OGH 11Os92/12g

OGH11Os92/12g21.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Fevzi Y***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24. Mai 2012, GZ 15 Hv 45/12a-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Fevzi Y***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 22. Februar 2012 in Graz durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Michaela Y***** zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie mit den Worten „Zieh dich aus! Ich stich di ab, wennst net mit mir Sex hast“ bedrohte, während er ein Küchenmesser zuerst drohend vor ihr Gesicht hielt und danach griffbereit auf einen Tisch legte, und sie dadurch zur Duldung des vaginalen Geschlechtsverkehrs zwang.

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags des Angeklagten auf „Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Gynäkologie zum Beweis dafür, dass keine Vergewaltigung stattgefunden haben kann, zumal das Opfer im Intim- und Genitalbereich keine Verletzungsspuren aufwies“, was jedoch bei dem von der Zeugin Michaela Y***** geschilderten „abrupten Eindringen“ und „mehrminütigen, gegen ihren Willen ausgeführten Geschlechtsverkehr“ hätte der Fall gewesen sein müssen (ON 31 S 13), Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

Die Beiziehung eines Sachverständigen ist nur dann erforderlich, wenn die Beantwortung einer schuld- und subsumtionsrelevanten Frage besondere Kenntnisse voraussetzt, über die nicht jedes Mitglied des erkennenden Gerichts verfügt (RIS-Justiz RS0097283; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 5). Da Michaela Y***** angegeben hatte, infolge der massiven Drohung und des in Reichweite des Täters befindlichen Messers aus Angst keinen Widerstand gegen den vom Angeklagten ohne körperliche Gewalt vollzogenen Geschlechtsverkehr geleistet zu haben (ON 7 S 63 f; ON 17 S 6 f), ist es notorisch, dass bei einem solchen Geschlechtsakt keine Verletzungen auftreten müssen, und durfte die Tatfrage somit - unter Verzicht auf die Befassung eines wissenschaftlichen Fachmanns - im Rahmen der Beweiswürdigung gelöst werden, ohne dass darin eine „unzulässige Vorabbeweiswürdigung“ gelegen wäre.

Gründe, weshalb es trotz der angeführten Konstellation im vorliegenden Fall zu Verletzungen beim Opfer hätte kommen müssen, hat der Antragsteller nicht angegeben (§ 55 Abs 1 StPO).

Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen unterliegt dem sich aus dem Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbot und hat daher auf sich zu beruhen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Offenbar unzureichend im Sinne der - von der Mängelrüge der Sache nach reklamierten - Z 5 vierter Fall des § 281 Abs 1 StPO ist eine Begründung, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0118317; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444). Das Aufgreifen formaler Mängel muss sich zudem auf entscheidende Tatsachen beziehen (RIS-Justiz RS0106268) und an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientieren (RIS-Justiz RS0119370).

Indem die Rüge lediglich einzelne Elemente der Argumentationskette des Erstgerichts isoliert bekämpft und unter Bezugnahme auf die - von den Tatrichtern sorgfältig gewürdigte (US 6 f) - Einlassung des Angeklagten dem Beschwerdestandpunkt günstigere Schlüsse zieht, nimmt sie nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß und verlässt damit den dargelegten Anfechtungsrahmen. Mit dem - auch Mutmaßungen über mögliche verleumderische Motive des Tatopfers Michaela Y***** anstellenden - Vorbringen, die tatrichterlichen Erwägungen, aus denen die Aussagen dieser Zeugin für glaubhaft erachtet (US 5 f), die leugnende Verantwortung des Angeklagten hingegen als unglaubwürdig verworfen wurden (US 6 f), seien „nicht nachvollziehbar“, erschöpft sie sich vielmehr in eigenständigen beweiswürdigenden Überlegungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld („nicht stichhaltig“, „kann auch nicht einmal ausgeschlossen werden“) und übersieht dabei, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Angeklagten oder Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588, RS0099419).

Soweit die Beschwerde (nominell ebenfalls aus Z 5, inhaltlich als Aufklärungsrüge - Z 5a) mangelnde, durch „weitergehende Erhebungen, wie insbesondere die Einholung eines Einzelgesprächsnachweises beim Handyprovider des Angeklagten“ vorzunehmende Klärung der Frage reklamiert, ob der Angeklagte am Tattag mehrere Telefonanrufe der Zeugin Michaela Y***** empfangen habe, lässt sie ein Vorbringen vermissen, wodurch der Beschwerdeführer an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS-Justiz RS0114036; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Dem gegen die Überzeugungskraft der Aussage der Michaela Y***** gerichteten Vorwurf der Unvollständigkeit (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die unterschiedlichen Angaben des Opfers zur Frage, ob dessen Leibchen während der Tat bloß hochgeschoben (ON 7 S 61) oder gänzlich entfernt worden war (ON 17 S 11), gar wohl erwogen und dargelegt, weshalb es trotz dieser voneinander abweichenden Depositionen an der Glaubwürdigkeit dieser Zeugin keine Zweifel hatte (US 5).

Ob das Opfer zum Zeitpunkt des Eintreffens der Zeugin Katrin B***** in seiner Wohnung nach der Tat ein Höschen trug oder nicht, berührt keinen für die Feststellung entscheidender Tatsachen erheblichen Aspekt, sodass diesbezügliche Divergenzen in den Aussagen der beiden Zeuginnen keineswegs erörterungsbedürftig waren.

Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz schließlich wird keiner der in § 281 Abs 1 Z 5 StPO bezeichneten Fehler behauptet, der betreffende Nichtigkeitsgrund damit gar nicht geltend gemacht (RIS-Justiz RS0102162; RS0117561; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 454).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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