OGH 9ObA12/13z

OGH9ObA12/13z19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M*****, vertreten durch Mag. Markus Lechner, Rechtsanwalt in Lochau, gegen die beklagte Partei Land Niederösterreich, 3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.560,50 EUR brutto und 2.550 EUR netto sA und Feststellung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2012, GZ 9 Ra 153/11b‑26, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 14. März 2011, GZ 4 Cga 60/10b‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.751,04 EUR (darin enthalten 291,84 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

I. Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht mit der Begründung zugelassen, dass es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung von § 27 Abs 2 des Niederösterreichischen Landes‑Bedienstetengesetzes, der für Spitalärzte hinsichtlich der Versetzungmöglichkeiten sinngemäß anzuwenden ist, fehle.

Das beklagte Land hat in seiner Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass es ausgehend von einer Verletzung der Aufgriffsobliegenheit betreffend die Geltendmachung einer allfälligen Rechtswidrigkeit der Versetzung durch den Kläger gar nicht auf eine Auslegung der genannten Bestimmung ankomme. Das Land hat die Zulässigkeit der Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage bestritten.

II. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dabei hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Begründung, die für die Entscheidung des Falls nicht erforderlich ist, auch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, von der die Entscheidung iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt, nachzuweisen vermag (RIS‑Justiz RS0042736; allgemein Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 502 ZPO Rz 60).

Dies ist hier der Fall.

Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

III. Zum besseren Verständnis werden Auszüge aus den wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen vorangestellt.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Oberarzt für Anästhesie und Intensivmedizin beschäftigt. Bis zum 22. 2. 2009 arbeitete er in einem Krankenhaus der Beklagten.

Als ein bestimmter Primararzt Vorgesetzter des Klägers wurde, entstanden im Laufe der Zeit massive Konflikte zwischen den beiden. Im Zuge einer externen Überprüfung wurde vom Supervisor empfohlen, den Kläger außerhalb des Wirkungsbereichs des Primararztes zu beschäftigen.

Auch mit Diplomgesundheitskrankenschwestern in diesem Krankenhaus hatte der Kläger Konflikte. Zwei fühlten sich durch die Umgangsformen des Klägers und zuletzt auch durch dessen SMS von ihm belästigt. Sie wandten sich an die Pflegedirektion und diese wiederum an den Betriebsrat. In einem Gespräch in der Pflegedirektion mit dem Obmann des Betriebsrats und der Stationsleiterin äußerten die Diplomgesundheitskrankenschwestern ihre Bedenken, mit dem Kläger allein im Raum zu sein, um Dienst zu versehen. Sie fühlten sich bereits seit rund sechs Monaten sexuell durch nächtliche Anrufe, SMS und körperliche Annäherungen belästigt.

Der Betriebsratsvorsitzende informierte die Betriebsratsmitglieder von den im Raum stehenden Anschuldigungen und gab seine Einschätzung bekannt, dass hier eine Entlassung drohe. Der Betriebsrat fasste den Beschluss der Versetzung zuzustimmen. Der Betriebsratsvorsitzende ersuchte auch gegenüber der Personalverantwortlichen mit gelinderen Mittel als der Entlassung vorzugehen, beispielsweise mit einer Versetzung. Diese wies auf das Erfordernis der Mitwirkung des Betriebsrats hin. In weiterer Folge verständigte der Betriebsratsvorsitzende das Land von der Zustimmung zur Versetzung.

Das Land reagierte dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 20. 2. 2009 mit der Versetzung in die benachbarte Betriebsstätte des Krankenhauses und einer Abmahnung. Der Kläger trat wie angeordnet seinen Dienst an und wurde dort in der Anästhesie‑Abteilung als Oberarzt eingesetzt. Am 26. 2. 2009 stellte der Kläger den Antrag auf Überprüfung der Verhaltensweisen seines Vorgesetzten an die niederösterreichische Gleichbehandlungskommission. Er wehrte sich gegenüber dem Arbeitgeber gegen den Vorwurf der sexuellen Belästigung und forderte nähere Informationen. Gegen die Versetzung sprach er sich dabei nicht aus. Der Arbeitgeber berief sich in seinem Antwortschreiben vom 9. 4. 2009 auf die Bestimmungen des Niederösterreichischen Gleichbehandlungsgesetzes, wonach er zur Verfügung von abstellenden Maßnahmen verpflichtet sei.

Im Gutachten der Gleichbehandlungskommission vom 2. 7. 2009 erblickte diese im Verhalten des Primars gegenüber dem Kläger eine Diskriminierung wegen des Alters hinsichtlich Weiterbildung und sonstiger Arbeitsbedingungen. Der gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf der sexuellen Belästigung von zwei Krankenschwestern („SMS“) wurde ebenfalls als gerechtfertigt angesehen.

In einem Schreiben an den Niederösterreichischen Landeshauptmann vom 21. 8. 2009 zeigte der Kläger die aus seiner Sicht derzeit kritische Situation aufgrund der Unzulänglichkeiten des Primars auf. Auch in diesem Schreiben stellte der Kläger keine Forderungen aufgrund seiner Versetzung.

Erstmals mit Schreiben vom 2. 1. 2010 wandte sich der Kläger durch seinen Rechtsvertreter an den Arbeitgeber und forderte Ersatz der durch die behauptetermaßen rechtswidrige Versetzung entstandenen Gehaltseinbußen. Er erklärte sich bereit, zur Beruhigung der Situation die Versetzung im unbedingt erforderlichen Ausmaß hinzunehmen, um dem Dienstgeber Maßnahmen gegen das erfolgte Mobbing und die erfolgte Diskriminierung zu ermöglichen. Er forderte ferner, die Vorwürfe wegen der sexuellen Belästigung und die darauf aufbauende Ermahnung zurückzunehmen, eine Entschädigung für die festgestellte Diskriminierung und das Mobbing durch den Primararzt zu zahlen und den Kläger sowohl als Intensivmediziner als auch Anästhesist einzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

IV. Mit seiner Klage begehrt der Kläger 8.560,50 EUR brutto und 2.550 EUR netto sA an entgangenen Tagdienststunden, Sondergebühren, Überstunden und Nachtdiensten sowie die Feststellung der Ersatzpflicht durch die Beklagte. Die Versetzung sei rechtswidrig, weil sie ohne rechtliche Grundlage strafweise erfolgt sei. Auch sei sie verschlechternd. Der Kläger habe nicht zugestimmt und es liege auch keine rechtswirksame Zustimmung des Betriebsrats vor. Die dem Kläger vorgeworfene sexuelle Belästigung liege nicht vor. Die Gleichbehandlungskommission habe bestätigt, dass der Kläger vom Primar aus Altersgründen gemobbt worden sei. Die Beklagte habe es unterlassen, den Primar entweder zu versetzen oder aufgrund seiner Inkompetenz zu kündigen. Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit im Krankenhaus sei dem Kläger nicht zumutbar. Er sei daher auf Schadenersatzforderungen beschränkt. Wichtige dienstliche Interessen an der Versetzung des Klägers seien nicht gegeben.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Die von der Beklagten vorgenommene Versetzung sei als direktoriale Versetzung zu qualifizieren. Der Betriebsrat habe der Versetzung ausdrücklich zugestimmt. Darüber hinaus habe der Kläger seine Aufgriffsobliegenheit verletzt. Das dienstliche Interesse an der Versetzung des Klägers liege in dem evidenten Interesse der Beklagten, einen störungsfreien Dienstbetrieb zu gewährleisten. Die Beklagte müsse Maßnahmen setzen, um die sexuelle Belästigung durch den Kläger abzustellen.

V. Die Vorinstanzen haben die Klage übereinstimmend abgewiesen. Beide sind von der Berechtigung der Versetzung wegen dienstlicher Interessen und einer wirksamen Zustimmung des Betriebsrats ausgegangen. Das Erstgericht hat auch konkludente Zustimmung des Klägers zur Versetzung angenommen.

VI.1. Vorweg ist festzuhalten, dass der Kläger letztlich keine Schadenersatzansprüche aus dem behaupteten Mobbing durch den Primar geltend macht, sondern lauter Ansprüche, die sich aus der nach Einschätzung des Klägers unrechtmäßigen Versetzung ableiten.

VI.2. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Fortsetzungsanspruch wegen behaupteter Unwirksamkeit einer Kündigung oder einer Versetzung nicht zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden. Vielmehr bedingt das Klarstellungsinteresse des Dienstgebers eine Aufgriffsobliegenheit des Dienstnehmers, sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses oder dem alten Arbeitsplatz ohne Aufschub gegenüber dem Dienstgeber geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0028233; RS0119727). Zur Beurteilung der Unverzüglichkeit ist ein angemessener, zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen. Das Ausmaß kann unter Abwägung des Klarstellungsinteresses des Dienstgebers und der Schwierigkeiten für den Dienstnehmer, seinen Anspruch geltend zu machen aber nur nach den Umständen des Einzelfalls bemessen werden (9 ObA 102/02v; RIS‑Justiz RS0119727). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es keine fixen Fristen gibt (8 ObA 190/01a). Berücksichtigungswürdige Gründe für die Untätigkeit sind vom Kläger zu behaupten und zu beweisen (9 ObA 342/00k; RIS‑Justiz RS0034849).

Hier hat der Kläger die Unrechtmäßigkeit der Versetzung erst mehr als 10 Monate nach deren Vornahme gegenüber dem Dienstgeber geltend gemacht (vgl auch 8 ObA 48/06a). Selbst nach Abschluss des Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission sind noch mehrere Monate verstrichen, bevor sich der Kläger auf die Rechtswidrigkeit der Versetzung berufen hat. Gründe für diese Verzögerung hat der Kläger weder behauptet noch bewiesen. Zufolge Verschiedenheit der Prüfungsgegenstände wurde vom Kläger zutreffend auch keine Fristenhemmung nach § 7 Abs 2 NÖ GlBG, LGBl 2060, geltend gemacht. Damit kann er sich aber auch nicht mehr auf die behauptete Rechtswidrigkeit der Versetzung als Anspruchsgrundlage berufen.

VI.3. Im Übrigen ist zu der behaupteten mangelnden Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Betriebsinhaber weder berechtigt noch verpflichtet ist, Untersuchungen über die innere Willensbildung des Betriebsrats anzustellen, wenn ihm nicht bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, dass die Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden beschlussmäßig nicht gedeckt ist (RIS‑Justiz RS0051490; RS0051485). Hier hat aber der Betriebsratsvorsitzende dem beklagten Land gegenüber eindeutig die Zustimmung zur Versetzung erteilt.

VI.4. Auf Regelungen im Dienstvertrag, aus denen sich die nunmehr in der Revision geltend gemachten Einschränkungen der Versetzungsmöglichkeiten ergeben würden, hat sich der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht berufen.

VII. Insgesamt war die Revision mangels Erforderlichkeit der Beurteilung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

VIII. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG und §§ 50 und 41 ZPO. Das beklagte Land hat in der Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979).

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