OGH 6Ob126/12s

OGH6Ob126/12s16.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff ‑ Rami ‑ Sommer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei „Ö*****“ ‑ ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. April 2012, GZ 13 R 1/12f‑20, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. November 2011, GZ 60 Cg 101/11f‑16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.724,06 EUR (darin 454,01 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 3.257,64 EUR (darin 326,94 EUR USt und 1.296 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist mit einer Stammeinlage von 200.000 EUR (von insgesamt 326.637 EUR) Mehrheitsgesellschafterin der Mediengruppe „Ö*****“ GmbH. Die Mediengruppe „Ö*****“ GmbH ist Medieninhaberin des periodischen Druckwerks „Ö*****“, welches seit 1. 9. 2006 österreichweit und täglich erscheint. Für den Wirtschaftsteil der Tageszeitung „Ö*****“ fungiert die M***** GmbH als Medieninhaberin, für die Sonntagsausgabe der Druckausgabe der Tageszeitung „Ö*****“ wiederum die „Ö*****“ Wochenzeitungs GmbH. Die Medieninhaberschaft der Internetausgabe der Tageszeitung „Ö*****“ obliegt der M***** D***** GmbH. Die redaktionellen Inhalte der Tageszeitung „Ö*****“ werden von den Tochtergesellschaften der Mediengruppe „Ö*****“ GmbH, einerseits von der M***** R***** GmbH, andererseits von der M***** C*****‑ und C***** GmbH, welche als Redaktionsgesellschaften fungieren, zur Verfügung gestellt. Die Redakteure der Tageszeitung „Ö*****“ werden teils von der M***** R***** GmbH, teils von der M***** C*****‑ und C***** GmbH vertraglich, großteils im Rahmen von Dienstverträgen, beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt keine redaktionellen Mitarbeiter und fungiert als Beteiligungsgesellschaft.

Die Geschäftsführer der Beklagten, W***** F*****, W***** Z***** und C***** A*****, sind zugleich Geschäftsführer der Medieninhaberin Mediengruppe „Ö*****“ GmbH. W***** F***** ist zudem einer der Geschäftsführer der M***** R***** GmbH und der M***** D***** GmbH. W***** Z***** ist einer der Geschäftsführer der M***** C*****‑ und C***** GmbH und der „Ö*****“ Wochenzeitungs GmbH. Geschäftsführer der M***** GmbH ist N***** F*****, der Sohn von W***** F*****.

Das Redaktionsgebäude der Tageszeitung „Ö*****“ befindet sich in *****, wo neben der Beklagten auch die übrigen erwähnten Gesellschaften ihren Sitz haben.

F***** H***** war seit Mai 2010 bei der M***** C*****‑ und C***** GmbH im Rahmen eines Dienstverhältnisses angestellt. Für die Tageszeitung „Ö*****“ recherchierte er in seiner Funktion als stellvertretender Ressortleiter für den Bereich Wirtschaft überwiegend in wirtschaftlichen, aber auch in politischen Angelegenheiten und verfasste während seiner Tätigkeit ungefähr 300‑400 Artikel in diesen Sparten.

Auch über den Geschäftsführer der Klägerin, E***** P*****, schrieb er ein bis zwei Artikel. Dabei hatte er keinen konkreten Auftrag, über die Klägerin zu recherchieren, sondern beschäftigte sich mit der Berichterstattung rund um die „BUWOG‑Causa“ und allfälligen Zusammenhängen, wie er sich auch sonst mit tagesaktuellen Themen im wirtschaftlichen und politischen Bereich befasste. Gelegentlich nahm F***** H***** an Redaktionssitzungen teil. Er hatte grundsätzlich die Anweisung, erlangte Informationen bzw die Ergebnisse seiner Recherchetätigkeiten an die Ressortleitung oder Chefredaktion weiterzuleiten. F***** H***** war stets ein zuverlässiger Mitarbeiter, zudem verfügte er über eine langjährige Diensterfahrung durch vorangegangene Tätigkeiten als Journalist und Pressesprecher.

Ohne dies zuvor mit der Geschäftsführung bzw Chefredaktion oder Ressortleitung abgesprochen oder einen derartigen Auftrag von der Redaktion erhalten zu haben, versuchte F***** H***** am 26. 2. 2011, von seinem Arbeitsplatz im Redaktionsgebäude der Tageszeitung „Ö*****“ aus unter Verwendung eines für die Mitarbeiter frei zugänglichen Computers und einer IP‑Adresse der Beklagten über das Internet und die von der Klägerin eingerichtete Homepage durch Raten und Eingeben von Passwörtern in deren E‑Mail‑System zu gelangen. Er versuchte es mehrmals und probierte verschiedene Passwörter, nämlich diverse Namen, aus, doch gelang ihm ein Zugriff auf das System der Klägerin nicht. Auf diese Weise wollte er an Informationen über die Klägerin gelangen, um diese allenfalls in einem Artikel zu verwerten. Über eine spezielle Computerausbildung verfügt F***** H***** nicht. Von dem Versuch, in das System der Klägerin einzudringen, informierte er weder die Geschäftsführung noch die Chefredaktion.

Die Klägerin erhielt am 26. 4. 2011 von ihrem EDV‑Betreuer erstmals die Information, dass ein Zugriff auf ihr E‑Mail‑System versucht worden sei. Mittels Durchführung einer Abfrage der „Whois‑Datenbank“ konnte die Klägerin feststellen, dass der Zugriff von einer im Einflussbereich der Beklagten stehenden IP‑Adresse aus unternommen worden war. Daraufhin brachte die Klägerin am 24. 5. 2011 die Klage ein und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Mit dieser Klage bzw der einstweiligen Verfügung wurde der Beklagten erstmals vorgeworfen, dass es aus ihrem Einflussbereich stammende Zugriffe auf das System der Klägerin gegeben habe.

Betriebsintern stellte sich sodann heraus, dass die Zugriffe tatsächlich erfolgt waren und F***** H***** dafür verantwortlich war. Dieser befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in einem gekündigten Zustand, weil er Mitte Mai 2011 das Angestelltenverhältnis zur M***** C*****‑ und C***** GmbH aufgrund eines anderen Angebots, unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist, gekündigt hatte.

Am 1. 6. 2011 erschien in der Abendausgabe der „K***** Zeitung“ auf Basis seitens der Klägerin übermittelter Informationen ein Artikel mit der Schlagzeile „Datenklau‑Affäre um Billigblatt“, der die von der Klägerin gegen die Beklagte erhobenen Vorwürfe wiedergab.

Der sich zu dieser Zeit in Urlaub befindliche Geschäftsführer der Beklagten, W***** F*****, wurde von dem Erscheinen des Artikels und damit erstmals von den gegen die Beklagte erhobenen Vorwürfen verständigt. Er kontaktierte F***** H***** noch am selben Tag telefonisch und teilte ihm mit, dass er für die verbleibende Dienstzeit mit sofortiger Wirkung freigestellt werde. Darüber hinaus veranlasste er unverzüglich eine Presseaussendung via APA‑OTS, in welcher sich die Beklagte mit den Angaben, dass die versuchten Zugriffe eine private Aktion eines bereits gekündigten Mitarbeiters gewesen seien, welcher auf eigene Initiative, ohne Auftrag und Zustimmung der „Ö*****‑Redaktion“ gehandelt habe, von der Vorgangsweise des F***** H***** distanzierte.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verpflichten, zu unterlassen zu versuchen sich Zugang zu den Datenbanken der Klägerin zu verschaffen, insbesondere durch Ausprobieren von Passwörtern sich Zugang zum E‑Mail‑System der Klägerin zu verschaffen. Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, sie habe in ihrem E‑Mail‑System als Immobilienverwalterin höchst sensible Daten gespeichert, darunter auch Geschäftsgeheimnisse. Eine nähere Untersuchung habe ergeben, dass die Hacking‑Versuche von einer im Einflussbereich der Beklagten stehenden IP‑Adresse aus von einem Mitarbeiter der Beklagten unternommen worden seien.

Durch die Angriffe habe der Mitarbeiter der Beklagten im Hinblick auf die grundrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz und zur Achtung der Geheimsphäre in ihre schutzwürdigen Interessen eingegriffen. Das Verhalten erfülle überdies den Tatbestand der §§ 118a, 123 StGB.

Auf die genauen rechtlichen Verhältnisse innerhalb der Tageszeitung „Ö*****“ komme es nicht an, weil die Beklagte ohnehin die Muttergesellschaft der Medieninhaberin der Tageszeitung „Ö*****“ GmbH sei, ihren Sitz an derselben Adresse habe und über dieselben Geschäftsführer verfüge. Die komplizierte rechtliche Struktur der Tageszeitung „Ö*****“ durch Verschachtelung in zahlreiche juristische Personen dürfte nicht der Klägerin zur Last fallen.

Die Beklagte wandte ein, sie übe als Mehrheitsgesellschafterin der Mediengruppe „Ö*****“ GmbH bloß die Funktion einer Holdinggesellschaft aus und sei weder Medieninhaberin noch Verlegerin von Druckwerken. Seine Versuche, auf das E‑Mail‑System der Klägerin zuzugreifen, habe F***** H***** ohne jegliche Rücksprache mit der Geschäftsführung, der Chefredaktion oder Ressortleitung durchgeführt. Sein Verhalten beruhe auf einer eigenen, privaten Initiative. F***** H***** sei für sie nie tätig gewesen und könne daher weder als ihr Gehilfe noch als ihr Repräsentant angesehen werden. Wiederholungsgefahr liege nicht vor, weil F***** H***** unmittelbar nach Bekanntwerden seiner eigenmächtigen Vorgangsweise vom Dienst freigestellt worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dabei traf es die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich würdigte es diesen Sachverhalt dahingehend, dass ungeachtet der strukturellen und gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung und Organisation der Tageszeitung „Ö*****“ die Repräsentanteneigenschaft des F***** H***** sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber der Medieninhaberin zu verneinen sei. Obwohl mit der Tätigkeit eines stellvertretenden Ressortleiters auch freie Verantwortung in einigen Aufgabenbereichen einhergehe, könne angesichts der dennoch bestehenden hierarchischen Einbindung in den Organisationsapparat der Tageszeitung eine verantwortliche, leitende oder überwachende Funktion ohne jegliche weitere Kontrolle nicht angenommen werden. Der Versuch des Zugriffs auf fremde Daten sei rechtswidrig, darüber hinaus sogar strafrechtlich relevant. Dies stelle eine vorsätzliche und damit besonders gravierende Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflichten eines Journalisten dar. Ein derartiges Verhalten rechtfertige die Annahme der Untüchtigkeit im Sinne des § 1315 ABGB. Ein die Einordnung F***** H*****s als Besorgungsgehilfe rechtfertigendes Subordinationsverhältnis sei zu bejahen, weil trotz der strukturellen Aufgliederung der Organisation der Tageszeitung „Ö*****“ in mehrere Gesellschaften mit unterschiedlichen Funktionsbereichen sowohl in personeller als auch in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht eine sehr enge Verknüpfung zwischen den Gesellschaften bestehe, welche eine faktische Einflussnahme der Beklagten auf den Betrieb der Tageszeitung jedenfalls indiziere. Einen konkreten Anhaltspunkt für den faktisch auf die anderen Gesellschaften ausgeweiteten Herrschafts‑ und Organisationsbereich der Beklagten liefere zudem die Dienstfreistellung des F***** H***** durch den Geschäftsführer der Beklagten.

Besondere Umstände, die eine Wiederholung der störenden Handlung als völlig ausgeschlossen erscheinen ließen, lägen nicht vor.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. F***** H***** sei bei seinen Recherchen mangels Erledigung von Angelegenheiten der Beklagten nicht deren Besorgungsgehilfe gewesen, sodass es nicht darauf ankomme, ob er als untüchtig oder wissentlich gefährlich anzusehen sei. Weil dieser auch keine Funktion in dem von der beklagten Gesellschaft ausgeübten Unternehmen gehabt hätte, könne er auch nicht deren Repräsentant sein. Dadurch, dass jemand eine IP‑Adresse Redakteuren eines Mediums zur Verfügung stelle, sei dieser noch nicht Medieninhaber. Auch sei nicht behauptet worden, dass über die IP‑Adresse der Beklagten Medieninhalte hergestellt oder verbreitet worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die Revision ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Schadenersatzanspruch. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob die Kriterien der §§ 1313a, 1315 ABGB erfüllt sind. Vielmehr steht der Klägerin ein negatorischer Unterlassungsanspruch gegen unbefugtes Eindringen in ihr EDV‑System zu. Insoweit sind daher die von der Rechtsprechung zu §§ 523, 364 Abs 2 ABGB entwickelten Grundsätze auch auf die vorliegende Konstellation zu übertragen.

2.1. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sowohl der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB als auch jener nach § 523 ABGB sich auch gegen denjenigen richten kann, der die Störung nur mittelbar veranlasst hat; die Störereigenschaft wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Dritten aus eigenem Antrieb und selbstverantwortlich handeln (2 Ob 167/07h).

2.2. Demnach kann auch vom mittelbaren Störer ‑ das ist derjenige, der die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit hat, die auf ihn zurückgehende, seiner Interessenwahrung dienende, aber unmittelbar von Dritten vorgenommene Störhandlung zu steuern und gegebenenfalls auch zu verhindern ‑ Unterlassung und nicht bloß Einwirkung auf den unmittelbaren Störer begehrt werden. Aus dieser Erwägung hat der Oberste Gerichtshof Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit Werbeverteilung gegen den Auftraggeber der Werbeaktion bejaht (SZ 69/10; ausführlich dazu P. Bydlinski, Zivilrechtliche Zulässigkeitsgrenzen bei der Verteilung von Werbematerial, ÖJZ 1998, 641).

2.3. Dieser Grundsatz entspricht mittlerweile ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0103058). So hat der Oberste Gerichtshof etwa Unterlassungsansprüche in einem Fall bejaht, in dem sich der Sicherungskasten für die klagende Partei in der Wohnung der beklagten Parteien befand. In diesem Fall waren wiederholt Sicherungen herausgedreht bzw gelockert worden, sodass es zu Stromausfällen in der klägerischen Wohnung kam. Obwohl nicht festgestellt werden hatte können, von wem die Sicherungen manipuliert worden waren, bejahte der Oberste Gerichtshof die passive Klagslegitimation der beklagten Parteien, weil diese auch gegenüber Personen, die sich mit ihrem Wissen und Willen in ihrer Wohnung aufhielten, berechtigt und verpflichtet gewesen wären, das Herausdrehen oder Lockern von Sicherungen zu unterbinden (8 Ob 151/08a). Ebenso wurde etwa die Passivlegitimation eines Liegenschaftseigentümers für Handlungen seiner Jagdgäste bejaht (2 Ob 147/10x).

3.1. Diese Grundsätze finden im Wesentlichen die Billigung der neueren Lehre (P. Bydlinski aaO; G. Kodek, Besitzstörung 387 ff). Nach P. Bydlinski sind „fast alle“ im Rahmen der bisherigen Diskussion herangezogenen Kriterien zu beachten. Konkret nennt er neben der Intensität der Beeinträchtigung die Abhilfemöglichkeit und die für den Dritten damit verbundenen Nachteile. Dabei sei auf das Denkmodell des beweglichen Systems abzustellen. Zu berücksichtigen sei dabei auch, inwieweit Abhilfemaßnahmen zumutbar seien. Auch die Erfolgswahrscheinlichkeit der dem Dritten möglichen Maßnahmen sei zu berücksichtigen. Je geringer die Wahrscheinlichkeit sei, dass nach Vornahme der entsprechenden Maßnahme die Wiederholung von Besitzstörungshandlungen ausgeschlossen werden kann, und je größer die damit verbundene Belastung des Dritten sei, umso weniger könne von Zumutbarkeit ausgegangen werden.

3.2. Auch zum verwandten Problem der Haftung des mittelbaren Störers im Besitzrecht wird darauf abgestellt, dass durch den Einsatz von Gehilfen der eigene Aktionsradius erweitert wird. Wesentlicher Gesichtspunkt sei auch die abstrakte Beherrschbarkeit der Gefahr. Für die Beurteilung der Möglichkeit zur Abhilfe komme es auf die Beziehung zwischen Störer und Drittem an. Dabei sei nicht nur die Möglichkeit als solche entscheidend, sondern auch, auf welche Weise der Dritte seinen Einfluss ausüben könne und mit welchen Nachteilen dies gegebenenfalls für den Dritten verbunden sei. Je leichter der „Geschäftsherr“ auf den unmittelbaren Störer Einfluss nehmen könne, umso eher sei seine Haftung gerechtfertigt. Für das Bestehen des Unterlassungsanspruchs sei auch dessen Bedeutung für die Sicherstellung effizienten Schutzes in der Zukunft zu berücksichtigen. Dabei wird auch hervorgehoben, dass die Identität des unmittelbaren Störers dem Beeinträchtigten vielfach unbekannt sein wird (P. Bydlinski, ÖJZ 1998, 651; G. Kodek, Besitzstörung 386).

3.3. Auch Kietaibl stimmt ‑ im Anschluss an Jabornegg (Bürgerliches Recht und Umweltschutz, GA 9. ÖJT I/4 [1985] 44 f) im Rahmen seiner Kommentierung des § 354 ABGB (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 354 Rz 24) den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu. Wenngleich die Abhilfemöglichkeit allein noch nicht ausreiche, einen Unterlassungsanspruch zu begründen, seien die Entscheidungen im Ergebnis richtig, wenn und weil das Rechtsverhältnis zwischen unmittelbarem und mittelbarem Störer so ausgestaltet sei, dass die unmittelbare Störung wertungsmäßig als solche (auch) des Vertragspartners anzusehen sei. Grund dafür sei, dass die Störung im Zuge seines Handelns „für“ die Zwecke des Vertragspartners (insbesondere für den Arbeitgeber oder Auftraggeber) erfolge und der Vertragspartner aus dem (die unmittelbare Störung veranlassenden) Vertragsverhältnis Nutzen ziehe, sodass dem Vertragspartner letztlich die „Nutzungs- und Dispositionsbefugnis“ über den unmittelbaren Störer zukomme. Damit zusammenhängend spreche auch der allgemeine Rechtsgedanke der Erweiterung des eigenen Aktionsradius durch den Einsatz Dritter und die daraus folgende Verantwortlichkeit auch für diese Dritte für eine Zurechnung (Kietaibl aaO; G. Kodek aaO 387).

3.4. Ein wesentlicher Gesichtspunkt sei die Effektivität des Schutzes vor Eigentumsbeeinträchtigungen. Handle der unmittelbare Störer im Interesse oder im Verantwortungsbereich eines Dritten, so wäre dem Gestörten mit einem Anspruch bloß gegen den jederzeit austauschbaren unmittelbaren Störer wenig geholfen (P. Bydlinski ÖJZ 1998, 649; G. Kodek aaO 385; Kietaibl aaO). Zuletzt spreche aus dem Blickwinkel eines wirksamen negatorischen Schutzes auch die „Anonymität“ des unmittelbaren Störers: Die Identität des mittelbaren Störers (zB Arbeitgeber, Grundeigentümer) sei für den beeinträchtigten Eigentümer oft weitaus leichter feststellbar als diejenige des unmittelbar Handelnden (Kietaibl aaO).

4.1. Diese Überlegungen lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Es geht gleichfalls um einen absoluten Unterlassungsanspruch. Wenngleich § 364 Abs 2 ABGB nicht unmittelbar einschlägig ist, hat doch die Beklagte den Computer mit der entsprechenden IP‑Adresse zur Verfügung gestellt. Damit hat die Beklagte aber schon aufgrund dieses Umstands Einfluss auf Art und Weise der Benutzung dieses Anschlusses. Dazu kommen zumindest mittelbare gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten, die der Beklagten als Holdinggesellschaft zukommen. Im Übrigen hat die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen offenbar sogar direkte Durchgriffsrechte, konnte doch der Geschäftsführer der Beklagten den betreffenden Redakteur direkt suspendieren.

4.2. Damit ist aber entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts von einer Haftung der Beklagten für die Rechtsverstöße des Redakteurs auszugehen.

5.1. Ziel des Unterlassungsanspruchs ist die Verhinderung künftiger gleichartiger Verletzungen (6 Ob 80/01k; vgl G. Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG § 14 Rz 7, 11). Er steht immer zu bei der Gefahr eines künftigen Schadenseintritts, uzw sowohl bei bereits erfolgter Rechtsverletzung als auch vorbeugend, wenn Begehungsgefahr, also die Gefahr eines erstmaligen Schadenseintritts, besteht (6 Ob 37/95 SZ 69/12; vgl E. Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht [2006] 101 ff). Nach ständiger Rechtsprechung indiziert die Rechtsverletzung die Wiederholungsgefahr (G. Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG § 14 Rz 42). Sofern bereits eine Rechtsverletzung stattgefunden hat, ist nach ständiger Rechtsprechung in der Regel Wiederholungsgefahr anzunehmen, sofern nicht das nachträgliche Verhalten des Eingreifers oder andere Umstände dies zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Die Rechtsprechung formuliert hier vielfach, dass die Wiederholungsgefahr vermutet werde (4 Ob 106/94 SZ 67/161; 4 Ob 28/88; 4 Ob 87/94; 6 Ob 37/95 SZ 69/12; 6 Ob 2026/96; 6 Ob 315/02w uva). Daher muss nicht der Kläger die Wiederholungsgefahr gesondert behaupten oder beweisen, sondern der Beklagte die diesbezügliche Vermutung widerlegen (4 Ob 312/80; 4 Ob 362/84; 4 Ob 395/87; 4 Ob 90/90; 4 Ob 45/99t; 4 Ob 272/99z ua; G. Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG § 14 Rz 42 mwN).

5.2. Der bloße Umstand, dass der Redakteur nicht mehr bei der Konzerngesellschaft der Beklagten beschäftigt ist, führt noch nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, ist doch nicht ausgeschlossen, dass andere Mitarbeiter aus ähnlichen Überlegungen vergleichbare Rechtsverstöße setzen. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, aus Anlass des betreffenden Falls entsprechende generelle Anweisungen erlassen zu haben. Weder hat die beklagte Partei ihre übrigen Mitarbeiter aufgefordert, vergleichbare Rechtsverstöße zu unterlassen (vgl 4 Ob 156/09h), noch hat sie entsprechende Aufklärungsmaßnahmen gesetzt (vgl 4 Ob 67/94). Selbst die Freistellung des Redakteurs ist erst unter dem Druck des Prozesses erfolgt. Derartige Maßnahmen führen aber nie zum Wegfall der Wiederholungsgefahr (4 Ob 155/90; 4 Ob 24/05s).

6. Damit erweist sich das Klagebegehren aber als berechtigt, sodass das angefochtene Urteil spruchgemäß im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern war.

7. Aufgrund der Abänderung des Berufungsurteils war auch über die Kosten des Berufungsverfahrens neu zu entscheiden. Diese Entscheidung sowie die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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