OGH 7Ob189/12p

OGH7Ob189/12p23.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Heinrich Rösch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 30.925,09 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 14. Mai 2012, GZ 11 R 60/12t‑13, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. Jänner 2012, GZ 16 Cg 149/11s‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.751,04 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

2003 wollte M***** U***** mit einem von der Klägerin gewährten Kredit den Erwerb einer Eigentumswohnung finanzieren. Er vereinbarte mit der Klägerin, dass er ihr seine Erbansprüche aus den anhängigen Verlassenschaftsverfahren nach seiner Mutter und seinem Vater, in denen noch keine Erbantrittserklärungen vorlagen, abtritt. Rechtsanwalt Dr. J***** K*****, der bei der Beklagten berufshaftpflichtversichert war, wurde beauftragt, eine entsprechende Erklärung zu formulieren.

Er verfasste folgendes Schriftstück: „Abtretungserklärung, unwiderrufliche Anweisung und Vollmachtserteilung:

1. Herr M***** U***** (...) tritt seinen Erbanspruch aus den beiden (...) Verlassenschaftsverfahren bis zur Höhe des tatsächlich von der B***** Aktiengesellschaft (der Rechtsvorgängerin der Klägerin) zwischenfinanzierten Betrags bestehend aus Kaufpreis, Nebengebühren und Kosten unwiderruflich zur Einziehung und Befriedigung an die B***** Aktiengesellschaft ab.

2. Herr M***** U***** (...) bevollmächtigt ausdrücklich Herrn Rechtsanwalt Dr. J***** K***** und weist ihn unwiderruflich an, einerseits den Herrn M***** U***** (...) aus den beiden (...) Verlassenschaftsverfahren zukommenden Erbanteil in barem Geld treuhändig entgegenzunehmen und treuhändig zu verwahren und wird Herr Rechtsanwalt Dr. J***** K***** (...) unwiderruflich angewiesen, von dem sodann treuhändig verwalteten Erbteil aus den beiden oben angeführten Verlassenschaftsverfahren die zum Abrechnungsstichtag offene Forderung der B***** Aktiengesellschaft, *****, inklusive Zinsen und Kosten zu befriedigen.“

M***** U***** unterschrieb diese Erklärung am 16. 4. 2003, seine Unterschrift wurde notariell beglaubigt.

Die Klägerin schloss daraufhin mit M***** U***** einen Girokontovertrag ab und gewährte ihm einen Überziehungskredit. Nach der Abtretung kam es zur exekutiven Pfändung der Erbansprüche von M***** U***** im Ausmaß von 30.925,09 EUR durch die A***** AG. Deren Rechtsvertreter vertrat gegenüber der Klägerin die Ansicht, dass die Abtretung der Erbansprüche gemäß § 1278 Abs 2 ABGB in Form eines Notariatsakts hätte errichtet werden müssen, weshalb die Klägerin keinen Rangvorrang habe und die exekutive Pfändung durch die A***** AG vorgehe. Der Rechtsanwalt, bei dem die ererbten Beträge treuhändig erlagen, wurde daraufhin angewiesen, einen Teilbetrag von 30.925,09 EUR an die A***** AG und den Restbetrag an die Klägerin zu überweisen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 11. 1. 2009 wurde über das Vermögen von Rechtsanwalt Dr. J***** K***** das Konkursverfahren eröffnet. Die Klägerin meldete in diesem Insolvenzverfahren am 19. 8. 2009 ihre Forderung von 30.925,09 EUR als Konkursforderung an und machte das Absonderungsrecht aus der Entschädigungsforderung des Rechtsanwalts gegen die Beklagte als dessen Haftpflichtversicherer geltend. Die Forderung und das Absonderungsrecht wurden von Dr. J***** K***** und vom Insolvenzverwalter anerkannt, die Forderung der Klägerin wurde daher im Konkursverfahren in Höhe des Klagsbetrags rechtskräftig festgestellt.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 7. 10. 2010 wurde der Klägerin zur Hereinbringung der Forderung von 30.925,09 EUR gegen Dr. J***** K***** die Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung dessen gegen die Beklagte zustehende Forderung auf den haftpflichtversicherungsrechtlichen Befreiungsanspruch auf Grund des Versicherungsvertrags bewilligt.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 30.925,09 EUR. Dr. J***** K***** habe ihr einen Schaden in Höhe dieses Betrags verursacht, weil er bei der Verfassung der Abtretungserklärung der Erbansprüche von M***** U***** an die Klägerin die Notariatsaktspflicht nicht beachtet habe. Nur deshalb sei die spätere exekutive Pfändung durch die A***** AG der Forderung der Klägerin vorgegangen. Diesen Rechtsstandpunkt der A***** AG habe die Klägerin nach Prüfung als richtig erkannt. Im Konkursverfahren sei die Schadenersatzforderung vom Masseverwalter und von Dr. J***** K***** anerkannt und vom Gericht rechtskräftig festgestellt worden.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Bei der Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem Kreditnehmer handle es sich weder um einen Erbschaftskauf noch sonst um eine Verfügung über die Erbrechte, sondern nur um die teilweise Abtretung der Erbansprüche an die Klägerin. Damit liege eine Zession vor. Für die Gültigkeit dieser Vereinbarung sei die Errichtung eines Notariatsakts nicht erforderlich gewesen. Im Konkurs sei die Forderung der Klägerin ohne vorherige Rücksprache mit der Beklagten anerkannt worden. Dies ziehe gemäß Art 5.3. lit c der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Vertragsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV) ihre Leistungsfreiheit nach sich.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt. Die Abtretungserklärung hätte, um wirksam zu sein, in Form eines Notariatsakts errichtet werden müssen, was einem objektiven, rechtlich durchschnittlich versierten Beobachter auch habe bewusst sein müssen. Die Anerkennung der von der Klägerin im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderung sei somit nicht offenbar unbillig und daher nicht vom Haftungsausschluss gemäß Art 5.3. lit c AVBV umfasst.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Die in § 1278 Abs 2 ABGB normierte Formpflicht (Aufnahme eines Notariatsakts oder Beurkundung durch gerichtliches Protokoll) gelte nach dem Wortlaut des Gesetzes für den Erbschaftskauf. Unter Berücksichtigung des Regelungszwecks werde der Formzwang nach der Rechtsprechung auf jede rechtsgeschäftliche Verfügung über das angefallene Erbrecht erstreckt, ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund. Die hier zu beurteilende Vereinbarung betreffe die Abtretung des Erbanspruchs zur Einziehung und Befriedigung an die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin, wobei aber der Zedent Partei des Verlassenschaftsverfahrens geblieben sei. Eine Abtretung sei, wenn das Grundgeschäft der Zession nicht formbedürftig sei, auch formfrei möglich und zulässig. Ob auch das hier zu beurteilende Rechtsgeschäft in analoger Anwendung des § 1278 Abs 2 ABGB auf Grund des dargestellten Zwecks der Regelung der dort normierten Formpflicht unterliege, müsse nicht geklärt werden, weil sich die Beklagte zu Recht auf die Verletzung der in Art 5.3. lit c AVBV geregelten Obliegenheit berufe und deshalb Leistungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen könne. Zu prüfen sei, ob der Versicherungsnehmer Dr. J***** K***** nach den Umständen die Anerkennung die Forderung der Klägerin nicht ohne offenbare Unbilligkeit hätte verweigern können. Bei dem hier zu beurteilenden Fall sei der Rechtsstandpunkt, dass die von Dr. J***** K***** verfasste Abtretungserklärung nicht der Formvorschrift des § 1278 Abs 2 ABGB unterliege, keineswegs rechtlich derart unhaltbar, dass die damit begründete Ablehnung des Versicherungsanspruchs durch die Beklagte jedem juristisch nur halbwegs Versierten geradezu absurd erscheinen müsste. Zu Recht berufe sich die Beklagte daher auf ihr Leistungsverweigerungsrecht nach Art 5.3. lit c der AVBV.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Die Behandlung der Revision in der Sache ist ein Gebot der Rechtssicherheit (§ 502 Abs 1 ZPO).

1. Gemäß § 154 Abs 1 VersVG hat der Versicherer die Entschädigung binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an zu leisten, in welchem der Dritte vom Versicherungsnehmer befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder durch Vergleich festgestellt worden ist.

2. Nach dem dem § 154 Abs 2 VersVG folgenden Artikel 5.3. lit c AVBV ist der Versicherungsnehmer nicht berechtigt, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers einen Haftpflichtanspruch ganz oder zum Teil vergleichsweise anzuerkennen oder zu befriedigen. Bei Zuwiderhandlung ist der Versicherer von der Leistungspflicht frei, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer nach den Umständen die Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte. Durch die irrtümliche Annahme des Vorliegens einer gesetzlichen Haftpflicht oder der Richtigkeit der erhobenen Ansprüche oder der behaupteten Tatsachen wird der Versicherungsnehmer nicht entschuldigt.

2.1 Die Klägerin argumentiert, Art 5.3. lit c AVBV komme bereits deshalb nicht zur Anwendung, weil der Versicherungsnehmer der Beklagten ihre Schadenersatzansprüche nicht vergleichsweise anerkannt habe. Vielmehr habe der im Konkursverfahren des Versicherungsnehmers bestellte Insolvenzverwalter die von der Klägerin angemeldete Forderung geprüft und anerkannt. Von einem Feststellungsvertrag im Sinn eines Anerkenntnisses könne keine Rede sein.

2.1.1 Ein Anerkenntnis ist jede Handlung oder Äußerung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Geschädigten, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen eines Anspruchs unzweideutig ergibt (SZ 59/115). Von § 154 Abs 2 VersVG erfasst sind konstitutive, deklaratorische, aber auch prozessuale Anerkenntnisse ( Baumann in Honsell , Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 154 Rz 21, 26; Langheid in Römer/Langheid , VVG 2 § 154 Rz 11, Voit/Knappmann in Prölss/Martin , Versicherungsvertragsgesetz 27 § 154 Rz 10).

Die Forderungsfeststellung nach den §§ 105 bis 109 KO (nunmehr IO) stellt keine Entscheidung dar, weil das Konkursgericht die angemeldete Forderung nicht inhaltlich beurteilen, sondern nur die abgegebenen Prüfungserklärungen beurkunden darf. Die Feststellung ist ein Entscheidungssurrogat, mit dem das in der klagsähnlichen Forderungsanmeldung steckende Rechtsschutzgesuch positiv erledigt wird. Sie weist insofern eine Ähnlichkeit mit dem Prozessvergleich auf. Zur Forderungsfeststellung bedarf es der Präklusion der Gläubigerbestreitung und des Anerkenntnisses des Insolvenzverwalters. Dieses Anerkenntnis ähnelt dem prozessuellen Anerkenntnis des Beklagten, also der Unterwerfung unter die Rechtsschutzbitte ( Konecny in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetz 1 § 109 Rz 3).

Davon ausgehend stellt das Anerkenntnis einer im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderung durch den Insolvenzverwalter auch ein solches im Sinn des § 154 Abs 2 VersVG dar (vgl Baumann aaO, Lücke in Prölss/Martin , Versicherungsvertragsgesetz 28 § 105 Rz 12, BGH vom 17. 3. 2004, IV ZR 268/03).

3. Der geschädigte Dritte hat in der Haftpflichtversicherung ‑ von wenigen Ausnahmen abgesehen ‑ gegen den Versicherer keinen direkten Anspruch, sondern ist auf einen Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer beschränkt. Er kann aber zur Hereinbringung der Schadenersatzforderung ‑ wie hier ‑ im Exekutionsverfahren den Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer pfänden und sich überweisen lassen. Er kann dann vom Versicherer unmittelbar Ersatz verlangen. Dabei tritt er in die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers ein ( Schauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht 3 410 mwN, 7 Ob 241/10g).

3.1 Gemäß § 21a RAO ist jeder Rechtsanwalt verpflichtet, vor Eintragung in die Rechtsanwaltsliste das Bestehen einer Haftpflichtversicherung zur Deckung der aus seiner Berufstätigkeit gegen ihn entstehenden Schadenersatzansprüche nachzuweisen.

In der obligatorischen Haftpflichtversicherung genießt der Geschädigte zusätzlichen Schutz. Hier ist ihm der Versicherer im Rahmen des versicherten Risikos auch dann haftpflichtig, wenn im Verhältnis zum Versicherungsnehmer Leistungsfreiheit besteht (§ 158c VersVG). Der besondere Schutz besteht allerdings nur im Rahmen der obligatorischen Mindestversicherungssumme (§ 158c Abs 3 VersVG).

3.2 Nach § 158c Abs 1 VersVG bleibt die Verpflichtung des Versicherers in Ansehung des Dritten auch dann bestehen, wenn der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei ist. „Leistungsfreiheit“ des Versicherers bedeutet allgemein seine einseitige Befreiung von seiner Einstandspflicht für einen Versicherungsfall. Gemäß § 158c Abs 1 VersVG wird ungeachtet der Leistungsfreiheit des Versicherers im Verhältnis zum Versicherungsnehmer oder Mitversicherten im Verhältnis zwischen Versicherer und geschädigtem Dritten das Bestehen eines Versicherungsanspruchs des Versicherungsnehmers oder Mitversicherten fingiert (7 Ob 108/11z mwN).

Als Fälle der Leistungsfreiheit nach § 158c Abs 1 VersVG, die dem geschädigten Dritten nicht entgegengehalten werden können, sind unter anderem Verstöße gegen das Vergleichs‑ und Anerkenntnisverbot anzusehen ( Beckmann in Honsell , Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 158c Rz 10, Knappmann in Prölss/Martin , Versicherungsvertragsgesetz 27 § 158c Rz 5).

Die Beklagte kann daher der Klägerin Leistungsfreiheit gestützt auf Art 5.3. lit c AVBV nicht entgegenhalten.

4. Nach § 158e Abs 1 Satz 1 VersVG beschränkt sich die Haftung des Versicherers nach § 158c VersVG auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Verpflichtungen zu leisten gehabt hätte, wenn der Dritte die Verpflichtungen nach § 158d Abs 2 und 3 VersVG verletzt. Gemäß § 158e Abs 2 VersVG gilt die Vorschrift des Abs 1 Satz 1 sinngemäß, wenn der Versicherungsnehmer mit dem Dritten ohne Einwilligung des Versicherers einen Vergleich abschließt oder den Anspruch anerkennt; § 154 Abs 2 VersVG ist entsprechend anzuwenden.

4.1 Schließt der Versicherungsnehmer mit dem Dritten ohne Einwilligung des Versicherers einen Vergleich oder erkennt er dessen Anspruch an, entfaltet der Vergleich oder das Anerkenntnis im Deckungsprozess keine Wirkung. Die Rechtslage ist also in diesem Verfahren ohne Berücksichtigung des Vergleichs oder des Anerkenntnisses zu entscheiden. Der Versicherer braucht nur für den Betrag einzustehen, der unabhängig von dem Vergleich oder dem Anerkenntnis geschuldet worden wäre (EvBl 1967/24, VersR 1969, 842; Hübsch in Honsell , Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 158e Rz 25, Knappmann aaO § 158e Rz 9).

4.2 Beim Vergleich oder beim Anerkenntnis bleibt es jedoch dann, wenn sich der Versicherungsnehmer nicht ohne offenbare Unbilligkeit dem Vergleich oder dem Anerkenntnis hätte entziehen können ( Hübsch aaO § 158e Rz 26, Knappmann aaO § 158e Rz 10).

Offenbar unbillig ist, was für jeden anständigen Menschen auf den ersten Blick einen Verstoß gegen die guten Sitten bedeutet. Die vom geschädigten Dritten geltend gemachte Forderung muss offensichtlich begründet sein, sämtliche Tatumstände müssen einwandfrei geklärt sein und für jeden unbefangenen Beurteiler offensichtlich eine Haftung des Versicherungsnehmers begründen (RIS‑Justiz RS0080623).

4.3 Letzteres trifft ‑ wie die folgenden Ausführungen zeigen ‑ nicht zu, sodass ohne Berücksichtigung des Anerkenntnisses zu entscheiden ist.

5. Nach § 9 Abs 1 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die übernommene Vertretung den Gesetzen gemäß zu führen, um die Rechte seiner Parteien gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Anwälte schulden fachgerechte Beratung und Vertretung des Klienten, sie schulden keinen Erfolg, sondern ein sorgfältiges Bemühen.

Im Sinn des § 1299 ABGB hat der Rechtsanwalt den Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen gewöhnlichen Kenntnisse seines Berufs zu vertreten (RIS‑Justiz RS0026584, RS0026349, RS0026419).

Die Beweislast für die Sorgfaltswidrigkeit trifft den Klienten. Er hat die Pflichtverletzung und den dadurch verursachten Schaden zu behaupten und zu beweisen, dabei ist ein konkreter, nicht bloß theoretisch möglicher, Nachteil zu behaupten und zu beweisen. Ihn trifft auch die Behauptungs‑ und Beweislast für den Kausalzusammenhang, wenn es sich um eine Unterlassung handelt (RIS‑Justiz RS0022686). Die Beweislast dafür, dass der Schaden bei gebotenem Verhalten nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten selbst im Fall der Anwendbarkeit des § 1298 ABGB (RIS‑Justiz RS0022900).

6. Gegenstand des Erbschaftskaufs nach § 1278 Abs 1 ABGB ist die entgeltliche Veräußerung des Erbrechts (oder eines Bruchteils davon) zwischen Erbanfall und Einantwortung.

Beim Erbschaftskauf im Sinn der §§ 1278 ff ABGB wird nicht die Verlassenschaft oder ein Teil davon gekauft, sondern das subjektive Erbrecht des Verkäufers, also sein Recht zum Erwerb zwischen Erbanfall und Einantwortung. Der Erbrechtskäufer erwirbt dabei das Erbrecht des Erbrechtsverkäufers so wie es dieser besessen hat. Er übernimmt damit die Erbschaft in dem Stand, in dem sie sich befindet (RIS‑Justiz RS0025410) und tritt in dieses Erbrecht zur Gänze ein. In weiterer Folge wird dann auch der Erbrechtskäufer, der insgesamt in die Position des Veräußerers eintritt, als Erbe Universalsukzessor des Erblassers (7 Ob 142/00h mwN, Binder in Schwimann , ABGB 3 § 1278 Rz 13, Karner in KBB 3 §§ 1278 bis 1281 Rz 4 f).

Die unentgeltliche Veräußerung des Erbrechts ist Erbschaftsschenkung, auf die die §§ 1278 ff ABGB analog anzuwenden sind. Eine Entschlagung des Erben zu Gunsten von Personen, die bei seinem Wegfall nicht ohnedies zu Erben berufen wären, kann eine (entgeltliche oder unentgeltliche) Erbrechtsveräußerung sein. Auch die nach dem Anfall des Erbrechts und vor Einantwortung getroffene Vereinbarung zwischen Vorerben und Nacherben, die volle Nacherbschaft in eine solche auf den Überrest umzuwandeln, ist § 1278 ABGB zu unterstellen (6 Ob 136/07d mwN).

6.1 Gemäß § 1278 Abs 2 ABGB bedarf der Erbschaftskauf eines Notariatsakts oder eines gerichtlichen Protokolls. In Rechtsprechung und Lehre wird diese Formvorschrift auf jede ‑ ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund ‑ rechtsgeschäftliche Verfügung über das angefallene Erbrecht erstreckt (RIS‑Justiz RS0022350). Formpflichtig sind auch jene Verträge, durch die sich der Erbe zu einer solchen Verfügung verpflichtet.

6.2 Die vom Versicherungsnehmer der Beklagten Dr. J***** K***** verfasste „Abtretungserklärung, unwiderrufliche Anweisung und Vollmachtserteilung“ sah die Abtretung des Erbanspruchs des Kreditnehmers der Klägerin zur Einziehung und Befriedigung des von der Klägerin zwischenfinanzierten Betrags vor. Der Kreditnehmer der Klägerin bevollmächtigte Dr. J***** K*****, den ihm zustehenden Erbanteil in barem Geld entgegenzunehmen und aus dem treuhändig verwalteten Erbanteil die offene Forderung der Klägerin zu befriedigen.

Durch diese Vereinbarung wurde die Erbrechtsberechtigung nicht verändert. Die Klägerin sollte gerade nicht als Erbin anstelle ihres Kreditnehmers in die Abhandlungsverfahren eintreten, vielmehr sollte, entsprechend der Rechtslage, ihrem Kreditnehmer eingeantwortet werden und die aus seiner Erbschaft erzielten Bargeldbeträge sollten sodann zur Befriedigung der offenen Kreditforderung der Klägerin dienen. Daraus folgt auch, dass darüber hinausgehende ererbte Bargeldbeträge an den Erben ausbezahlt werden sollten.

Bei dieser von der Klägerin mit ihrem Kreditnehmer getroffenen Vereinbarung handelt es sich gerade nicht um eine Verfügung über das Erbrecht in dem Sinn, dass die Erbrechtsberechtigung verändert werden sollte, sodass die Wirksamkeit dieser Vereinbarung auch nicht der Formvorschrift des § 1278 Abs 2 ABGB zu unterstellen ist.

6.3 Die Abtretung künftiger Forderungen ist zulässig, wenn diese ausreichend nach Rechtsverhältnis und Person individualisiert sind (RIS‑Justiz RS0032827 [T6]). Die Abtretung künftiger Forderungen darf auch in Form einer Globalzession erfolgen, sofern nur dem Erfordernis der ausreichenden Individualisierung entsprochen wird (RIS‑Justiz RS0032906 [T6]).

6.3.1 Mit der vorliegenden Vereinbarung wurden die sich ‑ künftig ‑ aus der Einantwortung ergebenen materiell‑rechtlichen (Bargeld‑)Ansprüche (vgl 3 Ob 45/84, 2 Ob 156/00f) des Kreditnehmers der Klägerin an die Klägerin zur Einziehung und Befriedigung deren Kreditforderung abgetreten.

6.3.2 Zu prüfen ist, ob die Formvorschrift des § 1278 Abs 2 ABGB auf eine solche Vereinbarung anzuwenden ist.

Die analoge Erstreckung eines Formgebots hängt von seinen Zwecken ab (RIS‑Justiz RS0031424, RS0071185).

Nach den Materialien bezweckt die in § 1278 Abs 2 ABGB vorgesehene Form die Klarstellung der Rechtslage gegenüber Dritten und die Klarstellung der Formgleichheit zwischen Erbverzicht (§ 551 ABGB) und Erbschaftskauf. Formzweck ist auch der Übereilungsschutz für die Beteiligten (RIS‑Justiz RS0041430).

Unter dem Gesichtspunkt der Übereilungsgefahr ist der Kreditnehmer, der seine Stellung als Erbe behält und lediglich seine sich dann aus der Einantwortung ergebenden materiell‑rechtlichen Ansprüche zur Befriedigung seiner Kreditgeberin abtritt, nicht gleich einem Erbschaftsverkäufer oder Erbrechtsschenker, der seines Erbrechts verlustig wird, schutzbedürftig. Auch unter dem Blickwinkel des Formzwecks und der Harmonisierung mit der Form des Erbverzichts liegt hier eine entsprechende Anwendung des § 1278 Abs 2 ABGB nicht nahe, weil eben kein Verzicht auf das Erbrecht erfolgt. Aus diesem Grund ergibt sich auch nicht die Notwendigkeit der besonderen Form unter dem Aspekt der Beweissicherung zur Klarstellung gegenüber Dritten; eine Änderung der Erbberechtigung im Verhältnis zur tatsächlichen Rechtslage trat nicht ein.

Das Formgebot des § 1278 Abs 2 ABGB ist demnach nicht analog auf die vorliegende Vereinbarung zu erstrecken.

6.4 Bei mehrfacher Abtretung derselben Forderung an verschiedene Übernehmer geht die ältere Abtretung vor. Dabei ist maßgebend, welcher Abtretungsvertrag zuerst geschlossen wurde, gleichgültig von welcher Abtretung der Schuldner zuerst verständigt wird. Nur die zeitlich erste Abtretung ist wirksam (RIS‑Justiz RS0032538, RS0032531). Eine nochmalige Zession derselben Forderung verschafft dem zweiten Zessionar selbst dann kein Recht an der bereits wirksam abgetretenen Forderung, wenn er von der ersten Abtretung nichts weiß (7 Ob 83/03m). Durch die zeitlich frühere Abtretung scheidet nämlich die Forderung aus dem Vermögen des Überträgers aus und geht in das Vermögen des Übernehmers über, womit sich die Rechtszuständigkeit ändert. Der zweite Zessionar kann kein Recht aus der Forderung erwerben (7 Ob 269/05t mwN).

Der Klägerin wurden die sich aus der Einantwortung ergebenden materiell‑rechtlichen Ansprüche ‑ mangels Formgebots ‑ wirksam zuerst abgetreten.

Durch die Pfändung einer Forderung und durch die Überweisung derselben zur Einziehung wird die Verfügungsgewalt des Verpflichteten eingeschränkt, die Forderung bleibt aber ihrem Inhalt und Rechtsgrund nach dieselbe (RIS‑Justiz RS0003855). Die Überweisung zur Einziehung berechtigt den betreibenden Gläubiger lediglich, die Forderung so geltend zu machen, wie sie dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner zusteht; die Rechtsstellung des Drittschuldners bleibt unverändert (RIS‑Justiz RS0003861). Die A***** AG hat durch die Pfändung und Überweisung die Forderung nur so erhalten, wie sie dem Schuldner zustand, nämlich behaftet mit der Zession an die Klägerin, die damit vorging.

7. Das von der Klägerin geltend gemachte Fehlverhalten des Versicherungsnehmers der Beklagten, die Vereinbarung nicht in Form eines Notariatsakts zu errichten, lag demnach nicht vor, ihr darauf gegründeter Ersatzanspruch war abzuweisen.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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