OGH 6Ob91/08p

OGH6Ob91/08p6.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef A*****, vertreten durch Mag. Dr. Georg Vetter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses (Streitwert 48.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Februar 2008, GZ 4 R 208/07x-16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 13. September 2007, GZ 28 Cg 6/07m-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.991,88 EUR (darin 331,98 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit 51.494 Stückaktien. Als ihre Hauptgesellschafterin hält die M***** GmbH 50.836 Aktien, die restlichen 658 Aktien befinden sich in Streubesitz. Die Beklagte verfügt ihrerseits über sämtliche Anteile an der K***** Kft. mit Sitz in T***** (Ungarn), wobei es sich um das einzige verbundene Unternehmen der Beklagten handelt; dieses stellte allerdings bereits im Jahr 2005 seinen Betrieb ein und befindet sich seither in stiller Liquidation.

Im Jahr 2006 verlangte die Hauptgesellschafterin der Beklagten eine Beschlussfassung über die Übertragung der Anteile der übrigen Gesellschafter der Beklagten auf sie gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung.

Daraufhin prüfte die K***** GmbH den gemeinsamen Bericht des Vorstands und der Hauptgesellschafterin auf Grundlage des von ihr geprüften und mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehenen Jahresabschlusses zum 31. 12. 2005 und der von der Beklagten vorgelegten, aber nicht geprüften Transaktionen des Geschäftsjahrs 2006. Sie ermittelte einen Verkehrswert der Beklagten zum 30. 6. 2006 von 290.000 EUR sowie den Verkehrswert je Aktie mit 5,63 EUR und beurteilte die von der Hauptgesellschafterin angebotene Barabfindung in Höhe von 72,82 EUR als angemessen.

Aus dem Bericht geht dabei unter anderem hervor, dass die Beklagte ihren Betrieb mit Jänner 2005 eingestellt hatte und zum 30. 11. 2006 nur noch wenige wesentliche Anlagen, darunter die Liegenschaft E***** der Liegenschaftskomplex N***** und die Anteile an der K***** Kft., noch nicht realisiert waren; weiters geht daraus hervor, dass für die Liegenschaft E***** ein Angebot der Marktgemeinde E***** in Höhe von 40.000 EUR und für den Liegenschaftskomplex N***** ein Schätzgutachten der S***** GmbH vom 19. 10. 2006 vorliegen, welches nach Abzug von Abbruchkosten für die baufälligen Baulichkeiten einen Verkehrswert von 797.000 EUR bestätigte. Zu den Anteilen an der K***** Kft. führt der Bericht aus, dass weder der Maschinenpark noch die Liegenschaft veräußert werden konnten. Der im Jahresabschluss zum 31. 12. 2005 angesetzte Buchwert von 2 Mio EUR sei realisierbar; ein eventuell realisierbarer Mehrwert führe dabei zu keiner Erhöhung des Unternehmenswerts der Beklagten, weil diesem Mehrwert geringere Verbindlichkeitennachlässe gegenüberstünden.

Im Dezember 2006 lud die Beklagte zur außerordentlichen Hauptversammlung für den 15. 1. 2007, deren einziger Tagesordnungspunkt die von der Hauptgesellschafterin verlangte Beschlussfassung war. Am 14. 12. 2006 wurde außerdem ein Hinweis auf die geplante Beschlussfassung im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlicht, der unter anderem die Aktionäre über ihre Rechte auf Einsichtnahme in die in § 3 Abs 5 GesAusG genannten Unterlagen am Sitz der Beklagten informierte.

Kurz nach der Einladung ersuchte der Kläger die Beklagte um Übermittlung von Abschriften der in § 3 Abs 5 GesAusG bezeichneten Unterlagen, woraufhin er von der Beklagten am 22. 12. 2006 jeweils in Kopie

- den Entwurf des Beschlussantrags über den Ausschluss,

- den gemeinsamen Bericht des Vorstands und der Hauptgesellschafterin mit einer Beurteilung der Angemessenheit der Barabfindung,

- den Prüfbericht der K***** GmbH über die Richtigkeit des Berichts des Vorstands und der Hauptgesellschafterin über den geplanten Ausschluss und die Angemessenheit der Barabfindung und

- die Bilanzen und Lageberichte für die Geschäftsjahre 2003 bis 2005,

erhielt. Ob der Bericht des Aufsichtsrats über die Prüfung des Ausschlusses auf der Grundlage des Berichts des Vorstands und der Hauptgesellschafterin über den geplanten Ausschluss und des Prüfungsberichts des sachverständigen Prüfers übersandt wurde, steht nicht fest. Den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2006 übermittelte die Beklagte dem Kläger nicht, weil dieses Geschäftsjahr erst am 31. 12. 2006 endete und der Jahresabschluss erst im Mai oder Juni 2007 fertig war.

Beim Jahresabschluss 2004 fehlten aufgrund eines Versehens beim Kopieren der Unterlagen die Seiten 111/14 und 111/15. Seite 111/14 enthielt ergänzende Angaben über Bezüge von Vorstandsmitgliedern und Aufsichtsräten sowie einen Hinweis auf eine Aufstellung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Auf Seite 111/15 befand sich der Bestätigungsbericht der K***** GmbH zum Jahresabschluss 2004. Die an den Kläger versendeten Kopien der Bilanzen der Geschäftsjahre 2003 und 2004 und der Lagebericht zum Geschäftsjahr 2005 wiesen keine Unterschrift des Vorstands auf. Den übermittelten Bilanzen war der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers nicht angeschlossen. Auch Konzernabschlüsse übermittelte die Beklagte dem Kläger nicht, ebenso wenig das Schätzgutachten der S***** GmbH betreffend den Liegenschaftskomplex N***** und das Angebot der Marktgemeinde E***** für die Liegenschaft E*****.

Der Kläger beanstandete nicht, dass Unterlagen fehlten.

Die im Gesellschafter-Ausschlussgesetz vorgesehenen Unterlagen lagen vor der Hauptversammlung sowohl bei der Beklagten als auch bei der O*****bank in L***** und einer O*****bankgeschäftsstelle in W***** zur Einsicht auf. Der Kläger nahm in diese Unterlagen allerdings keine Einsicht.

Der Kläger meldete eine Aktie zur Hauptversammlung vom 15. 1. 2007 an und nahm daran als Aktionär teil. In dieser Hauptversammlung wurden der gemeinsame Bericht des Vorstands und der Hauptgesellschafterin sowie der Prüfbericht der K***** GmbH im Detail erörtert. Der Kläger stellte Fragen zu den Liegenschaften, die beantwortet wurden. Er sagte, dass die ihm zugesandten Unterlagen nicht mit den beim Firmenbuch eingereichten übereinstimmten, konnte den Unterschied aber trotz mehrmaligen Nachfragens nicht näher spezifizieren.

Der auf Antrag der Hauptgesellschafterin mit 50.886 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen und 2 Stimmenthaltungen mit einer Mehrheit von 99,99 % der abgegebenen Stimmen gefasste Beschluss lautete:

Die Anteile der übrigen Gesellschafter der [beklagten] L***** Aktiengesellschaft (FN *****) werden gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern (Gesellschafter-Ausschlussgesetz - GesAusG) auf die M***** GmbH mit dem Sitz in W***** (FN *****) als Hauptgesellschafterin gegen Gewährung einer Barabfindung von 72,82 EUR je Aktie übertragen.

Der Kläger erklärte gegen diesen Beschluss Widerspruch zu Protokoll. Der Vertreter der Hauptgesellschafterin hätte allerdings auch dann für den Antrag auf Ausschluss der übrigen Gesellschafter gestimmt, wenn er gewusst hätte, dass die Unterlagen unvollständig versendet worden waren oder wenn sich in der Hauptversammlung die Unrichtigkeit der Liegenschaftsbewertungen ergeben hätte, weil die Beklagte de facto konkursreif war und der tatsächliche Wert der Aktie wesentlich geringer war als die den Kleinaktionären zugestandene Barabfindung von 72,82 EUR je Aktie.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des gefassten Beschlusses, in eventu dessen Nichtigerklärung. Er beruft sich dabei auf eine unvollständige Übermittlung der maßgeblichen Unterlagen, konkret - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - auf das Fehlen der Konzernabschlüsse, des Jahresabschlusses der Beklagten für das Jahr 2006 und der die Liegenschaften betreffenden „Gutachten". Der Ausschlussbeschluss sei damit rechtswidrig erfolgt.

Die Beklagte hält dem entgegen, einerseits verlange § 3 Abs 5 GesAusG nicht die Übermittlung von Konzernabschlüssen, andererseits habe der Kläger aus den Einzelabschlüssen der Beklagten Informationen über die K***** Kft. beziehen können. Der Jahresabschluss 2006 sei zum Zeitpunkt der Hauptversammlung noch nicht vorgelegen und habe zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht vorliegen müssen. Die „Gutachten" seien irrelevant gewesen, weil den Verkehrswerten der Liegenschaften keine Bedeutung zugekommen sei; im Übrigen hätte der Kläger in der Vorbereitungszeit deren Übermittlung anfordern und/oder in der Hauptversammlung um deren Aushändigung ersuchen können. Ihr Fehlen sei schließlich im Sinne der Kausalitätstheorie nicht kausal für das Abstimmungsverhalten der Hauptgesellschafterin gewesen, im Sinne der Relevanztheorie wiederum seien Teilnahme- oder Informationsrechte des Klägers nicht verletzt worden.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab, das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 3 Abs 5 und 6 GesAusG; darüber hinaus sei unklar, ob der Oberste Gerichtshof nunmehr der Kausalitäts- oder der Relevanztheorie folge. In der Sache selbst vertraten die Vorinstanzen unter Bedachtnahme auf Rechtsprechung und Lehre zum - dem § 3 Abs 5 GesAusG vergleichbaren - § 327c Abs 3 Nr 2 dAktG die Auffassung, eine Vorlage von Konzernabschlüssen sei jedenfalls dann nicht vorgesehen, wenn die Gesellschaft selbst operativ tätig ist; weiters beziehe sich die Vorlage der Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre vor der Hauptversammlung nur auf solche, die bei Einberufung der Hauptversammlung tatsächlich bereits festgestellt waren oder nach handelsrechtlichen Vorschriften festgestellt sein mussten. Zwar habe die Beklagte durch die unterbliebene Zusendung des Schätzgutachtens der S***** GmbH ihre Informationspflichten verletzt, im Sinne der Kausalitätstheorie spiele das im Hinblick auf das festgestellte Abstimmungsverhalten der Hauptgesellschafterin aber keine Rolle. Im Sinne der Relevanztheorie sei jedoch zu beachten, dass die Unterlagen vor der Hauptversammlung mehrfach zur Einsicht aufgelegen sind und der Kläger dem Bericht der K***** GmbH das Vorhandensein und den Inhalt des Schätzgutachtens hätte entnehmen können; er habe auch an der Hauptversammlung teilgenommen und dort Fragen gestellt, wobei ihm Fragen zum „Liegenschaftskomplex" nicht verweigert worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Mit dem Bundesgesetz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern (Gesellschafter- Ausschlussgesetz - GesAusG) setzte der österreichische Gesetzgeber Art 15 der EU-Übernahmerichtlinie um, ging jedoch insoweit über die Erfordernisse der Richtlinie hinaus, als er den Gesellschafterausschluss nicht nur bei börsenotierten Gesellschaften vorgesehen hat, sondern auch bei nicht börsenotierten Aktiengesellschaften und bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] Anh § 71 Rz 1). Dies wurde mit der Notwendigkeit begründet, die Schaffung wettbewerbsfähiger und reaktionsschneller Unternehmens- und Kontrollstrukturen zu erleichtern (GP XXII RV 1334 26; ÜbRÄG 2006 BGBl I Nr 75/2006).

2. Der Ausschlussbeschluss bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung im Sinne von Erforderlichkeit, Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit (Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 7). Vielmehr hat der Gesetzgeber selbst die erforderliche Interessenabwägung vorgenommen und wollte den voraussetzungslosen Ausschluss gegen angemessene Kompensation zulassen (vgl etwa Koppensteiner, Einige Fragen zum „Squeeze-out", GeS 2006, 149; Kalss/Zollner, Squeeze-out [2007] § 1 GesAusG Rz 24; Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 7; aA lediglich U. Torggler, Zur sog materiellen Beschlusskontrolle, insb bei der Umwandlung, GeS 2006, 58 ff, 109 ff).

3. Nach § 195 Abs 1 AktG - diese Bestimmung entspricht § 243 Abs 1 dAktG (vgl Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG4 [2006] § 195 Rz 1) - kann ein Beschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durch Klage angefochten werden (Anfechtungsklage).

Darunter sind zwar auch Verfahrensmängel zu verstehen, es ermöglichen aber nur jene die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses, die die Willensbildung nachteilig beeinflussten oder die Teilnahme- und Mitwirkungsrechte beeinträchtigten. Bloße Ordnungsvorschriften würden nämlich nur zu einer Sanktionierung reiner Formalvorstöße führen und somit die Willensbildung blockieren (Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG [2003] § 195 Rz 55; Zöllner in KölnKomm II AktG [1985] § 243 Rz 62). Ein zur Anfechtung berechtigender Verfahrensmangel liegt hingegen unter anderem dann vor, wenn Informationspflichten verletzt, also etwa Unterlagen den Aktionären nicht zur Einsicht bereit gestellt worden waren (vgl etwa Hüffer in MünchKomm AktG² [2001] § 243 Rz 26; ders, AktG7 [2006] § 243 Rz 11) oder das Auskunftsrecht des Aktionärs verletzt wurde (4 Ob 101/06s = GesRZ 2007, 48). Neben derartigen Informationsmängeln erfasst § 195 Abs 1 AktG auch Vorbereitungs- (Einberufungs- und Ankündigungsmängel) sowie Durchführungsmängel (etwa Schröckenfuchs/Ruhm, Relevanz oder Kausalität?, wbl 2003, 461; Diregger aaO Rz 61), also etwa die Verletzung des Rederechts des Aktionärs während der Hauptversammlung (4 Ob 101/06s).

4. Der Kläger stützt sein Begehren auf die Verletzung von Informationspflichten nach den Vorschriften des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes. Die Beklagte habe ihm weder Konzernabschlüsse noch ihren Jahresabschluss 2006 noch „Gutachten" betreffend den „Liegenschaftskomplex" übermittelt.

4.1. Nach § 6 Abs 1 GesAusG kann die Anfechtung des Beschlusses (über die Übertragung der Anteile der übrigen Gesellschafter auf den Hauptgesellschafter gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung [§ 1 Abs 1 GesAusG]) nicht darauf gestützt werden, dass die Barabfindung (§ 2 GesAusG) nicht angemessen festgelegt ist oder dass die Erläuterungen der Barabfindung in den Berichten gemäß § 3 GesAusG den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen. Anstelle der Beschlussanfechtung steht den Minderheitsgesellschaftern gemäß § 6 Abs 2 GesAusG vielmehr das (außerstreitige) Gremialverfahren (Umfahrer, GmbH6 [2008] Rz 907) nach §§ 225c bis 225m AktG zur Verfügung (Kalss/Zollner, Squeeze-out [2007] § 6 GesAusG Rz 2).

4.2. Diese Regelungen bedeuten nicht, dass im Anwendungsbereich des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes die Erhebung einer Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage grundsätzlich nicht zulässig wäre. Dagegen spricht allein schon die Notwendigkeit der Vorlage einer Negativerklärung gemäß § 5 Abs 2 GesAusG (vgl auch Kalss/Zollner, Squeeze-out [2007] § 5 GesAusG Rz 7). Vielmehr hat sich der Gesetzgeber auch beim Squeeze-out für eine Zweiteilung des Rechtsschutzes entschieden (Kalss/Zollner aaO § 6 GesAusG Rz 1). Neben der Beschlussanfechtung steht mit dem Verfahren nach §§ 225c ff AktG ein eigenes Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung zur Verfügung.

4.3. Damit stellt sich aber zunächst einmal die Frage nach der Abgrenzung zwischen jenen Mängeln, die auch beim Squeeze-out die Anfechtung des Beschlusses ermöglichen, und solchen, die ausschließlich im Verfahren nach §§ 225c ff AktG geltend gemacht werden können.

4.3.1. In der Literatur werden als Umstände, die zur Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses über den Gesellschafterausschluss berechtigen sollen, etwa Mängel bei der Einberufung der Gesellschafterversammlung genannt, weiters die völlige Unterlassung der Veröffentlichung eines Hinweises über die geplante Beschlussfassung, Fehler bei der Feststellung des Beschlussergebnisses, das gänzliche Fehlen der in § 3 GesAusG angeführten Berichte, soweit darauf nicht verzichtet wurde, das Nichtvorliegen der Konzernverbundenheit sowie verschiedene Verfahrensfehler (Kalss/Zollner, Squeeze-out [2007] § 6 GesAusG Rz 4). Weitere Beispiele in der Literatur für die Zulässigkeit der Anfechtung des Beschlusses über den Ausschluss sind das Fehlen der erforderlichen Mehrheit des Hauptgesellschafters, das Fehlen eines Beschlusses über die Barabfindung überhaupt und das Fehlen der Besicherung der Barabfindung (Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht [2007] Rz 4674).

4.3.2. Zum Fehlen von Unterlagen wird in der Literatur vertreten, die Anfechtung sei zwar dann ausgeschlossen, wenn die Erläuterungen der Barabfindung in den Berichten gemäß § 3 GesAusG nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, nicht aber dann, wenn solche Erläuterungen gänzlich fehlen (Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out [2006] Rz 471; Kalss/Zollner, Squeeze-out [2007] § 6 GesAusG Rz 4; ebenso zur Verschmelzung etwa Kalss, Handkommentar zur Verschmelzung - Spaltung - Umwandlung [1997] § 225b AktG Rz 8 mwN). Nach Koppensteiner (GeS 2006, 143; ebenso Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] Anh § 71 Rz 7 zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung) soll trotz der Formulierung des § 6 Abs 1 GesAusG, der nur von „Berichten gemäß § 3 GesAusG" spricht, das Gremialverfahren anstelle einer Beschlussanfechtung auch dann zur Anwendung kommen, wenn die Informationspflichten gemäß § 3 Abs 7 Satz 2, Abs 8 GesAusG nicht ordnungsgemäß erfüllt wurden. Er begründet dies mit einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers; es hätte wenig Sinn, zwischen Informationsmängeln der Berichte und solchen in der Hauptversammlung zu unterscheiden.

4.3.3. Nach § 225b AktG, der Vorbild für die Regelung des § 6 Abs 1 GesAusG war, kann die Anfechtung des Beschlusses, durch den die Hauptversammlung einer beteiligten Gesellschaft dem Verschmelzungsvertrag zugestimmt hat, nicht darauf gestützt werden, dass das Umtauschverhältnis oder die allfälligen baren Zuzahlungen nicht angemessen festgelegt sind oder dass die in den Verschmelzungsberichten, den Prüfungsberichten oder den Berichten der Aufsichtsräte enthaltenen Erläuterungen des Umtauschverhältnisses oder der baren Zuzahlungen den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen. Nach der Literatur soll mit dem expliziten Ausschluss der Anfechtung für die bestimmten Informationsmängel sichergestellt werden, dass das Überprüfungsverfahren über die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses nicht durch die Erhebung einer Anfechtungsklage unterlaufen wird, die Informationsmängel über das Umtauschverhältnis rügt; der Anfechtungsausschluss sei jedenfalls eng zu verstehen (Kalss, Handkommentar zur Verschmelzung - Spaltung - Umwandlung [1997] § 225b AktG Rz 7 mwN; vgl ausführlich auch Szep in Jabornegg/Strasser, AktG³ [2006] § 225b Rz 6 ff).

4.3.4. Nach § 3 Abs 1 GesAusG haben der Vorstand der Kapitalgesellschaft und der Hauptgesellschafter gemeinsam einen Bericht über den geplanten Ausschluss zu erstellen. Dieser muss zumindest die Voraussetzungen des Ausschlusses darlegen und die Angemessenheit der Barabfindung erläutern und begründen. Die Richtigkeit dieses Berichts ist sodann gemäß § 3 Abs 2 und 3 GesAusG von einem sachverständigen Prüfer und gegebenenfalls vom Aufsichtsrat zu prüfen. Damit haben die Berichte nach § 3 GesAusG nach dem klaren Gesetzeswortlaut zwei Funktionen. Einerseits soll damit über die Voraussetzungen des Ausschlusses berichtet werden, andererseits über die Angemessenheit der Barabfindung.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Ausschlusses sind im Gesellschafter-Ausschlussgesetz, insbesondere in seinen §§ 1 und 4, geregelt. Die in § 3 Abs 5 GesAusG vorgesehenen Unterlagen haben den Zweck, nähere Aufschlüsse über die Angemessenheit der angebotenen Barabfindung zu gewähren; für die in § 3 Abs 5 Z 3 GesAusG genannten Gutachten ist dies im Gesetz sogar ausdrücklich erwähnt (arg: „Gutachten, auf denen die Beurteilung der Angemessenheit beruht"). Gleiches ist auch für die in § 3 Abs 5 Z 4 GesAusG angeführten Jahresabschlüsse und Lageberichte anzunehmen, zumal diese über den weiteren Zweck der Berichte nach § 3 GesAusG, nämlich das Vorliegen der Voraussetzungen für den Ausschluss, schon von vornherein keine Aufschlüsse geben können.

4.3.5. Diese Funktion der Unterlagen nach § 3 Abs 5 Z 3 und 4 GesAusG zwingt allerdings nicht dazu, das Fehlen von Angaben in diesen Unterlagen bzw das Fehlen der Unterlagen selbst und das Fehlen von Angaben in den Berichten nach § 3 Abs 1 bis 3 GesAusG (aufgrund eines Größenschlusses) gleich zu behandeln. Da die Richtigkeit der Berichte für den auszuschließenden Gesellschafter regelmäßig anders nicht überprüfbar ist, sind die erwähnten Unterlagen für den Gesellschafter von größerer Bedeutung als die Angaben in den Berichten, sodass (aufgrund eines Umkehrschlusses) das Fehlen von Angaben in den Unterlagen bzw das Fehlen der Unterlagen selbst vom Anfechtungsausschluss des § 6 Abs 1 GesAusG nicht erfasst ist. Andernfalls würde nämlich das (gesetzlich vorgesehene) Informationsrecht des auszuschließenden Gesellschafters ganz massiv beschränkt werden; die Gesellschaft könnte ganz bewusst bestimmte Unterlagen ausnehmen, was im Übrigen dazu führen könnte, dass der (dann) ausgeschlossene Gesellschafter gar nicht abschätzen kann, ob die Einleitung eines Gremialverfahrens überhaupt sinnvoll erscheint, was unter Umständen zu Kostenfolgen für den ausgeschlossenen Gesellschafter führen könnte, wenn er - mangels entsprechender Informationen - einen nicht zweckentsprechenden Verfahrensaufwand verursacht (§ 225 l Abs 1 AktG iVm § 6 Abs 2 GesAusG). Und schließlich darf auch nicht übersehen werden, dass die im Zusammenhang mit dem Gesellschafterausschluss geregelten Informationsrechte einen gewissen Ausgleich für die fehlende Anfechtungsmöglichkeit und die Beschränkung des ausgeschlossenen Gesellschafters auf das Gremialverfahren bilden.

4.3.6. In der Literatur wird regelmäßig betont, Zweck des Ausschlusses von Anfechtungsklagen gemäß § 225b AktG (bzw § 6 Abs 1 GesAusG) sei die Abhaltung von „erpresserischen Aktionären", die kein berechtigtes Rechtsschutzinteresse hätten, sondern deren Ziel die „Verschaffung ungerechtfertigter geldwerter Vorteile" sei (etwa Szep in Jabornegg/Strasser, AktG³ [2006] § 225b Rz 1 mwN). Dem kann jedoch dadurch begegnet werden, dass (in Anwendung der Relevanztheorie [5.]) Rechtsverstöße von einer gewissen Bedeutung vorliegen müssen, um eine Anfechtungsklage rechtfertigen zu können (vgl wiederum Szep aaO).

Die Anfechtungsklage ist somit grundsätzlich zulässig.

5.1. Der Oberste Gerichtshof vertrat über viele Jahrzehnte hinweg die Auffassung, auch ein nicht sanierter Verfahrensmangel sei kein Anfechtungsgrund, wenn es am Kausalzusammenhang zwischen diesem und einem Rechtsnachteil fehlt (Kausalitätstheorie; RIS-Justiz RS0059771, RS0049471), also etwa auch eine fehlerfrei einberufene spätere Hauptversammlung zweifellos gleich entschieden hätte (6 Ob 8/74 = SZ 47/70 = GesRZ 1975, 61 [Ostheim 44, 76]); den Beweis für das Fehlen eines Einflusses des Mangels auf das Zustandekommen des angefochtenen Beschlusses erlegte die Rechtsprechung dabei dem Anfechtungsgegner auf (1 Ob 165/03a).

5.2. In einer jüngeren Entscheidung schloss sich der 4. Senat des Obersten Gerichtshofs jedoch - jedenfalls im Zusammenhang mit einer Verletzung des Rede- und Auskunftsrechts eines Aktionärs - der Relevanztheorie an und stellte klar, dass der Unterschied der beiden Theorien darin liege, dass etwa bei einer Verweigerung des Auskunftsrechts dem Beklagten nach der Relevanztheorie der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens verschlossen ist, während demgegenüber die Kausalitätstheorie den Beweis erlaubte, dass der Beschluss auch bei Ausübung des Auskunftsrechts zustande gekommen wäre. Der 4. Senat begründete seine Auffassung damit, dass die Relevanztheorie nicht nur allgemeinen Grundsätzen zur Wahrung von Minderheitenrechten entspreche, sondern auch den Umstand berücksichtige, dass die Teilnahme an der Hauptversammlung ein wesentliches (auch Minderheits-)Recht der Aktionäre sei. Durch das in der Hauptversammlung auszuübende Rede- und Auskunftsrecht werde die Tatsachenbasis für deren Entscheidungen verbreitert, was selbstverständlich auch im Interesse der Gesellschaft liegt. Werde dieses Teilnahmerecht durch einen rechtswidrigen Vorgang beeinträchtigt, erfordere daher auch das Interesse der Gesellschaft eine entsprechende Sanktionierung. Ließe man den letztlich nur mit Spekulationen begründbaren Nachweis der fehlenden Kausalität zu, würde zudem ein wesentliches Minderheitsrecht in das Belieben der Mehrheit gestellt. Das sei schon aus generalpräventiven Erwägungen abzulehnen (4 Ob 101/06s).

Die Relevanztheorie ist zwischenzeitig nicht nur in der deutschen Lehre (vgl die Nachweise bei K. Schmidt in GroßKomm AktG4 [1995] § 241 Rz 21 und bei Hüffer, AktG7 [2006] § 243 Rz 13) herrschend, sondern wird auch vom deutschen Bundesgerichtshof - in ausdrücklicher Abkehr von älterer Rechtsprechung - vertreten (NJW 2002, 1128; NJW 2005, 828). In Österreich haben sich ihr bereits vor längerer Zeit etwa Thiery (Zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, ecolex 1990, 151), Reich-Rohrwig (GmbHG1 [1983] 399f) oder Koppensteiner (GmbHG² [1999] § 38 Rz 12) und in jüngerer Zeit Schröckenfuchs/Ruhm (wbl 2003, 461 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur in FN 31) angeschlossen.

5.3. Der erkennende Senat, der die Frage Kausalitäts- oder Relevanztheorie bereits in der Entscheidung 6 Ob 152/07g (= RdW 2008/159) ausdrücklich offen gelassen hat, schließt sich aus den vom 4. Senat in den Vordergrund gestellten Überlegungen auch im vorliegenden Kontext der Relevanztheorie an. Gerade der hier zu beurteilende Sachverhalt zeigt nämlich die Unbilligkeit der Kausalitätstheorie. Die Hauptgesellschafterin strebt den Ausschluss der Kleinaktionäre an und verhindert die Geltendmachung von Verfahrensmängeln durch einen Kleinaktionär mit der Begründung, sie hätte so und so gleich abgestimmt. Das Minderheitsrecht des Kleinaktionärs würde damit völlig in das Belieben nicht nur einer Mehrheit, sondern gerade jenes Mehrheitsgesellschafters gestellt, der den Ausschluss des durch den Verfahrensmangel verletzten Kleinaktionärs anstrebt.

6. Der Kläger macht eine - im Sinne der Relevanztheorie - relevante Verletzung seiner Informationsrechte geltend; die Beklagte habe ihm weder Konzernabschlüsse noch ihren Jahresabschluss 2006 noch „Gutachten" betreffend den „Liegenschaftskomplex" übermittelt.

6.1. Nach § 3 Abs 5 GesAusG sind bei der Aktiengesellschaft mindestens während eines Monats vor dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre aufzulegen:

1. der Entwurf des Beschlussantrags über den Ausschluss,

2. die Berichte gemäß Abs 1, 2 und 3 (also der Bericht des Vorstands und des Hauptgesellschafters über den geplanten Ausschluss, der Bericht eines sachverständigen Prüfers betreffend die Richtigkeit des vorgenannten Berichts und der Bericht des Aufsichtsrats über die Prüfung der beiden vorgenannten Berichte),

3. allfällige Gutachten, auf denen die Beurteilung der Angemessenheit beruht,

4. die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der Gesellschaft für die letzten drei Geschäftsjahre.

Nach § 3 Abs 6 GesAusG ist jedem Aktionär auf Verlangen unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der in Abs 5 bezeichneten Unterlagen zu erteilen.

Sowohl der Wortlaut des § 3 Abs 5 GesAusG als auch die Materialien dazu legen die Auffassung nahe, dass dessen Aufzählung nicht demonstrativ, sondern vielmehr taxativ ist; nach den Materialien (GP XXII RV 1334 zu Art 6 ÜbRÄG 2006 BGBl I Nr 75/2006) normiert nämlich Abs 5, „welche Unterlagen zur Einsicht aufzulegen sind. Neben den Berichten geht es insbesondere um die Jahresabschlüsse der Gesellschaft und um Bewertungsgutachten. Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage fehlen die Unterlagen, die auf die verschmelzungsrechtliche Konstruktion zurückzuführen sind, also der Verschmelzungsvertrag und die Schlussbilanz".

6.2. Mangels Aufzählung von Konzernabschlüssen in § 3 Abs 3 GesAusG hatte der Kläger keinen Anspruch auf Übermittlung derselben in Vorbereitung der Hauptversammlung. Dies entspricht auch der überwiegenden Auffassung zum - nahezu wortidenten - § 327c Abs 3 Z 2 dAktG (vgl etwa Hüffer, AktG7 [2006] § 327c Rz 6; Grunewald in MünchKomm AktG² [2004] § 327c Rz 17; Koppensteiner in KölnKomm VI³ AktG § 327c Rz 15; Fuhrmann, Das Freigabeverfahren bei Squeeze out-Beschlüssen, Der Konzern 2004, 1; OLG Hamburg NZG 2003, 978; OLG Düsseldorf WM 2005, 650; LG Hamburg ZIP 2003, 947). Soweit sich der Kläger für seinen gegenteiligen Standpunkt auf eine Entscheidung des OLG Celle (DB 2004, 301) stützt, so ist diese schon allein deshalb nicht einschlägig, weil es dort um eine nicht operative Holding gegangen ist, weshalb das OLG Celle (Konzern-)Abschlüsse der operativen Tochtergesellschaften für maßgeblich hielt. Ein derartiger Sonderfall liegt hier aber nicht vor.

6.3. § 3 Abs 5 GesAusG spricht von „Jahresabschlüsse[n] und Lageberichte[n] der Gesellschaft für die letzten drei Geschäftsjahre". Der Kläger meint nun, die Vorlagepflicht der Beklagten hätte auch den Jahresabschluss 2006 umfasst, habe die Hauptversammlung doch im Jänner 2007 stattgefunden, dieser Jahresabschluss hätte außerdem die jüngsten und damit aussagekräftigsten Informationen enthalten.

Nach § 3 Abs 5 GesAusG sind jedoch die - bereits erwähnten - Unterlagen „mindestens während eines Monats vor dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung aufzulegen", hier also spätestens am 15. 12. 2006. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber noch gar keinen Jahresabschluss 2006; von einer Verpflichtung der Aktiengesellschaft zur Erstellung einer Zwischenbilanz spricht das Gesellschafter-Ausschlussgesetz - etwa im Gegensatz zu § 221a Abs 2 AktG bei Verschmelzungen - wiederum nicht. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Vorlage des Jahresabschlusses 2006 bestand daher nicht.

Auch die Lehre geht davon aus, dass die Vorlagepflicht des § 3 Abs 5 Z 4 GesAusG lediglich jene Jahresabschlüsse betrifft, die zum vom Gesetz gebotenen Einsichtstermin bereits vorliegen oder vorliegen müssten (Hüffer, AktG7 [2006] § 327d Rz 3, § 293 Rz 3; Altmeppen in MünchKomm AktG² [2000] § 293 Rz 6; Wartenberg, Die Auslage des letzten Jahresabschlusses beim Squeeze-out, AG 2004, 539). Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des LG Hamburg (DB 2002, 2478) stützt, wonach nach dem klaren Gesetzeswortlaut jedes abgeschlossene Geschäftsjahr zu verstehen sei, ist auch diese nicht einschlägig, weil ja am 15. 12. 2006 das Geschäftsjahr 2006 noch nicht abgeschlossen war.

6.4. Somit verbleibt die - auch vom Berufungsgericht konstatierte - Verletzung der Informationspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger durch Nichtübermittlung des Schätzgutachtens der S***** GmbH betreffend den Liegenschaftskomplex N*****. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang allerdings ausgeführt, es habe sich dabei lediglich um einen leichten Verstoß der Beklagten gehandelt, der derart in den Hintergrund trete, dass er auch nach der Relevanztheorie eine Anfechtung nur dann rechtfertigen würde, hätte durch ihn ein anderes Abstimmungsergebnis zustandekommen können. Dem hält der Kläger in der Revision entgegen, damit sei das Berufungsgericht doch wieder zur Kausalitätstheorie zurückgekehrt.

Nach der Relevanztheorie ist der Zweck der eingehaltenen Verfahrensbestimmungen für die Anfechtbarkeit entscheidend. Nur wenn durch die Verletzung ein konkretes Informations- oder Partizipationsinteresse eines Aktionärs verletzt wurde, begründet er die Anfechtbarkeit; irrelevante Mängel scheiden daher aus. Ein solcher läge nach Literaturmeinungen etwa vor, wenn zwar die Einladung zur Hauptversammlung nicht binnen der von Gesetz oder Satzung bestimmten Frist übermittelt wird, die Gesellschaft jedoch nachweisen kann, dass der Aktionär auch auf andere Weise von der Hauptversammlung hätte Kenntnis erlangen können (Zöllner in KölnKomm II AktG [1985] § 243 Rz 95; siehe auch Schröckenfuchs/Ruhm, wbl 2003, 461). Im vorliegenden Fall lagen aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen die im Gesellschafter-Ausschlussgesetz vorgesehenen Unterlagen, also auch das Schätzgutachten, sowohl bei der Beklagten als auch bei zwei Banken in Oberösterreich und Wien auf, sodass es dem Kläger ein Leichtes gewesen wäre, seine Unterlagen in der Vorbereitungsfrist zu vervollständigen. Da er dies unterlassen hat, war der der Beklagten unterlaufene Verfahrensmangel - die Behauptung des Klägers in der Revision, die Gutachten seien offensichtlich bewusst nicht mitgesandt worden, um dem Aktionär eine ordnungsgemäße Vorbereitung auf die Hauptversammlung zu verwehren, ist durch die Feststellungen auch nicht annähernd gedeckt - irrelevant im Sinne der Relevanztheorie. Auf Fragen der Kausalität kommt es daher - entgegen der Auffassung der Revision - gar nicht (mehr) an.

7. Damit war aber der Revision insgesamt der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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