OGH 3Ob109/13w

OGH3Ob109/13w17.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein *****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei V***** reg. GenmbH, *****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. März 2013, GZ 5 R 210/12g-17, womit infolge Berufungen der klagenden und beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 16. Juli 2012, GZ 1 Cg 26/12k-10, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die beklagte Bank hat im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern Kreditverträge über Fremdwährungskredite abgeschlossen und dabei Vertragsformulare verwendet, in welchen die streitgegenständlichen Klauseln 1 bis 14 enthalten sind. Mit Schreiben vom 16. Jänner 2012 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine mit Konventionalstrafe besicherte Erklärung abzugeben, mit der sie sich verpflichte, die genannten oder sinngleiche Klauseln zu unterlassen und sich darauf nicht zu berufen. Die Beklagte reagierte darauf mit ihrem Schreiben vom 15. Februar 2012, in dem sie sich strafbewehrt verpflichtete, „nach Maßgabe des beiliegenden Begleitschreibens“ die Verwendung der Klauseln 2 bis 10 und 12 bis 14 sowie des ersten Teils der Klausel 11 oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen, und sich auf diese und sinngleiche Klauseln nicht zu berufen, „soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden sind“. Das zweiseitige Begleitschreiben enthält Erläuterungen und Klarstellungen zu den Klauseln und zur Unterlassungserklärung, angesprochen sind aber nur die Klauseln 4, 6, 8, 9, 11, 13 und 14.

Die inhaltlich im Revisionsverfahren allein strittige Klausel 1 lautet: „[Zinssatz für den in Fremdwährung in Anspruch genommenen Kreditbetrag] zuzüglich dem von der Bank selbst für die Fremdwährungsbeschaffung zu bezahlenden LIBOR-Aufschlag im Höchstausmaß von 1,00 Prozentpunkten, welcher aufgrund der Mitteilung der von der Bank kontaktierten Referenzbanken festgelegt wird.

Die Abmahnung und das Urteilsbegehren des Klägers enthielten den Zusatz „soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden sind“ nicht. In der (später vorgetragenen) Klagebeantwortung anerkannte die Beklagte die Rechtswidrigkeit der Klauseln 2 bis 10 und 12 bis 14 sowie des ersten Teils der Klausel 11 und erklärte sich bereit, über diese einen (nicht weiter eingeschränkten) vollstreckbaren Unterlassungsvergleich abzuschließen, dies allerdings ua ohne Veröffentlichung. Der angebotene Vergleich wurde nicht abgeschlossen.

Das Erstgericht erachtete die Wiederholungsgefahr iSd § 28 Abs 2 KSchG durch die Abgabe der Unterlassungserklärung für die davon betroffenen Klauseln als beseitigt und die Klauseln 1 und 11 Teil 2 als zu Recht beanstandet; es gelangte daher zu einer teilweisen Klagestattgebung.

Dem gegenüber vertrat das Berufungsgericht die auf die Entscheidung des verstärkten Senats zu AZ 6 Ob 24/11i gestützte Ansicht, die Wiederholungsgefahr sei weder durch die bloß teilweise Unterlassungserklärung noch durch das im Prozess erstattete Anbot auf Abschluss eines Unterlassungsvergleichs zu den - unstrittig zu Recht beanstandeten - Klauseln 2 bis 10 und 12 bis 14 sowie des ersten Teils der Klausel 11, der das Veröffentlichungsbegehren nicht umfasste, beseitigt worden; die Klauseln 1 und 11 Teil 2 seien gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 KSchG. Es änderte das Ersturteil daher dahin ab, dass mit Ausnahme der Abweisung eines Teils des Veröffentlichungsbegehrens der Klage zur Gänze stattgegeben wurde.

Mit ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte primär geltend, das Berufungsgericht habe die Frage des Wegfalls der Wiederholungsgefahr unrichtig beurteilt. Es sei von der Entscheidung des verstärkten Senats AZ 6 Ob 24/11i zur teilweisen Unterlassungserklärung abgewichen und es fehle Judikatur zu dem in § 28 Abs 1 Z 2 KSchG vorgesehenen Zusatz in der Unterlassungserklärung zur Berufung auf die Klauseln „soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden“ seien, der keine Einschränkung der Erklärung bedeute; auch die Ausklammerung des Veröffentlichungsbegehrens vom angebotenen Unterlassungsvergleich habe das Berufungsgericht zu Unrecht als Grund für das Weiterbestehen der Wiederholungsgefahr erachtet. Weiters habe es sich zur Klausel 1 nur unzureichend mit der Mängelrüge in der Berufung auseinandergesetzt und zu Unrecht eine gröbliche Benachteiligung angenommen, weil es der Beklagten ein rechtswidriges, gegen den nach dem WAG geltenden Grundsatz des „best advice“ verstoßendes Verhalten unterstelle.

Rechtliche Beurteilung

Damit gelingt es der Beklagten aber nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weshalb die Revision als unzulässig zurückzuweisen ist.

1. Zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr im Abmahnverfahren nach § 28 Abs 2 KSchG hat der Oberste Gerichtshof mit der Entscheidung des verstärkten Senats AZ 6 Ob 24/11i klargestellt, dass es dafür notwendig ist, dass zwischen dem Abmahnenden und jenem, der die Unterlassungserklärung abgibt, Willenseinigung über deren Inhalt besteht, damit eine mit konstitutiver Wirkung ausgestattete Vereinbarung zustande kommt. Im Fall einer Übermaßabmahnung fehlt bei bloß teilweiser Unterwerfungserklärung eine solche Willenseinigung, weshalb die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt wird; der Unternehmer muss sich vollständig („alles oder nichts“) und ohne auslegungsbedürftige Zusätze im Sinn der Abmahnung unterwerfen.

Auf die vorliegende Unterlassungserklärung angewendet bedeutet dies Folgendes:

1.1. Hier verlangte der Kläger im Abmahnverfahren von der Beklagten die Abgabe einer Unterlassungserklärung ohne den einschränkenden Zusatz iSd § 28 Abs 1 Satz 2 KSchG „soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden ist.“ Die Frage, ob ein derartiges Verlangen im konkreten Fall berechtigt war, kann bei der vorzunehmenden Prüfung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr als Ergebnis des Abmahnverfahrens offen gelassen werden.

Denn wenn man die unterlassene Einschränkung der verlangten Unterlassungserklärung als gesetzwidrig ansehen wollte (vgl zum Hintergrund der gesetzlichen Regelung 5 Ob 227/98p = SZ 72/42; RIS-Justiz RS0111641), wäre von einer Übermaßabmahnung des Klägers auszugehen; dieser hat die Beklagte mit dem ihre Unterlassungserklärung einschränkenden Zusatz nicht voll entsprochen. Dieser Zusatz erfasst alle von der abgegebenen Unterlassungserklärung betroffenen Klauseln und bedeutet, dass keine vollständige Unterwerfungserklärung vorliegt, weil die Beklagte nicht bereit ist, sich - anders als vom Kläger verlangt - unbedingt zur Unterlassung jeder Berufung auf die Klauseln 2 bis 10 und 12 bis 14 sowie des ersten Teils der Klausel 11 zu verpflichten. Die bloß teilweise Unterwerfungserklärung im Fall einer Übermaßabmahnung beseitigt aber die Wiederholungsgefahr nicht; die Willenseinigung über zwischen den Parteien Strittiges liegt dann nicht vor.

Wenn der Kläger unberechtigt oder aber auch berechtigt die Verpflichtung zur Unterlassung jeder Berufung auf die genannten Klauseln verlangte, fehlt es an der für das Zustandekommen einer konstitutiven Unterlassungsver-einbarung notwendigen Willenseinigung.

Mangels vollständiger Willenseinigung der (nunmehrigen) Streitteile in beiden Varianten kam es somit im Abmahnverfahren nicht zur Schaffung eines selbständigen Verpflichtungsgrundes der Beklagten. Das Berufungsgericht ist daher (im Ergebnis) zu Recht von einem Weiterbestehen der Wiederholungsgefahr ausgegangen.

1.2. Ob der einleitend der Unterlassungserklärung aufgenommene Verweis auf das zweiseitige Begleitschreiben (ebenso) einer Beseitigung der Wiederholungsgefahr entgegen steht, braucht daher gar nicht geprüft zu werden. Dennoch sei angemerkt, dass eine derartige Gestaltung der Unterlassungserklärung dem Rechtssatz, der Unternehmer muss sich ohne auslegungsbedürftige Zusätze im Sinn der Abmahnung unterwerfen, von vornherein nicht entspricht.

1.3. Schließlich ist noch klarzustellen, dass im Verbandsprozess jede beanstandete Klausel (zur Qualifikation als eigenständig: RIS-Justiz RS0121187) für sich zu prüfen ist; das betrifft auch die Frage der Wiederholungsgefahr. Allein der Umstand, dass ein Unternehmen im Fall der Beanstandung von mehreren Klauseln eine bedingungslose Unterlassungserklärung nur für einige Klauseln abgibt, rechtfertigt es daher nicht, nur deshalb das Fehlen einer vollständigen Unterwerfung und das Weiterbestehen der Wiederholungsgefahr anzunehmen. Ob und für welche Klauseln die Vermutung der Wiederholungsgefahr in solch einer Konstellation wegfällt, hängt vielmehr von einer Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls ab (vgl RIS-Justiz RS0107902).

2. Vom verstärkten Senat wurde auch auf die Möglichkeit für den Unternehmer hingewiesen, einen Unterlassungsvergleich anzubieten, wie dies in Unterlassungsstreitigkeiten nach dem UWG der Fall sei.

Nach § 30 Abs 1 KSchG gelten für das Verfahren über die Verbandsklage die Sonderbestimmungen des UWG ua über die Urteilsveröffentlichung (§ 25 Abs 3 bis 7 UWG) sinngemäß. Begehrt der Kläger - so wie hier zum überwiegenden Teil - berechtigterweise auch die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung, so muss das Vergleichsanbot nach der Judikatur zum UWG auch die Veröffentlichung des Vergleichs umfassen, um die Wiederholungsgefahr verneinen zu können, weil der Veröffentlichungsanspruch untrennbar mit dem Unterlassungsanspruch verknüpft ist (RIS-Justiz RS0079921; RS0079180).

Angesichts des unvollständigen Vergleichsanbots der Beklagten, das der Weigerung gleichkommt, betroffenen Kunden die Rechtswidrigkeit der Klauseln durch Veröffentlichung der Unterwerfung bekannt zu machen, sind Zweifel an der Ernstlichkeit ihres Unterlassungswillens jedenfalls nicht unvertretbar. Die Bejahung des Weiterbestehens der Wiederholungsgefahr durch das Berufungsgericht erweist sich daher auch in dieser Konstellation als nicht korrekturbedürftig.

3.1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsurteils im Zusammenhang mit der inhaltlichen Beurteilung der Klausel 1 im Sinn der Kundenfeindlichkeit liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels des Erstgerichts zum Thema der Refinanzierungskosten mit zutreffender rechtlicher Beurteilung verneint (vgl RIS-Justiz RS0121943; RS0121726).

3.2. Das Transparenzgebot für Verbraucherge-schäfte nach § 6 Abs 3 KSchG soll eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung der AGB sicherstellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt werden, ohne dass er sich zur Wehr setzt, oder dass er über Rechtsfolgen getäuscht oder ihm ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt wird (RIS-Justiz RS0115217 [T8], RIS-Justiz RS0115219 [T9]). Die AGB müssen also so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RIS-Justiz RS0115217 [T14]).

3.3. Das trifft auf die hier zu beurteilende Klausel 1 keinesfalls zu. Ihr lässt sich nämlich weder entnehmen, wer konkret (also die nicht näher genannte Referenzbank oder die Beklagte) den sog „LIBOR-Aufschlag“ „festlegt“ und nach welchen (gesetzlichen oder vertraglichen) Kriterien, noch ob dies einmalig der Fall ist oder öfter, dieser also variieren kann; abgesehen davon fehlt jeder Hinweis darauf, wie sich der Bankkunde über die dafür maßgebenden Umstände und die Höhe des Aufschlags informieren kann.

Für den Bankkunden bleiben somit die Grundlagen, die Zusammensetzung und die Höhe des Zuschlags zum Zinssatz sowie dessen Entwicklung - ausgenommen die Deckelung mit einem Prozent - völlig im Dunkeln und überdies nicht überprüfbar.

Der vom Kläger monierte Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt daher vor, sodass die Vorinstanzen schon aus diesem Grund zu dieser Klausel der Klage (im Ergebnis) zutreffend stattgegeben haben. Einer Auseinandersetzung mit anderen Rechtsgrundlagen bedarf es daher nicht.

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