OGH 4Ob316/86

OGH4Ob316/8625.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz P*** Gesellschaft m.b.H., Leoben, Kerpelystraße 36-40, vertreten durch Dr. Kurt Hanusch, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei H*** KG, Lebensmittelhandel, Sattledt Nr. 39, vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 60.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 27. Dezember 1985, GZ 5 R 324/85-12, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 6. November 1985, GZ 5 Cg 275/85-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig, die Klägerin die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte vertreibt Sauerkraut in einer Packung aus Alu-Plastikfolie, auf deren Vorderseite (u.a.) ein Bottich mit einem grün umrandeten Stern zu sehen ist; diesem Stern sind - zweizeilig untereinander - die Worte "bottich" und "frisch" eingeschrieben. Die Rückseite der Packung enthält neben dem Verbrauchsdatum und einem Kochrezept nachstehende Inhaltsangabe: "Sauerkraut (natürlich vergorenes Weißkraut mit Zusatz von Kochsalz und Gewürz) und Lake". In einer neuen, von diesem Text deutlich abgesetzten Zeile folgt sodann der Vermerk: "Chemisch haltbar gemacht" (Beilagen A 1, B 1). Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die klagende Mitbewerberin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Bezeichnung des von ihr vertriebenen Sauerkrautes als "frisch" zu untersagen. Diese Anpreisung sei deshalb zur Irreführung des Publikums geeignet (§ 2 UWG), weil nur eine Ware, die - anders als das beanstandete Sauerkraut - keinem Haltbarmachungsprozeß unterworfen wurde, als "frisch" bezeichnet werden dürfe.

Die Beklagte hat sich gegen den Sicherungsantrag ausgesprochen. Da das von ihr vertriebene Sauerkraut direkt aus dem Bottich abgefüllt werde, entspreche seine Ankündigung als "bottich frisch" den Tatsachen. Auch die Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung in Linz und in Salzburg sowie die lebensmittelpolizeiliche Abteilung des Magistrates Villach hätten keinen Grund zu einer Beanstandung dieser Bezeichnung gefunden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab und nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

In einem vor dem Landesgericht Salzburg durchgeführten Rechtsstreit der Klägerin gegen die S*** Konservenfabrik hat der vom Gericht bestellte Sachverständige Dipl.Ing. Helmut F*** am 14. August 1984 angegeben, daß als "frisch" jenes Sauerkraut zu bezeichnen sei, das unmittelbar nach Beendigung seiner Milchsäuregärung vorliege. Dieser sogenannte frische Zustand sei nicht als ein augenblicklicher zu betrachten; er könne sich selbstverständlich über einen gewissen Zeitraum hinziehen, der vielleicht auch ein paar Wochen betragen könne. Es erscheine aber nicht gerechtfertigt, den Begriff "frisch" dann zu verwenden, wenn das Sauerkraut einer Haltbarmachung unterzogen wurde. Zwei von der Beklagten bei den Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung in Linz und in Salzburg beantragte Untersuchungen des beanstandeten Sauerkrautbeutels nach den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 ergaben an Beanstandungen in einem Fall (Beilage 2) nur das Fehlen der Chargen-Nummer (§ 3 Z 12 LMKV) und im anderen Fall (Beilage 3) eine Unterschreitung des angegebenen Füllgewichtes um 8,2 beziehungsweise 7,2 %; im Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Salzburg wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die eingereichte Probe - von der erwähnten Gewichtsangabe abgesehen - "den Anforderungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 entspricht".

Rechtlich meinte das Erstgericht, daß die beanstandete Bezeichnung "bottich frisch" in Verbindung mit der Abbildung eines Bottichs nicht als irreführend angesehen werden könne. Jedem Kunden müsse nach dem Gesamteindruck der Verpackung klar sein, daß das von ihm gekaufte Sauerkraut direkt aus dem Bottich abgefüllt und nicht etwa zwischengelagert wurde; nur unter diesem Aspekt sei auch das Wort "frisch" zu verstehen.

Das Rekursgericht verbot der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr das von ihr angepriesene Sauerkraut als "frisch" zu bezeichnen, wenn es chemisch haltbar gemacht worden ist; zugleich sprach es aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, der Gesamtstreitwert aber S 300.000,-- nicht übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 528 Abs 2 ZPO zulässig sei. Der bei flüchtiger Betrachtung der Vorderseite der beanstandeten Sauerkrautpackung entstehende Eindruck sei insoweit irreführend, als es sich nicht um ein frisches, auf herkömmliche Art und Weise haltbar gemachtes Erzeugnis, sondern um ein durch Verwendung weiter chemischer Zusätze konserviertes Sauerkraut handle. Daß die Beklagte den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entsprochen und auf der Rückseite der Packung auf diese chemische Haltbarmachung ausdrücklich hingewiesen habe, könne an der Wettbewerbswidrigkeit der auf der Vorderseite des Sauerkrautbeutels aufscheinenden Bezeichnung "bottich frisch" nichts ändern. Der Sicherungsantrag erweise sich daher - mit der aus dem Spruch ersichtlichen Verdeutlichung - als berechtigt.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der - bisher noch nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragenen - Frage, ob chemisch haltbar gemachtes Sauerkraut als "bottichfrisch" bezeichnet werden darf, über den konkreten Fall hinaus vom Standpunkt der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO). Er ist aber nicht begründet.

Wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, ist die Verwendung des Wortes "bottichfrisch" im vorliegenden Fall zur Irreführung des angesprochenen Publikums über die Beschaffenheit der von der Beklagten angebotenen Ware geeignet (§ 2 UWG):

Die Bezeichnung "bottichfrisch" kann zwar gewiß auch dahin verstanden werden, daß das mit diesem Wort angepriesene Sauerkraut direkt aus dem Bottich - also ohne jede Zwischenlagerung - in die Packung abgefüllt worden sei. Dem angefochtenen Beschluß ist aber darin zu folgen, daß diese Deutung der beanstandeten Wortzusammensetzung durchaus nicht die einzig mögliche ist: Das Wort "bottichfrisch" kann - ebenso wie Bezeichnungen "naturrein", "ohne chemischen Zusatz" oder dergleichen - bei einem keineswegs unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Konsumenten auch den Eindruck erwecken, daß das von der Beklagten vertriebene Sauerkraut in jenem Zustand abgepackt wurde, in welchem es sich nach Beendigung des - auf herkömmliche Art und Weise in einem Bottich vorgenommenen - Herstellungsprozesses befunden hat. Die dadurch bewirkte Vorstellung eines "naturbelassenen" Erzeugnisses wird jedoch dann enttäuscht, wenn das betreffende Sauerkraut vor dem Abfüllen noch einer zusätzlichen chemischen Behandlung unterzogen, also "konserviert" worden und deshalb nicht mehr als "frisch" zu bezeichnen ist. Da bei einer solchen Mehrdeutigkeit einer konkreten Beschaffenheitsangabe nach ständiger Rechtsprechung (SZ 44/128 = ÖBl. 1972, 12; ÖBl. 1983, 46; ÖBl. 1984, 99; ÖBl. 1985, 44 uva.) der Werbende immer auch die für ihn ungünstigere Auslegung gegen sich gelten lassen muß, hat das Rekursgericht mit Recht einen Verstoß der Beklagten gegen § 2 UWG angenommen. Auf die beiden Untersuchungszeugnisse der Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung in Linz und in Salzburg kann sich die Beklagte für ihre gegenteilige Auffassung nicht mit Erfolg berufen, weil Gegenstand dieser Untersuchungen nicht eine allfällige Falschbezeichnung im Sinne des § 8 lit f LMG, sondern nur die Einhaltung der Kennzeichnungsvorschriften der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 gewesen war. Bei dieser Sachlage war das vom Rekursgericht ausgesprochene Unterlassungsgebot zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 40, 50 und 52 ZPO in Verbindung mit §§ 78, 402 Abs 2 EO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte