OGH 10ObS440/89

OGH10ObS440/8913.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer (AG) und Norbert Kunc (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef R***, geboren 11. Juli 1960, Förderungsdorf Sollenau, 2601 Sollenau, vertreten durch seine Mutter und Sachwalterin Barbara K***, Pensionistin, 3131 Getzersdorf 32, diese vertreten durch Dr. Johann Mayerhofer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei P*** DER

A***, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage und Abstandnahme von der Rückforderung von S 27.690,20 infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juli 1989, GZ 33 Rs 149/89-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 31. März 1989, GZ 4 Cgs 521/89-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie lauten:

"Es wird festgestellt, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, der beklagten Partei den für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis 30. November 1987 entstandenen Überbezug an Ausgleichszulage von S 27.690,20 zurückzuzahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger ab 1. Mai 1985 die Ausgleichszulage im gesetzlichen (bisherigen) Ausmaß zu gewähren, wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 3.292,80 bestimmten Revisionskosten (darin enthalten S 548,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 11. Juli 1960 geborene, seit Geburt geistig behinderte Kläger ist im Förderungsdorf Sollenau untergebracht. Mit Verfügung der NÖ. Landesregierung vom 3. Jänner 1979, VII/1-F-15.065/14-1978 wurde ihm Hilfe für Behinderte ab 1. Jänner 1979 durch Tragung der Kosten für die Unterbringung im Karl-Ryker-Dorf in Sollenau in der Höhe von S 528,-- täglich gewährt. Die beklagte Partei gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 14. September 1978 über das 18. Lebensjahr hinaus die Waisenpension nach seinem im Jahr 1965 verstorbenen Vater. Diese betrug damals monatlich S 869,60; zum 1. April 1985 betrug sie S 1.225,70, zum 1. Jänner 1986 S 1.268,60 und zum 1. Jänner 1987 S 1.316,80. Nach Eintritt der Volljährigkeit des Klägers und dessen Entmündigung wegen Geistesschwäche (mit Beschluß vom 27. März 1981) wurde die Mutter Barbara K*** zum Beistand und in der Folge zum Sachwalter des Klägers bestellt. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 13. August 1984 wurde sein Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszulage zur Waisenpension abgelehnt, weil gemäß § 294 ASVG eine von der Mutter zu erbringende Unterhaltsleistung von monatlich S 1.080,-- anzunehmen war; dies entsprach dem von der Mutter im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht geleisteten Kostenbeitrag für die Unterbringung ihres Sohnes in Sollenau von täglich S 36,--. Mit Bescheid vom 4. Feber 1985 gewährte die beklagte Partei dem Kläger ab 11. Juli 1984 eine Ausgleichszulage von monatlich S 611,50, ab 1. Jänner 1985 von monatlich S 667,30, wobei eine Unterhaltsleistung der Mutter in Höhe von S 36,--

täglich weiterhin angenommen wurde. In der Folge gab die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten mit Schreiben vom 17. Dezember 1987 (BlZ 144 des Anstaltsaktes) bekannt, daß die Mutter bereits ab dem 1. April 1985 zu einem täglichen Kostenbetrag von S 87,-- verpflichtet worden war. Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten hatte die Mutter des Klägers mit Bescheid vom 25. April 1985 aufgefordert, gemäß § 15 Abs 4 und 5 des NÖ. Sozialhilfegesetzes dem Land Niederösterreich zu den Kosten der Sozialhilfe für ihren Sohn ab 1. April 1985 einen Kostenbeitrag in der Höhe von S 87,-- täglich oder monatlich S 2.600,-- (in der Höhe der monatlichen Familienbeihilfe) zu leisten (Beilage D). Diese Verpflichtung zum Kostenersatz an das Land Niederösterreich wurde von der Mutter des Klägers der beklagten Partei nicht gemeldet. Nach einer Überprüfung des Ausgleichzulagenanspruchs des Klägers wurde die von der Mutter erbrachte Unterhaltsleistung von täglich S 87,-- mit monatlich S 2.653,50 angerechnet. Die Gegenüberstellung der Ausgleichszulagenrichtsätze seit 1. April 1985 mit dem Gesamteinkommen des Klägers ergab, daß kein Anspruch auf Ausgleichszulage bestehe (BlZ 145 des Anstaltsaktes). Die Mutter des Klägers bezieht seit 1. Jänner 1985 eine Alterspension; die Leistung betrug zum 1. Jänner 1987 S 15.771,40 netto (darin enthalten Familienbeihilfe S 2.900,-- - BlZ 131 des Anstaltsaktes). Mit Bescheid vom 3. November 1988 sprach die beklagte Partei aus, daß der Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage mit 30. April 1985 ende; der für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis 30. November 1987 entstandene Überbezug von S 27.690,20 wurde gemäß § 107 Abs 1 ASVG rückgefordert. Da sich das Einkommen des Klägers ab 1. April 1985 auf S 3.879,20, ab 1. Jänner 1986 auf S 3.922,10 und ab 1. Jänner 1987 auf S 3.970,30 erhöht habe, werde der jeweils in Betracht kommende Richtsatz von S 2.973,--, S 3.077,-- bzw. S 3.206,-- überschritten. Der Kläger habe die Änderung seines Nettoeinkommens nicht gemeldet und daher die Ausgleichszulage seit 1. Mai 1985 zu Unrecht bezogen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger fristgerecht Klage mit dem Begehren auf Gewährung der Ausgleichszulage (im bisherigen Ausmaß) ab 1. Mai 1985.

Das Erstgericht wies dieses Begehren ab und verhielt zugleich den Kläger, den "Ausgleichszulagenrückstand" im Zeitraum vom 1. Mai 1985 bis 30. November 1987 von S 27.690,20 in monatlichen Teilzahlungen von S 300,-- zurückzuzahlen. Es führte aus, die Mutter, die gemäß § 140 ABGB nach Maßgabe der gegebenen finanziellen Möglichkeiten unterhaltspflichtig sei, komme durch Zahlung von monatlich S 2.653,30 ihrer Unterhaltspflicht mit einem zumutbaren Beitrag nach; auch das NÖ. Sozialhilfegesetz knüpfe an die gesetzliche Unterhaltspflicht an. Nach § 292 Abs 3 ASVG würden Unterhaltsansprüche jeglicher Art als Einkünfte gelten, die dem Nettoeinkommen zuzurechnen seien. Der Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage sei daher zu verneinen. Durch die Unterlassung der Meldung der Erhöhung des Unterhaltsbetrages im Sinne einer Leistung von täglich S 87,-- sei ein Überbezug im genannten Zeitraum in der geltend gemachten Höhe entstanden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Einwand, daß die unterhaltspflichtige Mutter Zahlungen nicht an den Kläger, sondern an einen Dritten, nämlich das Land Niederösterreich geleistet habe, übersehe, daß die Leistungen der Mutter in Form eines Kostenbeitrages wohl dem Kind (dem Kläger) zukämen, weil sie zur teilweisen Refundierung der Behinderten-Unterbringung dienten. Das Erstgericht habe daher den Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage zu Recht verneint. Aber selbst wenn man die Ansicht vertreten wollte, der Kostenbeitrag zur Unterbringung und Verpflegung des Klägers in Sollenau dürfe insgesamt mit nicht mehr als 15 v.H. des Nettoeinkommens der unterhaltspflichtigen Mutter angerechnet werden (§ 294 Abs 1 lit c ASVG), weil der Kläger wegen seiner Eigenschaften nicht im gemeinsamen Haushalt versorgt werden könne und dieser Umstand nicht zum Vorteil der beklagten Partei ausgelegt werden dürfe, könnte keine für den Kläger günstigere Entscheidung gefunden werden, weil 15 v.H. des Nettoeinkommens der Mutter monatlich S 2.700,--, also etwas mehr als die Höhe des Kostenbeitrages ausmachen würden. Entgegen der Ansicht des Klägers habe das Erstgericht auch zutreffend eine Verletzung der Meldevorschrift des § 40 ASVG (§ 298 Abs 1 ASVG) erkannt, weil vom Zahlungsempfänger (§ 106 ASVG) schon auf Grund der Bescheidinhalte, in welchen die Unterhaltsleistungen der Mutter angeführt werden, deren Anrechnung bei der Ausgleichszulage zu ersehen gewesen sei. Der Rückforderungsanspruch der beklagten Partei beruhe auf § 107 Abs 1 ASVG.

Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Revision aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (§ 502 Z 4 ZPO) mit dem Abänderungsantrag, daß die beklagte Partei schuldig erkannt werde, dem Kläger ab 1. Mai 1985 die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren und daß eine Rückzahlung des Überbezuges nicht zu erfolgen habe.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Der Revisionswerber hält an seiner Rechtsansicht fest, der Kostenersatzanspruch des Sozialhilfeträgers (hier des Landes Niederösterreich) sei kein Anspruch des Betroffenen, dem Sozialhilfe gewährt werde; dieser habe auch keinen Anspruch gegen den Unterhaltspflichtigen auf Leistung des Kostenbeitrages, weshalb eine Ersatzleistung an den Sozialhilfeträger dem Sozialhilfeempfänger nicht als Einkommen zu rechnen sei. Diesem Standpunkt hielt das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entgegen, daß die Leistungen der unterhaltspflichtigen Mutter in Form eines Kostenbeitrages letzlich doch dem Kläger zukommen, weil sie zur teilweisen Refundierung der Kosten seiner Unterbringung im Rahmen der Behindertenhilfe dienen. Nach den im folgenden zitierten Bestimmungen des NÖ. Sozialhilfegesetzes, NÖ. LGBl. 1974/78 idgF hat die Sozialhilfe jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen; sie umfaßt die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Hilfe für behinderte Menschen und die Hilfe in besonderen Lebenslagen (§ 1). Nach dem Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe (Subsidiaritätsprinzip, vgl. Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 Rz 358) ist Sozialhilfe, sofern nichts anderes bestimmt ist, nur zu gewähren, soweit die Hilfe nicht von anderer Seite geleistet wird (§ 2 Abs 1). Verpflichtungen Dritter und Träger anderer Sozialleistungen werden dadurch nicht berührt (§ 2 Abs 2). Die Hilfe für behinderte Menschen umfaßt (§ 14) unter anderem Hilfe zur beruflichen Eingliederung (lit d), Hilfe zum Lebensunterhalt (lit e), Hilfe durch geschützte Arbeit (lit f), Beschäftigungstherapie (lit g) und Hilfe durch Unterbringung in geschützten Einrichtungen (lit i). In den Fällen des § 14 lit a bis d, g und i ist das Ausmaß der Hilfe durch Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Mittel des behinderten Menschen und seiner Angehörigen im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu bestimmen (§ 15 Abs 4). Bei internen Unterbringungen sind jedenfalls Kostenbeiträge in der Höhe der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages gemäß § 8 Abs 2 und 4 FamLAG zu leisten. Bei internen Unterbringungen volljähriger behinderter Menschen sind darüber hinaus keine Kostenbeiträge zu erbringen (§ 15 Abs 5). Die Kosten der Sozialhilfe hat das Land zu tragen (§ 40). Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, haben im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten (§ 42 Abs 1). Hat ein Hilfeempfänger für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, einen öffentlich rechtlichen oder privatrechtlichen Anspruch gegen einen Dritten, kann die Bezirksverwaltungsbehörde, sofern nichts anderes bestimmt ist, durch schriftliche Anzeige an den Dritten bewirken, daß der Anspruch bis zur Höhe der Aufwendungen auf das Land übergeht (§ 43 Abs 1). Wird ein Pensionsberechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe in einem Altersheim oder Fürsorgeerziehungsheim, einer Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke, einer Trinkerheilstätte oder einer ähnlichen Einrichtung bzw. außerhalb einer dieser Einrichtungen im Rahmen eines Familienverbandes oder auf einer von einem Träger der öffentlichen Wohlfahrtspflege oder von einer kirchlichen oder anderen karitativen Vereinigung geführten Pflegestelle verpflegt, so geht gemäß § 324 Abs 3 ASVG für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 v.H. auf den Träger der Sozialhilfe über; das gleiche gilt in Fällen, in denen ein Pensionsberechtigter auf Kosten eines Landes im Rahmen der Behindertenhilfe in einer der genannten Einrichtungen oder auf einer der genannten Pflegestellen untergebracht wird mit der Maßgabe, daß der vom Anspruchsübergang erfaßte Teil der Pension auf das jeweilige Land übergeht.

Im vorliegenden Fall wurde die Mutter des Klägers unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 15 Abs 4 und 5 des NÖ. SHG verpflichtet, dem Land Niederösterreich zu den Kosten der Sozialhilfe für ihren Sohn einen Kostenbeitrag in Höhe der monatlichen Familienbeihilfe von S 2.600,-- zu leisten, wozu in der Begründung des Bescheides vom 25. April 1985 angeführt war, daß sie die Familienbeihilfe für ihren Sohn in Höhe von derzeit monatlich S 2.600,--

beziehe. Bei diesem Anspruch handelt es sich um einen originären auf den zitierten gesetzlichen Bestimmungen (insbes. § 15 Abs 5 nö. SHG) gegründeten Anspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Bezieher der Familienbeihilfe (vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht 528). Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben unter anderem für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (§ 2 Abs 1 lit c FamLAG 1967). Anspruch auf Familienbeihilfe hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist (§ 2 Abs 2 FamLAG). Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 2 Abs 5 FamLAG).

Der Umfang des dem Kläger gegen seine Mutter zustehenden, auf § 140 ABGB beruhenden Unterhaltsanspruchs wurde im gegenständlichen Verfahren nicht geprüft. Auszugehen ist aber davon, daß die Mutter die gemäß § 8 Abs 4 FamLAG erhöhte Familienbeihilfe bezieht, ohne daß der Kläger bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit ihr teilt, offenbar weil die Haushaltszugehörigkeit iS des § 2 Abs 5 FamLAG nicht als aufgehoben gilt. Ein Anspruch des Klägers auf Auszahlung der Familienbeihilfe besteht nicht, ein solcher der Mutter nur unter der Voraussetzung, daß sie zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der erhöhten Familienbeihilfe beiträgt. Aus dem bisher Dargestellten ergibt sich, daß die Vorinstanzen mit Recht eine Unterhaltsgewährung der Mutter an den Kläger angenommen haben, wenngleich sie sich nicht in einer direkten Geldleistung an ihn manifestiert, sondern in einer Ersatzleistung an den Sozialhilfeträger. Diese Ersatzleistung in Höhe der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 15 Abs 5 NÖ. SHG ist ja gleichzeitig die Voraussetzung dafür, daß die Mutter des Klägers überhaupt Familienbeihilfe bezieht (§ 2 Abs 5 FamLAG). Gemäß § 292 Abs 4 lit b ASVG haben zwar bei Feststellung der Ausgleichszulage unter anderem Familienbeihilfen außer Betracht zu bleiben, doch kann dies nur für den Fall gelten, daß der Ausgleichszulagenempfänger selbst eine solche Beihilfe bezieht, was beim Kläger nicht der Fall ist. Da die Waisenpension des Klägers in der unstrittigen Höhe (zum 1. April 1985 S 1.225,70, zum 1. Jänner 1986 S 1.268,60 und zum 1. Jänner 1987 S 1.316,80) zusammen mit dem monatlichen von der Mutter geleisteten Unterhalt von S 2.600,-- den jeweiligen Richtsatz überstieg (zum 1. April 1985 S 2.973,--, ab 1. Jänner 1986 S 3.077,-- und ab 1. Jänner 1987 S 3.206,--), bestand kein Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage. Sein diesbezügliches Klagebegehren wurde darüber hinaus, soweit es den Zeitraum betrifft, für den die beklagte Partei den Überbezug zurückgefordert hat Ä1. Mai 1985 bis 30. November 1987Ü, aber schon deshalb zutreffend abgewiesen, weil die beklagte Partei während dieses Zeitraumes die Ausgleichszulage auf Grund rechtskräftiger Bescheide erbrachte und für eine neuerliche Auferlegung einer Zahlungsverpflichtung dem Kläger jedes schutzwürdige Interesse fehlen würde. Die Höhe der Ausgleichszulagen für die von der Rückforderung betroffenen Zeiträume bildet nur eine Vorfrage der Rückforderungsansprüche (SSV-NF 3/12).

Hingegen ist den Vorinstanzen darin nicht beizupflichten, daß

der Bezug der Ausgleichszulage durch den Kläger seit 1. April 1985

durch eine Verletzung der Meldevorschriften (§§ 40, 298 Abs 1 ASVG)

herbeigeführt wurde (andere Rückforderungsgründe wurden von der

beklagten Partei nicht geltend gemacht und brauchen daher nicht

untersucht zu werden). Nach § 298 Abs 1 ASVG ist der

Pensionsberechtigte, der eine Ausgleichszulage bezieht,

verpflichtet, jede Änderung des Nettoeinkommens oder der Umstände,

die eine Änderung des Richtsatzes bedingen, dem Träger der

Pensionsverischerung gemäß § 40 ASVG anzuzeigen. Nach § 40 ASVG sind

die Zahlungsempfänger (§ 106 ASVG) verpflichtet, jede Änderung in

den für den Fortbestand der Bezugsberechtigung maßgebenden

Verhältnissen ... binnen zwei Wochen dem zuständigen

Versicherungsträger anzuzeigen. Der Versicherungsträger hat zu

Unrecht erbrachte Geldleistungen ... zurückzufordern, wenn der

Zahlungsempfänger (§ 106) beziehungsweise der Leistungsempfänger den

Bezug durch bewußt unwahre Angaben, bewußte Verschweigung

maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften (§ 40)

herbeigeführt hat ... (§ 107 Abs 1 ASVG). Dieses Recht auf

Rückforderung besteht nicht, wenn der Versicherungsträger zum Zeitpunkt, in dem er erkennen mußte, daß die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, die für eine bescheidmäßige Feststellung erforderlichen Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist unterlassen hat (§ 107 Abs 2 lit a ASVG). Dabei handelt es sich um ein im Interesse des Zahlungs- bzw Leistungsempfängers gegenüber § 1432 letzter Fall ABGB verschärftes Rückforderungsverbot, das schon dann besteht, wenn der Versicherungsträger erkennen mußte, daß er Geldleistungen zu Unrecht erbracht hat; er ist ab dem Zeitpunkt, in dem er erkennen mußte, daß eine Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, verpflichtet, innerhalb angemessener Frist die für eine bescheidmäßige Feststellung dieser Leistung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Überbezüge zu verhindern. Ignoriert der Versicherungsträger eine ihm, sei es durch eine Meldung des Leistungsempfängers, eine Mitteilung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger oder auf andere Art zugekommene Information, aus der er erkennen mußte, daß eine Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, und erbringt er diese Leistung weiter, dann besteht das Recht auf Rückforderung der zu Unrecht weiter erbrachten Leistung nach § 107 Abs 2 lit a ASVG nicht. Dabei handelt es sich nicht um eine Verjährung des Rückforderungsrechtes, sondern um einen der Bestimmung des § 1432 letzter Fall ABGB ähnlichen Ausschluß des Rückforderungsrechtes, weil der Gesetzgeber einen Versicherungsträger, der bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, daß er eine nicht mehr oder nicht mehr in dieser Höhe gebührende Leistung erbringt, ebensowenig für schutzwürdig hält wie jemanden, der eine Zahlung leistet, von der er weiß, daß er sie nicht schuldet (12. September 1989, 10 Ob S 141-146/89 = SSV-NF 3/96 - in Druck).

Daraus folgt, daß das Recht der beklagten Partei auf Rückforderung der ab Mai 1987 erbrachten Ausgleichszulagen schon deshalb nach § 107 Abs 2 lit a ASVG ausgeschlossen ist, weil der beklagten Partei nach dem Inhalt des Anstaltsaktes seit 8. April 1987 bekannt war, daß die Mutter des Klägers die erhöhte Familienbeihilfe bezieht (Mitteilung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 7. April 1987 an die beklagte Partei, bei dieser eingelangt am 8. April 1987 - BlZ 131 des Anstaltsaktes). Auf Grund der oben zitierten Bestimmungen des § 15 NÖ. SHG mußte der beklagten Partei auch klar sein, daß die Mutter des Klägers dem Sozialhilfeträger Kosten in dieser Höhe zu ersetzen hatte, und zwar im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht, die ja Voraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe ist (§ 2 Abs 5 FamLAG iVm § 15 Abs 5 NÖ. SHG). Für die Zeit vor Mai 1987 hat die beklagte Partei jedoch aus einem anderen Grund kein Recht auf Rückforderung der erbrachten Ausgleichszulagenbeträge.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß für den geistig behinderten Kläger ein Sachwalter bestellt wurde, dem nach § 106 Abs 1 letzter Satz ASVG die Leistung auszuzahlen war, wenn die Angelegenheiten, mit deren Besorgung er betraut wurde, die Empfangnahme der Leistung umfaßten. Nach dem oben zitierten § 324 Abs 2 ASVG war der Anspruch des Klägers auf Pension einschließlich Ausgleichszulage bis zu 80 v.H. auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen. Nur ein schuldhaftes Verhalten der Mutter und Sachwalterin des Klägers würde die beklagte Partei berechtigen, die gegenständlichen Leistungen vom Kläger zurückzufordern (vgl. Schrammel in Tomandl, SV-System 3. ErgLfg 170f; Pichler, ZAS 1967, 103 FN 8; 27. September 1988, 10 Ob S 161/88). Dafür, daß die Mutter des Klägers den Bezug durch bewußt unwahre Angaben oder bewußtes Verschweigen maßgebender Tatsachen herbeigeführt hätte, ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Parteien noch aus den Beweisergebnissen ein Hinweis. Entgegen der Meinung der Vorinstanzen hat die Mutter des Klägers den Bezug der rückgeforderten Ausgleichszulagenbeträge aber auch nicht durch fahrlässige Verletzung der Meldevorschriften und der Auskunftspflicht herbeigeführt.

Eine Verletzung der Meldevorschriften oder der Auskunftspflicht liegt zwar schon bei leichter Fahrlässigkeit vor, wobei diese unter Heranziehung der allgemeinen bürgerlich rechtlichen Verschuldensmaßstäbe der §§ 1294 und 1297 ABGB zu beurteilen ist (SSV-NF 1/69). Leicht Fahrlässigkeit ist jedes nicht extreme Abweichen von der gebotenen Sorgfalt (ohne Schädigungsabsicht), sofern es subjektiv vorwerfbar ist (zB Reischauer in Rummel, ABGB § 1294 Rz 20 f, § 1324 Rz 8; Harrer in Schwimann, ABGB § 1294 Rz 10, § 1297 Rz 1 und § 1324 Rz 3). Es ist zu fragen, wie sich der maßstabgerechte Durchschnittsmensch (Reischauer aaO § 1297 Rz 2) oder eine sorgfältige Person (Harrer aaO § 1297 Rz 3) in der konkreten Lage verhalten hätte (12. September 1989, 10 Ob S 141-146/89 =

SSV-NF 3/96 - in Druck).

Nach diesen Grundsätzen kann der Mutter des Klägers nicht vorgeworfen werden, daß sie schuldhaft unterlassen habe, ihre Heranziehung zum Kostenersatz an den Sozialhilfeträger in der Form, daß sie ab 1. April 1985 dem Land Niederösterreich S 87,-- täglich zu leisten hatte (Beilage D), der beklagten Partei zu melden. Ohne besondere Belehrung kann von einem juristischen Laien nicht erwartet werden, daß er die Meldepflicht solcher an den Sozialhilfeträger zu erbringenden Ersatzleistungen, sei es auch aus dem Titel des Unterhaltes, erkennt: es handelte sich aus der Sicht der Mutter des Klägers zweifellos nicht um eine ihrem Sohn zufließende Unterhaltsleistung, sondern um eine von ihr einem Dritten zu erbringende Ersatzleistung im Form eines Kostenbeitrages für die im Rahmen der Behindertenhilfe verfügte Heimunterbringung. Dazu kommt, daß die beklagte Partei schon in ihrem Bescheid vom 4. Feber 1985 (BlZl 102 des Anstaltsaktes), mit dem sie die Ausgleichszulage gewährte und der der Mutter des Klägers zugestellt wurde, die "anzunehmende Unterhaltsleistung" der Mutter nur auf § 294 ASVG stützte und nicht auf die Tatsache des erfolgten Kostenersatzes an das Land Niederösterreich in der Höhe der bezogenen Familienbeihilfe von S 1.080,--

monatlich. Daß der Kostenbeitrag gemäß § 15 Abs 5 NÖ. SHG einem für die Ausgleichszulage relevanten Unterhaltsbeitrag entspricht, konnte unter diesen Umständen von der Mutter des Klägers - ohne spezielle Aufklärung oder Kenntnis der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften -

nicht ohne weiteres erkannt werden. Mangels Verschuldens an einer Verletzung der Meldepflicht besteht auch insoweit der Rückforderungsanspruch nicht zu Recht. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher im Sinne der Feststellung abzuändern, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, den Überbezug zurückzuzahlen (vgl. Kuderna, ASGG 450 Erl. 11 zu § 89).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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