OGH 9ObA15/02z

OGH9ObA15/02z13.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter DI Hans Lechner und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Markus U*****, Hilfsarbeiter, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Huber, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Elisabeth Scheuba, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 4.775,93 brutto abzüglich EUR 181,68 netto (S 65.718,24 brutto abzüglich S 2.500 netto) sA (Revisionsinteresse EUR 4.775,93 abzüglich EUR 191,60 netto), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. November 2001, GZ 9 Ra 342/01g-17, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Mai 2001, GZ 5 Cga 235/00f-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 399,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 66,62 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ab 30. 8. 1999 als Hilfsarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Er wurde als Lackierhelfer für Schleif- und Abdeckarbeiten aufgenommen und später zusätzlich in der Spenglerei eingesetzt. Die ihm in der Lackiererei und in der Spenglerei aufgetragenen Arbeiten erledigte er stets ohne Widerspruch. Mit Ende September 2000 ging der Hausarbeiter der Beklagten in Pension, dem bis dahin die tägliche Reinigung der Werkstättenhalle und die in mehrwöchigen Intervallen anfallende Reinigung eines quer durch die Halle verlaufende Rigols (Kanal) oblegen war. Der Geschäftsführer der Beklagten vereinbarte mit dem Kläger, dass dieser zu seinen bisherigen Aufgaben das Aufwaschen der Werkstättenhalle mit einer Kehrmaschine übernehmen werde. Der Kläger führte ab diesem Zeitpunkt auch diese Arbeit anstandslos durch. Konkrete Gespräche oder gar Vereinbarungen darüber, dass der Kläger auch andere Tätigkeiten des ausgeschiedenen Hausarbeiters übernehmen solle, gab es nicht.

Am 20. 10. 2000 forderte die bei der Beklagten für Reinigungsarbeiten zuständige, dem Kläger nicht übergeordnete Bedienstete den Kläger auf, den durch die Halle verlaufenden Kanal zu säubern. Der Kläger lehnte dies ab und wurde daraufhin zum Geschäftsführer geschickt, den er erklärte, dass diese Tätigkeit nicht vereinbart worden und somit nicht seine Arbeit sei. Der Geschäftsführer zeigte sich verärgert und teilte dem Kläger mit, dass dieser sogleich "abtreten und marschieren" könne. Eine ausdrückliche und unmissverständliche Weisung, dass das Aufgabengebiet des Klägers unter der Sanktion der sonstigen Entlassung verändert werde, erfolgte nicht; ebenso wenig ein Hinweis, dass dem Kläger die Entlassung drohe, wenn er die angeordnete Arbeit nicht ausführe.

Die Rigolreinigung wurde schließlich von der für Reinigungsarbeiten zuständigen Bediensteten der Beklagten durchgeführt. Am 24. 10. 2000 wurde dem Kläger von der Beklagten eine schriftliche Erklärung vorgelegt, nach deren Wortlaut er die Übernahme im Einzelnen angeführter Arbeitspapiere bestätigte und erklärte, "dass er hinsichtlich sämtlicher entgeltrechtlicher Ansprüche aus dem Dienstverhältnis sowie aus dessen Beendigung voll befriedigt worden" sei. Der Kläger hat diese Erklärung über Aufforderung unterfertigt, ohne dem einen Erklärungswert beizumessen.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Geschäftsführer mit den festgestellten Worten die Entlassung des Klägers ausgesprochen habe und dass die Entlassung unberechtigt erfolgt sei; der vom Kläger unterfertigten Erklärung komme als bloße Wissenserklärung keine Verzichtswirkung zu. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es insofern ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Für die Annahme einer konkludenten Zustimmung des Klägers zur Übernahme der bisher vom Hausarbeiter durchgeführten Rigolreinigung fehlt es im festgestellten Sachverhalt an jeglicher Grundlage. Aber selbst das erstinstanzliche Prozessvorbringen der Beklagten, die ja eine ausdrückliche Zustimmung des Klägers behauptet hatte, vermag eine solche Annahme nicht zu rechtfertigen. Außer der (ohnehin vereinbarten) Übernahme des Reinigens der Halle mit der Kehrmaschine wurde nämlich lediglich behauptet, dass der Kläger einige Autos poliert hat. Selbst wenn dies zutreffen würde, könnte daraus noch keine konkludente Vereinbarung über die Übernahme sämtlicher Tätigkeiten des bisherigen Hausarbeiters (einschließlich der Rigolreinigung) abgeleitet werden.

Ob die Rigolreinigung unbedingt notwendig war, ist für die Entscheidung nicht von Relevanz.

Im Übrigen können Überlegungen darüber, ob der Kläger verpflichtet gewesen wäre, die Rigolreinigung weisungsgemäß durchzuführen, unterbleiben, weil selbst bei Bejahung dieser Frage die Berechtigung der Entlassung zu verneinen wäre.

Der hier in Betracht kommende Entlassungsgrund des § 82 lit f GewO 1859, 2. Tatbestand, ist nur verwirklicht, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten "beharrlich" verletzt. Unter "Beharrlichkeit" ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Dienstverweigerung zum Ausdruck gelangenden, auf die Verweigerung der Dienste bzw der Befolgung der Anordnung gerichteten Willens zu verstehen. Dieses Tatbestandsmerkmal erfordert daher als Indiz der qualifizierten Willensbildung die Wiederholung bzw das Verharren im verpönten Verhalten trotz vorangegangener Ermahnung (Verwarnung) oder wiederholter Aufforderung, die Arbeit aufzunehmen. Einer Ermahnung bedarf es allerdings dann nicht, wenn die Weigerung derart eindeutig und endgültig ist, dass angesichts eines derartigen, offensichtlich unverrückbaren Willensentschluss eine Ermahnung als bloße Formalität sinnlos erscheinen müsste (RIS-Justiz RS0029746; zuletzt 9 ObA 103/00p; 9 ObA 313/00w; Kuderna, Entlassungsrecht2 116 mwN). Im hier zu beurteilenden Fall hatte der Kläger bislang alle ihm übertragenen Arbeiten anstandslos ausgeführt und auch die ihm zunächst nicht obliegende Aufgabe des Aufwaschens der Halle widerspruchslos übernommen. Dass er nunmehr erstmals und unter Hinweis, dazu nicht verpflichtet zu sein, die bisher ebenfalls nicht ihm oblegene Rigolreinigung verweigerte, kann nicht als offensichtlich auch durch die Androhung der Entlassung unverrückbare Entscheidung angesehen werden. Eine solche Androhung oder Verwarnung des Klägers, die daher - selbst wenn er zur Rigolreinigung verpflichtet gewesen wäre - jedenfalls erforderlich gewesen wäre, ist hier aber nicht erfolgt.

Mit ihren gegenteiligen Ausführungen weicht die Revisionswerberin vom festgestellten Sachverhalt ab. Dass der Geschäftsführer erklärt habe, der Kläger könne "abtreten und marschieren", "wenn er das Rigol nicht reinige", wurde zwar von der Beklagten behauptet, von den Vorinstanzen aber nicht als erwiesen angenommen. Vielmehr wurde festgestellt, dass der Geschäftsführer auf die Weigerung des Klägers sofort mit der Äußerung, er könne sogleich "abtreten und marschieren", reagiert hat.

Auch auf eine "Verwarnung" durch die für Reinigungsarbeiten zuständige Bedienstete kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Die Revisionswerberin verweist in diesem Zusammenhang auf die Feststellung, dass der Kläger zum Geschäftsführer geschickt wurde. Dieses Verhalten einer dem Beklagten nicht übergeordneten Reinigungskraft ist aber einer Ermahnung bzw einer Androhung der Entlassung durch den Arbeitgeber nicht gleichzuhalten. Auf die umfangreichen Ausführungen der Revisionswerberin, mit denen sie darzutun versucht, dass der Kläger der Weisung zur Vornahme der Rigolreinigung hätte entsprechen müssen, braucht daher nicht eingegangen zu werden. Selbst wenn man dem folgen wollte, wäre der in Betracht kommende Entlassungsgrund mangels "Beharrlichkeit" der Weigerung des Klägers nicht verwirklicht.

Nicht zu folgen ist auch den Revisionsausführungen zu der vom Kläger über Aufforderung unterfertigten Urkunde, nach deren Wortlaut er erklärt, dass er hinsichtlich sämtlicher Ansprüche voll befriedigt worden sei. Nach dem Wortlaut dieser Erklärung handelt es sich um eine Wissenserklärung und damit um nichts anderes als eine Quittung. Es trifft zwar zu, dass auch Erklärungen, die ihrem Wortlaut nach bloße Wissenserklärungen sind, im Einzelfall einen bestimmten Rechtsgestaltungswillen dokumentieren können. Davon kann aber hier nicht die Rede sein, zumal der über Aufforderung erfolgten Unterfertigung der von der Beklagten vorbereiteten Erklärung keinerlei Diskussionen, Gespräche oder sonstige Umstände vorangingen, aus denen die Beklagte auf einen Willen des Klägers hätte schließen können, auf ihm zustehende Ansprüche zu verzichten (vgl dazu die schon im Berufungsgericht zitierte Entscheidung Arb 10.095 mwN). Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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