OGH 9ObA79/13b

OGH9ObA79/13b24.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei Dr. P***** H*****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Entlassungs- und Kündigungsanfechtung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 4. April 2013, GZ 11 Ra 13/13f‑15, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. November 2012, GZ 7 Cga 70/12t‑11 (verbunden mit GZ 7 Cga 105/12i), Folge gegeben und das Ersturteil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am ***** 1958 geborene Kläger war ab 1. Oktober 1998 bei der A***** Österreich als Standortleiter für den Standort Linz und in der Folge als Regionalleiter für die Region Ost tätig. Sein Aufgabengebiet umfasste die Unternehmensentwicklung für das Segment Entsorgung. Die Aktivitäten der A***** Österreich weiteten sich auf Tschechien und Ungarn aus. Im Jahr 2004 wurde die A***** Tschechien (idF: A***** CZ) und die A***** Ungarn gegründet und der Kläger zum Geschäftsführer der A***** CZ bestellt. Für seine Tätigkeit bei der Wirtschaftskammer wurde dem Kläger von der A***** Österreich auch Prokura erteilt, damit er als Vertreter in die Bundeswirtschaftskammer entsendet werden konnte.

Im Jahr 2006 wurde die Beklagte als strategische Management-Holding gegründet. Alle die Entsorgung betreffenden Themen wurden gebündelt und gehörten zum Aufgabengebiet der Beklagten. Sie hatte zunächst einen und ab Juni 2010 einen zweiten Geschäftsführer. Sie ist in acht Ländern tätig.

Die A***** CZ ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten und nach Österreich der zweitwichtigste Standort. In der A***** CZ sind rund 1200 Mitarbeiter beschäftigt. Der Umsatz betrug im Jahr 2011 etwas mehr als 140 Mio EUR.

Das Dienstverhältnis des Klägers zur A***** Österreich wurde mit 31. 12. 2007 einvernehmlich aufgelöst und mit der Beklagten ab 1. Jänner 2008 ein neuer Dienstvertrag abgeschlossen. Darin ist ua festgelegt:

Der Dienstnehmer wird für die Unternehmensentwicklung innerhalb der A*****-Gruppe eingestellt. Zu seiner Tätigkeit zählt unter anderem die Begleitung weiterer Expansionsschritte im Segment Entsorgung. Gleichzeitig erteilt der Dienstgeber die Beauftragung zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit bei der A***** CZ. Diese Beauftragung kann jederzeit widerrufen werden, sie erlischt jedenfalls zum Zeitpunkt der Beendigung der Geschäftsführerfunktion, aus welchen Gründen immer diese erfolgt.

Unter Berücksichtigung der Dienstverwendung werden Linz und Prag als Dienstorte festgelegt. Das Einsatzgebiet erstreckt sich neben Österreich auch auf Mittel- und Osteuropa. Der Dienstgeber behält sich das Recht vor, den Dienstnehmer sowohl in einer anderen Arbeitsstätte als auch in einer anderen, seiner Eignung entsprechenden Dienstverwendung zu beschäftigen. Der Dienstnehmer erklärt sich für den Bedarfsfall mit der Überlassung bzw dem Wechsel zu Beteiligungsunternehmen innerhalb des Konzerns der E***** AG ***** einverstanden.

Der Dienstnehmer ist ab Aufforderung durch den Dienstgeber verpflichtet, Organfunktionen im Konzern‑ und Beteiligungsunternehmen im Konzern der E***** AG zu übernehmen. Mit diesen Organfunktionen verbundene Abgeltungen fallen direkt dem Dienstgeber zu. Sollten zwingende ausländische Bestimmungen stattdessen eine Auszahlung dieser Abgeltung direkt an den Dienstnehmer erforderlich machen, so sind diese ‑ gegebenenfalls nach erforderlicher steuerlicher Behandlung ‑ an den Dienstgeber abzuführen.

Bezüglich des Gehalts wurde vereinbart:

1. Als Vergütung für seine Dienstleistungen erhält der Dienstnehmer ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 7.000 EUR, zahlbar im Nachhinein, 14 mal jährlich. Hinsichtlich des 13. und 14. Monatsgehalts gelten die Bestimmungen des § 11 des Rahmenkollektivvertrags für Angestellte im Handwerk und Gewerbe in der jeweils gültigen Fassung.

2. Für die Dauer der Geschäftsführerfunktion in der A***** Tschechien wird Ihnen eine Funktionszulage in der Höhe von 1.762,24 EUR brutto pro Monat 14 mal jährlich gewährt. ...

Es besteht Einvernehmen, dass mit der Inklusiventgeltvereinbarung sämtliche vom Dienstnehmer zu leistenden Überstunden, Mehrleistungen, Erreichbarkeiten etc abgegolten sind. Der Dienstgeber behält sich vor, jederzeit auf eine andere Art der Verrechnung umzusteigen.

Die steuerliche Behandlung der Bezüge richtet sich nach den Bestimmungen des österreichischen Einkommenssteuergesetzes (EStG), den steuerrechtlichen Vorschriften Tschechiens sowie des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Tschechien (DBA).

Aufgrund der Funktion für die A***** CZ besteht gemäß DBA Steuerpflicht in Tschechien im Ausmaß der in Tschechien ausgeübten Tätigkeit. Es ist aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass der Dienstnehmer 80 % (vier Tage pro Woche) seine Tätigkeit in Tschechien ausüben wird. Die Versteuerung des in Tschechien steuerpflichtigen Bezugsanteils (80 %) ist vom Dienstnehmer selbst durchzuführen. Der Dienstnehmer ist verpflichtet, dem Dienstgeber eine Kopie der ausländischen Steuererklärung sowie des dazugehörigen Steuerbescheids zu übermitteln.

Die auf das Entgelt entfallenden sozialen Abgaben sowie die Steuern, welche auf den in Österreich zu versteuernden Anteil (auf 20 %) anfallen, werden entsprechend der österreichischen Gesetze, soweit sie vom Dienstnehmer zu tragen sind, im Abzugswege eingehoben. ...

Am 1. Juni 2012 wurde der Kläger von der Beklagten entlassen und am 19. Juli 2012 eventualiter zum 30. November 2012 gekündigt.

Der Kläger begehrt in den verbundenen Verfahren des Erstgerichts 7 Cga 70/12t und 7 Cga 105/12i die Entlassung und die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, weil er keinen Entlassungsgrund gesetzt habe und die Kündigung aus einem verpönten Motiv erfolgt und sozialwidrig sei. Zur alleine rekursgegenständlichen Frage, ob ihm der arbeitsverfassungsrechtliche Entlassungs- und Kündigungsschutz zusteht, brachte er vor, Arbeitnehmer iSd § 36 ArbVG, jedoch kein leitender Angestellter gewesen zu sein, weil ihm kein maßgeblicher Einfluss auf die Führung des Betriebs der Beklagten, die ausschließlich von den Geschäftsführern der Beklagten geführt worden sei, zugestanden sei. Die Beklagte habe überhaupt keinen einzigen leitenden Angestellten. Er habe ca 20 % seiner Arbeitszeit neben seiner Tätigkeit für die A***** CZ direkt im Dienst und unmittelbar für die Beklagte erbracht. So sei er in das Auswahlgremium des Assessment-Centers der E***** AG und in das Kernteam zur Einrichtung einer A*****-Akademie entsandt worden, er sollte das internationale Stoffstrommanagement innerhalb der A***** Gruppe neu organisieren und gemeinsam mit dem Leiter der Abteilung Controlling der Beklagten ein innerbetriebliches Reporting‑System betreffend Kostenträger und strategische Geschäftsfelder (SGF) aufbauen. Er sei zu keinem Zeitpunkt Mitglied eines Vertretungsorgans der Beklagten gewesen. Ein gemeinsamer Betrieb der A***** CZ und der Beklagten liege nicht vor.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ‑ soweit rekursgegenständlich ‑ ein, der Kläger sei aufgrund seiner vielseitigen Organfunktionen in der Unternehmensgruppe der Beklagten, insbesondere als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A***** CZ und als Aufsichtsratsmitglied der A***** Ungarn vom Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsrechts ausgenommen. Zudem habe er während seiner Tätigkeit in der A***** CZ keine Aufgaben im Betrieb der Beklagten ausgeführt, er sei daher im Betrieb der Beklagten nicht beschäftigt gewesen. Seine Arbeitsauslastung als Geschäftsführer der A***** CZ habe 100 % betragen. Die vom Kläger erwähnten Tätigkeiten für die Beklagte seien allenfalls punktuell gewesen (A*****-Akademie), ohne Verpflichtung aus dem Anstellungsvertrag erfolgt (internationales Stoffstrommanagement innerhalb der A*****-Gruppe) oder von ihm als fachlich versierter Geschäftsführer der A***** CZ wahrgenommen worden (Reportingsystem, Tätigkeit bei der FEAD). Überdies sei eine einheitliche Leitung des Betriebs der Tochtergesellschaft vorgelegen: Die Beklagte sei für die strategische Ausrichtung der Tochtergesellschaft innerhalb des Konzerns verantwortlich, treffe auch im operativen Geschäft der A***** CZ Entscheidungen und sei über deren Betrieb voll verfügungsberechtigt und somit gemeinsam mit ihr Betriebsinhaberin des Betriebs der A***** CZ. Ihr Betriebsrat habe der eventualiter ausgesprochenen Kündigung auch ausdrücklich zugestimmt.

Das Erstgericht wies die beiden Klagebegehren ab. Über den eingangs dargelegten Sachverhalt hinaus stellte es zur Tätigkeit des Klägers nach dem Konzernübertritt fest:

„Am Aufgabengebiet des Klägers änderte sich grundsätzlich nichts, er war nach wie vor Geschäftsführer der A***** CZ. Aufgrund der starken Expansion ab 2004 bis 2012 erweiterte sich nur ständig das Aufgabengebiet. Die A***** Tschechien wurde von zwei Geschäftsführern geführt, wobei neben dem Kläger, der den kaufmännischen und den technischen Bereich führte, ein tschechischer Kollege für Vertrieb und Marketing zuständig war. Es besteht ein Katalog betreffend von der Muttergesellschaft zustimmungspflichtigen Maßnahmen, wie die Aufnahme von leitenden Angestellten, Geschäftsführern und Prokuristen sowie Investitionen ab einem gewissen betragsmäßigen Ausmaß. Es besteht grundsätzlich ein enges Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und den Ländergesellschaften. Bei Besprechungen mit Großkunden in den Ländern ist auch die Beklagte involviert. Der Passus im Dienstvertrag unter dem Punkt Gehalt, dass davon auszugehen sei, dass der Dienstnehmer 80 % seiner Tätigkeit in Tschechien ausüben werde und 20 % in Österreich, wurde aus sozialversicherungsrechtlichen Überlegungen gewählt, um eine Sozialversicherung des Klägers in Österreich zu ermöglichen. Tatsächlich war der Kläger grundsätzlich ausschließlich Geschäftsführer der A***** Tschechien. Alle sechs bis acht Wochen fand ein sogenanntes Managementjourfix statt, an dem die Geschäftsführer der Ländergesellschaften sich mit den Geschäftsführern der Beklagten trafen, um Berichte und Zahlen auszutauschen. Das Gehalt erhielt der Kläger von der Beklagten ausbezahlt, davon wurde die A***** CZ mit 80 % belastet. Der Kläger hatte einen Zugang zu einem Büro in Wien, um seine Funktion bei der Wirtschaftskammer ausüben zu können. Bei der Beklagten in L***** hatte der Kläger kein Büro, keinen Arbeitsplatz, keinen Email‑Account und er scheint auch nicht als Mitarbeiter in der Telefonliste auf, ebenso wie die anderen Geschäftsführer von Ländergesellschaften. Die Beklagte wird von den beiden Geschäftsführern geführt und weist von der Organisation drei Stabstellen auf. Der Geschäftsführung unterstehen vier Fachbereiche, nämlich Controlling, Technik, Marketing und Accounting/MA. Der Kläger war organisatorisch keinem dieser Bereiche zugeordnet. Mitarbeiter der Beklagten ziehen zu gewissen Schwerpunktthemen immer wieder die Geschäftsführer von Ländergesellschaften bei. Sie holen sich immer wieder deren Fachwissen aus der Praxis und es wurde hier auch der Kläger kontaktiert, um sein Fachwissen in einem bestimmten Bereich der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Der Kläger nahm auch an einem Assessmentcenter teil. Dies in seiner Funktion als Geschäftsführer der A*****. Im Konzern findet eine Jungakademikerausbildung statt und können hier auch die Ländergesellschaften ihren Bedarf anmelden. In diesem Zusammenhang sind dann auch die Geschäftsführer und in diesem Fall der Kläger bei der Auswahl geeigneter Kandidaten involviert. Der Kläger war neben seiner Tätigkeit in der Wirtschaftskammer auch bei der FEAD, einem Interessensverband des Europäischen Entsorgungsverbands in Brüssel, tätig. Es war mit der Beklagten abgesprochen, dass der Kläger dorthin entsendet werden könne. Gelegentlich wurde der Kläger auch von den Geschäftsführern der Beklagten ersucht, zu Fachthemen Vorträge zu halten, wobei der Kläger dem auch nachkam. Zusammengefasst wurden für die Erarbeitung gewisser Themenschwerpunkte bzw Strategieschwerpunkte, die nicht nur die Beklagte, sondern auch die Ländergesellschaften betroffen haben, die Geschäftsführer dieser Ländergesellschaften eingebunden und in diesem Fall der Kläger. In diesem Zusammenhang befand er sich gelegentlich bei der Beklagten in Linz. Der Kläger hatte bei der Beklagten allerdings kein klar definiertes vorgegebenes Aufgabengebiet und war in die Organisation der Beklagten nicht eingebunden, erhielt von der Beklagten keinerlei Anweisungen und Vorgabe und hatte keine Anwesenheitspflicht in einem gewissen Ausmaß bei der Beklagten. Der Kläger war auch Aufsichtsratsmitglied bei der A***** Ungarn, ohne aber aktiv in die Agenden eingebunden zu sein.“

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, als Geschäftsführer der A***** CZ sei der Kläger von der Betriebsverfassung ausgenommen, selbst wenn er arbeitsvertragsrechtlich als Arbeitnehmer zu qualifizieren sei. Ob ein einheitlicher Betrieb der A***** CZ und der Beklagten vorliege, sei nicht entscheidend. Für den Fall des Vorliegens eines einheitlichen Betriebs sei der Kläger als Geschäftsführer tätig gewesen. Für den Fall eng verbundener, jedoch getrennter Betriebe sei er in den Betrieb der Beklagten nicht eingegliedert gewesen. Für die Erfüllung des Arbeitnehmerbegriffs bedürfe es eines Aufgabengebiets, einer hierarchischen Einordnung, eines Weisungsverhältnisses, der Verpflichtung gewisser Anwesenheiten und einer persönlichen Abhängigkeit, die nach den tatsächlichen Gegebenheiten im Hinblick auf die Beklagte nicht vorgelegen seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung auf. Der betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff sei mit dem arbeitsvertragsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff nicht gleichzusetzen. Werde ein Arbeitnehmer einem anderen Betrieb überlassen (entliehen), so gelte er dann als Arbeitnehmer dieses Betriebs, wenn die Überlassung (Leihe) für längere Zeit gedacht sei. In allen anderen Fällen würde er in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht Arbeitnehmer des entsendenden Betriebs bleiben. Im Zweifel werde es darauf ankommen, ob die Interessen vom Betriebsrat des Betriebs, in den sie entsandt seien, vertreten werden könnten. Nichts anderes könne bei Entsendung des Arbeitnehmers einer Mutterfirma zur Tochterfirma zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit gelten. Wie die Formulierung und das gelebte Verhältnis des Dienstvertrages zeigten, sollten trotz der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses dauerhaften Entsendung des Klägers zur A***** CZ die Arbeitgeberfunktionen dennoch bei der Beklagten verbleiben. Dies zeige nicht nur die ausdrücklich vereinbarte jederzeitige Widerruflichkeit der Beauftragung, die von der Beklagten ausgehende Suspendierung und auch die nachfolgende Entlassung und Eventualkündigung. Insofern sei die Beklagte Adressatin des in den §§ 105 f ArbVG normierten Kündigungsschutzes geblieben und wäre als solche zur Verständigung des zuständigen Betriebsrats verpflichtet gewesen. Wenn hier aber die arbeitsvertragsrechtliche Komponente gegenüber einer rein betrieblichen Sicht durchschlage, müsse dies auch für die Frage gelten, ob ein Ausschlussgrund nach § 36 Abs 2 ArbVG vorliege. Aufgrund des inneren Zusammenhangs des betriebsverfassungs-rechtlichen Vorverfahrens mit der Anfechtungslegitimation sei daher allein die Stellung des Klägers bei der Beklagten ausschlaggebend, der Organstellung des Klägers bei der A***** CZ komme keine entscheidende Bedeutung bei der Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft nach § 36 ArbVG zu. Es bedürfe aber noch ergänzender Feststellungen zur Qualifikation des Klägers als leitenden Angestellten bei der Beklagten. Der Rekurs sei mangels Rechtsprechung zur Frage zulässig, ob im Rahmen einer Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG die Kriterien eines leitenden Angestellten nach § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG bezogen auf einen nach betriebsverfassungs- oder arbeitsvertragsrechtlichen Grundsätzen ermittelten Betrieb zu prüfen seien.

In ihrem dagegen erhobenen Rekurs beantragt die Beklagte die Abänderung des berufungsgerichtlichen Beschlusses im Sinne einer Klagsabweisung.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.

Die Beklagte richtet sich weiterhin dagegen, dass die §§ 105 ff ArbVG auf den Kläger anwendbar sein könnten. Er sei nicht in den Betrieb der Beklagten, sondern der A***** CZ eingebunden gewesen. Der Verbleib einzelner Arbeitgeberfunktionen ändere daran nichts. Wenn man überhaupt eine Eingliederung des Klägers bei der Beklagten annehme und eine arbeitsvertragliche Beurteilung anwende, sei er aufgrund seiner Position und Rolle als Geschäftsführer der A***** CZ, als Prokurist einer weiteren Tochtergesellschaft, als Aufsichtsratsmitglied der A***** Ungarn sowie seiner Funktionen als Interessenvertreter in unterschiedlichen Verbänden der Abfallwirtschaft als leitender Angestellter anzusehen.

1. Im Rekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass die Beklagte und die A***** CZ keinen einheitlichen Betrieb führen. Davon wäre aufgrund der organisatorischen und räumlichen Trennung der Gesellschaften und ihren unterschiedlichen Zwecksetzungen auch nicht auszugehen.

2. Die Kündigung und die Entlassung eines Arbeitnehmers unterliegen den im II. Teil des ArbVG („Betriebsverfassung“) geregelten Anfechtungsbestimmungen der §§ 105 ff ArbVG.

Gemäß § 36 Abs 1 ArbVG sind Arbeitnehmer im Sinne des II. Teils „alle im Rahmen eines Betriebes beschäftigten Personen einschließlich der Lehrlinge und der Heimarbeiter ohne Unterschied des Alters“.

Gemäß § 36 Abs 2 ArbVG gelten nicht als Arbeitnehmer

„1. in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist;

2. …

3. leitende Angestellte, denen maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebes zusteht; ...“

Aus der Gesetzesstruktur geht hervor, dass es sich bei den in Abs 2 aufgezählten Personen um Ausnahmen von den von Abs 1 erfassten Arbeitnehmern handelt. Sofern ein Arbeitnehmer nicht unter die Generalklausel des Abs 1 fällt, kommt Abs 2 allenfalls deklarative Bedeutung zu (Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 36 Rz 2), weil sich die Unanwendbarkeit des II. Teils insofern schon aus § 36 Abs 1 leg cit ergibt. Vor der Frage, ob der Kläger als Organmitglied oder als leitender Angestellter unter die Ausnahme des § 36 Abs 2 ArbVG fällt, ist daher zu prüfen, ob er die Kriterien des Arbeitnehmerbegriffs iSd § 36 Abs 1 ArbVG erfüllt.

3. Durch die Wortfolge „alle im Rahmen eines Betriebs beschäftigten Personen“ soll klargestellt werden, dass Arbeitnehmer, die zwar nicht im örtlich engeren Betriebsrahmen tätig sind, wohl aber organisatorisch und soziologisch der Belegschaft des Betriebs zuzuordnen sind, dieser auch rechtlich angehören (zB Windisch‑Graetz in Neumayr/Reissner, ZellKomm II2 ArbVG § 36 Rz 4).

Bezüglich entsandter (Auslands-)Mitarbeiter ist dabei jeweils zu prüfen, ob der betreffende Arbeitnehmer in einer so engen Beziehung zum Betrieb steht, dass er als dem Betrieb noch zugehörig zu betrachten ist und ob er ungeachtet seiner außerhalb der Betriebsstätte verrichteten Tätigkeit noch als Glied der betrieblichen Organisation gesehen werden kann (RIS‑Justiz RS0107424; 9 ObA 54/09w [im Ausland tätiger Programmmanager]; Gahleitner in Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht II2 § 36 Erl 1 S 297f; Tomandl in Tomandl, ArbeitsverfassungsG § 36 Rz 10 mwN).

Die Zugehörigkeit zum Betrieb wird aber auch dann bejaht, wenn die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen beim entsendenden Betrieb verbleiben (RIS‑Justiz RS0029057; Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 36 Rz 12; zur Maßgeblichkeit der Ausübung von Arbeitgeberbefugnissen vgl auch Risak in Mazal/Risak, Arbeitsrecht III Rz 12; Gahleitner in Preiss/Schneller aaO).

4. Speziell im Hinblick auf den arbeitsverfassungsrechtlichen Kündigungsschutz der §§ 105 ff ArbVG wurde bereits in der Entscheidung 9 ObA 63/87 (überlassener und in den Betrieb des Beschäftigers integrierter Arbeitnehmer) klar zwischen der betrieblichen Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Entleiherbetrieb und der arbeitsvertraglichen Bindung zum Verleiherbetrieb unterschieden und ausgesprochen, dass die aufgrund einer betrieblichen Integration gegebene arbeitsverfassungs-rechtliche Qualifikation eines Arbeitnehmers als Arbeitnehmer des Beschäftigers iSd § 36 nichts daran ändert, dass die arbeitsvertraglichen Beziehungen zum Verleiherbetrieb aufrecht bleiben und damit der arbeitsvertragliche Arbeitgeber als Adressat des in § 105 Abs 1 und 2 ArbVG normierten Kündigungsschutzes anzusehen ist (s RIS‑Justiz RS0050877; vgl dazu Schrank in Tomandl, ArbVG § 105 Rz 3; zur Bedeutung der arbeitsvertraglichen Komponente bezüglich der Befugnisse der Belegschaftsvertretung s auch Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 105 Rz 72; Gahleitner aaO § 36 Erl 1, S 297; Tomandl in Tomandl aaO Rz 11).

5. Der Beklagten kamen auch nach Übernahme der Geschäftsführertätigkeit des Klägers bei der Tochtergesellschaft weiterhin die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen zu (Entsendungsvorbehalt durch jederzeitige Widerrufbarkeit des Auftrags zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit durch die Beklagte; Recht der Beklagten, den Kläger auch andernorts oder für andere Organfunktionen in Konzern- und Beteiligungsunternehmen im Konzern der E***** AG einzusetzen; Lohnzahlung durch die Beklagte; Erholungsurlaub nach Maßgabe des UrlaubsG [Beil. /A] ua). Nach der unter Punkt 3. genannten Rechtsprechung und Literatur ist daher davon auszugehen, dass der Kläger betriebsverfassungsrechtlich als „im Rahmen des Betriebes“ der Beklagten beschäftigter Arbeitnehmer iSd § 36 Abs 1 ArbVG anzusehen ist.

Überdies ist nicht weiter zweifelhaft, dass die Entsendung nichts an der arbeitsvertraglichen Bindung des Klägers an die Beklagte änderte, wodurch diese nach der unter Punkt 4. genannten Rechtsprechung Adressat des in § 105 ArbVG normierten Kündigungsschutzes blieb.

Beide Ansätze führen sohin dazu, dass dem Kläger nicht schon aufgrund seiner Entsendung zur Tochtergesellschaft der betriebsverfassungsrechtliche Kündigungsschutz gegenüber der Beklagten zu versagen wäre.

6. Damit stellt sich die Frage, ob der arbeitsvertragliche Arbeitgeber auch dann Anknüpfungspunkt für die Ausschlussgründe der § 36 Abs 2 ArbVG zu sein hat, wenn ein Arbeitnehmer nicht bei diesem Arbeitgeber selbst, sondern aufgrund arbeitsvertraglicher Verpflichtung bei einer anderen Konzerngesellschaft eine Organfunktion ausübt.

6.1. Allgemein liegt den Ausnahmen vom Arbeitnehmerbegriff der Gedanke zugrunde, dass Personen, die eher Arbeitgeber‑ als Arbeitnehmerstellung im Betrieb haben, nicht unter den Schutzbereich des ArbVG fallen sollen (Windisch‑Graetz in ZellKomm aaO Rz 10). Das ist bei einem Geschäftsführer zweifellos der Fall. Nicht anders wird als leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG vor allem jener Arbeitnehmer definiert, der durch seine Position an der Seite des Arbeitgebers und durch Ausübung von Arbeitgeberfunktionen in einen Interessengegensatz zu anderen Arbeitnehmern geraten kann (RIS‑Justiz RS0051002). Maßgeblich ist vor allem die Entscheidungsbefugnis im personellen Bereich, weil sie den Interessengegensatz zu den übrigen Belegschaftsmitgliedern bewirkt, der der Ausnahmebestimmung des § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG zugrunde liegt (RIS‑Justiz RS0053034).

6.2. Zu 9 ObA 49/05d wurde es abgelehnt, alleine aufgrund der formalen Organstellung eines Arbeitnehmers der Muttergesellschaft bei der Tochtergesellschaft die Erfüllung des Ausnahmetatbestands des § 36 Abs 2 Z 1 ArbVG zu bejahen. Denn die Organstellung bei der Tochtergesellschaft besage nicht, dass dieser Arbeitnehmer ‑ wie es für eine Qualifizierung als leitender Angestellter erforderlich wäre ‑ im Arbeitgeberbetrieb eine dem Unternehmer vergleichbare Stellung innehabe, die es ihm ermögliche, durch Verfügungen in die Interessensphäre der Arbeitnehmer einzugreifen und wesentliche Unternehmensentscheidungen zu treffen. Jener Entscheidung lag die Konstellation eines faktisch einheitlichen Betriebs zugrunde (Mutter‑ und Tochtergesellschaft am gemeinsamem Standort; Betriebszweck der Tochtergesellschaft: Verrechnung der Bezüge der leitenden Angestellten und Anteilsverwaltung; Tochtergesellschaft ohne Beschäftigte und ohne eigene Betriebsmittel). Da die Tochtergesellschaft völlig unselbständig und überdies betriebsmittel-, belegschafts- und im Entscheidungsprozess bedeutungslos war, wurde der dort als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft agierende Kläger nicht als Organ der Betriebsinhaberin angesehen.

Die Entscheidung nahm sohin auf die ‑ dort fehlende ‑ materielle Ausgestaltung der Geschäftsführungsbefugnis eines Arbeitnehmers der Muttergesellschaft bei der Tochtergesellschaft Bedacht.

6.3. Ausgehend von einer solchen materiellen Betrachtung der Organstellung eines Geschäftsführers muss daher in jenem Fall, in dem ein Arbeitnehmer arbeitsvertraglich dazu verpflichtet ist, als Geschäftsführer einer anderen Konzerngesellschaft mit selbständiger Entscheidungsbefugnis für die Belegschaft und für die Betriebsmittel die Betriebsführungsfunktion auszuüben, eine solche Organstellung eines Arbeitnehmers aber sehr wohl als Ausschlussgrund iSd § 36 Abs 2 Z 1 ArbVG gewertet werden. Der tragende Grund liegt auch in einem solchen Fall darin, dass der Arbeitnehmer im Interesse seines Arbeitgebers ‑ zwar nicht in dessen, jedoch in einem anderen Konzernbetrieb ‑ unternehmerische Leitungsbefugnisse ausübt. Denn es würde einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn man einerseits die Stellung des Klägers bei der Beklagten als Arbeitnehmer der Beklagten im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn deshalb bejaht, weil die Arbeitgeberfunktionen arbeitsvertraglich bei der Beklagten verbleiben, andererseits aber für die Beurteilung der Frage, ob der Kläger als Geschäftsführer Organfunktion iSd § 36 Abs 2 Z 1 ArbVG hat, nicht auf seine arbeitsvertraglichen Kompetenzen für die Beklagte abstellen wollte. Da die arbeitsvertragliche Ausgestaltung der Befugnisse eines Arbeitnehmers insofern auch auf einen anderen Konzernteil ausstrahlen kann, ist es gerechtfertigt, für die Beurteilung des Ausnahmetatbestands nach § 36 Abs 2 Z 1 ArbVG auch auf jene Konzerngesellschaft abzustellen, in der der Arbeitnehmer auftragsgemäß die Geschäftsführungsfunktion wahrnimmt.

6.4. Unterstrichen werden diese Erwägungen dadurch, dass auch die Entwicklungen im Konzernbetriebsrecht und im europäischen Betriebsverfassungsrecht auf die Möglichkeit konzerngesellschaftsüberschreitender Interessengegensätze zwischen Arbeitgeber‑ und Arbeitnehmerseite Bedacht nehmen (§§ 88a ff, 189, 191 ff ArbVG).

6.5. Damit kommt es aber entscheidend auf die dem Kläger arbeitsvertraglich eingeräumten Befugnisse und die ihm innerhalb der Tochtergesellschaft zustehenden Entscheidungskompetenzen an. Käme ihm nach seinem Arbeitsvertrag dagegen faktisch keine Betriebsführungsfunktion bei einer Konzerngesellschaft zu, so hätte es bei seiner Arbeitnehmerstellung im Sinn des § 36 Abs 1 ArbVG zu bleiben. In diesem Zusammenhang könnte alleine der Umstand, dass gewisse Rechtsgeschäfte der Tochtergesellschaft der Genehmigungspflicht der Beklagten unterliegen, noch nicht dazu führen, dass die Leitungsfunktion des Klägers zu verneinen wäre.

7. Im Ergebnis erweist sich der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts daher als zutreffend, weil dem Kläger der Kündigungsschutz der §§ 105 ArbVG nicht alleine aufgrund seiner formalen Organstellung bei der Tochtergesellschaft versagt werden kann, sondern geprüft werden muss, ob und inwieweit ihm mit der arbeitsvertraglichen Beauftragung zur Übernahme der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft die tatsächliche Betriebsführungsbefugnis für diese übertragen war. Soweit das Berufungsgericht bezüglich der Stellung des Klägers in tatsächlicher Hinsicht einen Ergänzungsbedarf sieht, ist dem vom Obersten Gerichtshof nicht entgegen zu treten (Kodek in Rechberger, ZPO3 § 519 Rz 26 mwN ua).

Dem Rechtsmittel der Beklagten ist danach keine Folge zu geben. Es bleibt bei der Aufhebung des Ersturteils und der Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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