OGH 5Ob27/12z

OGH5Ob27/12z26.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Univ.-Prof. Mag. F***** D*****, 2. Dr. R***** D*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Karl Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dkfm. Dr. I***** Z*****, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in Wien, 2. Dr. B***** J*****, 3. Dr. G***** J*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Barbara John-Rummelhardt, Dr. Günther R. John, Rechtsanwälte in Wien, 4. R***** F*****, vertreten durch Dr. Ludwig Draxler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erwirkung einer Zustimmung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Mai 2011, GZ 38 R 23/11f-55 (idF des Berichtigungsbeschlusses vom 23. November 2011), den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind Miteigentümer einer Liegenschaft. Den Antragstellern steht das alleinige Nutzungsrecht an einer zweigeschossigen Wohnung und der darüberliegenden Dachterrasse zu. Die Dachterrasse ist über eine Wendeltreppe erreichbar.

Die Antragsteller ließen einen hydraulischen Aufzug errichten, der nicht nur die beiden Geschosse ihrer Wohnung verbindet, sondern darüber hinaus nach Öffnung der Dachhaut auf die Terrasse führt. Die Errichtung des Lifts wurde der Baubehörde mittels Bauanzeige gemäß § 62 Wr BO bekannt gemacht. Auf dem begehbaren Flachdach (Terrasse) über der Wohnung der Antragsteller ließen diese einen Zubau in Form einer Holzkonstruktion samt Außenverputz im Ausmaß von 1,32 m x 1,61 m x 2,78 m Höhe als Einhausung für die Liftstation errichten. Weil dafür keine Baubewilligung vorliegt, wurde sämtlichen Miteigentümern der Liegenschaft aufgetragen, diesen Aufbau zu entfernen und die Öffnung zwischen dem Obergeschoss der Wohnung der Antragsteller und dem begehbaren Flachdach ordnungsgemäß zu verschließen.

Mit ihrem auf §§ 833 ff ABGB gestützten Antrag begehren die Antragsteller, die sich auf eine Zustimmung der Mehrheit der Liegenschaftseigentümer berufen, die Zustimmung der widersprechenden Antragsgegner zur Durchbrechung der Dachhaut und Errichtung eines Dachaufbaus auf der Terrasse zu ersetzen. Einer Zustimmung der Antragsgegner zur Errichtung des Aufzugs bedürfe es nicht, weil dazu eine Bauanzeige ausreiche. Diesen Standpunkt halten die Antragsteller auch noch in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs aufrecht.

In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung wies das Rekursgericht dieses Begehren ab. Das von den Antragstellern bewusst auf die Durchbrechung der Dachhaut und den Dachaufbau eingeschränkte Begehren greife in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer ein, ohne dass eine offenbare Vorteilhaftigkeit der Veränderung erkennbar wäre. Ein Dachausstieg aus einem Schacht ohne Stufen sei unbrauchbar. Wozu eine Durchbrechung der Dachhaut und die Errichtung eines Häuschens erforderlich sein solle (wenn nicht für eine Lifterrichtung, die aber ausdrücklich nicht zum Gegenstand des Begehrens gemacht wurde), sei nicht nachvollziehbar. Eine derartige Änderung berge bloß Gefahren in sich, sodass sie nicht bloß bedenklich, sondern nachteilig sei.

Rechtliche Beurteilung

In dem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs rügen die Antragsteller, das Rekursgericht habe sich unzulässigerweise über Feststellungen des Erstgerichts hinweggesetzt, wonach eine statische Beeinträchtigung nicht vorliege, übersehen jedoch, dass die erstgerichtliche Feststellung (S 20 des erstinstanzlichen Beschlusses ON 47) ausschließlich die statische Sicherheit des Hauses durch den Lifteinbau betrifft. Diesen haben die Antragsteller gerade nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Dass ganz allgemein die Öffnung einer Dachhaut und eines Aufbaus auf einem Flachdach Gefahren mit sich bringt, ist eine Beurteilung, die das Rekursgericht vornehmen konnte, ohne dadurch eine vom Obersten Gerichtshof als relevant aufzugreifende Mangelhaftigkeit zu begründen.

Gegenstand der richterlichen Beschlussfassung nach § 835 ABGB ist die Frage, ob die (wichtige) Veränderung offenbar (also eindeutig) vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist. Ob das der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls und vom Standpunkt der Gesamtheit aller Miteigentümer und nicht allein von jenem der Mehrheit aus zu beurteilen (RIS-Justiz RS0013703; RS0013440). Der Beschluss des Außerstreitrichters ist eine im Wesentlichen von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung (stRsp, zuletzt 6 Ob 83/06h; 5 Ob 8/09a).

Die zur Genehmigungsfähigkeit wichtiger Änderungen ergangene Judikatur lässt damit einen Wertungsspielraum offen und stellt stets auf die Umstände des Einzelfalls ab. Eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs wäre daher in diesem Zusammenhang nur zulässig, wenn dem Rekursgericht eine aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (6 Ob 83/06h mwN; 5 Ob 8/09a).

Eine derart vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls vermag der außerordentliche Revisionsrekurs aber nicht aufzuzeigen. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, ein Begehren auf Zustimmung der Minderheit zur Öffnung der Dachhaut und Errichtung eines Häuschens darüber lasse isoliert eine positive Beurteilung im Sinn einer Vorteilshaftigkeit nicht zu, ist ebensowenig zu beanstanden wie eine daraus abgeleitete Gefahr der Nachteiligkeit für das Gebäude und damit eine Gefährdung der Interessen der Miteigentümer.

Dass dann, wenn die Mehrheit wichtige Veränderungen gegen den Willen der Minderheit durchführen will, sie die Zustimmung des Richters im Verfahren außer Streitsachen erwirken muss, gilt auch für die Errichtung eines Aufzugs in der Wohnung eines Miteigentümers und von dieser auf die Dachterrasse, weil davon jedenfalls allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen sind und es sich keineswegs um Maßnahmen der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Guts iSd § 833 ABGB handelt (vgl 4 Ob 2229/96i SZ 69/228: Durchbruch einer Außenmauer). Ob baurechtlich an die Zustimmung der Miteigentümer geringere Anforderungen gestellt werden, ist für eine Beurteilung einer Änderung nach § 835 ABGB nicht entscheidend (vgl zur Irrelevanz einer Zulässigkeit nach baurechtlichen Vorschriften für Genehmigungsfähigkeit nach § 16 WEG: 5 Ob 82/95 WoBl 1996/23 [Markl]).

Liegt, wie hier, keine Genehmigung aller zum Lifteinbau vor und wird eine solche auch ausdrücklich nicht angestrebt, kann dieser Zweck der von den Antragstellern isoliert betriebenen Änderungen einer nach § 835 ABGB zu treffenden Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden.

Insgesamt vermag das außerordentliche Rechtsmittel der Antragsteller keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen. Es war daher zurückzuweisen.

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