OGH 3Ob148/12d

OGH3Ob148/12d19.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Mag. Bernhard Kispert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K*****, vertreten durch Dr. Andrea Wukovits Rechtsanwältin GmbH in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. April 2012, GZ 44 R 153/12v‑150, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 29. Mai 2012, GZ 44 R 153/12‑156, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 4. Jänner 2012, GZ 6 C 29/09i‑134, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

In einem beim Bezirksgericht Josefstadt anhängigen Verfahren wegen Ehegattenunterhalt schlossen die Parteien am 6. August 2003 einen Vergleich, mit dem sich der Kläger zur Leistung eines einstweiligen Unterhalts an die Beklagte von 1.100 EUR monatlich ab 1. September 2003 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Unterhaltsverfahrens verpflichtete.

Da der Kläger dieser Verpflichtung nicht vollständig nachkam, wurde der hier Beklagten als betreibende Partei wider den hier Kläger als verpflichtete Partei mit Beschluss des Erstgerichts vom 4. Oktober 2005, AZ 20 E 4622/05h, die Forderungsexekution zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 2.200 EUR sowie des laufenden Unterhalts von 1.100 EUR monatlich ab 1. Oktober 2005 bewilligt.

Mit der vorliegenden Oppositionsklage machte der Kläger geltend, dass der exekutiv betriebene Unterhaltsanspruch im Zeitraum vom 1. Mai 2006 bis 31. Dezember 2007 mit einem Teilbetrag von 300 EUR monatlich sowie ab dem 1. Jänner 2008 zur Gänze erloschen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht aus, dass der exekutiv betriebene Unterhaltsanspruch vom 1. Jänner 2008 bis 28. Februar 2008 mit 178 EUR, vom 1. März 2008 bis 31. Dezember 2008 mit 369 EUR, vom 1. Jänner 2009 bis 31. Dezember 2009 mit 428 EUR, vom 1. Jänner 2010 bis 31. August 2010 mit 886 EUR und ab dem 1. September 2010 mit 389 EUR je monatlich erloschen sei, sodass Unterhaltsbeträge in den genannten Zeiträumen von 922 EUR, 731 EUR, 672 EUR, 214 EUR und 711 EUR je monatlich aufrecht zustünden. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Erlöschen des betriebenen Anspruchs wurde abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wurde als verspätet rechtskräftig zurückgewiesen. Der Berufung der Beklagten, die die gänzliche Klagsabweisung anstrebte, gab das Berufungsgericht teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass das Klagebegehren für den Zeitraum 1. Jänner 2008 bis 31. März 2008 gänzlich abgewiesen werde und der betriebene Unterhaltsanspruch vom 1. April 2008 bis 31. Dezember 2008 mit 133 EUR, vom 1. Jänner 2009 bis 31. Dezember 2009 mit 192 EUR, vom 1. Jänner 2010 bis 31. August 2010 mit 650 EUR und ab 1. September 2010 mit 50 EUR je monatlich erloschen sei; der betriebene Anspruch sei daher in den genannten Zeiträumen mit 967 EUR, 908 EUR, 450 EUR und 1.050 EUR je monatlich aufrecht. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die „außerordentliche“ Revision des Klägers, die vom Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wurde.

Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage. Nach § 502 Abs 4 ZPO idF BGBl I 2009/52 ist in den in § 49 Abs 2 Z 1 und 2 JN bezeichneten familienrechtlichen Streitigkeiten die Revision ‑ außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO ‑ jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Oppositionsklagen, mit denen das (teilweise oder gänzliche) Erlöschen des Unterhaltsanspruchs dem Grund nach geltend gemacht wird, fallen unter § 49 Abs 2 Z 2 JN (RIS‑Justiz RS0046467 [T12]). Dass zwischen den Streitteilen eine vergleichsweise Regelung getroffen worden ist, ändert an der Qualifikation des geltend gemachten Anspruchs als gesetzlicher Unterhaltsanspruch nichts (RIS‑Justiz RS0046467 [T8 und T16]).

Bei der Oppositionsklage richtet sich der Streitwert grundsätzlich nach dem unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 54 und 56 JN ermittelten Wert des betriebenen Anspruchs (3 Ob 6/09t mwN). Der Streitwert einer Oppositionsklage, mit welcher der Ausspruch des (gänzlichen oder teilweisen) Erlöschens eines in Geld zu berichtigenden Unterhaltsanspruchs angestrebt wird, ist nach § 58 Abs 1 JN unter Hinzurechnung des betriebenen Unterhaltsrückstands zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0001624).

Ob diese Judikatur zur Hinzurechnung des betriebenen Unterhaltsrückstands im Hinblick auf die ‑ im Folgenden dargestellte ‑ jüngere Judikatur zu § 58 Abs 1 JN weiter aufrecht zu erhalten ist, muss hier nicht geklärt werden. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass dann, wenn das Berufungsgericht im Oppositionsprozess nicht über den betriebenen Rückstand, sondern nur über den betriebenen laufenden Unterhalt zu entscheiden hatte, der betriebene Rückstand unberücksichtigt zu bleiben hat (3 Ob 253/07p = RIS‑Justiz RS0001624 [T3]). Daran ist festzuhalten, weil es bei der Beurteilung der Revisionsunzulässigkeit auf den Entscheidungsgegenstand der zweiten Instanz ankommt. Das hat aber natürlich auch dann zu gelten, wenn ‑ wie hier ‑ der betriebene Rückstand gar nicht von der Oppositionsklage erfasst war. Hier kommt es somit auf den betriebenen Rückstand von 2.200 EUR bei der Ermittlung des Entscheidungsgegenstands des Berufungsgerichts nicht an.

Dieser ist daher (nur) nach den zu § 58 Abs 1 JN entwickelten Grundsätzen zu beurteilen. Es entspricht nunmehr gefestigter Judikatur des Obersten Gerichtshofs, dass es bei der Ermittlung des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts oder Berufungsgerichts in Unterhaltsverfahren, wenn (auch) laufende Ansprüche zu beurteilen sind, grundsätzlich auf den 36‑fachen Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags ankommt, der zum Zeitpunkt der Entscheidung der zweiten Instanz zwischen den Parteien noch strittig war; Unterhaltsansprüche, die vor diesem Zeitpunkt strittig waren, haben hingegen unberücksichtigt zu bleiben (RIS‑Justiz RS0122735; RS0114353; RS0103147 [T14 und T23]). Im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts war nur mehr (ab 1. September 2010) ein Unterhaltsbetrag von 389 EUR monatlich strittig, weil der Kläger verspätet Berufung erhob, sodass die Entscheidung des Erstgerichts im Umfang der Teilabweisung von 711 EUR monatlich in Rechtskraft erwuchs und die Beklagte mit ihrer Berufung die gänzliche Klagsabweisung anstrebte. 389 EUR x 36 ergibt 14.004 EUR, also einen Betrag der 30.000 EUR nicht übersteigt.

Der Oberste Gerichtshof ist daher funktionell für die Behandlung der „außerordentlichen“ Revision nicht zuständig: Erhebt in den in § 508 Abs 1 ZPO angeführten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf nur entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt ferner weiters dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht iSd § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (stRsp; RIS‑Justiz RS0109623). Die Vorlage der „außerordentlichen“ Revision direkt an den Obersten Gerichtshof ist daher verfehlt. Inwieweit das Rechtsmittel einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen überlassen.

Stichworte