OGH 6Ob616/91 (6Ob617/91)

OGH6Ob616/91 (6Ob617/91)7.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Friedrich Wilhelm K*****, vertreten durch Dr. Helmut Mühlgassner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei VEREINIGUNG ***** R*****, vertreten durch Dr. Klaus Hoffmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Vereinsausschlusses (hier Ablehnung von Richtern des Oberlandesgerichtes Wien), infolge Rekurses des Klägers gegen den Punkt 2. des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. Oktober 1991, 14 Nc 32/91-5, und gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 7. Oktober 1991, 13 Nc 3/91-7, womit die Ablehnungsanträge des Klägers gegen Mitglieder des Senates 13 und des Senates 18 des Oberlandesgerichtes Wien zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. 11. 1990 wurde das Begehren des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit seines Ausschlusses aus der VEREINIGUNG ***** R***** abgewiesen. Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung, über welche nach der Geschäftsverteilung der Senat 18 des Oberlandesgerichtes Wien zu entscheiden hat. Nach Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung lehnte der Kläger die weit überwiegende Zahl der Richter des Oberlandesgerichtes Wien namentlich mit der Begründung ab, strittig sei im vorliegenden Rechtsstreit die Mitgliedschaft des Klägers bei der beklagten

Partei. Die abgelehnten Richter seien Mitglieder der beklagten

Partei. Die abgelehnten Richter seien Mitglieder der beklagten Partei, Sektion Wien, welche den Ausschluß des Klägers betrieben habe. Es bestehe zwischen den Mitgliedern dieser Sektion, welcher auch der Kläger angehöre, ein besonderes Naheverhältnis, welches nicht nur einen Ausschließungsgrund im Sinne des § 20 Z 1 JN, sondern auch einen Befangenheitstatbestand im Sinne des § 19 Z 2 JN verwirkliche. Es sei zu befürchten, daß die abgelehnten Richter ihren seinerzeit eingenommenen Standpunkt, der Kläger sei aus der beklagten Partei auszuschließen, mit ihrer Funktion als Richter in der gegenständlichen Rechtssache identifizierten, denn hätten sich die Genannten bereits einmal in privater Eigenschaft im gleichen Gegenstand, mit dem sie sich nunmehr in amtlicher Eigenschaft zu befassen hätten, ein Urteil gebildet, könne nicht angenommen werden, daß sie von ihrer früher gefaßten Meinung abgehen würden. Da bei der Kleinheit des Vereines eine Verpflichtung zum Kostenersatz in Höhe von mindestens S 50.000 zu einer Erhöhung der Mitgliedsbeiträge im Umlageverfahren führen müsse, so daß bei den abgelehnten Richtern auch ein spezifisch wirtschaftliches Interesse an einem bestimmten Verfahrensausgang vermutet werden müsse, seien diese auch persönlich involviert. Letztlich gebiete das Interesse einer geordneten Rechtspflege die Annahme einer Befangenheit der abgelehnten Richter, weil es der Öffentlichkeit offensichtlich unverständlich sein müßte, wenn die Mitglieder eines bestimmten Vereines, die den Ausschluß eines ihrer Mitglieder betrieben hätten, nunmehr als staatliche Richter über die Rechtmäßigkeit dieses Vorganges zu entscheiden hätten.

Die abgelehnten Richter äußerten sich im wesentlichen gleichlautend dahin, nicht befangen zu sein. Sie seien einfache Mitglieder der Sektion Wien der beklagten Partei ohne Funktion, hätten am Ausschlußverfahren gegen den Kläger nicht mitgewirkt und auch keinen Standpunkt in dieser Sache eingenommen, mit dem sie sich jetzt identifizieren würden. Wer im vorliegenden Rechtsstreit die Kosten zu tragen habe, sei ihnen gleichgültig; eine allfällige Erhöhung der Mitgliedsbeiträge zur Deckung von Kosten könne keinesfalls ins Gewicht fallen.

Da vom Kläger drei der vier Mitglieder des zur Entscheidung über Ablehnungen der Richter anderer Senate nach der Geschäftsverteilung berufenen Senates 13 und sämtliche Mitglieder des Senates 14, der nach der Geschäftsverteilung über die Ablehnung von Richtern des Senates 13 zu entscheiden hat, abgelehnt wurden, bestimmte der Personalsenat einen aus vom Kläger nicht abgelehnten Richtern zusammengesetzten Senat. Dieser wies in Punkt 2. des Beschlusses vom 2. 10. 1991, 14 Nc 32/91-5, den Ablehnungsantrag des Klägers gegen die Mitglieder des Senates 13 des Oberlandesgerichtes Wien zurück.

Er führte aus, der Ausschließungsgrund des § 20 Z 1 JN sei nicht gegeben, weil die bloße Mitgliedschaft der Richter bei der beklagten Partei als Interessenvertretung keineswegs bedeute, daß sie in einer Rechtssache der beklagten Partei selbst Partei oder aber Mitberechtigte bzw Mitverpflichtete seien. Die Mitgliedschaft bei einem am Prozeß beteiligten Verein aber sei für sich allein auch kein Ablehnungsgrund, soferne bei diesem Verein keine leitende Position ausgeübt werde. Der Kläger habe gar nicht bahauptet, daß die abgelehnten Mitglieder des Senates 13 eine besondere Funktion bei der beklagten Partei oder deren Sektion Wien ausübten oder konkret den Ausschluß betrieben hätten. Bei objektiver Prüfung und Beurteilung liege kein Grund vor, die unbefangene Entscheidung über die Ablehnung anderer Richter des Oberlandesgeriches Wien durch den Kläger anzuzweifeln. Weil schon die vom Kläger angeführten Gründe seinen Ablehnungsantrag nicht rechtfertigen könnten, sei auch die Einholung einer Stellungnahme zu den Äußerungen dieser Richter entbehrlich gewesen; ein Verhalten oder Äußerungen der abgelehnten Richter, die über die allgemein angeführten Umstände hinausreichten, sei gar nicht behauptet worden.

Mit Beschluß vom 7. 10. 1991, 13 Nc 3/91-7, wies der Senat 13 den Ablehnungsantrag des Klägers gegen die Mitglieder des Senates 18 des Oberlandesgerichtes Wien im wesentlichen mit der gleichen Begründung zurück. Die nur allgemein angeführten Umstände könnten bei objektiver Prüfung und Beurteilung nicht zur Annahme einer Befangenheit führen.

Gegen beide Beschlüsse richten sich die Rekurse des Klägers.

Den Rekursen kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Beschluß vom 2. 10. 1991

Die Rekursausführungen vermögen nicht zu überzeugen. Das Erstgericht hat ausführlich und in Übereinstimmung mit Rechtsprechung und Lehre (EvBl 1988/43; Fasching Komm I 202 und LB2 Rz 163) dargelegt, daß die bloße Mitgliedschaft bei einem Verein, der in einem Prozeß als Kläger oder Beklagter auftritt, keinen Ausschließungsgrund im Sinne des § 20 Z 1 JN darstellt und eine Befangenheit des Richters nur dann begründen könnte, wenn über die bloße Mitgliedschaft hinaus persönliche Interesssen oder Aktivitäten befürchten lassen, daß unsachliche Motive die Entscheidung beeinflussen könnten. Die beklagte Partei, der weit über 90 % aller österreichischen Richter angehören, hat mehr als 2200 Mitglieder und nimmt deren Interessen durch gewählte Funktionäre wahr. Wenn daher ein Richter, der keine Funktion ausübt, mit den einzelnen Beschlüssen weder befaßt noch im vorhinein darüber informiert wird, so daß er sich noch gar keine Meinung bilden konnte, einen Rechtsstreit zu entscheiden hat, in welchem überdies nur eine Rechtsfrage, nicht aber strittige Tatumstände zu klären sind, ist auch nicht zu befürchten, daß "nach dem äußeren Anschein in einer demokratischen Gesellschaft Bedenken gegen die volle Unparteilichkeit entstehen könnten". Wenn der Kläger meint, eine allfällige Kostenersatzpflicht der beklagten Partei sein bei der Beurteilung der Befangenheit "in Wahrheit nicht entscheidend", so ist ihm beizupflichten, er aber darauf zu verweisen, daß er seine Ablehnung auch auf dieses Argument gestützt hat. Das Erstgericht hat auch zutreffend ausgeführt, daß besondere in der Person der einzelnen abgelehnten Richter gelegene konkrete Befangenheitsgründe, die über eine bloß einfache Mitgliedschaft bei der beklagten Partei hinausgehen, vom Kläger gar nicht behauptet wurden.

2. Zum Beschluß vom 7. 10. 1991

Der Beschluß wurde zwar vor Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses vom 2. 10. 1991 gefaßt; eine Nichtigkeit oder ein relevanter Verfahrensmangel liegen jedoch nicht vor. Nach § 25 JN darf ein abgelehnter Richter die Endentscheidung (§ 415 ZPO) vor rechtskräftiger Zurückweisung der Ablehnung nicht fällen. Wird der Ablehnung stattgegeben, so sind die vom abgelehnten Richter vorgenommenen Prozeßhandlungen nichtig und soweit erforderlich aufzuheben. Schon die Verweisung auf § 415 ZPO macht deutlich, daß mit der "Endentscheidung" nur die abschließende Entscheidung im Hauptprozeß - im vorliegenden Fall somit die Entscheidung über die Berufung des Klägers -, nicht aber eine Entscheidung in dem wegen der umfangreichen Ablehnungsanträge des Klägers in mehreren Stufen erforderlichen Ablehnungsverfahren gemeint ist. Die Zurückweisung des Ablehnungsantrages gegen die Mitglieder des Senates 13 ist zwar erst mit der vorliegenden Entscheidung rechtskräftig geworden; § 25 JN knüpft jedoch die Sanktion der Nichtigkeit einer vor rechtskräftiger Erledigung des Ablehnungsantrages durch die abgelehnten Richter gefällten Entscheidung nur an die Stattgebung der Ablehnung. Bei rechtskräftiger Zurückweisung des Ablehnungsantrages liegt höchstens ein Mangel des Verfahrens vor, der aber das Zustandekommen einer richtigen Entscheidung nicht hindern könnte (SZ 43/161). Da die Zurückweisung des Ablehnungsantrages zu Recht erfolgte, ist der unterlaufene Verfahrensmangel nicht mehr wahrzunehmen.

Auch die Einholung einer gesonderten Stellungnahme des Klägers zu den Äußerungen der abgelehnten Richter war nicht erforderlich. Eine solche gesonderte Äußerung ist weder nach der Jurisdiktionsnorm noch nach der GEO (§ 183) zwingend vorgeschrieben. § 22 Abs 1 Satz 2 JN fordert die genaue Angabe der Umstände, welche die Ablehnung begründen, schon in der Ablehnungserklärung. Der zur Begründung der Ablehnung vorgebrachte Sachverhalt muß also derart substantiiert sein, daß daraus die angestrebte Rechtsfolge abgeleitet werden kann. Zweck dieser Bestimmung ist es, die mißbräuchliche Ausübung des Ablehnungsrechtes zur Verfahrensverschleppung oder im Zeitpunkt "taktischer Zweckmäßigkeit" zu verhindern. Die Äußerungen der abgelehnten Richter hatten keinerlei strittige Fragen oder dem Kläger nicht bekannte persönliche Umstände zum Inhalt, sondern beschränkten sich auf die Erklärung, sich aus den vom Kläger angeführten Gründen (bloße Mitgliedschaft bei der beklagten Partei, allfällige Kostenersatzansprüche des Klägers gegen diese) für nicht befangen zu halten. Eine "Beweiswürdigung" mußte daher gar nicht stattfinden. Im übrigen wäre es dem Kläger freigestanden, in die Äußerungen Einsicht zu nehmen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt somit nicht vor.

Zu den übrigen Rekursausführungen kann auf Punkt 1. verwiesen werden.

Den Rekursen war daher ein Erfolg zu versagen.

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