Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.362,34 EUR (darin 393,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1.1. Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 6 Ob 91/08b bereits ausführlich zu den Voraussetzungen einer Anfechtung eines Gesellschafterausschlusses nach dem GesAusG Stellung genommen. Der vorliegende Fall wirft keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung auf.
1.2. Der erkennende Senat hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei der Beschlussanfechtung die Relevanztheorie (vgl dazu S. Bydlinski/Potyka in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 118 Rz 6 und 29 und § 195 Rz 6) anzuwenden ist. Entscheidend für die Anfechtbarkeit ist der Zweck der jeweiligen Verfahrensbestimmungen. Nur wenn durch die Verletzung ein konkretes Informations- oder Partizipationsinteresse eines Aktionärs verletzt wurde, begründet dies die Anfechtbarkeit; irrelevante Mängel scheiden daher aus (6 Ob 91/08p, 6 Ob 31/11v; RIS-Justiz RS0059771 [T4, T5]).
1.3. Damit erweist sich die Einfügung des § 195 Abs 4 Satz 1 AktG durch das AktRÄG 2009 als bloße Positivierung bereits zuvor von der Rechtsprechung entwickelter Grundsätze. Daher erfordert das Inkrafttreten des AktRÄG 2009 keine neuerliche Überprüfung der vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 91/08p zur alten Rechtslage aufgestellten Grundsätze. Dies gilt auch für die Neufassung des § 118 AktG durch das AktRÄG 2009, der im Wesentlichen dem bisherigen, bereits wiederholt Gegenstand von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs bildenden § 112 AktG aF entspricht.
2.1. Die Beurteilung, ob eine Verletzung des Auskunfts- und Rederechts in der Hauptversammlung vorliegt, und ob diese so schwerwiegend ist, dass sie zur Anfechtung berechtigt, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmen. Wenn die Vorinstanzen in Anbetracht des Umstands, dass die Hauptversammlung mehr als 12 Stunden dauerte und nicht festgestellt werden konnte, dass die Klägerin, die Nebenintervenienten oder andere Aktionäre bestimmte Fragen nicht stellen konnten, zu der Einschätzung gelangten, dass keine relevante Verletzung des Rede- und Auskunftsrechts vorliege, ist dies nicht zu beanstanden. Dabei durften die Vorinstanzen auch berücksichtigen, dass gerade die Klägerin von ihrem Rederecht bis zu diesem Zeitpunkt bereits in einem äußerst umfangreichen Ausmaß Gebrauch gemacht hatte.
2.2. Inwieweit der Umstand, dass die Beschränkung der Redezeit durch die Hauptversammlung und nicht durch den Vorsitzenden erfolgte, zur Anfechtung der Beschlussfassung berechtigen soll, ist nicht ersichtlich. Im vorliegenden Fall erfolgte die Beschränkung der Redezeit gerade über Antrag des Vorsitzenden. Damit wäre den Aktionären aber auch bei einer Beschränkung der Redezeit durch den für eine derartige Maßnahme an sich berufenen Vorsitzenden keine längere Redezeit zur Verfügung gestanden. Die Beschlussfassung durch die Hauptversammlung anstatt durch den Vorsitzenden erweist sich somit als unschädlicher Formfehler, der nicht zur Anfechtung berechtigt.
3.1. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs 2 Satz 1 GesAusG ist Hauptgesellschafter, wem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Anteile in Höhe von mindestens 9/10 des Nennkapitals gehören. Demgemäß entspricht es auch der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum, dass maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Beteiligungshöhe derjenige der Beschlussfassung ist (Kalss/Zollner, Squeeze-out [2007] § 1 GesAusG Rz 12; Gall/Potyka/Winner Squeeze-out [2006] 115; Kaindl/Riedler, Neuerungen für das Pflichtangebot und Gesellschafterausschluss, GesRZ 2006, 247 [262]; Rauter, Das Gesellschafter-Ausschlussgesetz, Squeeze-out nun „salonfähig“?, JAB 2006/2007/16; aA Koppensteiner, Einige Fragen zum „Squeeze-out“, Ges 2006, 143 [146]).
3.2. Im vorliegenden Fall verfügte die Ö*****-GmbH im Zeitpunkt des Verlangens des Gesellschafterausschlusses über rund 86,48 % des Nennkapitals (ohne eigene Aktien) der Beklagten; außerdem lagen ihr unwiderrufliche Annahmeerklärungen des Übernahmeangebots im Umfang von weiteren rund 6,79 % des Nennkapitals vor. Damit war aber der Nachweis, im Beschlusszeitpunkt über die erforderliche Beteiligung zu verfügen, jedenfalls erbracht. Dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 16. 12. 2009 die erforderliche Beteiligung bestand, wird von den Revisionswerbern nicht bestritten.
3.3. Soweit in der Literatur verlangt wird, dass der Hauptgesellschafter bereits im Zeitpunkt des Verlangens des Gesellschafterausschlusses nachweist, dass er die erforderlichen Anteile im Zeitpunkt der Beschlussfassung halten wird (in diesem Sinne Kalss, Das neue Recht des Gesellschafterausschlusses, GesRZ Sonderheft 2006, 39 [42]; Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out Rz 115; Kaindl/Riedler, GesRZ 2006, 247 [262]; Rauter, JAB 2006/2007/16), will dies dem Interesse der Gesellschaft Rechnung tragen, dass nur solche Ausschlussbegehren gestellt werden, denen aufgrund der erforderlichen Beteiligungsgrenze eine entsprechende Realisierungschance zukommt. Dieser Zweck des Gesetzes erfordert aber nicht, einen Gesellschafterbeschluss auch dann zu beseitigen, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptgesellschafter über die erforderlichen Mehrheiten verfügte, nicht aber im Zeitpunkt des Ausschlussbegehrens. Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Interessenabwägung zwischen Hauptgesellschafter und Minderheitsaktionär spielt es keine Rolle, ob die Beteiligungsgrenze bereits vor oder erst im Zeitpunkt der Beschlussfassung erreicht wird, weil durch das Erfordernis einer im Beschlusszeitpunkt vorliegenden Mehrheit die Interessen der Minderheitsaktionäre ausreichend gewahrt sind (vgl auch Grünwald in Münchener Kommentar AktG3 § 327a Rz 10).
4.1. In der Entscheidung 6 Ob 91/08p hat sich der erkennende Senat auch bereits eingehend mit den Rechtsfolgen des Fehlens von Unterlagen iSd § 3 Abs 5 GesAusG auseinandergesetzt. In der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die nicht aus Anlass des Gesellschafterausschlusses, sondern im Zuge des Europäischen Beihilfeverfahrens erfolgte grobe Schätzung des Liquidationswerts der Beklagten kein Gutachten iSd § 3 Abs 5 Z 3 GesAusG darstellt, ist keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.
4.2. Die angeführte Schätzung von Ernst & Young wurde zu einem anderen Zeitpunkt, nämlich im März 2009, zu einem anderen Zweck, nämlich für das EU-Beihilfeverfahren, und für einen anderen Stichtag eingeholt. Dem Liquidationswert kommt für die Unternehmensbewertung der beklagten Partei keine Bedeutung zu, ist doch für dessen Relevanz auf den unternehmerischen Willen abzustellen, den Betrieb fortzuführen oder einzustellen (Bukowski/Suerbaum, Bewertung im Rahmen des Squeeze-out, in Santelmann/Hoppe/Suerbaum/Bukowski, Squeeze-out [2010] Rz 533 f mwN). Eine Liquidation der beklagten Partei war aber nie beabsichtigt. Der - Grundlage für die Festsetzung der Barabfindung bildende - Unternehmenswert wurde auch nicht aufgrund des Liquidationswerts, sondern mittels DCF-Methode festgesetzt; der Verweis auf den Liquidationswert diente lediglich der Plausibilisierung des auf diese Weise gewonnenen Ergebnisses.
5.1. Nach § 195 Abs 4 Satz 2 AktG idF AktRÄG 2009 kann eine Anfechtungsklage auf unrichtige, unvollständige oder unzureichende Informationen in der Hauptversammlung über die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit des Umtauschverhältnisses, der Barabfindung oder einer sonstigen Kompensation nicht gestützt werden, wenn für deren Überprüfung ein besonderes gerichtliches Verfahren vorgesehen ist. Diese durch das AktRÄG 2009 eingefügte Bestimmung ergänzt die Regelung des § 6 GesAusG, der schon bisher vorsah, dass die Anfechtung des Beschlusses nicht darauf gestützt werden kann, dass die Barabfindung nicht angemessen festgelegt ist oder dass die Erläuterungen der Barabfindung in den Berichten gemäß § 3 GesAusG den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen.
5.2. Der Einwand der klagenden Partei, durch die Festsetzung der Barabfindung sei in ihr verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Unversehrtheit des Eigentums eingegriffen worden, betrifft aber ausschließlich die Höhe der Barabfindung. Dass der Ausschlussbeschluss keiner sachlichen Rechtfertigung im Sinne von Erforderlichkeit, Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit bedarf, sondern der Gesetzgeber selbst die erforderliche Interessenabwägung vorgenommen hat und den voraussetzungslosen Ausschluss gegen angemessene Kompensation zugelassen hat, hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 6 Ob 91/08p klargestellt.
5.3. Auch der Einwand, die Barabfindung sei willkürlich und treuwidrig festgesetzt worden, betrifft lediglich deren Höhe und kann daher eine Beschlussanfechtung nicht tragen. Im bloßen Umstand, dass die Barabfindung niedriger als der im Übernahmeverfahren gebotene Abfindungspreis festgesetzt wurde, kann auch kein Verstoß gegen § 47a AktG erblickt werden.
5.4. Weil der Gesetzgeber mit dem GesAusG bereits die Interessenabwägung zwischen dem Hauptgesellschafter und den Minderheitsaktionären vorgenommen hat, ist der Gesellschafterausschlussbeschluss auch nicht an den Kriterien des Rechtsmissbrauchs oder der Treuwidrigkeit zu prüfen, weil damit die gesetzliche Grundentscheidung der Zulässigkeit des Gesellschafter-ausschlusses konterkariert würde (Kalss in MünchKomm AktG³ ÖGesAusG § 4 Rz 8; Koppensteiner, GES 2006, 149 f). Eine Anfechtung eines Ausschlussbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs bzw Treuwidrigkeit wäre vielmehr nur dann möglich, wenn gerade die Voraussetzungen für den Gesellschafterausschluss rechtsmissbräuchlich herbeigeführt würden. Demgegenüber beziehen sich die Einwände der klagenden Partei ausschließlich auf die Höhe der Barabfindung.
6. Auch die Beurteilung iSd § 118 Abs 3 AktG iVm § 3 Abs 1, 3 und 5 Z 4 GesAusG, ob Informationen von der Veröffentlichung ausgenommen werden dürfen, weil sie nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung geeignet sind, dem Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen, kann stets nur unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalls getroffen werden. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hätten die nicht veröffentlichten Informationen einem Mitbewerber der beklagten Partei Rückschlüsse auf geplante strategische Unternehmensentscheidungen ermöglicht, was einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für die beklagte Partei darstellen würde. Zudem hat die beklagte Partei ohnedies sämtliche Themengebiete, die vertrauliche Informationen iSd § 118 Abs 3 AktG enthalten, im veröffentlichten Teil des internen Berichts aufgelistet.
7. Worin eine Sittenwidrigkeit des Ausschlussbeschlusses liegen soll, vermag die klagende Partei nicht darzutun. Die Revisionswerber wiederholen insoweit nur die verba legalia und ihre Ausführungen zu anderen Anfechtungsgründen. Ein Verstoß gegen die guten Sitten iSd § 199 Abs 1 Z 4 AktG liegt zudem nur bei einer groben Rechtswidrigkeit ohne Verletzung eines Verbotsgesetzes vor (Strasser in Jabornegg/Strasser AktG5 § 199 Rz 11).
8. Dass der Anfechtungsausschluss des § 6 Abs 1 GesAusG sich nach dem Sinn der Vorschrift nicht nur auf Anfechtungsklagen im engeren Sinn, sondern auch auf Nichtigkeitsklagen bezieht, wurde implizit bereits in der Entscheidung 6 Ob 91/08p ausgesprochen. Dies ergibt sich zwingend aus dem Zweck dieser Bestimmung, Streitigkeiten über die Höhe der Barabfindung in das außergerichtliche Gremialverfahren zu verlagern und auf diese Weise eine zügige Eintragung des Gesellschafterausschlusses im Firmenbuch und damit Rechtssicherheit zu ermöglichen. Im Übrigen vermag die klagende Partei keine Nichtigkeit iSd § 195 AktG aufzuzeigen.
9. Damit bringen die Revisionswerber aber keine Rechtsfragen der vom § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revisionen spruchgemäß zurückzuweisen waren.
10. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revisionen hingewiesen. Für eine Kostenersatzpflicht der Nebenintervenienten besteht keine Grundlage (RIS-Justiz RS0036057).
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