OGH 9ObA37/13a

OGH9ObA37/13a24.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rudolf Gleißner und Mag. Ernst Bassler in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** P*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Huber Ebmer Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 21.183,33 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 29. Jänner 2013, GZ 10 Ra 101/12i‑28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin war bei der Beklagten die ‑ in Österreich führend ‑ Haarverpflanzungsoperationen durchführt, als Ordinationsgehilfin angestellt. Obwohl sich die Klägerin im Dienstvertrag ausdrücklich verpflichtet hatte, weder auf eigene oder fremde Rechnung eine Tätigkeit bei Dritten, die in einem direkten oder indirekten Wettbewerbsverhältnis zum Dienstgeber stehen, wahrzunehmen oder auf andere Weise (zB Konsulentin, Arbeitnehmerin etc) für Dritte tätig zu werden, arbeitete die Klägerin am 4. 1. 2011 nach Dienstende bei der Beklagten über zwei Stunden bei einer Haarverpflanzungsoperation mit, die der damals einzige Konkurrent der Beklagten in Österreich durchführte. Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten davon am 12. 1. 2011 erfahren hatte, sprach er am 13. 1. 2011 die Entlassung der Klägerin aus.

Rechtliche Beurteilung

Deren Revision zeigt zur Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das die Entlassung ebenso wie das Erstgericht für gerechtfertigt erachtete, keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Das Konkurrenzverbot des § 7 AngG, wonach Angestellte ohne Einwilligung des Dienstgebers weder ein selbständiges kaufmännisches Unternehmen betreiben noch in dem Geschäftszweig des Dienstgebers für eigene oder für fremde Rechnung Handelsgeschäfte machen dürfen, ist keine zwingende Bestimmung iSd § 40 AngG. Es kann daher vertraglich erweitert oder auch bei nicht von § 7 AngG erfassten Angestellten vereinbart werden (Burgstaller/Preyer in Marhold/Burgstaller/Preyer AngG‑Komm § 7 AngG Rz 53). Solche Erweiterungen des gesetzlichen Katalogs unzulässiger Nebentätigkeiten unterliegen jedoch der Sittenwidrigkeitsschranke des § 879 ABGB, die sich insbesondere aus einer mittelbaren Drittwirkung des Grundrechts der Erwerbsfreiheit nach Art 6 Abs 1 StGG, des Freizügigkeitsgrundsatzes des Art 45 AEUV (ex-Artikel 39 EGV) und nunmehr auch des Art 15 der Europäischen Grundrechtecharta ergeben könnte (vgl 9 ObA 98/04h = DRdA 2006/36 [Resch]).

Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, das im konkreten Einzelfall vertraglich vereinbarte Verbot einer über § 7 Abs 1 AngG hinausgehenden Tätigkeit bei einem Konkurrenten der Beklagten sei sachlich gerechtfertigt, ist nicht korrekturbedürftig. Eine Beschränkung oder ein Verbot von Nebenbeschäftigungen, mit denen dem Dienstgeber Konkurrenz gemacht wird, ist weder sittenwidrig noch steht es im Gegensatz zum Recht auf freien Erwerb, weil es jedem Arbeitnehmer freisteht, sich für eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0081857). Auch ein Verstoß gegen das in Art 7 der Europäischen Grundrechtecharta und in Art 8 MRK normierte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens kann in der konkreten Vereinbarung nicht gesehen werden.

2. Da Fragen der Vertragsauslegung typischerweise vom Einzelfall abhängen, begründen sie in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042936; RS0042776). Nur eine auffallende Fehlbeurteilung wäre im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmen (RIS‑Justiz RS0042776; RS0112106 ua). Eine solche liegt aber hier in der Beurteilung der Vorinstanzen, vom dienstvertraglich vereinbarten Konkurrenzverbot sei nicht nur eine entgeltliche, sondern auch eine unentgeltliche Tätigkeit der Dienstnehmerin umfasst, nicht vor.

3. Eine über die Bestimmung des § 7 AngG hinausgehende Beschränkung der privaten Betätigungsfreiheit (insbesondere auch eine Verpflichtung zur Unterlassung von Nebenbeschäftigungen) vermag, zwar selbst wenn sie vertraglich vereinbart ist, keine Erweiterung des Entlassungstatbestands des § 27 Z 3 AngG zu bewirken (9 ObA 64/13x; RIS‑Justiz RS0027828). Im Fall einer den § 7 AngG nicht zu unterstellenden, aber vertraglich untersagten Tätigkeit kann jedoch der Entlassungsgrund gemäß § 27 Z 1 AngG dann als erfüllt angesehen werden, wenn dem Angestellten konkrete Verstöße gegen seine Treuepflicht zur Last fallen oder er ein Verhalten eingenommen hat, das ihn des Vertrauens seines Dienstgebers unwürdig macht (9 ObA 64/13x; RIS‑Justiz RS0027833; RS0027828 [T4]; Pfeil in ZellKomm² § 27 AngG Rz 69; Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG‑Komm § 27 AngG Rz 284).

Unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 letzter Fall AngG fällt jede Handlung oder Unterlassung eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind (RIS‑Justiz RS0029547). Bei der Beurteilung der Vertrauensunwürdigkeit kommt es vor allem darauf an, ob für einen Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischem Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidet, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der nach den Begleitumständen des einzelnen Falls und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet zu werden pflegt (RIS‑Justiz RS0029833; vgl auch RS0029733). Anders als beim Entlassungsgrund der Untreue im Dienst kann die Vertrauenswirkung auch auf Handlungen des Angestellten beruhen, die mit dem Dienstverhältnis in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen (RIS‑Justiz RS0029333). Das Verhalten muss aber so beschaffen sein, dass es nach den Umständen des Falls das dienstliche Vertrauen des Dienstgebers zu beeinflussen vermag (9 ObA 78/12d ua). An das außerdienstliche Verhalten eines Dienstnehmers ist kein so strenger Maßstab anzulegen wie an das Verhalten im Dienst (RIS‑Justiz RS0029333 [T7]).

Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Beurteilung, ob das Gesamtverhalten des Dienstnehmers den herangezogenen Entlassungsgrund verwirklicht, stellt eine Frage des Einzelfalls dar, die die Zulässigkeit der Revision regelmäßig nicht rechtfertigen kann (RIS‑Justiz RS0106298; zuletzt ua 9 ObA 25/13m).

Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung kann ausgehend von dem einleitend dargestellten Sachverhalt nicht angenommen werden. Da die Klägerin wusste, dass der Arzt, dem sie am 4. 1. 2011 bei einer Haarverpflanzungsoperation assistierte, der damals einzige unmittelbare Konkurrent ihres Arbeitgebers war, kann nicht bestritten werden, dass sie diesen „bewusst“ unterstützt hat. Aufgrund ihrer Mitarbeit im Ausmaß von über zwei Stunden kann ihre Tätigkeit auch nicht als unmaßgeblich bezeichnet werden. Mit dem der Entscheidung 8 ObA 284/98t zugrunde liegenden Sachverhalt ist der vorliegende nicht vergleichbar.

Das Berufungsgericht ist auch in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass es der Beklagten aufgrund des eingetretenen Vertrauensverlusts aus objektiver Sicht unzumutbar war, die Klägerin bis zum nächsten Kündigungstermin weiter zu beschäftigen. Dies umso mehr, als die Klägerin wahrheitswidrig jegliche Mitarbeit beim Konkurrenten der Beklagten bestritt. Dass die Klägerin eine unentgeltliche konkurrenzierende Tätigkeit für erlaubt halten durfte, hat sie im gesamten erstinstanzlichen Verfahren nie behauptet und wäre auch angesichts des klaren Vertragswortlauts nicht begründbar.

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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