OGH 10ObS62/13k

OGH10ObS62/13k28.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr.

Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhold Hohengartner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. B*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15‑19, wegen Wochengeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 2013, GZ 7 Rs 180/12k‑15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00062.13K.0528.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts, wonach die klagende Rechtsanwaltsanwärterin der beklagten Partei den Überbezug an Wochengeld im Zeitraum vom 24. 8. 2010 bis 14. 3. 2011 in Höhe von 10.722,46 EUR gemäß § 107 Abs 1 (vierter Fall) ASVG zurückzuzahlen hat. Grund für die Gewährung der Leistung in nicht gebührender Höhe war die unrichtige Meldung des Arbeitsverdienstes der Klägerin durch ihren Dienstgeber an die beklagte Partei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keinen zulassungsrelevanten Fehler des Berufungsgerichts auf. Entgegen ihrer Ansicht steht die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Rückforderung nicht nach § 107 Abs 2 lit a ASVG ausgeschlossen ist, nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Sie ist auch nicht unvertretbar.

Das Recht auf Rückforderung nach § 107 Abs 1 ASVG besteht nicht, wenn der Versicherungsträger zum Zeitpunkt, in dem er erkennen musste, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, die für eine bescheidmäßige Feststellung erforderlichen Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist unterlassen hat (§ 107 Abs 2 lit a ASVG).

Bei dieser Norm handelt es sich um ein im Interesse des Zahlungs‑ oder des Leistungsempfängers gegenüber § 1432 letzter Fall ABGB verschärftes Rückforderungsverbot, das schon dann besteht, wenn der Versicherungsträger erkennen musste, dass er Geldleistungen zu Unrecht erbracht hat; er ist ab dem Zeitpunkt, in dem er erkennen musste, dass seine Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, verpflichtet, innerhalb angemessener Frist die für eine bescheidmäßige Feststellung dieser Leistung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Überbezüge zu verhindern (10 ObS 440/89, SSV‑NF 4/37 = RIS‑Justiz RS0084420). Ignoriert der Versicherungsträger eine ‑ sei es durch eine Meldung des Leistungsempfängers, eine Mitteilung des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger oder auf andere Art ‑ zugekommene Information, aus der er erkennen musste, dass eine Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, und erbringt er diese Leistung weiter, dann besteht das Recht auf Rückforderung der zu Unrecht weiter erbrachten Leistung nicht (10 ObS 440/89, SSV‑NF 4/37; RIS‑Justiz RS0084301).

Die Frage des Vorliegens des Tatbestands des Rückforderungsausschlusses kann nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beantwortet werden und bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Die Vorinstanzen stellten fest, dass die beklagte Partei auf Basis der bei ihr am 30. 8. 2010 eingelangten Meldung des Dienstgebers der Klägerin ein tägliches Wochengeld von 152,60 EUR auszahlte und dieses der Klägerin auch schriftlich mitgeteilt worden ist. Diese wunderte sich zunächst über die Höhe des Wochengeldes und kontaktierte daher die beklagte Partei, um sich zu vergewissern. Ihr wurde mitgeteilt, dass der Tagessatz ein Durchschnitt der letzten drei Monate sei und man dies mit 30 multipliziere. Es würden sämtliche Unterlagen vorliegen. Aufgrund dieser Mitteilung ging die Klägerin davon aus, dass die Anweisung des Wochengeldes richtig ist.

Das Berufungsgericht führte aus, durch das Telefonat hätte die beklagte Partei die Überhöhung des Wochengeldes noch nicht erkennen müssen. Allein der Umstand, dass sich die Klägerin bei ihr über die Richtigkeit der Wochengeldhöhe vergewissert habe, reiche noch nicht hin, um eine Aufgriffsobliegenheit der beklagten Partei zu bejahen. Vielmehr wäre von der Klägerin zu erwarten gewesen, ihre Zweifel bezüglich der Höhe des Wochengeldbezugs unter Hinweis auf die ihr bekannte Höhe des Nettogehalts offenzulegen, zumal ihr die (einfache) Berechnungsmethode der Höhe des Wochengeldes erklärt worden sei. Die Klägerin habe sich jedoch mit der Erklärung der beklagten Partei zufrieden gegeben, dass der errechnete Wochengeldbetrag nach dem Inhalt der vorliegenden Meldung richtig sei. Die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt keine ihr zugekommene Information ignoriert.

Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist jedenfalls vertretbar. Die Behauptung der Revisionswerberin, sie habe der beklagten Partei Bedenken mitgeteilt, hat keine Grundlage in den Feststellungen der Vorinstanzen.

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