OGH 4Ob79/12i

OGH4Ob79/12i2.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Zahnärztekammer, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. G***** B*****, vertreten durch die Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 32.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. März 2012, GZ 2 R 243/11m-24, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Aktivlegitimation

1.1. Nach § 18 ZÄKG ist die Österreichische Zahnärztekammer berufen, 1. die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Belange der Kammermitglieder wahrzunehmen und zu fördern sowie 2. für die Wahrung des Berufs- und Standesansehens und der Berufs- und Standespflichten des zahnärztlichen Berufs zu sorgen.

1.2. Der Senat hat auf Grundlage der vergleichbaren Bestimmung des § 2 Abs 1 ApothekerkammerG (idF bis 1999) die Aktivlegitimation nach § 14 UWG bejaht (RIS-Justiz RS0106100; siehe auch 4 Ob 13/12h; RIS-Justiz RS0079396 zu Bundeskammer der Tierärzte Österreichs).

1.3. In den Entscheidungen 4 Ob 215/11p sowie 4 Ob 194/06t, 4 Ob 204/07i (= RIS-Justiz RS0121556) hat der Senat die Aktivlegitimation der (auch) hier klagenden Partei gemäß § 14 UWG implizit bejaht.

1.4. Für die Klagslegitimation nach § 14 UWG ist es ohne Belang, ob der Beklagte Mitglied der klagenden Kammer ist oder nicht; dies wäre nur für die Disziplinargewalt ausschlaggebend. Die Klagebefugnis besteht bereits dann, wenn die von der Vereinigung nach ihrer Satzung vertretenen Interessen durch die beanstandete Handlung des Beklagten berührt werden (vgl RIS-Justiz RS0079377).

2. Passivlegitimation

2.1. Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsan-spruch richtet sich grundsätzlich gegen den Störer, also gegen denjenigen, von dem die Beeinträchtigung ausgeht und auf dessen maßgeblichem Willen sie beruht (RIS-Justiz RS0079539).

2.2. Die Zurechnung der beanstandeten Werbemaßnahmen (Inserat zur Ankündigung der „Frühlingsaktion“ in einer Österreichischen Zeitung sowie Bewerbung derselben Aktion auf der Website mit der Top-Level-Domain „at“) zur ungarischen GmbH (Kft), unter welcher der Beklagte seine zahnärztliche Tätigkeit ausübt (der Beklagte ist Gesellschafter und einziger Geschäftsführer dieser Gesellschaft), entlastet den Beklagten nicht.

Die Organe einer juristischen Person, die Leitungsaufgaben erfüllen, haften nämlich nicht nur bei unmittelbarer (aktiver) Beteiligung an einem Wettbewerbsverstoß, sie können auch durch Unterlassung verantwortlich werden, wenn ihnen der Wettbewerbsverstoß bekannt geworden ist und sie diesen nicht verhindert haben, obwohl sie dazu infolge ihrer Organstellung in der Lage gewesen wären. Gibt es Anhaltspunkte, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer schließen lassen, ist es deren Sache darzutun, dass sie dennoch ohne ihr Verschulden daran gehindert waren, dagegen einzuschreiten (RIS-Justiz RS0079491 [T9]; RS0079743).

Dem Beklagten ist es im vorliegenden Fall nicht gelungen darzutun, warum er als einziger Geschäftsführer nicht für den Wettbewerbsverstoß einzustehen hätte.

3. Fassung des Unterlassungsgebots

3.1. Ein Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang am konkreten Verstoß zu orientieren. Es ist auf die konkrete Verletzungshandlung sowie - um Umgehungen durch den Verpflichteten nicht allzu leicht zu machen - auf ähnliche Fälle einzuengen. Die an sich wegen der Gefahr von Umgehungen gerechtfertigte weite Fassung von Unterlassungsgeboten darf nur so weit gehen, als die Befürchtung gerechtfertigt ist, der Beklagte werde auch jene Verletzungshandlungen begehen, die unter das weit gefasste Unterlassungsgebot fallen (4 Ob 93/10w mwN).

3.2. Aufgrund des Umstands, dass der Beklagte der einzige Zahnarzt ist, der im Rahmen der werbenden - und von ihm beherrschten - Gesellschaft tätig wird, ist die Beurteilung des Rekursgerichts, wonach das vom Erstgericht gegen den Beklagten erlassene Unterlassungsgebot keineswegs zu weit und nicht auf seine Tätigkeit für die Gesellschaft zu beschränken sei, jedenfalls vertretbar.

4. Verstoß gegen die Werberichtlinie

4.1. Ein Verstoß gegen § 35 Zahnärztegesetz und die diese Bestimmung konkretisierende Werberichtlinie kann zu einem Vorsprung im Wettbewerb führen und fällt (zumindest) dann unter § 1 Abs 1 Z 1 UWG, wenn er nicht mit guten Gründen vertreten werden kann (4 Ob 84/10x).

4.2. Ärzte haben ihr Standesrecht zu kennen. Verbindlich sind die Standesregeln auch dann, wenn die Standesauffassung nicht in allen Punkten völlig einheitlich ist. Maßgebend ist die Auffassung eines mit anerkannten Werten verbundenen Arztes, wie sie in der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Ist das dem Beklagten vorwerfbare standeswidrige Verhalten geeignet, dem Beklagten einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor seinen Mitbewerbern zu verschaffen, so begründet es einen Verstoß gegen § 1 UWG (RIS-Justiz RS0089508).

4.3. Gemäß § 35 Zahnärztegesetz haben Angehörige des zahnärztlichen Berufs im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufs jedes standeswidrige Verhalten zu unterlassen. Ein Verhalten ist standeswidrig, wenn es geeignet ist, das Ansehen des Berufsstands zu beeinträchtigen oder Interessen des Berufsstands zu schädigen (Abs 1). Angehörige des zahnärztlichen Berufs haben sich jeder unwahren, unsachlichen oder diskriminierenden Anpreisung oder Werbung ihrer zahnärztlichen Leistungen zu enthalten (Abs 2). Die Österreichische Zahnärztekammer kann nähere Vorschriften über die Art und Form des in Abs 1 bis 3 genannten Verhaltens erlassen (Abs 5).

Gemäß Art 3 der von der Klägerin aufgrund § 35 Abs 5 Zahnärztegesetz erlassenen Werberichtlinie liegt eine das Ansehen des Berufsstands beeinträchtigende Information unter anderem vor bei … c) Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche bzw marktschreierische Darstellung; … e) Nennung des Preises für die eigenen privatzahnärztlichen Leistungen in der Öffentlichkeit.

4.4. Sobald der Angehörige eines freien Berufs mit Sitz im Ausland auch im Inland tätig wird, hat er zusätzlich die hier geltenden Berufs- und Standesregeln einzuhalten. Die in § 35 Zahnärztegesetz und die aufgrund dieser Bestimmung erlassene Werberichtlinie sind weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Regelungszweck auf im Inland ansässige Zahnärzte beschränkt (4 Ob 84/10x).

5.1. § 35 Zahnärztegesetz und die auf seiner Grundlage erlassenen Werberichtlinien normieren kein absolutes Werbeverbot, sondern untersagen nur unsachliche, unwahre und das Ansehen des Berufsstands beeinträchtigende Informationen. Die Werbebeschränkung liegt nicht nur im Interesse der Ärzte, sondern vor allem im Interesse der Allgemeinheit, sich bei Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen von sachlichen Erwägungen leiten zu lassen (RIS-Justiz RS0108834).

Dass diese Einschränkungen sachlich gerechtfertigt sind, die Dienstleistungsfreiheit nicht einschränken und auch nicht gegen das Kartellrecht verstoßen, ist vertretbar, wird doch durch die allgemeine Gültigkeit der Werberichtlinie in Österreich der Preis- zu einem Qualitätswettbewerb, was bei ärztlichen Dienstleistungen zweifellos im Interesse der Allgemeinheit liegt.

5.2. Das Fehlen unionsrechtlicher Bedenken gegen bestimmte Werbeverbote für Ärzte hat der Senat erst jüngst in der Entscheidung 4 Ob 176/11b - unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH Rs C-446/05 , Ioannis Doulamis, Slg 2008 I-1377 - bekräftigt.

6.1. Die Werbung mit Honorarsätzen beeinträchtigt das Standesansehen, weil der Arzt mit der Behandlung eines Kranken eine auf die Bedürfnisse dieses Menschen abgestimmte Leistung erbringen soll, deren Umfang und Intensität nicht von vornherein feststeht. Bietet ein Arzt seine Leistungen zu festen Sätzen an, so kann er naturgemäß den im einzelnen Fall erforderlichen Aufwand nicht berücksichtigen. Eine solche Werbung rückt seine Leistung in die Nähe einer austauschbaren Massenleistung, die sie nach dem allgemeinen Verständnis nicht sein soll, und ist standeswidrig (RIS-Justiz RS0089503). Marktschreierisch ist eine Werbung aus standesrechtlicher Sicht unter anderem dann, wenn durch sie ein unsachlicher Druck zur raschen Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen ausgeübt wird (4 Ob 199/08f).

6.2. Auf Grundlage dieser Rechtsprechung ist auch die Beurteilung der Vorinstanzen vertretbar, dass die zeitlich befristete Aktion des Beklagten die Interessenten einem unsachlichen (Zeit-)Druck aussetzte. Das Argument, das Frühjahr dauere bis zum 21. 6., übersieht, dass die Aktion laut Homepage nur bis 30. 4. 2011 galt. Zudem wird der Verbraucher unter „Frühjahrsaktion“ eine kurzfristige Aktion im Frühjahr und nicht eine Aktion für die Dauer des Frühlings laut Kalender verstehen. Marktschreierisch ist die Werbung auch durch die angegebenen „Statt“-Preise. Damit weist der Beklagte nicht sachlich auf sein gegenüber österreichischen Ärzten geringeres Preisniveau hin, sondern vermittelt den Eindruck, auf seine eigenen Preise nochmals einen Sonderrabatt zu gewähren.

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