OGH 12Os155/12d

OGH12Os155/12d13.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fruhmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Imran I***** und Tamerlan S***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 31. Mai 2012, GZ 34 Hv 41/12k-55, weiters über die Beschwerden der Angeklagten gegen unter einem gemäß § 494a StPO gefasste Beschlüsse nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Imran I***** und Tamerlan S***** des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt.

Danach haben Imran I***** und Tamerlan S***** bzw hat Imran I***** - zusammengefasst wiedergegeben - in I*****

I./ von Anfang Juni 2009 bis Anfang April 2010 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) auch mit dem abgesondert verfolgten Vachit M***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig Manuel W***** längere Zeit hindurch durch Gewalt und gefährliche Drohung mit zumindest einer Körperverletzung zu Handlungen genötigt und zu nötigen versucht, durch welche Manuel W***** bzw dessen Großmutter am Vermögen geschädigt wurden und werden sollten, indem sie in insgesamt sechs, im Urteil näher beschriebenen Angriffen Bargeld und Mobiltelefone verlangten;

II./ Imran I***** Mitte August 2010 und Mitte September 2010 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Manuel W***** durch gefährliche Drohungen mit zumindest einer Körperverletzung zu Handlungen genötigt, die diesen bzw dessen Großmutter am Vermögen schädigten, nämlich zur Übergabe von Bargeld und einem Mobiltelefon;

III./ Imran I***** und Tamerlan S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) am 31. Oktober 2009 Manuel W***** eine Packung Zigaretten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten, wobei sich der Erstangeklagte auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO, der Zweitangeklagte auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO stützt. Beide verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Imran I*****:

Die vorwiegend das Aussageverhalten des Zeugen Manuel W***** thematisierende Mängelrüge verkennt, dass der aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431). Im Übrigen hat sich das Erstgericht mit den Aussagen dieses Zeugen auseinander gesetzt und dargelegt, aus welchem Grund es diesen - ungeachtet der Abweichungen in seinen Depositionen - Glaubwürdigkeit zuerkannt hat (US 10-11).

Die gesetzmäßige Ausführung einer Subsumtionsrüge (Z 10) hat den gesamten Urteilssachverhalt zu Grunde zu legen und demnach auch die im Urteil in Ansehung der subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen (RIS-Justiz RS0099724, RS0099810).

Indem der Beschwerdeführer bei der Bekämpfung der rechtlichen Unterstellung der ihm angelasteten Taten (auch) unter § 145 Abs 2 Z 1 StGB die Urteilskonstatierungen zur subjektiven Tatseite und zur Gewerbsmäßigkeit im Besonderen (US 9) außer Acht lässt und lediglich die auf gewerbsmäßige Begehung gerichtete Absicht in Abrede stellt, verfehlt er mangels Orientierung am festgestellten Sachverhalt die prozessordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tamerlan S*****:

Insoweit auch der Zweitangeklagte die unterschiedlichen Aussagen des Zeugen W***** in den Mittelpunkt der Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) stellt und argumentiert, die Unwahrheit dessen Angaben vor der Polizei stünde „als ziemlich wahrscheinlich fest“, W***** sei vorbestraft und bewege sich in einem zweifelhaften Milieu, ist er auf das bei Erledigung der Mängelrüge des Erstangeklagten Ausgeführte zu verweisen. Insgesamt bekämpft auch der Zweitangeklagte nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld bloß die erstrichterliche Beweiswürdigung, ohne Begründungsdefizite aufzuzeigen.

Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht eröffnet (vgl RIS-Justiz RS0119583). Die Tatsachenrüge wiederholt im Wesentlichen die bereits in der Mängelrüge dargestellten Einwände gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Manuel W*****, ohne damit derartige sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden Tatsachen zu erwecken. Der Zweifelsgrundsatz schließlich kann niemals Gegenstand der formellen Nichtigkeitsgründe der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO sein (RIS-Justiz RS0102162).

Auch der Zweitangeklagte ist darauf zu verweisen, dass die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung hat (RIS-Justiz RS0099810).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) interpretiert die Verfahrensergebnisse eigenständig dahingehend, wie im Milieu des Opfers Äußerungen aufzufassen wären und übergeht dabei die entgegenstehenden Konstatierungen (US 9). Sie entspricht damit ebensowenig oben genannten Anforderungen, wie die Subsumtionsrüge (Z 10), die darzulegen hätte, weshalb die Unterstellung der Tat durch das Erstgericht rechtlich unrichtig ist und der festgestellte Sachverhalt vielmehr eine andere, konkret zu bezeichnende strafbare Handlung begründet (RIS-Justiz RS0099984, RS0118415). Die Beschwerde stellt aber bloß die Behauptung auf, die Taten wären nicht „§§ 144, 145 StGB“ zu unterstellen, ohne auf die Feststellungen und deren behauptete Fehlerhaftigkeit Bezug zu nehmen und ohne auszuführen, welche weiteren Konstatierungen aus ihrer Sicht erforderlich gewesen wären.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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