZPO. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht die Frage der Übergabetauglichkeit der Wohnung aus Eigenem zu klären haben.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der Rekurs zulässig sei, weil zur Frage der analogen Anwendung des § 587 Abs 6 ZPO auf die Bestellung von Schiedsgutachtern und damit zur Frage des endgültigen Scheiterns der Schiedsgutachterabrede keine einheitliche oberstgerichtliche Judikatur vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Entscheidung in der Sache im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht gestellt.
Die klagenden Parteien beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig; er ist auch im Sinne einer Wiederherstellung des die Klage abweisenden Ersturteils berechtigt.
In ihrem Rekurs weist die beklagte Partei (unter anderem) darauf hin, dass die Kläger ihr rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung nicht dargelegt hätten. Die einzige aus dem Feststellungsbegehren ableitbare Rechtsfolge sei der sich aus dem Wegfall des schuldrechtlichen Vertrags ergebende Bereicherungsanspruch auf Ausfolgung des ‑ treuhändig erlegten ‑ Kaufpreises. Dessen Rückzahlung könnten die Kläger bereits mit Leistungsklage geltend machen. Eine Feststellung der Haftung für künftige Schäden sei nicht begehrt worden.
Dazu wurde erwogen:
1. Die Kläger begehren folgende Feststellung:
„Es wird mit Wirkung zwischen den Klägern und der beklagten Partei festgestellt, dass der Kaufvertrag vom 19. März 2012 nicht (mehr) besteht.“
Das rechtliche Interesse an dieser Feststellung begründeten sie in der Klage damit, dass die beklagte Partei keine Veranlassung sehe, den Treuhänder mit der Rückabwicklung ‑ der Rückzahlung des auf dem Treuhandkonto erliegenden Kaufpreises ‑ zu beauftragen. Auch nachdem die beklagte Partei das Fehlen eines Feststellungsinteresses eingewendet hatte, wurde von den Klägern ihr rechtliches Interesse nicht näher dargelegt.
2. Das zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemachte Rechtsverhältnis muss eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Klägers ausüben; es muss also geeignet sein, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Gegner zu beenden und einen künftigen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden (RIS‑Justiz RS0039071). Die Feststellung von bloßen „Rechtslagen“ reicht dafür nicht aus (RIS‑Justiz RS0037422 [T3]). Bei einem beendeten Vertragsverhältnis wird das rechtliche Interesse nur dann bejaht, wenn das ergehende Urteil immer noch geeignet ist, die Grundlage für weitere Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander zu schaffen (RIS-Justiz RS0039186 [T2]).
Ein Feststellungsinteresse wird regelmäßig dann verneint, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann, allerdings nur, wenn ein mögliches Leistungsbegehren all das bietet, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt wird (vgl RIS‑Justiz RS0038965). Ein rechtliches Interesse an einer Feststellungsklage ‑ sogar trotz möglicher Leistungsklage ‑ ist zu bejahen, wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für allemal Klarheit zu schaffen und einen künftigen Leistungsanspruch abzuschneiden oder wenn künftige Prozesse zufolge der die Vorfrage klärenden Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils abgekürzt werden (RIS‑Justiz RS0038908). An die Frage der Klärungsbedürftigkeit eines Rechts oder Rechtsverhältnisses ist kein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0038908 [T12]).
3. Das rechtliche Interesse an der gerichtlichen Feststellung ist von den Klägern durch Geltendmachung konkreter Umstände zu behaupten und (erforderlichenfalls) zu beweisen (RIS‑Justiz RS0039239 [T1 und T2]).
4. Solche Behauptungen können dem Vorbringen der Kläger nicht entnommen werden.
4.1. Wenn die beklagte Partei nach den Behauptungen der Kläger keine Schritte zur Rückzahlung des auf dem Treuhandkonto erliegenden Kaufpreises unternommen hat, können die Kläger das aus ihrer Sicht richtige rechtliche Verhalten der beklagten Partei (die Veranlassung der Rückzahlung) im Wege der Leistungsklage erzwingen. Warum dies im vorliegenden Fall noch nicht möglich sein soll, haben die Kläger nicht dargelegt. Allein die begehrte gerichtliche Feststellung, dass der Kaufvertrag nicht mehr besteht, verändert die Rechtsposition der Kläger in Bezug auf den Treuhanderlag nicht.
4.2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, aus dem hier strittigen Vertragsverhältnis seien bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche sowie erst künftig entstehende Schadenersatzansprüche (aus schuldhaftem Verzug der beklagten Partei) denkbar, lässt außer Acht, dass ein bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsanspruch (in Form der Rückzahlung des erlegten Kaufpreises) von den Käufern bereits jetzt mit Leistungsklage geltend gemacht werden könnte (siehe 4.1.); im Wege der Leistungsklage könnte die Frage, ob der Kaufpreis zurückzuzahlen ist oder nicht, endgültig geklärt werden.
Die begehrte Feststellung, dass der Kaufvertrag nicht mehr besteht, führt auch nicht in unmittelbarer Folge dazu, dass deshalb Schadenersatzansprüche der Kläger zu bejahen wären. Eine Haftung der beklagten Partei für künftig entstehende Schadenersatzansprüche aus einem bestimmten rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten haben die Kläger gerade nicht zum Gegenstand ihres Feststellungsbegehrens gemacht.
5. Da es am erforderlichen rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung fehlt, ist das im Ergebnis richtige, das die Klage abweisende Ersturteil wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
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