OGH 3Ob170/12i

OGH3Ob170/12i17.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Neudorfer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Einverleibung eines Vorkaufsrechts (50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Juli 2012, GZ 11 R 120/12s-22, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 10. April 2012, GZ 12 Cg 19/11v-18, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Partei verkaufte dem Beklagten mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 30. Juli/24. August 2009 insgesamt 636/3.028 Liegenschaftsanteile, die mit Wohnungseigentum an den - im Dachgeschoss eines Gebäudes in Wien 1 gelegenen - Einheiten W 16, GR 17, GR 18, W 19 und GR 20 verbunden sind. Noch im Jahr 2009 wurde das Eigentum des Beklagten an den Liegenschaftsanteilen einverleibt. Dem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag war eine am 25. Mai/1. Juni 2004 geschlossene schriftliche Rahmenvereinbarung vorausgegangen, zu der am 30. Juli/24. August 2009 eine Zusatzvereinbarung geschlossen wurde.

Während im Kauf- und Wohnungseigentums-vertrag vom 30. Juli/24. August 2009 ein Vorkaufsrecht der klagenden Partei nicht erwähnt ist, wird in der Rahmenvereinbarung auf ein solches Bezug genommen, indem sich der Beklagte in Punkt 6 dazu verpflichtet, „nach Begründung des Wohnungseigentums einer allfälligen grundbücherlichen Einverleibung des Vorkaufsrechts zuzustimmen und sämtliche dafür notwendige Erklärungen in der dafür notwendigen Form abzugeben“. In der Zusatzvereinbarung vom 30. Juli/24. August 2009 wird diese Verpflichtung folgendermaßen konkretisiert:

„6.1. [Beklagter] räumt [der Klägerin] ein Vorkaufsrecht gemäß §§ 1072 ff ABGB für jeden entgeltlichen Übertragungsakt betreffend der im Nutzwertgutachten … ausgewiesenen TOP 16, 17, 18, 19 und 20 betreffend die Liegenschaft … auf die Dauer bis 31. 12. 2015 unentgeltlich ein. ...“

Weiters wurden in Punkt 6.1. die Modalitäten des Vorkaufsrechts detailliert beschrieben. Für den Fall der Übertragung von Eigentum an den TOP 16, 17, 18, 19 und 20 an eine bestimmte (im Nahebereich des Beklagten stehende) GmbH räumte diese der klagenden Partei das Vorkaufsrecht ein.

Der Beklagte wandte sich aus verschiedenen Gründen gegen eine Verbücherung des Vorkaufsrechts der klagenden Partei; die Parteien einigten sich darauf, von einer Einverleibung des Vorkaufsrechts Abstand zu nehmen.

Ende 2009/Anfang 2010 gab es diverse Meinungsverschiedenheiten zwischen den Streitparteien. Der Beklagte sah sich mit verschiedenen Forderungen der klagenden Partei konfrontiert, darunter auch nach Verbücherung des Vorkaufsrechts. In einem an die damaligen Vertreter der klagenden Partei gerichteten Schreiben vom 25. Februar 2010 nahm die Rechtsvertreterin des Beklagten zu den Forderungen der klagenden Partei - weitgehend ablehnend - Stellung. Zur Frage der Forderung nach Verbücherung des Vorkaufsrechts enthält das Schreiben der Beklagtenvertreterin den folgenden Passus:

„3. Verbücherung des Vorkaufsrechts

Ich lade Ihre Mandantschaft ein, eine Urkunde für die Verbücherung des Vorkaufsrechts vorzulegen. Unsere Mandantschaft wird diese unterfertigen und zur Verbücherung zurückstellen.“

In einem E-Mail vom 3. März 2010 erachtete sich die Beklagtenvertreterin zwar an das Vorkaufsrecht gebunden; einer Verbücherung würde die beklagte Partei aber erst zustimmen, wenn die klagende Partei dartue, woraus sie die Verpflichtung des Beklagten hiezu ableite.

Im Hinblick auf die im Schreiben vom 25. Februar 2010 ausgesprochene Einladung übermittelte der damalige Klagevertreter der Beklagtenvertreterin am 19. März 2010 eine von der klagenden Partei unterschriebene „Vereinbarung über die grundbücherliche Einverleibung eines Vorkaufsrechts“. Diese sah unter Punkt 2.4. vor, dass der Beklagte die Kosten der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung der Vereinbarung trage, und enthielt als Anlage die Zusatzvereinbarung vom 30. Juli/24. August 2009. Im Begleitbrief wurde um Mitteilung ersucht, ob der Entwurf in Ordnung gehe; gegebenenfalls möge er notariell beglaubigt unterfertigt werden. Die Beklagtenvertreterin antwortete, es möge dargelegt werden, woraus ein Rechtsanspruch auf die Verbücherung abgeleitet werde.

In einem Telefonat mit dem damaligen Rechtsvertreter der klagenden Partei am 14. April 2010 stellte sich die Beklagtenvertreterin auf den Standpunkt, dass im Schreiben vom 25. Februar 2010 in Bezug auf das Vorkaufsrecht keine Willens-, sondern nur eine Wissenserklärung abgegeben worden sei; im Hinblick auf die offenen Punkte wünsche sie eine Einigung und Erledigung in allen Belangen. Der Rechtsvertreter der klagenden Partei kam mit der Beklagtenvertreterin überein, dass ersterer der klagenden Partei einen Besprechungstermin unter Anwesenheit der Anwälte vorschlagen werde. Zu einem solchen gemeinsamen Besprechungstermin kam es aber in der Folge nicht, weil die klagende Partei als Bedingung forderte, dass der Beklagte zuvor die rechtsgeschäftlichen Erklärungen in Bezug auf die Einverleibung des Vorkaufsrechts abgeben müsse. Im Mai 2010 und im Jänner 2011 wurde von der klagenden Partei nochmals die Vornahme der Verbücherung eingefordert, wobei dem Schreiben der Klagevertreter vom 31. Jänner 2011 ein Entwurf beigelegt wurde, der keine Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung enthält; auch die Zusatzvereinbarung zur Rahmenvereinbarung war diesem Entwurf nicht beigelegt.

Die klagende Partei begehrt das Urteil, den Beklagten schuldig zu erkennen, ob den in seinem Eigentum stehenden Liegenschaftsanteilen, verbunden mit W 16, GR 17, GR 18, W 19 und GR 20, in die Einverleibung des Vorkaufsrechts für die klagende Partei entsprechend dem Inhalt der am 30. Juli/24. August 2009 geschlossenen Zusatzvereinbarung zur Rahmenvereinbarung einzuwilligen.

Der Beklagte wendet ein, dass der im Schreiben vom 25. Februar 2010 enthaltene, das Vorkaufsrecht betreffende Passus als bloße Wissenserklärung zu qualifizieren sei. Selbst unter der Annahme einer Willenserklärung habe die klagende Partei dieses Anbot nicht angenommen, sondern am 19. März 2010 ein vom Beklagten abgelehntes Gegenangebot unterbreitet, zumal die darin vorgesehene Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung und die Aufnahme der Zusatzvereinbarung vom 30. Juli/24. August 2009 in die Urkundensammlung des Grundbuchs nicht den Intentionen des Beklagten entsprochen habe. Im Zuge ihrer außergerichtlichen Gespräche hätten die Streitteile im Übrigen eine generalbereinigende Einigung erzielt, durch die der Anspruch der klagenden Partei auf Einräumung eines dinglichen Vorkaufsrechts erloschen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beklagte Partei habe am 25. Februar 2010 den Anspruch der klagenden Partei auf Verbücherung des Vorkaufsrechts konstitutiv anerkannt. Davon abgehend hätten die Rechtsvertreter der Streitteile bei einem Telefonat am 14. April 2010 vereinbart, eine Gesamtlösung zu suchen. Damit sei nachträglich eine Bedingung vereinbart worden. In der Einverständniserklärung des damaligen Rechtsvertreters der klagenden Partei, zum Zwecke einer Gesamtlösung ein Gespräch zu organisieren, sei „die Zustimmung zur Verbindung der Frage der Verbücherung der Vorkaufsrechte mit der Lösung aller zwischen den Streitteilen stehenden Probleme zu erblicken“. Da die klagende Partei durch die unberechtigte Verweigerung des Gesprächs (in Richtung einer Gesamtlösung aller Probleme) die nachträglich vereinbarte Bedingung verhindere, sei der Klageanspruch nicht durchsetzbar.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im klagestattgebenden Sinn ab. Der Beklagte habe am 25. Februar 2010 sein Einverständnis zur Unterfertigung einer von der klagenden Partei zu erstellenden verbücherungsfähigen Urkunde gegeben. Damit habe der Beklagte nicht bloß eine Wissenserklärung abgegeben, sondern ein Anbot im Sinne des § 862 ABGB unterbreitet, auf das die klagende Partei am 19. März 2010 mit der Übermittlung einer von ihr bereits unterschriebenen „Vereinbarung über die grundbücherliche Einverleibung eines Vorkaufsrechtes“ reagiert habe. Der Umstand, dass die „Zusatzvereinbarung“ vom 30. Juli/24. August 2009 als Anlage angeschlossen gewesen sei, könne - entgegen der Rechtsansicht des Beklagten - nicht als „Gegenangebot“ eingestuft werden, zumal kein Anhaltspunkt für einen zwischen den Streitteilen vorher erzielten Konsens bestanden habe, wonach diese konkrete Urkunde nicht Teil der Urkundensammlung werden sollte. Ob die klagende Partei befugt gewesen sei, eine Kostentragung seitens des Beklagten vorzusehen, bedürfe keiner näheren Prüfung, zumal der Geschehensablauf unmissverständlich zeige, dass die Streitteile jedenfalls insoweit einen Konsens erzielt haben, als das in der Zusatzvereinbarung detailliert geregelte Vorkaufsrecht der klagenden Partei nicht bloß obligatorische Wirkungen entfalten, sondern auch - auf wessen Kosten auch immer - verbüchert werden sollte.

In dem am 14. April 2010 geführten Telefonat habe sich der damalige Klagevertreter gegenüber der Beklagtenvertreterin zu einer weiteren Besprechung in der Frage des Vorkaufsrechts bereiterklärt, die dann aber nicht zustande gekommen sei. Diese bloße Signalisierung einer Gesprächsbereitschaft erlaube aber - entgegen der Argumentation des Beklagten und des Erstgerichts - nicht den zweifelsfreien Schluss im Sinne des § 863 ABGB, die klagende Partei habe auf ihr Recht auf Einräumung eines bücherlichen Vorkaufsrechts rechtsgeschäftlich verzichten wollen.

In ihrer außerordentlichen Revision erachtet die beklagte Partei folgende zwei Rechtsfragen als erheblich:

(a) „Kommt ein Rechtsgeschäft zustande, wenn zwischen den Parteien offener Dissens über Nebenbestimmungen eines Rechtsgeschäfts besteht?“

(b) „Bleibt ein Angebotssteller an seine Vertragsofferte gebunden, wenn der Angebotsempfänger einen Vertrag vorlegt, der Anbotsteller Nebenbestimmungen ablehnt und sich der von redlichen Parteien üblicherweise vereinbarte Inhalt dieser Nebenbestimmungen weder durch dispositives Recht noch durch ergänzende Vertragsauslegung ermitteln lässt?“

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

1. Zwar bewirkt die Annahmeerklärung des Anbotsempfängers den Vertragsabschluss nur dann, wenn sie dessen Bindungswillen zum Ausdruck bringt und sich mit dem Anbot deckt (Bollenberger in KBB3 § 861 Rz 6; in diesem Sinn auch RIS-Justiz RS0013984). Die Rechtsprechung differenziert allerdings zwischen den Hauptpunkten (essentialia negotii) und Nebenpunkten von Vertragserklärungen: Bei einer Abweichung von Hauptpunkten des Anbots entsteht kein Vertrag (RIS-Justiz RS0013978 [T1]). Bei Abweichungen in Nebenpunkten kommt es darauf an, ob angenommen werden kann, dass der Vertrag auch ohne eine Einigung darüber geschlossen worden wäre, was dann der Fall sein wird, wenn die Nebenpunkte durch Gesetz oder Verkehrssitte ergänzbar sind und von den Parteien kein Vorbehalt einer diesbezüglichen Einigung gemacht worden war (RIS-Justiz RS0013978). Die rechtliche Beurteilung erfolgt dann so wie dann, wenn die Parteien diese Nebenpunkte gar nicht erörtert haben; es kommt zur Lückenfüllung mittels des dispositiven Rechts oder ergänzender Vertragsauslegung (RIS-Justiz RS0013973 [T20]).

Teilweise wird dasselbe Ergebnis dadurch erzielt, dass ausnahmsweise das Schweigen auf eine unwesentliche Abweichung der Annahme vom Anbot als stillschweigende Zustimmung gewertet wird (RIS-Justiz RS0013984 [T2] = RS0013986 [T5]), oder dass angenommen wird, dass der Konsens über einen Nebenpunkt erst später durch Leistungserbringung schlüssig hergestellt wurde (1 Ob 519/94).

2. Im vorliegenden Fall sind die Parteien nach den erstgerichtlichen Feststellungen übereingekommen, das vereinbarte Vorkaufsrecht nicht zu verbüchern. Nichtsdestotrotz stellte sich die klagende Partei auf den Standpunkt, dass der Beklagte verpflichtet sei, in die Verbücherung einzuwilligen. In dieser rechtlich strittigen Situation gab der Beklagte durch seine Rechtsvertreterin im Schreiben vom 25. Februar 2010 die Erklärung ab, dass die klagende Partei eingeladen werde, eine Urkunde für die Verbücherung des Vorkaufsrechts vorzulegen; der Beklagte werde diese unterfertigen und zur Verbücherung zurückstellen.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, damit sei vom Beklagten ein konstitutives Anerkenntnis in Bezug auf die fragliche Verpflichtung des Beklagten, das Vorkaufsrecht verbüchern zu lassen, abgegeben worden, bewegt sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0032818, RS0110121).

3. Die Frage der Tragung der Kosten für die schriftliche Vereinbarung, die die Grundlage für die Verbücherung bilden sollte, blieb in dem Anerkenntnis offen. Es handelt es sich dabei um einen Nebenpunkt, der im Sinne der obigen Ausführungen durchaus unter Heranziehung des dispositiven Rechts oder ergänzender Auslegung inhaltlich ausgefüllt werden kann. Am abgegebenen Anerkenntnis in Bezug auf die hier allein in Rede stehende Verbücherungsverpflichtung ändert der - später aufgetauchte - Dissens über die Frage der Kostentragung nichts mehr.

4. Auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, die bloße Signalisierung von Gesprächsbereitschaft erlaube keinen Schluss auf einen Verzicht auf den (auf das konstitutive Anerkenntnis gegründeten) Anspruch, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl etwa 9 ObA 15/02z = RIS-Justiz RS0028344 [T6]).

5. Die vom Beklagten in der Berufungsbeantwortung begehrte zusätzliche Feststellung über die Ablehnung der Tragung der Kosten der zu verbüchernden Vereinbarung ist irrelevant, weil es entscheidend auf das konstitutive Anerkenntnis und dessen Inhalt ankommt.

6. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) zurückzuweisen.

Stichworte