OGH 4Ob44/13v

OGH4Ob44/13v17.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei v***** gmbH, *****, vertreten durch DDr. Meinhard Ciresa, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. J***** GmbH, *****, und 2. J***** R*****, beide vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 32.666,66 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2013, GZ 2 R 230/12h-22, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. Oktober 2012, GZ 59 Cg 56/12h-18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verboten den Beklagten, Buchweizenkeimlingspulver zu vertreiben und/oder zu bewerben und dieses dabei in irreführender Weise als „natürlich“ und/oder „natürliche Buchweizenkomplexe“ zu bezeichnen oder dabei zu behaupten: „Im Gegensatz zu einem synthetischen Vitamin-B-Komplex kann ... die Qualität ihres Produkts nachweislich verbessern“. Im Hinblick darauf, dass das beworbene Produkt dadurch hergestellt werde, dass trockene Buchweizenkörner in eine Nährlösung gegeben werden, welcher in hoher Konzentration rein synthetische B-Vitamine zugesetzt werden, was letztlich dazu führe, dass im Produkt eine bis zu 1000-fach erhöhte Dosis bestimmter B-Vitamine enthalten wäre und durch Zusatz von Spurenelementen in die Nährlösung eine im Vergleich zu Buchweizensamen bis zu 200-fache Dosis an bestimmten Spurenelementen im Fertigprodukt erzielt würden, sei die Bewerbung des Produkts als „natürlich“, „natürliche Buchweizenkomplexe“ oder die Betonung des Gegensatzes zu synthetischen Vitamin-B-Komplexen auch für das angesprochene unternehmerische Publikum (Verarbeiter des beworbenen Vorprodukts) irreführend und geeignet, Kaufentschlüsse zu beeinflussen. Die Beklagten erweckten den (unzutreffenden) Eindruck, es handle sich um Buchweizenkomplexe, wie sie auch natürlich, also außerhalb des Labors in der Natur vorkämen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten vermögen keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Der Oberste Gerichtshof hat erst kürzlich seine Rechtsprechung bekräftigt, dass Aussagen über die Natürlichkeit oder Umweltverträglichkeit eines Erzeugnisses in hohem Maße geeignet sind, den Kaufentschluss zu beeinflussen. Die Frage, ob eine Werbung mit Umweltschutzbegriffen zur Irreführung geeignet ist, ist daher ähnlich wie die Gesundheitswerbung nach strengen Maßstäben zu beurteilen (4 Ob 202/12b - klimaneutraler Stempel mwN; RIS-Justiz RS0078217, RS0078210, RS0078315). Lässt die Ankündigung mehrere Deutungen zu, muss der Werbende nach ständiger Rechtsprechung die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (RIS-Justiz RS0078428).

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts steht auch mit der Rechtsprechung im Einklang, dass nicht von einem „naturbelassenen“ Produkt gesprochen werden könne, wenn das Produkt - wie das Sauerkraut im Fall der Entscheidung 4 Ob 316/86 - chemisch behandelt wurde, um es haltbar zu machen. Gleiches muss auch dann gelten, wenn zwar nicht das Endprodukt, aber ein Zusatzstoff chemisch behandelt wurde, um eine im unbehandelten Zustand nicht gegebene, für das Produkt aber notwendige oder jedenfalls gewünschte Eigenschaft zu erhalten (4 Ob 200/05y). Es bildet keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht den in der Werbung hervorgehobenen Gegensatz zu synthetischen Vitaminen als irreführend betrachtet, wenn tatsächlich eine in der Natur nicht vorkommende weit überhöhte Konzentration an Vitaminen dadurch erreicht wird, dass synthetische Vitamine einer Nährlösung beigegeben werden, welche auf das Produkt einwirkt und dessen Vitamingehalt in die Höhe treibt. Auch für die in diesem Fall maßgeblichen Weiterverarbeiter liegt es nahe, die Beigabe von synthetischen Vitaminen oder auch Spurenelementen zu einem Produktionsprozess nicht zu vermuten, wenn ein Produkt als „natürlich“ beworben wird.

Es mag zutreffen, dass die von den Beklagten angesprochenen Abnehmer ein Produkt erwarten, dass gegenüber herkömmlichem Keimlingsmehl erhöhte Vitaminkonzentrationen enthalte, um daraus Vitaminpräparate herstellen zu können. Die beanstandete Werbung mit „natürlich“, „natürliche Buchweizenkomplexe“ oder dem Gegensatz zu synthetischen Vitamin-B-Komplexen erweckt aber unzutreffende, im Hinblick auf das hohe Interesse an „natürlichen“ Produkten für die Kaufentscheidung relevante unrichtige Vorstellungen über den Herstellungsprozess, bei dem entgegen dem vermittelten Eindruck sehr wohl synthetische Vitamine zur Zielerreichung eingesetzt werden.

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