OGH 10Ob39/12a

OGH10Ob39/12a23.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und durch die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** M*****, vertreten durch Dr. Herbert Gschöpf und Dr. Marwin Gschöpf, Rechtsanwälte in Velden, gegen die beklagten Parteien 1. Z***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Klaus Dengg ua Rechtsanwälte in Zell am Ziller, 2. P***** E*****, vertreten durch Dr. Christina Horak, Rechtsanwältin in Fügen, wegen (restlichen) 64.212,50 EUR und Feststellung (Feststellungsinteresse 5.000 EUR; Gesamtstreitwert 66.712,50 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. August 2012, GZ 1 R 102/12b-52, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger war in einer Gruppe auf der Rodelbahn im Schigebiet des beklagten Bergbahnenunternehmens zum Nachtrodeln. Er hatte eine gültige Liftkarte. Die Gruppe kehrte im oberhalb der Rodelstrecke (Forstweg) gelegenen Gasthof des Zweitbeklagten ein, zu dem von der Rodelbahn ein 3,2 m breiter Weg führt, den die Erstbeklagte präpariert. Nach 15 bis 20 Minuten wollte die Gruppe die Rodelfahrt fortsetzen. Der Kläger und die anderen Mitglieder der Gruppe begaben sich mit ihren Rodeln auf den Zufahrtsweg. Es war etwas nebelig und bereits dunkel. Der Kläger rodelte den Zufahrtsweg entlang, verließ diesen jedoch nach etwa zwei Drittel der Strecke und fuhr die talseitige Böschung des Zufahrtswegs hinunter. Es konnte nicht festgestellt werden, warum der Kläger diese Fahrlinie quer zu Zufahrtsweg und Rodelbahn wählte. Möglicherweise wollte er durch diese „Abkürzung“ das Ziehen der Rodel bis zur Einmündung des Zufahrtswegs in die Rodelbahn vermeiden. Am Fuß der Böschung überquerte er den Rodelweg und prallte in weiterer Folge gegen die Wand eines Holzstadels, die vom talseitigen Rand des Rodelwegs etwa 3,5 m entfernt ist. Der Verlauf des Zufahrtswegs bis zur Einmündung in den Rodelweg, die Kapelle im Bereich der Einmündung und der Holzstadel waren aufgrund der Beleuchtung erkennbar.

Das Berufungsgericht verneinte die Haftung der Beklagten für den Rodelunfall des Klägers. Wenngleich dem Beklagten erkennbar gewesen sei, dass der „Zwickel“ zwischen dem Zufahrtsweg und der Rodelbahn immer wieder von Rodlern und Schifahrern benützt worden sei, habe dies die Sicherungspflicht des Pistenhalters für die durch Abweichung entstandene, nicht markierte und nicht präparierte Abfahrt nicht ausgelöst. Aufgrund der guten Ausleuchtung des Zufahrtswegs seien nämlich dessen Verlauf bis zur Einmündung in den Rodelweg und der unterhalb des Rodelwegs stehende Holzstadel erkennbar gewesen. Für die Benutzer des Rodelwegs bzw des Zufahrtswegs sei also deutlich erkennbar gewesen, dass sie sich bei Befahren der Böschung in „wildes, ungesichertes Gelände“ begeben. Schließlich sei der Kläger auch nicht vom Zufahrtsweg abgekommen, vielmehr habe er die Fahrlinie über die Böschung gewählt, sohin bewusst genutzt.

Der Revisionswerber macht geltend, das Berufungsgericht sei von den in den oberstgerichtlichen Entscheidungen 1 Ob 77/03k, 5 Ob 212/05w, 2 Ob 534/88 und 1 Ob 75/00m niedergelegten Haftungsgrundsätzen abgewichen.

Rechtliche Beurteilung

Dies trifft nicht zu.

Nach ständiger Rechtsprechung löst das Abweichen einer Mehrzahl von Schifahrern von einer markierten oder durch Präparierung gewidmeten Piste allein eine Sicherungspflicht des Pistenhalters für die durch Abweichung entstandene, nicht markierte und nicht präparierte Abfahrt nicht aus. Eine Sicherungspflicht könnte nur bestehen, wenn die durch wiederholte Benutzung entstandene Ausfahrt die Gefahr mit sich bringt, dass Benützer der Piste ein Abweichen von dieser nicht erkennen können (RIS-Justiz RS0023641). In der Entscheidung 1 Ob 77/03k sprach der Oberste Gerichtshof aus, habe der Betreiber einer Schipiste konkret Kenntnis davon, dass von ihm beförderte Schifahrer pistenähnliches freies Gelände üblicherweise (auch) benutzen, dann treffe ihn die vertragliche (Neben-)Pflicht, von ihm dort geschaffene Gefahrenquellen (im entschiedenen Fall: überirdisch verlegter Zuleitungsschlauch zu einer Schneekanone) entsprechend abzusichern. Im vorliegenden Fall hat der Erstbeklagte aber auf der vom Kläger zur Abfahrt genutzten Böschung keine Gefahrenquelle geschaffen. Dass sich ein Rodler bei Befahren der Böschung in ungesichertes Gelände begibt, war deutlich zu erkennen.

Die deutliche Erkennbarkeit des Streckenverlaufs und des Zufahrtswegs unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt von jenem im Fall der Entscheidung 5 Ob 212/05w. Dort schloss unmittelbar an den Einstiegsbereich zu einer Aufstiegshilfe (von dem auch zur Mittelstation abgefahren werden konnte) ein nicht ausreichend abgegrenzter Steilhang an, dessen Oberfläche durch häufiges Befahren keinen Unterschied zum maschinell präparierten Bereich der Piste erkennen ließ.

Auch im Fall der Entscheidung 2 Ob 534/88 war der sich zwischen den präparierten Pisten bildende (maschinell nicht präparierte) „Zwickel“ nicht mehr nur verspurt, sondern er sah wie eine präparierte Piste aus. Im vorliegenden Fall konnte aber nach dem festgestellten Sachverhalt ein durchschnittlicher, aufmerksamer Benutzer der beleuchteten Rodelbahn und des beleuchteten Zufahrtswegs auch in der Nacht bei dem herrschenden leichten Nebel den Unterschied zwischen nicht präparierter Piste und präpariertem Weg bemerken.

Anders als im Fall der Entscheidung 1 Ob 75/00m steht hier fest, dass der Kläger die Fahrlinie über die Böschung gewählt hat und nicht vom Zufahrtsweg abgekommen ist.

Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0110202). Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen der ständigen, vom Berufungsgericht auch wiedergegebenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Sicherungspflicht eines Pistenbetreibers.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe die unter dem Punkt „sekundäre Feststellungsmängel“ enthaltene Beweisrüge nicht erledigt, trifft nicht zu, weil in der Berufung eine Beweisrüge nicht erhoben wurde.

Stichworte