OGH 9ObA64/13x

OGH9ObA64/13x25.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. P***** L*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexandra Knell, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 16. April 2013, GZ 8 Ra 107/12g‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. In Hinblick auf die Rechtzeitigkeit einer Entlassung ist es ständige Rechtsprechung, dass der Dienstgeber bei einem zweifelhaften Sachverhalt verpflichtet ist, die zur Feststellung des Sachverhalts erforderlichen und zumutbaren Erhebungen ohne Verzögerungen durchzuführen. Die Verpflichtung zur Nachforschung nach einem Entlassungsgrund besteht aber nur dann, wenn dem Dienstgeber konkrete Umstände zur Kenntnis gelangt sind, die die Annahme rechtfertigen, dass das Verhalten des Dienstnehmers eine Entlassung rechtfertigt. Bloße Verdachtsmomente reichen dafür nicht aus (RIS‑Justiz RS0029345). Ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen (RIS‑Justiz RS0031571), womit ‑ von Fällen grober Fehlbeurteilung abgesehen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage begründet wird.

Eine solche Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor, bestehen doch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bereits vor der Öffnung des Email‑Accounts des Klägers Hinweise auf seine Nebenbeschäftigung (Mitarbeit bei der Durchführung eines Change‑Management‑Projekts) hatte. Aufgrund der Vereinbarung, dass der Kläger ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Beklagten nicht in ihrem Geschäftszweig tätig sein dürfe, und ihres Auftrags, dass er eine bei Beginn des Dienstverhältnisses bestehende Nebenbeschäftigung zu beenden habe, musste die Beklagte auch nicht annehmen, dass sich in den Privatmails des Klägers Korrespondenz über eine dennoch ausgeübte Nebenbeschäftigung finden würde. Es bedarf daher keiner Korrektur, wenn das Berufungsgericht eine vor der tatsächlichen Öffnung des Email‑Accounts bestehende Nachforschungspflicht der Beklagten verneinte.

2. Auch soweit sich der Kläger auf eine Verwirkung des Entlassungsrechts (zu dieser Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht11 Rz 7/238; Kuderna, Entlassungsrecht2 Rz 28 f) beruft, ist ihm nicht zu folgen. Weder war bei Ausspruch der Entlassung erhebliche Zeit seit seiner Nebenbeschäftigung verstrichen, aufgrund der er nach Treu und Glauben annehmen hätte dürfen, dass die Nebenbeschäftigung für die Beklagte an Bedeutung verloren hätte. Noch war für die Beklagte die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung weggefallen, bezweifelt der Kläger doch noch in seiner Revision, überhaupt im Geschäftszweig der Beklagten tätig gewesen zu sein.

3. Richtig ist zwar, dass eine über die Bestimmung des § 7 AngG hinausgehende Beschränkung der privaten Betätigungsfreiheit, selbst wenn sie vertraglich vereinbart ist, keine Erweiterung des von den Vorinstanzen verneinten Entlassungstatbestands des § 27 Z 3 AngG zu bewirken vermag. Allerdings kann im Fall einer dem § 7 AngG nicht zu unterstellenden Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen der Entlassungsgrund gemäß § 27 Z 1 AngG erfüllt sein, wenn dem Angestellten konkrete Verstöße gegen seine Treuepflicht zur Last fallen oder er ein bestimmtes Verhalten einnimmt, das ihn des Vertrauens seines Dienstgebers unwürdig macht (RIS‑Justiz RS0027833; s auch RS0027828). Auch diese Beurteilung kann aber nur nach den Umständen des Einzelfalls erfolgen und begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0029095 [T18 uva]).

Die Nebenbeschäftigung des Klägers war ein Hauptthema bei seiner Einstellung. Im Arbeitsvertrag war ausdrücklich geregelt, dass er ohne vorherige Zustimmung der Beklagten nicht in ihrem Geschäftszweig tätig sein dürfe. Ihm wurde die Beendigung einer bei Beginn des Dienstverhältnisses noch aufrechten Beschäftigung aufgetragen, ohne dass ihm die begehrte Fristverlängerung gewährt worden wäre. Dem Kläger wurde damit insgesamt sehr deutlich gemacht, dass die Beklagte großen Wert auf die Einhaltung des Konkurrenzverbots legte. Warum dieser Umstand im Rahmen der vom Kläger geforderten Interessenabwägung vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens nicht berücksichtigt werden dürfte, ist nicht erkennbar. Wenn der Kläger trotz des vereinbarten Konkurrenzverbots selbst während der Arbeitszeit und unter Verwendung seiner Firmen‑Mail‑Adresse der Nebenbeschäftigung nachging, so ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass seinem Verhalten das Gewicht einer Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 AngG zukommt, vertretbar.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Stichworte