OGH 2Ob258/12y

OGH2Ob258/12y24.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sole, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (BMF) vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wider die beklagte Partei ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft, 1020 Wien, Praterstern 3, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OG in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Landeshauptstadt Bregenz, 6900 Bregenz, Rathausstraße 4, vertreten durch Dr. Sepp Manhart ua, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen 30.893,33 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. September 2012, GZ 12 R 154/11x-19, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Juli 2011, GZ 60 Cg 236/10g-12, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 29. 12 .2006 wurde der Polizeibeamte G***** B***** in Vorarlberg während der Ausübung seines Dienstes von einem Eisenbahnzug erfasst und tödlich verletzt.

Mit Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (in der Folge „BVA“), BVA-Hauptstelle, vom 11. 4. 2007 wurde der Unfall als Dienstunfall iSd § 90 B-KUVG anerkannt und der Witwe des Getöteten gemäß §§ 32, 112 B-KUVG eine Witwenrente im Ausmaß von 20 vH der Bemessungsgrundlage ab 29. 12. 2006 zuerkannt.

Mit Bescheid der BVA, BVA-Pensionsservice, vom 9.8.2007 wurde der Witwe rückwirkend ab 1. 1. 2007 ein Witwenversorgungsgenuss nach § 14 Abs 1 Pensionsgesetz 1965 von brutto 1.137,44 EUR und eine Nebengebührenzulage nach §§ 58 ff Pensionsgesetz 1965 von 291,98 EUR monatlich zuerkannt. Für den Zeitraum von 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2009 erhielt die Witwe insgesamt brutto 61.803,67 EUR an Witwenversorgungsgenuss samt Zulage ausbezahlt.

Die klagende Republik Österreich (Bundesministerium für Finanzen) nimmt mit der vorliegenden, am 17. 11. 2010 beim Erstgericht eingelangten Klage an der beklagten ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft Regress im Umfang von 30.893,33 EUR hinsichtlich des an die Witwe ausgezahlten Witwenversorgungsgenusses samt Nebengebührenzulage und begehrt weiters die Feststellung, dass ihr die Beklagte nach Maßgabe des vorhandenen Deckungsfonds für alle künftig an die Witwe aufgrund des fremdverschuldeten Todes des Polizeibeamten zu erbringenden Aufwendungen hafte. Die Beklagte hafte als Betriebsunternehmerin nach dem EKHG für die Folgen des Eisenbahnunfalls. Überdies sei die Beklagte aufgrund des grob fahrlässigen Verhaltens ihres Dienstnehmers M***** W***** haftbar. Dieser habe es als Disponent unterlassen, den zuständigen Fahrdienstleiter der Betriebsführungsstelle Wolfurt vom Betreten der Gleisanlage durch Exekutivbeamte im Zuge einer Amtshandlung in Zusammenhang mit einem vorangegangenen Bahnunfall zu verständigen sowie den Zugführer des Zuges Nr 196 von der verfügten Geschwindigkeitsbeschränkung von maximal 30 km/h im Bereich der späteren Unfallstelle bei Kilometer 7,76 zu informieren, und dadurch den Tod des Polizeibeamten grob fahrlässig herbeigeführt. Auch wenn das Pensionsgesetz 1965 - anders als § 125 B-KUVG - keine Legalzession vorsehe, sei der Schadenersatzanspruch der Witwe wegen entgangenen Unterhalts im Umfang der Leistungspflicht der Klägerin nach dem Pensionsgesetz 1965 analog § 332 ASVG bzw § 125 B-KUVG auf die Klägerin übergegangen. Der BVA-Pensionsservice handle in Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben nach dem Pensionsgesetz 1965 nicht im Rahmen der der BVA als Selbstverwaltungskörper zukommenden Selbstverwaltung, sondern - gemäß dem Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz (BPAÜG) - im übertragenen Wirkungsbereich für den Bund als Pensionsbehörde erster Instanz. Die laufenden Pensionen nach dem Pensionsgesetz 1965 würden aus Mitteln des Bundes ausbezahlt. Der Anspruch der Witwe auf Ersatz von entgangenem Unterhalt sei daher auf die Klägerin und nicht auf die BVA übergegangen. Der Anspruch sei nicht verjährt. Der mit der Witwenpension nach dem Pensionsgesetz 1965 befasste BVA-Pensionsservice habe erst im Verfahren über die Witwenpension durch ein E-Mail des Landespolizeikommandos Vorarlberg vom 31. 5. 2007 davon erfahren, dass der Tod des Polizeibeamten fremdverschuldet sei. Die Verjährungsfrist habe daher frühestens am 31. 5. 2007 zu laufen begonnen und sei frühestens am 31. 5. 2010 abgelaufen. Vor Ablauf der Verjährungsfrist habe die Beklagte erklärt, bis 31. 12. 2010 den Regressforderungen der Klägerin aus dem gegenständlichen Vorfall die Einrede der Verjährung nicht entgegenzuhalten, soweit sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt gewesen seien. Da die klagsgegenständlichen Ansprüche zum Zeitpunkt der Abgabe dieses befristeten Verjährungsverzichts der Beklagten noch nicht verjährt gewesen seien, sei der erhobene Einwand der Verjährung rechtsmissbräuchlich.

Die Beklagte wendete ein, sie sei kein Eisenbahnverkehrsunternehmen iSd § 1b Eisenbahngesetz 1957, weil sie weder Eisenbahnverkehrsleistungen erbringe noch die Traktion von Zügen betreibe. Sie habe auch keinerlei Verfügungsgewalt über Züge und sei daher nicht als Betriebsunternehmerin iSd § 5 Abs 1 EKHG anzusehen, weshalb sie nicht nach dem EKHG hafte. Gemäß § 47 Abs 4 Eisenbahngesetz 1957 bestehe eine Haftung der Beklagten nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit eines ihrer Bediensteten, woran es mangle. Der Unfall sei vielmehr durch ein erhebliches Mitverschulden des Getöteten verursacht worden. Auch die Klägerin selbst treffe ein Mitverschulden, weil sie es als Dienstgeber des Verunglückten unterlassen habe, diesen sowie die weiteren am Einsatz beteiligten Beamten gemäß §§ 3, 5, 8 und 12 des Bundesbedienstetenschutzgesetzes (B-BSG) über den ordnungsgemäßen Einsatz an Gleisanlagen zu schulen und auszubilden und entsprechende Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente auszustellen. Die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert. Zum einen sei die Forderung der Witwe mangels einer Legalzessionsvorschrift im Pensionsgesetz 1965 nicht auf die Klägerin übergegangen, zum anderen bestehe der Anspruch der Witwe auf Leistung von Pensionszahlungen ausschließlich gegenüber der BVA, die die Pensionszahlungen zu leisten habe. Ersatzberechtigt wäre daher allenfalls die BVA als Körperschaft öffentlichen Rechts, nicht aber die Klägerin. Die Beklagte habe sich mit der Witwe des verunglückten Polizeibeamten über deren Ansprüche geeinigt, bevor die Klägerin mit Schreiben vom 9. 10. 2008 Ansprüche gegenüber der Beklagten erhoben habe. Die Witwe habe mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 19. 2. 2008 eine Abfindungserklärung abgegeben. Aufgrund dieser vergleichsweisen Einigung der Beklagten mit der Witwe könne die Klägerin die klagsgegenständlichen Ansprüche nicht geltend machen. Die Ansprüche seien verjährt. Die Beklagte wendete Gegenforderungen von 344.011,19 EUR ein.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf die wiedergegebenen Feststellungen und führte aus, die Klägerin sei entsprechend den (im Einzelnen dargelegten) Vorschriften des Bundespensionsamtübertragungs-Gesetzes (BPAÜG) zur Geltendmachung des klagsgegenständlichen Anspruchs nicht aktiv legitimiert.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte Folgendes aus:

1. Das mit BGBl 1996/758 (BPA-G) errichtete Bundespensionsamt sei Pensionsbehörde in allen pensionsrechtlichen Angelegenheiten der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen gewesen (§ 2 Abs 2 BPA-G). Mit dem am 1. 1. 2007 in Kraft getretenen Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz (BPAÜG, BGBl I 2006/89) sei das BPA-G außer Kraft gesetzt und seien die Aufgaben des vormaligen Bundespensionsamtes der BVA übertragen worden. Das BPAÜG normiere ua Folgendes:

§ 1. (1) Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (im Folgenden: Versicherungsanstalt) hat mit Wirkung vom 1. Jänner 2007 im übertragenen Wirkungsbereich alle am 31. Dezember 2006 vom Bundespensionsamt wahrgenommenen Aufgaben […] zu vollziehen.

§ 2. (1) Im Vollzug der Angelegenheiten im übertragenen Wirkungsbereich unterliegt die Versicherungsanstalt, unbeschadet ihrer Rechte als Selbstverwaltungskörper, den Weisungen des Bundesministers für Finanzen.

§ 3. Gegen Bescheide der Versicherungsanstalt in Angelegenheiten nach § 1 Abs. 1 Z 1 steht der Partei das Recht auf Berufung an den Bundesminister für Finanzen zu. Der Bundesminister für Finanzen ist auch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde.

§ 7. Das bisher im Eigentum des Bundes stehende, vom Bundespensionsamt verwaltete und überwiegend genutzte bewegliche Vermögen, das zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 1 erforderlich ist, einschließlich aller zugehörenden Rechte, Rechtsverhältnisse, Pflichten, Forderungen und Verbindlichkeiten, geht mit 1. Jänner 2007 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in das Eigentum der Versicherungsanstalt über.

§ 8. (1) Der Bund leistet der Versicherungsanstalt für sämtliche nachgewiesenen, erforderlichen und zuordenbaren Aufwendungen, die ihr unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit der Erfüllung der in § 1 angeführten Aufgaben entstehen oder bereits im Hinblick auf die Vorbereitung der Übertragung der Angelegenheiten nach § 1 entstanden sind, nach Abzug der damit jeweils in Verbindung stehenden Erträge eine Abgeltung: […].

Gemäß Art 120b Abs 2 B-VG könnten den Selbstverwaltungskörpern Aufgaben staatlicher Verwaltung übertragen werden. Die Gesetze müssten derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des übertragenen Wirkungsbereichs bezeichnen und eine Weisungsbindung gegenüber dem zuständigen obersten Verwaltungsorgan vorsehen. Im übertragenen Wirkungsbereich würden Selbstverwaltungskörper funktionell als Bundes- oder Landesorgane tätig und seien an die Weisungen der Organe des betreffenden Rechtsträgers (Bund, Land) gebunden.

Mit dem BPAÜG sei die durch § 10 B-KUVG als Selbstverwaltungskörper konstituierte BVA, die gemäß § 9 B-KUVG (im selbständigen Wirkungsbereich) Träger der Kranken- und Unfallversicherung nach dem B-KUVG sei, mit der Wahrnehmung von Aufgaben nach dem Pensionsgesetz 1965 im übertragenen Wirkungsbereich betraut worden, die davor das Bundespensionsamt wahrgenommen habe. Die BVA fungiere somit bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Pensionsgesetz 1965 nicht im eigenen Wirkungsbereich, sondern als Organ der Klägerin. Daran, dass die Leistungen nach dem Pensionsgesetz 1965 aus Mitteln des Bundes ausgezahlt würden, habe sich durch das BPAÜG nichts geändert. Bei dem in § 7 BPAÜG angeordneten Vermögensübergang handle es sich nicht um die Übertragung von Mitteln, aus denen die Auszahlung der Pensionen erfolgen solle, sondern um jene Mittel, die zur Wahrnehmung der übertragenen Verwaltungsaufgaben erforderlich seien wie Büroeinrichtung, Software-Lizenzen sowie Wartungsverträge (ErläutRV 1409 BlgNR 22. GP 7). Auch § 8 BPAÜG sehe nicht vor, dass nunmehr die BVA die von den Bundesbeamten zu leistenden Pensionsbeiträge in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu vereinnahmen und die Pensionen aus ihrem eigenen Budget auszuzahlen habe und nur eine Ausfallhaftung des Bundes für durch Pensionsbeiträge nicht gedeckte Pensionszahlungen bestehe, wie dies etwa im Pensionssystem der Sozialversicherung nach dem ASVG der Fall sei. In § 8 BPAÜG sei lediglich eine Abgeltung der BVA für die Vollziehung der ihr übertragenen Aufgaben des vormaligen Bundespensionsamts geregelt (ErläutRV 1409 BlgNR 22. GP 7 f).

Unter der Annahme einer Legalzession von Schadenersatzansprüchen der Witwe sei daher die Klägerin für erbrachte kongruente Leistungen aktiv legitimiert.

2. Das Pensionsgesetz 1965 sehe zwar - anders als § 332 Abs 1 ASVG und § 125 Abs 1 B-KUVG - keine Legalzession von Ansprüchen Geschädigter vor, die aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften Schadenersatz gegenüber einem Haftpflichtigen beanspruchen könnten, seit der Entscheidung 2 Ob 21/94 sei aber in ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung anerkannt, dass der Dienstgeber, der seinem als Folge eines Unfalls arbeitsunfähigen Dienstnehmer aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift den Lohn fortzuzahlen habe, hinsichtlich des solcherart auf ihn überwälzten Schadens des Dienstnehmers gegenüber dem Schädiger ersatzberechtigt sei. Der Dienstgeber sei ersatzberechtigt, wenn er (aufgrund welcher Norm auch immer) zur Lohnfortzahlung verpflichtet sei, auch wenn es sich um ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis handle (RIS-Justiz RS0043287). Dass das AngG eine Legalzession bei Lohnfortzahlung nicht vorsehe, sei eine planwidrige Regelungslücke, die in Analogie zu § 1358 ABGB und § 67 VersVG geschlossen werden könne.

Der Entscheidung 2 Ob 366/99h sei eine Waisenrente zugrundegelegen, die eine Rechtsanwaltskammer aufgrund ihrer Satzung dem Sohn eines bei einem Verkehrsunfall getöteten Rechtsanwalts zu leisten gehabt habe. Der Oberste Gerichtshof habe die analoge Anwendung des § 332 ASVG hinsichtlich der den Ansprüchen des Hinterbliebenen kongruenten Leistungen der Rechtsanwaltskammer bejaht.

Diese Grundsätze der Ersatzpflicht des Geschädigten in Fällen bloßer Schadensverlagerung seien auch im gegenständlichen Fall anzuwenden. Die Witwe habe gegen die Beklagte - wenn diese für die Folgen des Unfalls einzustehen habe - grundsätzlich einen Anspruch auf entgangenen Unterhalt, soweit ihr der Getötete zum Unterhalt verpflichtet gewesen sei. Bei der Witwenrente nach § 14 Pensionsgesetz 1965 handle es sich nicht um ein rein öffentlich-rechtliches Entgelt ohne den Charakter einer Versorgungsleistung. Dass die Witwenpension danach Unterhaltscharakter habe, ergebe sich schon allein aus ihrer ausdrücklichen Bezeichnung als „Versorgungsgenuss“. Die im Pensionsgesetz 1965 normierte Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung eines solchen Versorgungsgenusses diene nicht der Entlastung des Schädigers, sondern der Sicherstellung der Versorgung der Witwe (des Witwers) zur Vermeidung sozialer Härten. Damit liege auch hier ein Fall bloßer Schadensverlagerung vor. Der Schaden der Witwe in Form entgangenen Unterhalts werde insoweit auf die Klägerin verlagert, als diese zur Gewährung eines Versorgungsgenusses verpflichtet sei. Das Fehlen einer entsprechenden Legalzessionsnorm im Pensionsgesetz 1965 sei daher als planwidrige Lücke anzusehen, die in Analogie zu § 332 ASVG und § 125 B-KUVG zu schließen sei. Damit sei der Anspruch der Witwe auf Ersatz des entgangenen Unterhalts im Rahmen des Deckungsfonds auf die Klägerin übergegangen, soweit diese zur Zahlung eines Witwenversorgungsgenusses nach § 14 Pensionsgesetz 1965 (zuzüglich Nebengebührenzulage) verpflichtet sei.

3. Nach jüngerer ständiger Rechtsprechung beginne die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB im Fall der Legalzession nach § 332 ASVG für den Sozialversicherungsträger erst dann zu laufen, wenn er selbst die Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt habe oder erlangen hätte können. Auf den Kenntnisstand des bei dem Unfall Verletzten (oder des Hinterbliebenen) komme es nicht an (RIS-Justiz RS0116986; 2 Ob 238/02t). Damit wäre der Anspruch nicht verjährt, wenn der BVA-Pensionsservice - wie von der Klägerin behauptet - erst mit E-Mail des Landespolizeikommandos Vorarlberg vom 31. 5. 2007 Kenntnis von der Tatsache erlangt habe, dass es sich beim Tod des Polizeibeamten um einen fremdverschuldeten Unfall gehandelt habe und die Beklagte mit Schreiben vom 7. 5. 2010 bis 31. 12. 2010 auf den Einwand der Verjährung verzichtet habe.

Bei einer Gebietskörperschaft komme es für den Beginn der Verjährungsfrist auf den Wissensstand des zuständigen Referatsleiters an (6 Ob 602/87 = SZ 60/204). Der Kenntnisstand der Mitarbeiter der für Leistungen nach dem B-KUVG zuständigen BVA-Hauptstelle, die den Bescheid vom 11. 4. 2007 betreffend die Zuerkennung einer Witwenrente nach dem B-KUVG erlassen habe, sei daher den für das Verfahren für Leistungen nach dem Pensionsgesetz 1965 zuständigen Mitarbeitern des BVA-Pensionsservices nicht zuzurechnen. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen und des unstrittigen Sachverhalts sei der Klagsanspruch nicht verjährt.

4. Die Klägerin sei somit zur Geltendmachung der analog § 332 ASVG und § 125 B-KUVG auf sie übergegangenen Schadenersatzansprüche der Witwe aktiv legitimiert. Da das Erstgericht hinsichtlich der weiteren Anspruchsgrundlagen noch keine ausreichenden Feststellungen getroffen habe und die Sache insbesondere auch hinsichtlich des Verjährungseinwands noch nicht spruchreif sei, sei das Verfahren ergänzungsbedürftig.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen nicht vorliege,

1. ob der auf entgangenen Unterhalt gerichtete Schadenersatzanspruch des überlebenden Ehegatten eines bei einem Dienstunfall getöteten Beamten analog § 332 ASVG und § 125 B-KUVG auf die Republik Österreich übergehe, wenn der überlebende Ehegatte Anspruch auf einen Versorgungsgenuss nach §§ 14 f Pensionsgesetz 1965 habe, und

2. ob die Republik Österreich oder im Hinblick auf das BPAÜG die BVA zur klageweisen Geltendmachung eines solchen Anspruchs legitimiert sei.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben, hilfsweise ihn mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof erachtet die Begründung des angefochtenen Beschlusses für zutreffend, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 iVm § 528a ZPO).

2. Die dagegen im Rekurs vorgetragenen (teilweise neuen) Argumente sind nicht stichhaltig.

2.1. Zur Aktivlegitimation wiederholt die Rekurswerberin lediglich die schon vom Berufungsgericht widerlegten Gründe ihrer Berufungsbeantwortung.

2.2. Zur analogen Anwendung der Legalzessionsnormen (§ 332 ASVG, § 125 B-KUVG):

2.2.1. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgesprochen hat, ist nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung die Lohnfortzahlungsjudikatur und die analoge Anwendung des § 332 ASVG auch bei öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen anwendbar (2 Ob 323/97g = SZ 70/221 = RIS-Justiz RS0108855; RS0043287 [T6]; RS0105072; vgl 2 Ob 366/99h). Daran ist festzuhalten.

2.2.2. Die von der Rekurswerberin ins Treffen geführte Entscheidung 2 Ob 184/99v ist nicht einschlägig: Dort ging es nicht um eine Berufsunfähigkeitspension oder - wie hier - einen Witwenversorgungsgenuss, sondern um eine reguläre Alterspension. Der Oberste Gerichtshof führte daher in dieser Entscheidung aus, ein in den „Lohnfortzahlungsfällen“ zu beurteilender Sachverhalt (wie im vorliegenden Fall) liege nicht vor.

2.2.3. Auch aus der Entscheidung 10 ObS 22/11z ist für die Rechtsposition der Rekurswerberin nichts zu gewinnen, da sich in dieser Entscheidung der Oberste Gerichtshof nur mit der hier irrelevanten Frage auseinandersetzt, warum geschiedene Ehegatten sozialversicherungsrechtlich anders als Ehegatten in aufrechter Ehe zu behandeln sind.

2.2.4. Die von der Rekurswerberin zitierte Rechtsprechung des VfGH (VfSlg 16.923; 17.684 ua) spricht zusammengefasst nur aus, dass inhaltliche Regelungen der Pensionssysteme der Beamten einerseits und der unselbständig Erwerbstätigen andererseits nicht miteinander verglichen werden können. Auch daraus ist für die Rekurswerberin nichts zu gewinnen.

2.3. Zum Beginn der Verjährungsfrist:

2.3.1. Soweit sich die Rekurswerberin daran stößt, dass das Berufungsgericht seine diesbezüglichen Rechtsausführungen teilweise im Konjunktiv („... wäre der Anspruch nicht verjährt ...“) gehalten hat, ist aus der berufungsgerichtlichen Begründung durchaus deutlich erkennbar, dass das Berufungsgericht eine abschließende rechtliche Beurteilung der Verjährungsfrage mangels hinreichender Feststellungen für derzeit noch nicht möglich erachtet hat.

2.3.2. Abermals meint die Rekurswerberin, die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB habe spätestens am 11. 4. 2007, dem Datum des Bescheids der BVA über die Witwenrente nach dem B-KUVG, begonnen. Auch diesbezüglich wird auf die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichts verwiesen: Der Bescheid über die Zuerkennung einer Witwenrente nach dem B-KUVG wurde von der BVA im eigenen Wirkungsbereich erlassen („BVA-Hauptstelle“). Der hier geltend gemachte Regress betrifft hingegen den erst mit Bescheid der BVA vom 9. 8. 2007 zuerkannten Witwenversorgungsgenuss nach dem Pensionsgesetz 1965. Diesbezüglich handelte eine andere Stelle der BVA („BVA-Pensionsservice“) im (vom Bund) übertragenen Wirkungsbereich. Nach der schon vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung kommt es diesfalls für den Beginn der Verjährungfrist nur auf die Kenntnis des zuständigen Referatsleiters des BVA-Pensionsservices, nicht hingegen der BVA-Hauptstelle an (SZ 60/204; vgl RIS-Justiz RS0009172).

3. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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