OGH 12Os36/13f

OGH12Os36/13f11.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Viktorin als Schriftführer in den Strafsachen gegen Christopher K***** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Dezember 2010, GZ 143 Hv 171/10f‑24, und des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 25. April 2012, GZ 53 U 37/12g‑39, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 25. April 2012, GZ 53 U 37/12g‑39, verletzt das Gesetz

1./ durch eine Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Dezember 2010, GZ 143 Hv 171/10f‑24, in § 31 StGB;

2./ durch Erteilung einer Weisung zu AZ 143 Hv 171/10f des Landesgerichts für Strafsachen Wien in §§ 50 Abs 1, 51 Abs 4 StGB und durch die Aufnahme derselben in den Urteilsspruch in § 494 Abs 1 StPO.

Das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 25. April 2012, GZ 53 U 37/12g‑39, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Umfang der Erteilung der Weisung ersatzlos aufgehoben.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Mit gekürzt ausgefertigtem, auch einen Freispruch enthaltenden Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Dezember 2010, GZ 143 Hv 171/10f‑24, wurde der am 13. Juni 1993 geborene Christopher K***** des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt. Gemäß § 13 Abs 1 JGG wurde der Ausspruch der Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten. In der gekürzten Urteilsausfertigung zählt das Gericht zwei Milderungsgründe und einen Erschwerungsgrund auf.

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 25. April 2012, GZ 53 U 37/12g‑39, wurde Christopher K***** zweier Vergehen schuldig erkannt, die nach dem Zeitpunkt der Tatbegehung schon im früheren Verfahren hätten abgeurteilt werden können. Unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Dezember 2010, GZ 143 Hv 171/10f‑24, wurde unter Anwendung der §§ 31, 40 StGB von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen, „jedoch zu diesem Verfahren die Weisung erteilt, sich einer ambulanten Alkoholentzugstherapie zu unterziehen und dies dem Landesgericht für Strafsachen Wien nachzuweisen“ (ON 39).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokurator in der gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf mit dem Gesetz nicht im Einklang.

1./ Die gemäß § 31 StGB erfolgte Bedachtnahme auf das Vor‑Urteil war bereits im Ansatz verfehlt, weil im früheren Verfahren gar keine Strafe bemessen, sondern der Strafausspruch gemäß § 13 Abs 1 JGG vorbehalten wurde (RIS‑Justiz RS0086987, RS0088812; Fabrizy, StGB10 § 31 Rz 10a; Schroll in WK2 JGG § 13 Rz 11; Jesionek/Edwards, JGG4 § 13 Anm 14; Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 6). Wird dem Verurteilten eine weitere Straftat vorgeworfen, die vor Fällung des Urteils mit Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe begangen wurde und hinsichtlich der die zeitlichen Voraussetzungen des § 31 StGB vorliegen, kann mangels Strafe im ersten Verfahren im neuen Verfahren weder ein Bedachtnahmeurteil gefällt noch im früher geführten Verfahren mit nachträglicher Straffestsetzung vorgegangen werden, dafür kommt nur eine neuerliche Verurteilung in Frage (Schroll in WK2 JGG § 15 Rz 1).

Diese Gesetzesverletzung war mangels nachteiliger Wirkung für den Angeklagten lediglich festzustellen.

2./ Die Erteilung einer Weisung aus Anlass einer späteren Verurteilung nach § 15 Abs 2 JGG iVm § 494a Abs 6 StPO würde voraussetzen, dass der Rechtsbrecher wegen einer vor Ablauf der Probezeit begangenen strafbaren Handlung neuerlich verurteilt wurde (§ 15 Abs 1 JGG; RIS‑Justiz RS0088791 [T1], Schroll in WK2 JGG § 15 Rz 1). Dies trifft auf die dem Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf zu Grunde liegenden Taten nicht zu, sodass sich der Ausspruch des Bezirksgerichts schon mangels Entscheidungskompetenz als verfehlt erweist. Nachträgliche Begleitmaßnahmen kann bei gegebener Sachlage nämlich nur das Gericht des Erstverfahrens anordnen (vgl Schroll in WK2 StGB § 51 Rz 56 und in WK2 JGG § 13 Rz 11; Jerabek, WK‑StPO § 494 Rz 1). Die Erteilung einer Weisung gemäß §§ 50 f StGB hat gemäß § 494 Abs 1 StPO mit Beschluss zu erfolgen (Schroll in WK2 StGB § 50 Rz 16; Fabrizy, StPO11 § 494 Rz 1). Die Aufnahme in den Urteilsspruch war daher auch formell verfehlt.

Mangels eines unmittelbar nach Verkündung erfolgten Rechtsmittelverzichts wäre der Beschluss gemäß § 86 Abs 3 StPO gesondert auszufertigen und den Berechtigten zuzustellen gewesen, auch dies unterblieb (RIS‑Justiz RS0120887 [T3]; Danek, WK‑StPO § 270 Rz 50; Jerabek, WK‑StPO § 494 Rz 1).

Die dem Angeklagten nachteilige Weisung war somit spruchgemäß zu kassieren.

Nach Ansicht der Generalprokuratur steht durch Unterlassung einer zumindest schlagwortartigen Begründung der Anwendung des § 13 Abs 1 JGG auch das in gekürzter Form ausgefertigte Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Dezember 2010, GZ 143 Hv 171/10f‑24, mit dem Gesetz, und zwar mit § 13 Abs 2 JGG iVm §§ 270 Abs 4 Z 2, 488 Abs 1 StPO nicht im Einklang.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

Nach § 13 Abs 2 JGG ist die Entscheidung, dass der Ausspruch der Strafe vorbehalten und eine Probezeit bestimmt wird, in das Urteil aufzunehmen und zu begründen. Sie vertritt den Ausspruch über die Strafe. Gemäß §§ 270 Abs 4 Z 2, 488 Abs 1 StPO iVm § 13 Abs 2 JGG hat die in gekürzter Form erfolgte Urteilsausfertigung die als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung und auch eine zumindest schlagwortartige Begründung des Vorbehalts der Strafe zu enthalten.

In der gekürzten Urteilsausfertigung zählt das Erstgericht sichtlich als Grundlage der Entscheidung nach § 13 JGG zwei mildernde Aspekte und einen erschwerenden Umstand auf. Dies entspricht dem der gekürzten Urteilsausfertigung entsprechenden Begründungsgebot (RIS‑Justiz RS0127274).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Mangels Relevierung durch die Generalprokuratur ist mit Blick auf den Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe lediglich festzuhalten, dass aber der Protokollsvermerk (ON 24) unzulässig war (§ 32 Abs 2 JGG; Schroll in WK2 JGG § 13 Rz 13).

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