OGH 4Ob28/13s

OGH4Ob28/13s19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei A***** P*****, vertreten durch Dr. Andreas Arnold, Rechtsanwalt in Salzburg als Verfahrenshelfer, wegen gerichtlicher Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2012, GZ 22 R 378/12k-35, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Vermieter kann den Mietvertrag nur aus wichtigen Gründen kündigen. Als ein wichtiger Grund ist es insbesondere anzusehen, wenn der Mieter durch sein rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenwohnen verleidet (§ 30 Abs 1 und Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG).

2. Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt (RIS-Justiz RS0070303, RS0067678, RS0070437).

3.1. Verhaltensänderungen nach Einbringung der Aufkündigung haben nur dann Einfluss auf das Schicksal der Aufkündigung, wenn der Schluss zulässig ist, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist (RIS-Justiz RS0070340; 1 Ob 410/97v; 4 Ob 255/05m).

3.2. Auch bei krankheitsbedingtem unleidlichen Verhalten kommt es darauf an, ob es künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft unterlassen werden wird (4 Ob 255/05m).

3.3. Ob dies der Fall ist und bei einer Verhaltensänderung nach Einbringung der Aufkündigung der Schluss zulässig ist, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten auszuschließen ist, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, weshalb dem in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042790; RS0070340 [T3]; 5 Ob 242/08m; 5 Ob 144/11d).

4.1. Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen leidet die Beklagte anlagebedingt unter zeitlich abgesetzten Verstimmungszuständen im Sinne einer bipolaren affektiven Störung. Die Beklagte und ihre Mitbewohner im Mehrparteienhaus haben nach einer ersten Räumungsklage im Mai 2007 und einer gerichtlichen Aufkündigung im Jänner 2009 jeweils Einigung über eine Fortsetzung des Bestandverhältnisses mit der Beklagten erzielt. Deren psychischer Gesundheitszustand ist nach der mittlerweile dritten Kündigung vom 19. 1. 2011, verursacht durch eine Krankheitsphase zur Jahreswende 2010/2011, wieder stabil. Die statistische Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten einer neuerlichen Krankheitsepisode ist zwar durch die aktuelle Medikation deutlich reduziert, kann aber nicht ausgeschlossen werden.

5.2. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen des Einzelfalls den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG als verwirklicht beurteilt hat, weil die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei, ist es von der zuvor dargestellten Rechtsprechung nicht abgewichen.

5.3. Der Entscheidung 4 Ob 255/05m liegt insoweit ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, als der Beklagte dort zwar intellektuell reduziert war, aber nicht an einer bipolaren affektiven Störung litt, und die dort zur Kündigung Anlass gebenden Vorfälle zu dem Zeitpunkt aufhörten, als eine bestimmte Mitbewohnerin aus dem Haus wegzog.

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