OGH 3Ob103/12m

OGH3Ob103/12m8.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei KR Dr. G*****, vertreten durch Partnerschaft Schuppich Sporn und Winischhofer Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S***** m.b.H., *****, vertreten durch Emberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 151.000 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2012, GZ 4 R 583/11a-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. August 2011, GZ 53 Cg 7/11t-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das der Klage stattgebende Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Stellungnahme der klagenden Partei zur Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.153,96 EUR (darin 525,66 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 10.053,24 EUR (darin 378,54 EUR Umsatzsteuer und 7.782 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dem Kläger, damals grundbücherlicher Eigentümer einer Liegenschaft in P-Dorf, war mit Bescheid vom 19. Oktober 2006 die baubehördliche Bewilligung für den Zu- und Umbau des dort bestehenden Wohngebäudes zur Herstellung von neun Eigentumswohnungen erteilt worden. Aufgrund von Widerstand aus der Nachbarschaft und der Gemeinde konnte die Baubewilligung erst im zweiten Rechtsgang erlangt werden.

Die beklagte Partei, die vom Kläger über die bauverfahrensrechtliche Lage in Kenntnis gesetzt worden war, legte am 17. August 2007 ein verbindliches Kaufanbot für den satz-, bestands- und lastenfreien Kauf der Liegenschaft in P-Dorf um 1.150.000 EUR (Variante A) unter der Bedingung der Übergabe sämtlicher Unterlagen für das Bauprojekt mit Unterfertigung des Kaufvertrags sowie der Unterzeichnung eines verbindlichen Kaufanbots durch den Kläger betreffend eine Wohnung im Bauprojekt einer Tochtergesellschaft der beklagten Partei in Wien, S-Gasse 83, zu einem Kaufpreis von ca 1.400.000 EUR. Zugleich schlug sie vor, den Kaufpreis für die Liegenschaft in P-Dorf Zug um Zug mit den ersten drei Raten des Kaufpreisratenplans für die Wohnung in der S-Gasse gegenzurechnen.

Mit Schreiben vom 28. September 2007 teilte der Kläger der beklagten Partei mit, ihr Kaufanbot zu dem einvernehmlich reduzierten Kaufpreis von 1.145.000 EUR anzunehmen und hielt unter anderem fest:

„Für den Fall des Nichtzustandekommens eines Kaufvertrags S-Gasse bzw Zerfall eines bereits geschlossenen Vertrages aus rechtlichen oder faktischen Gründen ist der Kaufpreis am 30.03.2008 zur Zahlung fällig und die bezughabende Bankgarantie dem Verkäufer auszuhändigen.“

Zugleich stellte der Kläger in diesem Schreiben ein verbindliches Kaufanbot für lasten- und bestandsfreie Wohnungseigentumsanteile an der Liegenschaft in der S-Gasse, mit folgendem Vorbehalt: „Die Bindungswirkung dieses Kaufanbots gilt bis 31.10.2007 und vorbehaltlich des Vorliegens der rechtskräftigen Baubewilligung bis längstens 31.03.2008.“

Mit der Bindung des Kaufanbots für die Wohnung an das Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung bis längstens 31. März 2008 wollte der Kläger sicherstellen, dass die beklagte Partei das Projekt nicht verzögert.

Ein direktes Antwortschreiben auf diesen Brief verfasste die beklagte Partei nicht. Sie teilte dem Kläger auch nicht mit, dass sie die Kaufverträge für die S-Gasse und die Liegenschaft in P-Dorf als Einheit ansehe und der eine Kaufvertrag ohne den anderen nicht gewollt wäre.

Im Herbst 2007 fanden erneut drei Gespräche des Klägers mit dem Architekten des Bauprojekts S-Gasse statt. Am 14. Dezember 2007 übermittelte der Architekt dem Kläger die von der beklagten Partei freigegebene Endplanung „seiner“ Wohnung in der S-Gasse. Mit Bescheiden vom 14. März 2008 wurde die Baubewilligung für das Projekt S-Gasse erteilt. Angesichts von Berufungen dagegen war den Streitteilen klar ersichtlich, dass bis 31. März 2008 niemals eine rechtskräftige Baubewilligung erteilt werden konnte. Dieser in der Annahmeerklärung des Klägers festgesetzte Termin hatte fortan für die Streitteile keine Bedeutung mehr, wobei aber der Kläger sein Angebot für die Wohnung S-Gasse für die beklagte Partei klar erkennbar weiterhin aufrecht erhielt. Der Kläger wollte nämlich weiterhin die Wohnung erwerben und nahm deshalb die Verzögerungen im Bauverfahren hin.

Am 25. April 2008 übermittelte die beklagte Partei dem Kläger eine Wohnnutzflächenaufstellung.

Zur Abwendung des Vorhabens, die Liegenschaft in P-Dorf unter Denkmalschutz zu stellen, reichte die beklagte Partei bei der Gemeinde die vom Kläger als Grundeigentümer mitunterfertigte Abbruchsanzeige vom 16. Juni 2008 ein. Ob dem Kläger der genannte Grund für die „Bauanzeige“ mitgeteilt wurde, kann nicht festgestellt werden.

Am 4. September 2008 erhielt der Kläger vom Architekten eine geringfügige Planänderung für die S-Gasse. In weiterer Folge beauftragte die beklagte Partei den Architekten, die Verkaufspläne für das Haus in der S-Gasse auf die Planung des Klägers zu adaptieren. Ebenfalls im Herbst 2008 informierte die beklagte Partei den Kläger über die laufenden Gespräche mit den Anrainern der Liegenschaft in P-Dorf.

Nach weiteren Verzögerungen im Bauverfahren betreffend die S-Gasse (ein Anrainer hatte am 8. April 2009 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben) informierte der Geschäftsführer der beklagten Partei den Kläger am 16. April 2009, dass der Baubeginn unmittelbar bevorstehe. Dem Kläger wurde am 29. April 2009 der Letztstand der Bau- und Ausstattungsbeschreibung „seiner“ Wohnung übermittelt.

Für den Kläger völlig überraschend teilte der Geschäftsführer der beklagten Partei ihm am 27. Mai 2009 mit, dass das Projekt S-Gasse an einen Investor verkauft werden solle und die Errichtung des Gebäudes nicht stattfinden werde.

Daraufhin forderte der Kläger die Zahlung des Kaufpreises für die Liegenschaft in P-Dorf ein, worauf der Geschäftsführer der beklagten Partei äußerte, dass ein Kaufvertrag über die Liegenschaft in P-Dorf nicht zustande gekommen sei. Da sich die beklagte Partei weiterhin weigerte, den Kaufpreis zu zahlen, verkaufte der Kläger schließlich die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 12. April 2010 um 1.000.000 EUR an eine dritte Person. Es kann nicht festgestellt werden, dass zum damaligen Zeitpunkt am Markt ein Kaufpreis in Höhe von 1.145.000 EUR erzielbar gewesen wäre. Grundsätzlich war ja auch damals bereits die vom Kläger erwirkte Baubewilligung abgelaufen, da innerhalb von zwei Jahren (bis 31. Oktober 2008) kein Baubeginn gesetzt worden war.

Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Deckungsgeschäfts nahm der Kläger Beratungsleistungen des nunmehrigen Klagevertreters in Anspruch, wofür er 6.000 EUR bezahlte.

Aus dem Verkauf der Liegenschaften in der S-Gasse konnte die beklagte Partei einen Kaufpreis von insgesamt 4.000.000 EUR erzielen. Dieser hohe Erlös war das wesentliche Motiv für die beklagte Partei, das Projekt in der S-Gasse aufzugeben.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei letztlich 151.000 EUR aus dem Titel des Schadenersatzes. Die beklagte Partei schulde ihm aufgrund rechtswidriger und schuldhafter Verweigerung der Vertragserfüllung die Differenz zwischen vereinbartem und tatsächlich erzieltem Kaufpreis (145.000 EUR) als Nichterfüllungsschaden, weiters das anlässlich des Deckungsverkaufs aufgewendete Beratungshonorar (6.000 EUR). Für den Fall, dass ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen sei, berief sich der Kläger auf eine Verletzung vorvertraglicher Sorgfaltspflichten. Aufgrund des Verhaltens der beklagten Partei habe er erkennbar darauf vertrauen können, dass auch die beklagte Partei von einem wirksamen Kaufvertrag über die Liegenschaft in P-Dorf ausgehe.

Die beklagte Partei wandte ein, dass ein Kaufvertrag über die Liegenschaft des Klägers in P-Dorf nicht wirksam zustande gekommen sei, weil die vereinbarten Bedingungen hiefür nicht eingetreten seien: Weder sei die Liegenschaft lastenfrei gestellt worden (sie sei nach wie vor mit der Dienstbarkeit eines Fahr- und Leitungsrechts belastet) noch habe der Kläger eine Wohnung im Projekt S-Gasse angekauft. Dem Willen der Vertragsparteien entsprechend hätten der Ankauf der Liegenschaft in P-Dorf durch die beklagte Partei und jener der Wohnung durch den Kläger eine untrennbare Einheit darstellen sollen. Außerdem seien die Bedingungen, an die der Kläger eine Bindungswirkung seines Angebots für den Ankauf einer Wohnung im Projekt S-Gasse geknüpft habe, nicht eingetreten; vor allem sei bis 31. März 2008 keine rechtskräftige Baubewilligung vorgelegen. Da der Kläger durch das Beifügen von Bedingungen zu seinem Angebot von sich aus eine Situation geschaffen habe, die dazu geführt habe, dass keiner der beiden angestrebten Verträge zustande gekommen sei, stehe ihm auch kein Schadenersatzanspruch aus culpa in contrahendo zu. Die beklagte Partei habe den Kläger niemals im Glauben an das rechtswirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über die Liegenschaft in P-Dorf gelassen. Der Kläger wäre auch ohne weiteres in der Lage gewesen, die Liegenschaft in P-Dorf jedenfalls um 1.145.000 EUR auch an Dritte zu veräußern.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Die beklagte Partei habe ihr Kaufanbot für die Liegenschaft in P-Dorf unter die Bedingung eines verbindlichen Kaufanbots des Klägers für eine Wohnung im Bauprojekt S-Gasse bis zum 30. September 2007 gestellt. Der Kläger habe das Kaufanbot angenommen und die Bedingung erfüllt, indem er seinerseits ein verbindliches Kaufanbot für eine Wohnung in der S-Gasse abgegeben habe. Auf die von ihm gesetzte Bedingung, dass bis längstens 31. März 2008 eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegen müsse, habe er jederzeit verzichten können. Da sich die Parteien über Kaufgegenstand und Preis einig gewesen seien, sei ein wirksamer Kaufvertrag über die Liegenschaft in P-Dorf zustande gekommen. Der Kaufgegenstand habe nur geldlastenfrei sein müssen; die im Grundbuch einverleibten Dienstbarkeiten würden daher nicht schaden. Bei den beiden Verträgen habe es sich auch nicht um ein einheitliches Rechtsgeschäft gehandelt, da mit beiden Veräußerungen ein besonderer, eigenständiger Umsatzzweck angestrebt worden sei. Nach Rücktritt vom Vertrag bestehe ein Anspruch auf Ersatz des durch verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens in Höhe der Differenz zwischen dem Vorteil aus dem nunmehr abgeschlossenen Deckungsgeschäft und dem versäumten Vorteil aus dem aufgehobenen Vertrag (145.000 EUR) sowie des Aufwands beim Abschluss des Deckungsgeschäfts (Beratungskosten von 6.000 EUR).

Infolge Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht das Ersturteil im klageabweisenden Sinn ab. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass eine Willensübereinstimmung zwischen den Parteien, die zu einem Kaufvertrag über die Liegenschaft in P-Dorf geführt hätte, nicht zustande gekommen sei. Angesichts der Vereinbarung einer Gegenverrechnung des Kaufpreises für die Liegenschaft in P-Dorf mit jenem für die Wohnung in der S-Gasse sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass eine Zahlung des Kaufpreises für die Liegenschaft in P-Dorf in bar nicht erfolgen habe sollen. Die vereinbarte Schaffung einer Gegenverrechnungslage sei nur bei Zustandekommen beider Kaufverträge möglich gewesen. Das Anbot der beklagten Partei sei auf einen einheitlichen Tausch- und Kaufvertrag gerichtet gewesen. Zwar sei der Kläger in seiner Annahmeerklärung vom 28. September 2007 auf das Anbot des Abschlusses eines einheitlichen Vertrags eingegangen, habe aber seinerseits den Vorschlag unterbreitet, dass der Kaufpreis bei Nichtzustandekommen eines Kaufvertrags über die Wohnung S-Gasse bereits am 30. März 2008 in bar zur Zahlung fällig werde. In dieser geänderten „Annahme“ liege ein neues Angebot des Klägers zum Abschluss zweier getrennter Kaufverträge. Da die beklagte Partei zu diesem neuen Anbot keine weitere Erklärung abgegeben habe, fehle es an dem für einen wirksamen Vertragsschluss erforderlichen Konsens der Parteien.

Außerdem habe der Kläger der Bedingung der beklagten Partei für den Abschluss eines Kaufvertrags über die Liegenschaft in P-Dorf nicht entsprochen, weil er die Wirksamkeit seines Kaufanbots an das Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung für die Wohnung in der S-Gasse bis zum 31. März 2008 geknüpft habe. Auch damit habe der Kläger in Wahrheit ein Gegenoffert gelegt, das erneut der ausdrücklichen oder schlüssigen Annahme seitens der beklagten Partei bedurft hätte, die aber nicht erklärt worden sei.

Da somit keine Einigung über den Abschluss eines Kaufvertrags über die Liegenschaft in P-Dorf zustande gekommen sei, sei der Schadenersatz aus culpa in contrahendo zu prüfen. Die Haftung aus diesem Rechtstitel setze einen Vertrauenstatbestand voraus, an den angesichts der grundsätzlichen Handlungsfreiheit im Verhandlungsstadium besondere Anforderungen zu stellen seien. Entscheidend sei, ob der Vertrauende nach der Verkehrsauffassung in der gegebenen Situation einen Hinweis auf das weitere Fehlen jeglicher Bindung erwarten dürfe. Eine solche Situation liege aber hier nicht vor, weil der Kläger irrtümlich von einer vertraglichen Einigung über den Verkauf der Liegenschaft in P-Dorf ausgegangen sei; diesen Irrtum habe die beklagte Partei aber weder veranlasst noch hätte sie ihn erkennen können. Dass der Kläger auf das Bestehen eines Vertrags vertraut habe, beruhe auf Gründen, die allein seiner eigenen Sphäre zuzurechnen seien. Eine Verpflichtung zur Ablehnung des Gegenofferts durch die beklagte Partei habe nicht bestanden.

Die Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entschieden habe und eine erhebliche Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zu lösen gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des klagestattgebenden Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Dagegen brachte der Kläger am 26. Juli 2012 eine Stellungnahme (Replik) ein.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zur Klärung der Frage des Zustandekommens eines Vertrags zulässig; sie ist auch im Sinne einer Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Ersturteils berechtigt.

Die Revisionsausführungen der klagenden Partei lassen sich dahin zusammenfassen, dass das Berufungsgericht ohne Beweisergänzung bzw -wiederholung von erstgerichtlichen Feststellungen abgewichen sei und die wesentlichen Grundsätze für das erstgerichtliche Zustandekommen einer Willensübereinkunft außer Acht gelassen habe. Das Berufungsgericht habe eine lediglich ergänzende und klarstellende Annahmeerklärung zu Unrecht als Gegenofferte qualifiziert, obwohl die in der Annahmeerklärung enthaltenen Klarstellungen ebenso das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung gewesen wären. Dies gelte umso mehr, wenn Präzisierungen und Klarstellungen offener Punkte schon aufgrund zwingender Bestimmungen wie etwa des KSchG oder des BTVG geboten seien. Außerdem sei die Abweichung der Gegenofferte von der Erstofferte nur unwesentlich gewesen, wodurch ein Vertragsschluss nicht verhindert werde, weil der Gegenofferent in diesem Fall davon ausgehen könne, dass Schweigen des Vertragspartners Zustimmung bedeute. Tatsächlich sei mit der Annahmeerklärung des Klägers vom 28. September 2007 der Vertrag über die Liegenschaft in P-Dorf zustande gekommen. Darüber hinaus liege eine konkludente Annahme auch dann vor, wenn ein Vertragsteil die ihm zugegangene Offerte des anderen Vertragsteils zwar nicht ausdrücklich annehme, jedoch zur Vertragsabwicklung schreite und erst beträchtliche Zeit später die Vertragsofferte ausdrücklich ablehne. Schließlich sei zu bedenken, dass der Kauf der Wohnung S-Gasse und damit die Möglichkeit einer Gegenverrechnung ausschließlich durch das schuldhafte Verhalten der beklagten Partei vereitelt worden sei. Im Übrigen würden die Tätigkeiten und Verhandlungsweisen der beklagten Partei jedenfalls ihre Haftung wegen culpa in contrahendo begründen.

Dazu wurde erwogen:

1. Das Berufungsgericht hat die erstgerichtlichen Feststellungen nur in Form eines extrem gekürzten Sachverhalts am Beginn seines Urteils wiedergegeben und im Übrigen auf die erstgerichtlichen Feststellungen verwiesen. Im Zusammenhang mit der Behandlung der Tatsachenrüge hat es ausgeführt, dass es die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung übernimmt. Der von der klagenden Partei zutreffend aufgezeigte Umstand, dass das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung mehrfach von einem von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichenden Tatsachensubstrat ausgeht, bildet keinen erheblichen Mangel des Berufungsverfahrens, weil der Oberste Gerichtshof seiner Entscheidung allein die erstgerichtlichen Feststellungen zugrunde legt.

2. Das Berufungsgericht hat - ähnlich wie schon in der Entscheidung 13 R 257/05t = MR 2006, 341 (insoweit kritisch Graf, Kein Dissens bei ebay, MR 2007, 9) - einen „normativen Konsens“ zwischen den Parteien in Bezug auf den Verkauf der Liegenschaft in P-Dorf abgelehnt; die von den Parteien abgegebenen Willenserklärungen hätten bei Interpretation nach der Vertrauenstheorie nie übereingestimmt. Diese Sichtweise würde dazu führen, dass beispielsweise bei einander in einem Nebenpunkt widersprechenden AGB, auf die jede Vertragspartei verweist, gar kein Vertrag zustande kommen würde. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung ist hier großzügiger als das Berufungsgericht und bezieht den Dissens in einem Nebenpunkt - wie im Folgenden näher dargelegt wird - nur auf diesen Nebenpunkt (RIS-Justiz RS0013952).

3. Zwar bewirkt die Annahmeerklärung des Anbotsempfängers den Vertragsabschluss nur dann, wenn sie dessen Bindungswillen zum Ausdruck bringt und sich mit dem Anbot deckt (Bollenberger in KBB3 § 861 Rz 6; in diesem Sinn auch RIS-Justiz RS0013984). Die Rechtsprechung differenziert allerdings zwischen den Hauptpunkten (essentialia negotii) und Nebenpunkten von Vertragserklärungen: Bei einer Abweichung von Hauptpunkten des Anbots entsteht kein Vertrag (RIS-Justiz RS0013978 [T1]). Bei Abweichungen in Nebenpunkten kommt es darauf an, ob angenommen werden kann, dass der Vertrag auch ohne eine Einigung darüber geschlossen worden wäre, was dann der Fall sein wird, wenn die Nebenpunkte durch Gesetz oder Verkehrssitte ergänzbar sind und von den Parteien kein Vorbehalt einer diesbezüglichen Einigung gemacht worden war (RIS-Justiz RS0013978). Die rechtliche Beurteilung erfolgt dann so wie dann, wenn die Parteien diese Nebenpunkte gar nicht erörtert haben; es kommt zur Lückenfüllung mittels des dispositiven Rechts oder ergänzender Vertragsauslegung (RIS-Justiz RS0013973 [T20]).

Teilweise wird dasselbe Ergebnis dadurch erzielt, dass ausnahmsweise das Schweigen auf eine ganz unwesentliche Abweichung der Annahme vom Anbot als stillschweigende Zustimmung gewertet wird (RIS-Justiz RS0013984 [T2] = RS0013986 [T5]), oder dass angenommen wird, dass der Konsens über einen Nebenpunkt erst später durch Leistungserbringung schlüssig hergestellt wurde (1 Ob 519/94).

4. Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei im „Verbindlichen Kaufanbot“ vom 17. August 2007 einen Kaufpreis von 1.150.000 EUR geboten (der später einvernehmlich um 5.000 EUR reduziert wurde) und als Bedingung gefordert, dass der Kläger bis zum 30. September 2007 ein „verbindliches Kaufanbot bezüglich einer Wohnung“ im Bauprojekt S-Gasse unterzeichnet. Als Zahlungsmodalität wurde im Anbot eine Gegenverrechnung angeführt.

Der Kläger hat daraufhin im Schreiben vom 28. September 2007 erklärt, das Kaufanbot der beklagten Partei in Bezug auf die Liegenschaft in P-Dorf anzunehmen. Zusätzlich hat er in der Annahmeerklärung angeführt, dass für den Fall des Nichtzustandekommens eines Kaufvertrags über die Wohnung im Projekt S-Gasse der Kaufpreis am 30. März 2008 zur Zahlung fällig sei. Schließlich hat der Kläger in diesem Schreiben vom 28. September 2007 auch das verbindliche Kaufanbot betreffend die Wohnung im Projekt S-Gasse aufgenommen, wobei er noch anführte: „Die Bindungswirkung dieses Kaufanbots gilt bis 31.10.2007 und vorbehaltlich des Vorliegens der rechtskräftigen Baubewilligung bis längstens 31.3.2008.“

In Bezug auf die Zahlungsmodalitäten für die Liegenschaft in P-Dorf hat sich der Kläger keineswegs - wie das Berufungsgericht unrichtig meint - gegen das Anbot der klagenden Partei gewandt, sondern für einen möglicherweise eintretenden Fall (Nichtzustandekommen des Kaufvertrags über die Wohnung im Projekt S-Gasse) eine Lösung vorgeschlagen, die im Übrigen auch dem dispositiven Recht entsprechen würde. Dieser Vorschlag lag schon deshalb nahe, weil er nur zu einem Kaufanbot in Bezug auf die Wohnung verpflichtet war, das die beklagte Partei erst annehmen musste.

Angesichts des im Schreiben vom 17. August 2007 hergestellten Zusammenhangs zwischen einem Kaufvertrag und einem Kaufanbot kann die Ansicht des Berufungsgerichts, es sollten zwei Kaufverträge untrennbar (nach dem Motto „beide oder keiner“) verbunden sein, nicht geteilt werden. Der Kläger verkaufte die Liegenschaft in P-Dorf und verpflichtete sich seinerseits zu einem verbindlichen Kaufanbot in Bezug auf die im Projekt S-Gasse zu errichtende Wohnung. Der Umstand, dass nur ein Kaufanbot gefordert wurde, zeigt deutlich, dass die beklagte Partei damit noch keine endgültige Bindung in Bezug auf den Verkauf der Wohnung eingehen wollte; somit bestand von vornherein keine untrennbare Verbindung zwischen zwei Kaufverträgen. Aus diesem Grund liegt es auch nahe, dass der Kläger in die Annahmeerklärung eine Lösung für den Fall aufnahm, dass der zweite Kaufvertrag (über die Wohnung) nicht zustande kommen oder aufgehoben werden sollte.

Zusammenfassend hat der Kläger das von ihm geforderte verbindliche Kaufangebot für eine Wohnung abgegeben, sodass der Kaufvertrag über die Liegenschaft in P-Dorf zustande gekommen ist.

5. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger sein Anbot für den Ankauf der Wohnung mit einer Bindungswirkung bis 31. Oktober 2007 sowie mit der Bedingung des Vorliegens einer rechtskräftigen Baubewilligung bis längstens 31. März 2008 versah, sodass es nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht mehr „bedingungslos“ war. Das Berufungsgericht leitet diesen Schluss aus der Wortfolge „verbindliches Kaufangebot“ ab; damit sei für einen redlichen Erklärungsempfänger ein „bedingungsloses Anbot“ gemeint.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese - im Zusammenhang betrachtet - überraschende Vertragsauslegung richtig ist (schließlich sieht zB das dispositive Recht in § 862 ABGB viel kürzere zeitliche Begrenzungen der Bindungswirkung vor). Die beklagte Partei hat nämlich auf das Anbot des Klägers weder mit einem Antwortschreiben noch mit einem Vorbehalt reagiert, sondern mit einer ganzen Reihe von baubezogenen Maßnahmen; auch der Kläger hat eindeutig zu erkennen gegeben, dass er sich an den Kauf der Wohnung gebunden erachtet. Damit haben beide Vertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass die beiden Vorbehalte des Klägers für die Abwicklung der vertraglichen Verhältnisse ohne Belang sind (ähnlich 1 Ob 519/94).

6. In Stattgebung der Revision der klagenden Partei ist daher das den Anspruch des Klägers auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens und des Beratungsaufwands in Höhe von insgesamt 151.000 EUR bejahende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Auf weitere in der ersten Instanz erhobene Einwendungen ist die beklagte Partei im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zurückgekommen, sodass es keines Eingehens darauf bedarf.

7. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Verdopplung des Verdienstes nach § 21 RATG liegen nicht vor, weil - ungeachtet ihrer Länge und ihres Inhalts - kein überdurchschnittlicher Aufwand für die Verfassung der Revision erkennbar ist.

Die Replik des Klägers zur Revisionsbeantwortung ist nach dem Grundsatz der Einmaligkeit von Schriftsätzen im Rechtsmittelverfahren unzulässig (RIS-Justiz RS0100170; RS0041666).

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