OGH 3Ob207/12f

OGH3Ob207/12f19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei J*****, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Anfechtung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. September 2012, GZ 1 R 63/12h-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 27. Jänner 2012, GZ 1 Cg 30/11w-11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit der vorliegenden Anfechtungsklage ficht die klagende Bank ein der Beklagten von ihrem Ehegatten eingeräumtes Belastungs- und Veräußerungsverbot an dessen Liegenschaftsanteilen nach § 2 Z 3 AnfO an. Dieser, der Ehegatte der Beklagten, ist aufgrund der Übernahme der Haftung als Bürge und Zahler für einen (s)einem Unternehmen (GmbH & Co KG) gewährten Kredit (weiterer) Personalschuldner der Klägerin. Die Beklagte treffe (nur) Pfandhaftungen.

Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt. In ihrer außerordentlichen Revision stellt die Beklagte die von den Vorinstanzen angenommene Benachteiligungsabsicht des Schuldners ausdrücklich nicht mehr in Frage, sondern spricht nur die Anfechtungskriterien der Befriedigungstauglichkeit (hier: Befriedigungsverletzung) und ihrer Kenntnis von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners an. Der Beklagten gelingt es aber aus folgenden, kurz darzulegenden Gründen (§ 510 Abs 3 ZPO) nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weshalb die Revision als nicht zulässig zurückzuweisen ist.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Anfechtungsbefugnis eines Gläubigers, dessen Forderung vollstreckbar ist, setzt nach § 8 Abs 1 AnfO auch voraus, dass die Exekution in das Vermögen des Schuldners nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder die Aussichtslosigkeit einer noch nicht durchgeführten Exekution vorauszusehen ist. Die Befriedigungsverletzung besteht damit in der Fruchtlosigkeit oder Aussichtslosigkeit der Exekution gegen den Schuldner; es muss also die Forderung vollstreckbar und uneinbringlich sein (RIS-Justiz RS0050585 [T1]). Die Behauptungs- und Beweislast trifft den Anfechtungskläger. Die Uneinbringlichkeit ist dabei entweder aus der Ergebnislosigkeit der schon betriebenen Exekution oder aus der vorhersehbaren Aussichtslosigkeit einer erst zu betreibenden Exekution zu erschließen. Der Beweis einer Befriedigungsverletzung ist schon dann als erbracht anzusehen, wenn die Aussichtslosigkeit der anstehenden Exekutionsführung wahrscheinlich ist (RIS-Justiz RS0086611). Der Gläubiger muss eine voraussichtliche erfolglose Exekution nicht etwa dazu betreiben, um dadurch den Beweis der Uneinbringlichkeit anzutreten (RIS-Justiz RS0050303). Der Gläubiger, der voraussichtlich nicht ganz durch Exekution befriedigt werden kann, braucht die Exekution nicht vorzunehmen, sondern kann anfechten; die Anfechtung wird weder durch die Möglichkeit einer Teilbefriedigung aus dem Vermögen des Schuldners noch auf den voraussichtlich ungetilgten Rest aus der Exekution beschränkt (RIS-Justiz RS0050296 [T1 und T2]). Die Frage nach der Befriedigungsverletzung ist nach dem Zeitpunkt der Klageerhebung zu beurteilen (RIS-Justiz RS0050585).

1.2. Der Gesamtbetrag der vollstreckbaren Forderungen der Klägerin gegen den Schuldner am Tag der Klageeinbringung (24. Februar 2011) machte einschließlich Zinsen und Prozesskosten 457.062,64 EUR aus; eine Fahrnisexekution ua gegen den Schuldner erbrachte einen Verkaufserlös von 81.473,35 EUR; der Verkehrswert der von der Beklagten verpfändeten Liegenschaften beträgt 85.030 EUR und 124.005 EUR, ein von der Beklagten verpfändetes Sparbuch wies ein Guthaben von 92.280,29 EUR auf und der Wert des von der Beklagten ebenso verpfändeten Wertpapierdepots erreichte 49.790,56 EUR. Damit steht der vollstreckbaren Forderung der Klägerin ein Befriedigungsfonds beim Schuldner und der Beklagten von zusammen nur 432.579,20 EUR gegenüber. Selbst wenn man nicht nur auf das in § 8 Abs 1 AnfO genannte Vermögen des Schuldners, sondern auch auf jenes von Mitschuldnern (hier der Beklagten wegen der von ihr übernommenen Sachhaftungen) abstellt (so wohl 7 Ob 765/79; vgl aber ZBl 1930/252), erscheint somit die Aussichtslosigkeit der vollständigen Befriedigung der Klägerin im Fall einer Exekutionsführung auf alle diese Vermögenswerte zumindest wahrscheinlich. Damit ist aber vom der Klägerin gelungenen Nachweis der Befriedigungsverletzung auszugehen.

1.3. Der von der Beklagten bekämpften - weil ihrer Meinung nach auf aktenwidriger Grundlage getroffenen - Feststellung, bei Klagseinbringung habe zu Gunsten der Klägerin gegen ua den Schuldner eine durch Pfandbestellungen sichergestellte (gemeint: zum Teil noch nicht vollstreckbare) Forderung von 954.028,52 EUR bestanden, kommt daher keine rechtliche Bedeutung zu. Eine Befriedigungsverletzung ist ja schon auf der Grundlage der titulierten Forderung der Klägerin zu bejahen.

Schon deshalb muss der von der Beklagten erhobene Vorwurf der - relevanten - Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsurteils verneint werden (RIS-Justiz RS0043265; RS0116273).

1.4. Die Anfechtung ist befriedigungstauglich, wenn die Beseitigung der Rückwirkungen der Schuldnerhandlung die Befriedigungsaussichten des Anfechtungsklägers zu fördern im Stande ist. Es genügt dabei, dass die damit bewirkte Verbesserung der Befriedigungsaussichten wahrscheinlich ist. Jede Erweiterung der Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers auf das Schuldnervermögen ist grundsätzlich als befriedigungstauglich anzusehen; im Zweifel ist zu Gunsten der Anfechtung zu entscheiden (3 Ob 216/10a mwN; RIS-Justiz RS0050667 [T2]).

Für Zweifel an der Befriedigungstauglichkeit im Sinn der durch die erfolgreiche Anfechtung erleichterten Zugriffsmöglichkeit der Klägerin auf das in geldlastenfreien Liegenschaftsanteilen bestehende weitere Schuldnervermögen besteht beim vorliegenden Sachverhalt kein Anlass.

2.1. Die Beklagte erblickt eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Zusammenhang mir der vom Berufungsgericht übernommenen Feststellung des Erstgerichts: „Ob der Beklagten zur Zeit der Einräumung der Belastungs- und Veräußerungsverbote am 26. Juni 2009 die tatsächliche Benachteiligungsabsicht des [Schuldners] nicht bekannt war, ist nicht feststellbar.“ Ob eine Benachteiligungsabsicht bekannt war, ist eine Tatfrage (RIS-Justiz RS0050580 [T2]).

2.2. Grundsätzlich kann mit der Behauptung einer unzureichenden Beweiswürdigung der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht dargetan werden, sofern sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt befasst und nachvollziehbare - wenn auch gegebenenfalls nur kurz begründete - Erwägungen dazu angestellt hat (RIS-Justiz RS0043371).

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, das Berufungsgericht habe sich mit ihrer „Feststellungsrüge“, dass sie nicht in Kenntnis einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners gewesen sei, und den dazu von ihr begehrten Feststellungen nicht auseinandergesetzt. Vielmehr hat das Berufungsgericht ausdrücklich dazu Stellung genommen (Berufungsurteil S 7 oben), allerdings nicht mit dem von der Beklagten angestrebten Ergebnis. Dieses ist aber vom Revisionsgericht nicht zu überprüfen, weil der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist.

2.3. Wegen der Beweislastumkehr nach § 2 Z 3 AnfO besteht das Anfechtungsrecht, wenn unklar bleibt, ob der nahe Angehörige die Benachteiligungsabsicht des Schuldners gekannt hat (oder - bei Unkenntnis - hat kennen müssen); verbleibende Zweifel gehen daher zu Lasten des Anfechtungsgegners (RIS-Justiz RS0050759; RS0050764 [T1]). Die wiedergegebene Negativfeststellung des Erstgerichts bedeutet daher, dass bei der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts von der Kenntnis der Beklagten um die Benachteiligungsabsicht ihres Ehegatten auszugehen ist.

Die Rechtsfrage, ob die Unkenntnis der Beklagten davon als Fahrlässigkeit vorwerfbar ist (RIS-Justiz RS0050580), stellt sich daher gar nicht. Darauf zielen aber die von der Beklagten angestrebten Ersatzfeststellungen ab.

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