OGH 9ObA60/13h

OGH9ObA60/13h27.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** U*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde M*****, vertreten durch Mag. Peter Freiberger, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, wegen Feststellung (90.216,00 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. März 2013, GZ 6 Ra 4/13z‑30, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der Kläger, ein begünstigter Behinderter iSd § 2 BEinstG, war bei der beklagten Gemeinde vom 30. 6. 2009 befristet bis 31. 12. 2010 beschäftigt. Er war im Veranstaltungsmanagement, einem Bereich der mit Dezember 2008 neu gegründeten „M***** Agentur“, tätig. Das Dienstverhältnis des Klägers endete durch Zeitablauf.

Auf das Dienstverhältnis findet das Steiermärkische Landes-Gleichbehandlungsgesetz LGBl 2004/66 idgF (kurz Stmk L‑GlBG) Anwendung. Nach § 5 Abs 1 und 2, 6 und 7 iVm § 1 Z 2 dieses Gesetzes darf im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar wegen einer Behinderung diskriminiert werden, und zwar insbesondere nicht bei den sonstigen Arbeitsbedingungen (§ 5 Abs 2 Z 6) oder bei der Beendigung des Dienstverhältnisses (§ 5 Abs 2 Z 7). Ist ein befristetes, auf Umwandlung in ein unbefristetes Dienstverhältnis angelegtes Dienstverhältnis wegen eines im § 5 Abs 1 genannten Grundes durch Zeitablauf beendet worden, so kann auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Dienstverhältnisses geklagt werden (§ 27 Abs 2 Stmk L‑GlBG). Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach § 5 Abs 2 Z 6 hat der Bedienstete unter anderem Anspruch auf die Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen wie der nicht diskriminierte Bedienstete (§ 26 Stmk L‑GlBG).

Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Revisionswerber behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Senat geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der behauptete Umstand, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, begründet nicht schon das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0102181). Nur bei groben Auslegungsfehlern oder eklatanter Ermessensüberschreitung wäre eine Entscheidung im Einzelfall überprüfbar (RIS‑Justiz RS0044088).

Die Vorinstanzen haben das auf Feststellung des Bestehens eines unbefristeten Dienstverhältnisses gerichtete Klagehauptbegehren zutreffend mit der Begründung abgewiesen, dass weder das Steiermärkische Landes-Gleichbehandlungsgesetz (Stmk L‑GlBG) noch das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) vorsähen, dass bereits das erste mit einem begünstigten Behinderten abgeschlossene Dienstverhältnis nur dann befristet werden dürfe, wenn dafür eine besondere sachliche Rechtfertigung vorliege. Lehre und Rechtsprechung sehen im Allgemeinen die erstmalige Befristung als jedenfalls zulässig an, ohne dass es außerhalb sondergesetzlicher Regelungen, wie etwa des § 11 Abs 2 Z 4 AÜG oder des § 10a MSchG, einer sachlichen Rechtfertigung bedürfte (8 ObA 1/03k mwN). Eine Rechtsfortbildung durch den vom Kläger gewünschten Analogieschluss mit § 10a MSchG und § 11 Abs 2 Z 4 AÜG setzt voraus, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf, sodass eine Gesetzeslücke im Sinne einer „planwidrigen Unvollständigkeit“ besteht (RIS‑Justiz RS0098756). Für eine derartige Annahme fehlen aber tragfähige Anhaltspunkte (vgl Schrank/Tomandl Ausgewähltes zum neuen Behindertenschutz – Das Zusammenspiel von Förderpflicht und Diskriminierungsverbot, ZAS 2006/31, 200 [209]). Dass der Gesetzgeber grundsätzlich keine Bedenken gegen den Abschluss befristeter Verträge mit Behinderten hat, zeigen auch die mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl I 2010/111) vorgenommenen Änderungen des Behinderteneinstellungsgesetzes, insbesondere des § 8 Abs 6 lit b BEinstG, wonach der besondere Kündigungsschutz für begünstigte Behinderte nach § 8 Abs 2 ‑ 4 BEinstG dann keine Anwendung findet, wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht länger als vier Jahre bestanden hat. Mit dieser Novelle wurde das Ziel verfolgt, den Anreiz, Menschen mit Behinderung auf dem offenen Arbeitsmarkt zu beschäftigen, maßgeblich zu verstärken (RV 981 BlgNR 24. GP 14). Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert (hier mit dem Argument, dass eine längere Befristung automatisch eine Diskriminierung bedeute, weil der Bestandschutz eines begünstigt Behinderten damit ausgehöhlt werde), rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht (RIS‑Justiz RS0008859).

Auf die Behauptung, dass das Dienstverhältnis wegen seiner Behinderung (§ 5 Abs 1 Stmk L‑GlBG) befristet worden wäre, hat der Kläger sein Feststellungsbegehren nicht gestützt. Dies steht auch nicht fest. Wenn die Vorinstanzen die Befristung des Dienstverhältnisses des Klägers nicht als sittenwidrig iSd § 879 ABGB erkannt haben, weil die Beklagte mit allen drei (nur der Kläger ist begünstigter Behinderter) für die neu gegründete Agentur ab 30. 6. 2009 eingestellten Mitarbeitern bis 31. 12. 2010 befristete Dienstverträge abschloss, um deren Eignung festzustellen, und die Beklagte üblicherweise mit neuen Mitarbeitern befristete Verträge abschließt, dann ist diese rechtliche Beurteilung keinesfalls unvertretbar. Gründe, die schon die Befristung als solche als sittenwidrig oder wegen des Zusammenhangs mit dem Diskriminierungsgrund der Behinderung (§ 1 Z 2 iVm § 5 Abs 1 Stmk L‑GlBG) als diskriminierend erscheinen lassen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die außerordentliche Revision zeigt aber auch hinsichtlich der Abweisung des Eventualbegehrens, gerichtet auf die Feststellung, dass das zwischen den Parteien abgeschlossene, am 30. 6. 2009 begonnene Dienstverhältnis weiterhin aufrecht bestehe, keine vom Obersten Gerichtshof aus den Gründen des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende Fehlbeurteilung auf. Das mit dem Kläger befristet abgeschlossene, auf Umwandlung in ein unbefristetes Dienstverhältnis angelegte Dienstverhältnis wurde nicht wegen seiner Behinderung (§ 5 Abs 1 Stmk L‑GlBG) nicht in ein unbefristetes umgewandelt, sondern es wurde die Stelle des Klägers nach den Feststellungen unter Vorausschau auf die Budgetkürzungen und der damit absehbaren Verringerung von Veranstaltungen sowie den Vorgaben des Dienstpostenplans mangels Bedarfs gestrichen. Überlegungen des Klägers zu seiner besseren fachlichen Eignung gegenüber einer neuen im Oktober 2010 von der Beklagten eingestellten Mitarbeiterin, deren Tätigkeit als Assistentin der Geschäftsleitung sich allerdings inhaltlich grundsätzlich von jener des Klägers im Veranstaltungsmanagement unterschied und die nur zu 25 % im Veranstaltungsmanagement, das bei der Beklagten aufgrund vorgenommener Einsparungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen ab 2011 nicht mehr als eigenständiger Bereich geführt wird, beschäftigt war, gehen daher ins Leere. Auch vor dem Hintergrund des vom Kläger ins Treffen geführten Aspekts, im Behindertenrecht sei die besondere Schutzwürdigkeit des Behinderten zu berücksichtigen und immer zu prüfen, ob der Behinderte nicht auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt werden könnte, kann in der Begründung der Klagsabweisung durch die Vorinstanzen, die Nichtübernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis sei im Anlassfall auch nicht als sittenwidrig iSd § 879 ABGB anzusehen, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung gesehen werden. Die Beendigung des Dienstverhältnisses durch Zeitablauf ist eine Folge der Befristung des Dienstverhältnisses.

Insgesamt ist die außerordentliche Revision des Klägers mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf die Zurückweisung der außerordentlichen Revision nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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