OGH Ds14/12

OGHDs14/1230.8.2012

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat am 30. August 2012 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Jensik und Dr. Höllwerth als weitere Richter und in Gegenwart des Richters Dr. Schmaranzer als Schriftführer, in der Dienststrafsache gegen *****, Richter des Landesgerichts *****, über dessen Delegierungsantrag vom 16. April 2012 sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Disziplinargericht für Richter vom 23. Mai 2012, GZ Ds 18/09-150, nach Anhörung des Generalprokurators und des Disziplinarbeschuldigten in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der Delegierungsantrag wird abgewiesen.

2. Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Seit 3. Dezember 2009 ist beim Oberlandesgericht Graz als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte aufgrund mehrerer Disziplinaranzeigen des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien gegen den Disziplinarbeschuldigten ein Disziplinarverfahren anhängig. Die mit Beschluss vom 22. März 2010, Ds 18/09-17, gegen den Disziplinarbeschuldigten gemäß § 123 Abs 1 RStDG eingeleitete Disziplinaruntersuchung wurde mit Beschluss des Disziplinargerichts vom 14. Juni 2010 (ON 26) unter anderem auf folgenden Anschuldigungspunkt ausgedehnt: Er habe in einem bestimmten Verfahren des Landesgerichts ***** in der ersten Hälfte des Jahres 2009 gegen die allgemeinen Pflichten nach § 57 Abs 1 RStDG, die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten, dadurch verstoßen, dass er grundlegende Normen der Zivilprozessordnung vorsätzlich oder auffallend sorglos missachtend sich über die Anwaltspflicht hinwegsetzte und aufgrund der Erklärung des für die beklagte Partei Einschreitenden, den eingeschränkten Klagebetrag anzuerkennen, ein Anerkenntnisurteil fällte und noch vor dessen Zustellung an den ausgewiesenen Rechtsanwalt der beklagten Partei die Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit dieses Urteils erteilte.

Wegen dieses Anschuldigungspunkts führte zunächst die Staatsanwaltschaft *****, später die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption zu 1 St 224/10d gegen den Disziplinarbeschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. Das Disziplinargericht stellte daraufhin mit Beschluss vom 24. Mai 2011 fest, dass das Disziplinarverfahren bezüglich des genannten Anschuldigungspunkts gemäß § 144 RStDG bis zum rechtskräftigen Abschluss des wegen desselben Vorwurfs eingeleiteten Strafverfahrens ruht.

Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption erhob in der Folge gegen den Disziplinarbeschuldigten Anklage. Sie legte ihm zur Last, in der Zeit vom 27. April bis 6. Mai 2009 als in einer bestimmten Rechtssache zuständiger Richter, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch die beklagte Partei an ihren Rechten auf gesetzeskonforme Durchführung von Zivilverfahren, Fällung eines Anerkenntnisurteils nur über Antrag der Klägerin und nur nach Vorliegen eines wirksamen Anerkenntnisses sowie in Anwesenheit eines legitimierten Rechtsvertreters und auf Überprüfbarkeit des Anerkenntnisurteils durch das zuständige Rechtsmittelgericht zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht zu haben, indem er am 27. April 2009 in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung nach Erklärung des für die beklagte Partei ohne Rechtsanwalt Erschienenen, den eingeklagten Klagebetrag anzuerkennen und das Verfahren nicht mehr fortsetzen zu wollen, sohin ohne Erklärung einer postulationsfähigen beklagten Partei und ohne Antrag der Klägerin ein Anerkenntnisurteil fällte, einen Verzicht der Verfahrensbeteiligten auf Urteilsausfertigung und Rechtsmittel protokollierte und am 6. Mai 2009 ohne vorherige Zustellung des Anerkenntnisurteils an den ausgewiesenen Rechtsvertreter der beklagten Partei die Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit dieses Urteils erteilte, wodurch er das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB begangen habe. Das Oberlandesgericht Wien wies mit Beschluss vom 29. März 2012, 19 Bs 389/11m, den Einspruch des Disziplinarbeschuldigten gegen diese Anklageschrift ab, weshalb die gegen den Disziplinarbeschuldigten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB erhobene Anklage rechtswirksam ist.

Am 24. Mai 2011 dehnte das Disziplinargericht die gemäß § 123 Abs 1 RStDG eingeleitete und später ausgedehnte Disziplinaruntersuchung unter anderem auf folgenden weiteren Anschuldigungspunkt aus:

Der Disziplinarbeschuldigte habe seine im § 57 Abs 1 RStDG normierten Pflichten, die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten, sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen und die ihm übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen, dadurch verletzt, dass er im September 2010 die Leiterin der Geschäftsabteilung zu einem gegen § 134 Abs 2 Geo verstoßenden rechtswidrigen Verhalten durch die Aufforderung zu verleiten versuchte, tatsachenwidrig im Register den Vermerk „Urteil ausgefertigt“ anzubringen.

Wegen dieses Anschuldigungspunkts ist gegen den Disziplinarbeschuldigten bei der Staatsanwaltschaft Wien zu 39 St 38/12h ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach den §§ 12 zweiter Fall, 15, 302 Abs 1 StGB anhängig. Auch diesbezüglich stellte das Disziplinargericht das Ruhen des Disziplinarverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des wegen desselben Vorwurfs zu 39 St 38/12h der Staatsanwaltschaft Wien anhängigen Ermittlungsverfahrens fest.

Am 2. März 2012 beantragte der Disziplinaranwalt, die Suspendierung des Disziplinarbeschuldigten vom Dienst gemäß § 146 Abs 1 RStDG zu verfügen, weil mit Blick auf die konkrete Verdachtslage, wonach der Genannte als Richter über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt Pflichtverletzungen begangen haben soll, erhebliche Bedenken an der (aktuellen) Dienstfähigkeit und Dienstverlässlichkeit des Genannten bestehen. Mit Rücksicht auf die Natur und Schwere des dem Disziplinarbeschuldigten solcherart zur Last gelegten Fehlverhaltens, welches vernetzt zu betrachten sei, im Rahmen dessen aber naturgemäß jene Pflichtverletzungen hervorzuheben seien, welche auch Gegenstand von Strafverfahren seien, liege die Suspendierung im dienstlichen Interesse und erscheine zur Wahrung des Standesansehens geboten.

Der Disziplinarbeschuldigte äußerte sich dahin, diese „existenzvernichtende Maßnahme gegen ihn als 57-jährigen Familienvater“ sei keinesfalls gerechtfertigt. Der Suspendierungsantrag sei missbräuchlich gestellt worden. Er weise weder Sachlichkeit noch Objektivität auf, weil kein einziger Bezugsakt angefordert worden sei. Seine aktuelle Dienstfähigkeit sei zweifellos und nachweislich gegeben. Eine vernetzte Betrachtung ergebe, er habe die ihm angelasteten angeblichen Pflichtverletzungen nicht begangen, was sich aus den angeführten Akten selbst ergebe. Alle diese Behauptungen seien bereits in einem Vorverfahren als haltlos abgetan worden. Die strafrechtlichen Vorwürfe rechtfertigten keine Suspendierung, weil diesbezüglich eine Unterbrechung des Disziplinarverfahrens gesetzlich vorgesehen sei und sie daher der Kognition des Disziplinargerichts entzogen wären. Es gebe überdies bereits rechtskräftige Teileinstellungsbeschlüsse betreffend einen Großteil der Anwürfe. Überdies habe er gegen den Disziplinaranwalt Straf- und Disziplinaranzeige wegen des Verdachts der gesetzwidrigen Unterstützung des ihn seit Jahren zu Unrecht verfolgenden Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien erstattet. Er habe auch nie jemanden zu einer falschen Eintragung im Register verleitet oder angestiftet.

Weiters beantragte der Disziplinarbeschuldigte die Delegierung der Dienststrafsache an ein anderes Oberlandesgericht gemäß § 116 Abs 1 RStDG, weil Gründe vorlägen, welche die volle Unbefangenheit des Oberlandesgerichts Graz in dieser Sache bezweifeln ließen. Damit verbandt er die Ablehnung jener namentlich angeführten Personen, welche nach der derzeit gültigen Geschäftsverteilung das Disziplinargericht für Richter bilden. Als Grund für die Delegierung verwies er auf die geltend gemachten Ablehnungsgründe. Die Ablehnung begründet der Disziplinarbeschuldigte im Wesentlichen damit, dass er befürchte, mit ihm solle „kurzer Prozess“ gemacht werden, weil man seine Rechte als Disziplinarbeschuldigter nicht respektiere und ihn an der Wahrnehmung einer wirkungsvollen Verteidigung ohne Grund hindere. Bei Durchsicht der Bezug habenden Akten ergebe sich, dass die Begehung von Dienstvergehen geradezu denkunmöglich sei. Die Mitglieder des abgelehnten Disziplinarsenats seien mit dem Disziplinaranwalt freundschaftlich verbunden (wechselseitig per du), die Amtszimmer seien in enger räumlicher Verbundenheit und es entstehe daher der Eindruck der Befangenheit, insbesondere im Hinblick auf die vom Disziplinarbeschuldigten gegen den Disziplinaranwalt erstattete Straf- und Disziplinaranzeige.

Am 15. Mai 2012 stellte der Präsident des Oberlandesgerichts Graz fest, dass der Vorsitzende des Disziplinarsenats und ein weiteres Mitglied vom Disziplinarbeschuldigten ohne Angabe von Gründen erfolgreich abgelehnt wurden, wies einen weiteren Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts betreffenden Ablehnungsantrag zurück und hinsichtlich der übrigen Mitglieder des Disziplinarsenats als unberechtigt ab. Er verwies darauf, dass gegen diesen Beschluss ein selbstständiges Rechtsmittel nicht zusteht; der Disziplinarbeschuldigte erhob ein solches auch nicht.

Der Disziplinaranwalt trat dem Delegierungsantrag des Disziplinarbeschuldigten entgegen, weil die hiefür gegebene Begründung, insbesondere durch die inhaltlich unrichtige Behauptung, die Rechte des Antragstellers als Disziplinarbeschuldigter würden nicht respektiert und der Antragsteller in der Wahrnehmung einer wirkungsvollen Verteidigung beschnitten, keine substanziierten Gründe bildeten, welche die Unbefangenheit des Oberlandesgerichts Graz bezweifeln lassen würden. Dem Disziplinarbeschuldigten sei bislang rechtliches Gehör gewährt worden.

Das Disziplinargericht sprach sich gegen die beantragte Delegierung aus, besonders gewichtige Gründe der Zweckmäßigkeit eines Eingriffs in die Zuständigkeitsordnung des § 111 RStDG würden nicht angeführt. Die pauschale Behauptung der Ablehnung (Ausgeschlossenheit) aller Richter des Disziplinargerichts wegen örtlicher oder persönlicher Nähe zum Disziplinaranwalt - alle Senatsmitglieder seien im Übrigen Zivilrichter - bilde keinen Delegierungsgrund. Im Übrigen wird auf die den Ablehnungsantrag, soweit darüber inhaltlich zu entscheiden gewesen sei, zurück- bzw abweisende Entscheidung verwiesen, welche unbekämpft geblieben sei.

Mit dem (in Ansehung der Suspendierung) angefochtenen Beschluss suspendierte das Disziplinargericht den Disziplinarbeschuldigten gemäß § 146 Abs 1 RStDG vom Dienst und stellte fest, dass das Disziplinarverfahren bezüglich des Vorwurfs eines Verstoßes gegen die allgemeinen Pflichten nach § 57 Abs 1 RStDG, weil der Disziplinarbeschuldigte im September 2010 die Leiterin der Geschäftsabteilung zu einem gegen § 134 Abs 2 Geo verstoßenden rechtswidrigen Verhalten durch die Aufforderung zu verleiten versucht habe, bezüglich eines Verfahrens tatsachenwidrig im Register den Vermerk „Urteil ausgefertigt“ anzubringen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des wegen desselben Vorwurfs zu 39 St 38/12h der Staatsanwaltschaft Wien anhängigen Ermittlungsverfahrens gemäß § 144 RStDG ruht. Nach den hiefür relevanten Vorwürfen habe der Disziplinarbeschuldigte seine in § 57 Abs 1 RStDG normierten Pflichten verletzt, indem er einerseits in einem bestimmten Verfahren in der Tagsatzung am 27. April 2009 zur mündlichen Streitverhandlung nach Erklärung des für die beklagte Partei ohne Rechtsanwalt Erschienenen, den eingeklagten Betrag anzuerkennen und das Verfahren nicht mehr fortsetzen zu wollen, sohin ohne Erklärung eines postulationsfähigen Beklagten und ohne Antrag der Klägerin ein Anerkenntnisurteil gefällt, einen Verzicht der Verfahrensbeteiligten auf Urteilsausfertigung und Rechtsmittel protokolliert und am 6. Mai 2009 ohne vorherige Zustellung des Anerkenntnisurteils an den ausgewiesenen Rechtsvertreter der beklagten Partei die Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit dieses Urteils erteilt habe; und andererseits im September 2010 die Leiterin der Geschäftsabteilung zu einem gegen § 134 Abs 2 Geo verstoßenden rechtswidrigen Verhalten durch die Aufforderung zu verleiten versucht habe, bezüglich eines Verfahrens tatsachenwidrig im Register den Vermerk „Urteil ausgefertigt“ anzubringen. Den Tatverdacht in Bezug auf dieses dem Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach den § 302 Abs 1 und §§ 12 zweiter Fall, 15, 302 Abs 1 StGB zu subsumierende Verhalten stützte das Disziplinargericht einerseits auf die mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 29. März 2012, 19 Bs 389/11m, rechtswirksam gewordene Anklageschrift der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption vom 30. September 2011, 1 St 224/10d (ON 144), und andererseits auf die Belastung durch die Leiterin der Geschäftsabteilung. In Anbetracht des Verdachts der Begehung des mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren bedrohten Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt erachtete es vor allem nach Eintritt der Rechtswirksamkeit der zuvor erwähnten Anklageschrift die Suspendierung des Disziplinarbeschuldigten im Interesse des Dienstes und zur Wahrung des Standesansehens für geboten.

In seiner Äußerung erachtet der Generalprokurator sowohl den Delegierungsantrag als auch die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten für nicht berechtigt.

Der Disziplinarbeschuldigte trat der Äußerung des Generalprokurators entgegen und wiederholte die in seinen Anträgen und in seiner Beschwerde vorgetragenen Argumente.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

Der gegen die Suspendierung erhobenen Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten kommt keine Berechtigung zu.

Zum Delegierungsantrag:

Sind Gründe vorhanden, die die Unbefangenheit des Oberlandesgerichts bezweifeln lassen, kann der Oberste Gerichtshof auf Antrag des Disziplinaranwalts oder des -beschuldigten die Disziplinarsache einem anderen Oberlandesgericht übertragen (§ 116 Abs 1 RStDG). Soweit der Disziplinarbeschuldigte über das ihm gesetzlich zustehende Recht, zwei Mitglieder des Disziplinargerichts ohne Angabe von Gründen ablehnen zu können, hinaus weitere Mitglieder des Disziplinargerichts ablehnte, wurde sein Ablehnungsantrag zurück- bzw abgewiesen. Die pauschale Behauptung von Ablehnungsgründen (freundschaftliche und/oder kollegiale Beziehungen zum angezeigten Disziplinaranwalt) nicht namentlich genannter Richter, bildet keinen Delegierungsgrund (vgl 15 Ns 4/05i = SSt 2005/7). Mit seinem Vorbringen, wonach mit dem vom Disziplinarbeschuldigten angezeigten Disziplinaranwalt über das kollegiale Verhältnis hinaus befreundete Mitglieder des Disziplinarsenats die Anzeigeerstattung des Disziplinarbeschuldigten gegen den Disziplinaranwalt übelnehmen könnten, vermag der Disziplinarbeschuldigte keine Gründe darzulegen, die die Unbefangenheit des Oberlandesgerichts Graz bezweifeln lassen. Die darüber hinaus vom Disziplinarbeschuldigten mehrfach ins Treffen geführte (angebliche) Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte durch die Verfahrensführung des Disziplinargerichts ist nicht zu erkennen. Im Hinblick auf die Erledigung des Ablehnungsantrags ist auch nicht zu beanstanden, dass das Disziplinargericht über den Suspendierungsantrag entschieden hat, bevor es den Delegierungsantrag, der sich nur auf das gleiche Vorbringen wie der Ablehnungsantrag stützt, dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt hat.

Der Delegierungsantrag ist daher abzuweisen.

Zur Suspendierung:

Gemäß § 146 Abs 1 RStDG kann das Disziplinargericht ohne mündliche Verhandlung die Suspendierung des Disziplinarbeschuldigten vom Dienst verfügen, wenn dies mit Rücksicht auf die Natur oder Schwere der ihm zur Last gelegten Pflichtverletzung im dienstlichen Interesse liegt, oder zur Wahrung des Standesansehens erforderlich erscheint. Die Suspendierung eines Richters gemäß § 146 RStDG ist eine sichernde und daher auch in einem gemäß § 144 Abs 1 RStDG unterbrochenen Verfahren zulässige (vgl Ds 7/10) Maßnahme, für die das Vorliegen eines bloßen Verdachts einer Dienstpflichtverletzung genügt. Bei der Entscheidung darüber handelt es sich daher um eine solche im Verdachtsbereich, die naturgemäß keine Vorwegnahme der - später - aufgrund mündlicher Verhandlung zu treffenden Entscheidung bedeuten kann, ob der Richter seine Standes- oder Amtspflicht verletzt hat und disziplinär zu bestrafen ist (stRsp zum inhaltsgleichen § 146 RDG; zuletzt Ds 7/10; RIS-Justiz RS0072834, RS0072820). Werden einem Disziplinarbeschuldigten mehrere Verfehlungen zur Last gelegt, so sind bei der Entscheidung, ob seine Suspendierung gemäß § 146 RStDG geboten ist, alle diese Verfehlungen (nicht nur einzeln, sondern vor allem) in ihrem Zusammenhang zu berücksichtigen und danach zu beurteilen, ob sie (insgesamt) jenes Gewicht haben, auf welches die zitierte Gesetzesstelle abstellt (RIS-Justiz RS0072830).

Für die Suspendierung genügt ein Verdacht, der eine Disziplinarverurteilung wegen eines Dienstvergehens möglich erscheinen lässt (Ds 7/10), die endgültige Klärung, ob Dienstpflichtverletzungen vorliegen, bleibt der mündlichen Disziplinarverhandlung vorbehalten; eigene Erhebungen oder Untersuchungen in dieser Richtung sind im Verfahren nach § 146 RStDG nicht vorgesehen (RIS-Justiz RS0072851).

Da die Suspendierung allein wegen des in zwei Fällen bestehenden Tatverdachts in Richtung § 302 Abs 1 StGB und der in einem Fall rechtswirksam gewordenen Anklageschrift erfolgte, ist auf die damit nicht im Zusammenhang stehenden Vorwürfe gegen den Disziplinarbeschuldigten und dessen diesbezügliche Kritik an der bisherigen Verfahrensführung nicht einzugehen. In Ansehung des Vorwurfs des Missbrauchs der Amtsgewalt besteht nach Rechtswirksamkeit der Anklage ein Tatverdacht, der zumindest eine disziplinäre Verurteilung möglich erscheinen lässt, zumal der Disziplinarbeschuldigte der eingehenden Begründung in der Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift (§ 215 Abs 6 iVm § 212 Z 2 StPO) nichts Überzeugendes entgegenzusetzen vermag. Den Tatverdacht in Ansehung des Versuchs, die Leiterin der Geschäftsabteilung zum Missbrauch der Amtsgewalt zu bestimmen, stützte das Disziplinargericht auf die im Amtsvermerk vom 4. Oktober 2010 festgehaltene Angabe der Leiterin der Geschäftsabteilung (ON 49, S 479). Entgegen den Ausführungen des Disziplinarbeschuldigten lässt sich aus dem Amtsvermerk vom 16. Mai 2011, wonach die Leiterin der Geschäftsabteilung nach Rücklangen eines Akts vom Oberlandesgericht die zunächst vergessene Registereintragung nachgeholt habe und dies in keinem Zusammenhang mit dem Disziplinarbeschuldigten stehe (ON 56, S 573), nicht zwingend ableiten, dass der Amtsvermerk vom 4. Oktober 2010 unrichtig wäre. Der für eine Suspendierung nach § 146 RStDG vorausgesetzte Verdacht einer Dienstpflichtverletzung besteht daher auch in diesem Zusammenhang.

Besteht ein solcher Verdacht, so ist nach der eingangs zitierten gesetzlichen Grundlage nur auf die Interessen des Dienstes und auf die Gefährdung des Ansehens des Standes der Richter und Staatsanwälte abzustellen. Ein Verdacht, wie er gegen den Disziplinarbeschuldigten besteht, insbesondere wenn bereits teilweise rechtswirksame Anklage wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt erhoben wurde, gefährdet das Standesansehen und indiziert eine Gefährdung des dienstlichen Interesses. Die Suspendierung des Disziplinarbeschuldigten vom Dienst ist demnach im Interesse des Dienstes und zur Wahrung des Standesansehens geboten (Ds 7/10 mwN).

Der Vorwurf des Disziplinarbeschuldigten, nicht (ausreichend) angehört worden zu sein, kann im Hinblick auf die eingeräumte und von ihm auch genützte Möglichkeit der Stellungnahme zum Suspendierungsantrag nicht nachvollzogen werden. Inwiefern auf dem Dienstcomputer gespeicherte Dokumente, auf die er zu seiner Verteidigung nicht habe zugreifen können, für die Provisorialmaßnahme der Suspendierung relevant sein sollen, führte der Beschwerdeführer nicht konkret aus. Entgegen dem weiteren Vorbringen kommt dem Ergebnis des nach Richterwechsel fortgeführten, der Anklage zugrunde liegenden Zivilverfahrens bei Prüfung und Beurteilung, ob dem Disziplinarbeschuldigten während seiner Verfahrensführung die Missachtung verfahrensrelevanter Bestimmungen und demzufolge ein gerichtlich strafbares und/oder disziplinär zu ahndendes Fehlverhalten anzulasten ist, keine Bedeutung zu. Die Stichhaltigkeit des Anklagevorwurfs (Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt) wird im Strafverfahren zu klären sein.

Der insgesamt unberechtigten Beschwerde musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

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