European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00101.13S.0606.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Rekurswerber hat die Kosten seines Rekurses selbst zu tragen.
Begründung
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht dem Rekurs des Klägers gegen die Zurückweisung seiner Wiederaufnahmsklage nicht Folge gegeben. Dabei sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist.
In seinem Antrag, den Zulassungsausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist (§ 508 ZPO), lehnte der Kläger den Richter des Oberlandesgerichts Mag. H***** H***** als befangen ab. Nach seinen Recherchen sei Mag. H***** H***** mit dem Präsidenten des Zweitbeklagten seit mehreren Jahren sehr gut bekannt, zumindest so gut bekannt, dass seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen sei. Der Präsident des Zweitbeklagten, Herr K*****, sei seit 2010 Ehrenvorsitzender des ASVÖ und Vizepräsident des ASVÖ‑Bundes. Er sei weiters stellvertretender Bundesobmann des Reichsbundes und Obmannstellvertreter des Fußballvereins, Reichsbund Sport‑Jedlsee. Seit zumindest 2006 sei er Mitglied des Fachausschusses für Fußball beim Reichsbundverein. Mag. H***** sei zweiter Verb. Vertreter des Reichsbundvereins STK EDV 2000 und sei zumindest 2006 als Vereinsvertreter im Protestsenat der Reichsbundvereine. Im Reichsbund gebe es eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Landesausschuss, dessen Mitglied Herr K***** sei, und dem Protestsenat, in dem Mag. H***** sitze. Proteste im Reichsbund würden in erster Instanz vom Straf‑ und Meldeausschuss, in zweiter Instanz vom Landesausschuss (Mitglied Herr K*****) und in dritter Instanz vom Protestsenat bearbeitet. Mitglieder des Protestsenats würden vom Landesfachausschuss ernannt. Herr K***** habe also bei der Ernennung von Mag. H***** zum Mitglied des Protestsenats mitgewirkt.
Der abgelehnte Richter nahm zu diesem Ablehnungsantrag gemäß § 22 Abs 2 JN dahin Stellung, dass er einen ASVÖ‑Funktionär mit dem Namen K***** nicht kenne. Er habe mit dem ASVÖ weder persönlich noch als Funktionär jemals zu tun gehabt. Richtig sei, dass er Mitglied des ehemaligen Reichsbundvereins SK EDV 2000 sei, der mittlerweile der Diözesanliga angehöre. Er sei Vereinsvertreter im Protestsenat der Reichsbundvereine. Dieser Senat trete etwa jedes zweite Jahr zu einer Sitzung zusammen. Bei dieser Tätigkeit sei es nie zu Begegnungen mit Mitgliedern oder Funktionären des ASVÖ gekommen. Er fühle sich nicht gehindert, über den Antrag des Klägers ohne Beeinflussung durch unsachliche psychologische Motive mitzuentscheiden.
Das Oberlandesgericht Wien wies den Ablehnungsantrag zurück. Die Mitgliedschaft des abgelehnten Richters in einem Gremium (Protestsenat) einer Organisation, dessen Mitglieder von einem anderen Gremium derselben Organisation ernannt oder bestellt würden, dem wiederum der Präsident der zweitbeklagten Partei angehöre, begründe kein so enges Naheverhältnis zwischen dem abgelehnten Richter und dem Zweitbeklagten, dass besorgt werden müsste, bei der richtigen Entscheidungsfindung könnten andere als rein sachliche Motive eine Rolle spielen. Abgesehen davon, dass nicht erwiesen sei, dass der Präsident des Zweitbeklagten in jener Funktion überhaupt an der Bestellung des abgelehnten Richters zum Mitglied des Protestsenats mitgewirkt habe, sei damit weder ein persönlicher Kontakt noch irgendeine Form von Zusammenarbeit verbunden. Nach der Stellungnahme des abgelehnten Richters sei es bei seiner Tätigkeit als Mitglied des Protestsenats nicht einmal zu Begegnungen mit Mitgliedern oder Funktionären des ASVÖ gekommen. Dazu komme, dass der Präsident des zweitbeklagten Vereins, wenn überhaupt, über die Bestellung des abgelehnten Richters zum Mitglied des Protestsenats nicht allein entschieden, sondern daran nur als eines von mehreren Ausschussmitgliedern mitgewirkt haben kann, was schon deswegen keinen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten des abgelehnten Richters genommen haben könne, weil dieser weder davon wusste noch ihm K***** überhaupt bekannt sei. Schließlich sei eine organisatorische Verbundenheit des Reichsbundes und des Zweitbeklagten oder eine Verschränkung deren Einrichtungen gar nicht behauptet worden. Ein Naheverhältnis könnte daher nur in persönlicher Hinsicht zwischen dem Präsidenten des zweitbeklagten Vereins und dem abgelehnten Richter wegen deren Tätigkeit in Einrichtungen in ein‑ und derselben Organisationsstruktur „Amateursportgemeinschaft“ (vormals „Reichsbund“) bestehen. Da diese Tätigkeit aber zu keinerlei persönlicher Interaktion geführt habe, könnten die aufgezeigten rein sachlichen Berührungspunkte der Genannten für Außenstehende nicht den Verdacht einer Parteilichkeit aufkommen lassen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt.
1. Vorweg ist festzuhalten, dass das Rekursverfahren im vorliegenden Fall einseitig ist, weil auch das Wiederaufnahmsverfahren bisher nicht streitanhängig ist (vgl 4 Ob 143/10y; RIS‑Justiz RS0126587).
2. Ein Richter ist nach § 19 Z 2 JN befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Befangen ist ein Richter, der nicht unparteiisch entscheidet, sondern sich von unsachlichen psychologischen Motiven leiten lässt (RIS‑Justiz RS0046024 [T2, T3]). Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung, ob Befangenheit vorliegt, grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, soll doch schon der Anschein, ein Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, jedenfalls vermieden werden (RIS‑Justiz RS0045949, RS0046052). Andererseits soll es durch die Regelungen über das Ablehnungsrecht nicht ermöglicht werden, sich nicht genehmer Richter entledigen zu können (RIS‑Justiz RS0109379, RS0046087).
3. Gemäß § 22 JN sind zugleich mit der Ablehnung die Umstände genau anzugeben, welche die Ablehnung begründen und glaubhaft machen (RIS‑Justiz RS0045062 [T14]). Der Rekurswerber hat in seinem Ablehnungsantrag lediglich angeführt, dass sowohl der Präsident der zweitbeklagten Partei als auch der abgelehnte Richter Funktionäre in Fußballvereinen seien, die offenbar im selben Bewerb antreten. Darüber hinaus sollen beide Mitglieder unterschiedlicher Organe der veranstaltenden Sportorganisation „Reichsbund“ sein. Dass daraus eine „gute Bekanntschaft“ resultiere, wird ohne weiteres Tatsachensubstrat behauptet.
4.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die bloße Mitgliedschaft bei einem Verein, der in einem Prozess als Kläger oder Beklagter auftritt, kein Ausschließungsgrund iSd § 20 Z 1 JN. Eine Befangenheit des Richters könnte eine derartige Mitgliedschaft nur dann begründen, wenn über die bloße Mitgliedschaft hinaus persönliche Interessen oder Aktivitäten befürchten ließen, dass unsachliche Motive die Entscheidung beeinflussen könnten (6 Ob 616/91). Die bloße Zugehörigkeit zu Großorganisationen, wie zu Mieterschutzorganisationen, Konsumentenschutzorgani-sationen, Autofahrerorganisationen, Sportorganisationen udgl, genügt für sich allein hingegen nicht, um Befangenheit annehmen zu können oder auch bloß den Anschein einer Befangenheit zu erwecken, sofern nicht ein besonderes persönliches Interesse des Richters am Verfahrensausgang hinzutritt (RIS‑Justiz RS0045892 [T2]). Ist eine Organisation, in deren Streitschlichtungseinrichtung bzw Disziplinarausschuss ein abgelehnter Richter tätig ist, im zu beurteilenden Verfahren weder Partei des Verfahrens, noch ein Interesse der Organisation am Prozessausgang zu erkennen, liegt kein Befangenheitsgrund vor (vgl 2 Ob 43/11d).
4.2. Die vom Rekurswerber in seinem Rechtsmittel behaupteten vereinsmäßigen Verflechtungen zwischen dem Amateursportverein, in dem der abgelehnte Richter tätig ist, und dem zweitbeklagten Sportverband sind keineswegs so eng, dass sie bei objektiver Betrachtung die Befürchtung erwecken, der abgelehnte Richter könnte sich bei seiner Entscheidung von unsachlichen Motiven leiten lassen. Die behauptete persönliche Bekanntschaft zum Präsidenten des zweitbeklagten Sportverbands bleibt auf der Ebene der Spekulation. Nach der Stellungnahme des abgelehnten Richters besteht eine derartige Bekanntschaft nicht. Auch die vom Rekurswerber vorgebrachten Umstände lassen nicht auf ein eine Befangenheit begründendes Naheverhältnis schließen.
5. Damit erweist sich der angefochtene Beschluss aber als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.
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