OGH 6Ob1/13k

OGH6Ob1/13k20.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen A***** Betriebsgesellschaft AG in Abwicklung mit dem Sitz in W*****, infolge Revisionsrekurses des Liquidators Dr. T***** H*****, vertreten durch SWS Scheed Wöss Schöppl Rechtsanwälte OG in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. September 2012, GZ 4 R 255/12t, 256/12i, 257/12m, 258/12h, 259/12f, 260/12b, 261/12z, 262/12x, 265/12p, 266/12k, 267/12g, 268/12d, 269/12a-10, mit dem die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom 23. Juli 2012, GZ 71 Fr 8322/12m-4, 8323/12p-4, 8328/12x-4, 8329/12y-4, ersatzlos aufgehoben und die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom 23. Juli 2012, GZ 71 Fr 8324/12s-4, 8325/12t-4, 8326/12v-4, 8327/12w-4, 8330/12z-4, 8331/12a-4, 8332/12b-4, 8333/12d-4, 8334/12f-4, 8335/12g-4, 8336/12h-4, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Rechtsmittelwerber ist seit 10. 3. 2011 Liquidator der Aktiengesellschaft in Abwicklung. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember. Über das Vermögen der Gesellschaft war mit Beschluss vom 31. 8. 2010 der Konkurs eröffnet worden, der nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes mit Beschluss vom 10. 3. 2011 aufgehoben wurde.

Mit dem angefochtenen Beschluss - soweit Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens - bestätigte das Rekursgericht die Verhängung von Zwangsstrafen über den Liquidator wegen Nichtoffenlegung

- des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2008 für die Zeiträume 1. 5.-30. 6. 2011, 1. 1.-29. 2. 2012, 1. 3.-30. 4. 2012 und 1. 5.-30. 6. 2012;

- des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2009 für die Zeiträume 1. 5.-30. 6. 2011, 1. 1.-29. 2. 2012, 1. 3.-30. 4. 2012 und 1. 5.-30. 6. 2012;

- des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2010 bis zum 31. 1. 2012 für die Zeiträume 1. 12. 2011-31. 1. 2012, 1. 2.-31. 3. 2012 sowie 1. 4.-30. 5. 2012.

Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob - wie hier hinsichtlich des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2010 - bei der Erstverhängung oder gleichzeitiger Verhängung mehrerer Zwangsstrafen einzelne (insbesondere frühere) Strafperioden ausgelassen werden dürfen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Revisionsrekurs ist rechtzeitig:

Aufgrund der vom Rechtsmittelwerber vorgelegten Urkunden ist bescheinigt, dass er vom 15. 10. bis 25. 10. 2012 nicht an der Abgabestelle anwesend war, sondern sich im Ausland aufhielt. Nachdem am 16. 10. 2012 erfolglos versucht worden war, die Rekursentscheidung dem Liquidator an der Abgabestelle zuzustellen, wurde das Dokument beim Postamt hinterlegt und ab 17. 10. 2012 zur Abholung bereitgehalten.

Die Hinterlegung bewirkte nicht die Zustellung, weil der Empfänger wegen seiner Abwesenheit nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (§ 17 Abs 3 ZustG; RIS-Justiz RS0083923). Da der 26. 10. 2012 ein Feiertag war und das hinterlegte Dokument auch am 27. 10. (Samstag) sowie am 28. 10. 2012 (Sonntag) nicht, sondern erst am 29. 10. 2012 behoben werden konnte, wurde die Zustellung erst an diesem Tag wirksam (§ 17 Abs 3 letzter Halbsatz ZustG). Der Revisionsrekurs wurde am 9. 11. 2012 innerhalb der 14-tägigen Revisionsrekursfrist (§ 65 Abs 1 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG) erhoben.

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass keine Bedenken gegen die gleichzeitige Verhängung mehrerer Zwangsstrafverfügungen für verschiedene (jeweils zweimonatige) Bestrafungszeiträume bestehen. Mit der Erlassung einer Zwangsstrafverfügung wird nicht der gesamte bis dahin andauernde Verstoß gegen die Offenlegungspflicht verfolgt, sondern nur derjenige für die betreffende Zweimonatsfrist gemäß § 283 Abs 1 letzter Satz und Abs 4 UGB. Im Spruch jeder einzelnem Zwangsstrafverfügung ist aber der Bestrafungszeitraum eindeutig auszudrücken. In dem über rechtzeitigen Einspruch eingeleiteten ordentlichen Verfahren ist die Angabe des Bestrafungszeitraums zwar zweckmäßig, aber nicht unbedingt erforderlich. Denn der Verfahrensgegenstand des ordentlichen Verfahrens ist zwangsläufig mit jenem der Zwangsstrafverfügung ident, sodass sich der Bestrafungszeitraum bereits aus der zugrundeliegenden - durch Einspruch bekämpften - Zwangstrafverfügung ergibt (RIS-Justiz RS0127331 [T1 und T3]; 6 Ob 17/12m; 6 Ob 235/11v). Entgegen der Behauptung des Revisionsrekurswerbers enthalten die Zwangsstrafverfügungen, die den vom Rekursgericht bestätigten Zwangsstrafbeschlüssen des Erstgerichts zugrunde liegen, einen eindeutigen zweimonatigen Bestrafungszeitraum, der mit der Angabe des Datums seines Beginns und des Datums seines Endes begrenzt ist.

3. Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers entsprechen im zu beurteilenden Fall die Bestrafungszeiträume 1. 5.-30. 6. 2011, 1. 1.-29. 2. 2012, 1. 3.-30. 4. 2012 und 1. 5.-30. 6. 2012 wegen Nichtoffenlegung der Jahresabschlüsse 2008 und 2009 beim Stichtag 31. 12. für den Jahresabschluss den gesetzlichen zweimonatigen Strafperioden:

§ 283 UGB idF BBG 2011 ist am 1. 1. 2011 in Kraft getreten und auf die in § 283 Abs 1 UGB genannten Verstöße anzuwenden, die nach diesem Tag gesetzt werden oder fortdauern (§ 906 Abs 23 Satz 1 und 2 UGB). Hat die Offenlegungsfrist vor dem 1. 1. 2011 geendet und ist die Offenlegung nicht bis zum 28. 2. 2011 erfolgt, so ist mit einer Strafverfügung nach § 283 Abs 2 UGB idF BBG 2011 gegen das offenlegungspflichtige Organ sowie die Gesellschaft vorzugehen (§ 906 Abs 23 Satz 3 UGB). Erst bei Unterbleiben der Offenlegung für jeweils weitere zwei Monate nach dem 28. 2. 2011 kommen die Bestimmungen des § 283 Abs 4 und 5 UGB idF BBG 2011 zur Anwendung (§ 906 Abs 23 Satz 4 UGB). Die Bestrafungszeiträume 1. 5.-30. 6. 2011, 1. 1.-29. 2. 2012, 1. 3.-30. 4. 2012 und 1. 5.-30. 6. 2012 wegen Nichtoffenlegung der Jahresabschlüsse 2008 und 2009 entsprechen daher dem Gesetz (§ 906 Abs 23 Satz 1 bis 3 UGB); denn in Bezug auf fortdauernde Verstöße gegen die Pflicht zur Offenlegung der Jahresabschlüsse 2008 und 2009 begann in Anwendung des § 283 UGB idF BBG 2011 der Bestrafungszeitraum am 1. 3. 2011 (RIS-Justiz RS0127226; Schuster in Straube, Wiener KommzUGB § 283 Rz 11).

4. Das Erstgericht hat wegen Nichtoffenlegung des Jahresabschlusses 2010 bis zum 31. 1. 2012 eine Zwangsstrafe für den Zeitraum 1. 12. 2011-31. 1. 2012, nicht aber für die vorangegangene zweimonatige Strafperiode verhängt. Dem Wortlaut des § 283 UGB ist nicht zu entnehmen, dass eine nicht nach § 283 Abs 5 UGB erhöhte Zwangsstrafe für einen bestimmten Bestrafungszeitraum nur verhängt werden darf, wenn zuvor wegen Pflichtverstößen in vorangegangenen zweimonatigen Perioden nach Ablauf der Offenlegungsfrist (§ 277 Abs 1 UGB) Zwangsstrafen verhängt wurden oder gleichzeitig verhängt werden. Das erfordert auch der Normzweck - Erzwingung zeitgerechter Offenlegung - nicht. Eine solche Vorgangsweise, mag sie auch der Intention nicht gerecht werden, beschwert den Offenlegungspflichtigen nicht. Der Gesetzgeber gibt dem Firmenbuchgericht zwar die Pflicht zur Verhängung von Zwangsstrafen für die jeweils zweimonatigen Perioden des andauernden Verstoßes gegen die Offenlegungsfrist auf, macht aber die Strafbefugnis nicht von der lückenlosen Verhängung von Zwangsstrafen abhängig. Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers führt der Umstand, dass das Erstgericht wegen Nichtoffenlegung des Jahresabschlusses 2010 für die Periode 1. 10. 2011 bis 30. 11. 2011 eine Zwangsstrafe nicht verhängte, daher nicht zur Rechtswidrigkeit der Verhängung von Zwangsstrafen für nachfolgende Bestrafungszeiträume.

5. Dass der Rechtsmittelwerber in den Jahren 2008 und 2009 nur gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied vertretungsbefugt und - wie er erstmals behauptet - nach der internen Ressortverteilung für die Erstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses 2008 nicht zuständig war, ist schon deshalb unerheblich, weil er in den hier maßgeblichen Zeiträumen als Liquidator zur Offenlegung verpflichtet war. Eine im Revisionsrekursverfahren unbeachtliche Neuerung (§ 66 Abs 2 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG) ist die Behauptung des Liquidators, er habe sofort die Bilanzierung veranlasst, nachdem ihm bekannt geworden sei, dass auch der Masseverwalter die Jahresabschlüsse noch nicht erstellt und offengelegt habe.

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