OGH 6Ob83/06h

OGH6Ob83/06h21.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Mag. Klaus R*****, vertreten druch Dr. Roland Kometer und Dr. Esther Pechtl-Schatz, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider den Antragsgegner Dr. Walter S*****, vertreten durch Dr. Hans Kaska und Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Zustimmung zu einer baulichen Veränderung und wegen Benützungsregelung, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 3. Jänner 2006, GZ 52 R 128/05p-16, womit über Rekurs des Antragsgegners der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 7. November 2005, GZ 36 Nc 23/05t-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 875,34 EUR (davon 145,89 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG). Die Verfahrensparteien sind die Hälfteeigentümer einer Tiroler Liegenschaft mit einem Einfamilienhaus, das 1937 erbaut wurde. Der Antragsteller, der mit seiner Familie das Erdgeschoss bewohnt, möchte zur Befriedigung des eigenen Wohnbedürfnisses den nordseitigen Dachboden auf einer Fläche von ca 42 m2 ausbauen. Die Erschließung soll über das bestehende Stiegenhaus erfolgen. Die Baumaßnahme ist im Bereich oberhalb der Küche, des Bades und des WCs der vom Antragsgegner benutzen Wohnung im ersten Stock geplant. Der Antragsgegner stimmt der geplanten Maßnahme nicht zu. Zur Zeit benutzt der Antragsteller den südlichen Teil, der Antragsgegner den nördlichen Teil des Dachbodens zu Lagerzwecken. Nach dem Ausbau verbleiben ca. 47 m2 Dachboden.

Das Erstgericht gab den Anträgen des Antragstellers auf Bewilligung der geplanten baulichen Veränderungen und auf Regelung der Benützung des Dachbodens dahin, dass dem Antragsteller über den ausgebauten Teil des Dachbodens das ausschließliche Benützungs-, Verwaltungs- und Vermietungsrecht und dem Antragsgegner über die restliche Fläche des Dachbodens das ausschließliche Benützungs-, Verwaltungs- und Vermietungsrecht zukommt, statt. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die geplanten Maßnahmen schienen für beide Miteigentümer von Vorteil zu sein. Der Antragsteller könne das Dachgeschoss ausbauen. Der Antragsgegner erhalte einen zumindest gleichwertigen Teil des Dachbodens. Beim geplanten Ausbau müssten zumindest Teile der Dachdeckung erneuert werden. Da eine Sanierung der Dachhaut ohnehin kurzfristig anstehe, ergebe sich hieraus auch keine wesentliche Wertminderung bzw Beeinträchtigung, vielmehr ließe sich die Dachhaut im Zuge des Dachbodenausbaus kostensparend sanieren. Auch in heiztechnischer Hinsicht sei der Dachbodenausbau für den Antragsgegner vorteilhaft, zumal dessen Wohnung nach dem Umbau auch von der Wohneinheit im Dachboden gewärmt und isoliert werde. Schutzwürdige Interessen des Antragsgegners würden nicht beeinträchtigt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge und wies die Anträge ab. Gegen den Ausbau des Dachbodens spreche zunächst der Umstand, dass sich bei einem Haus in gehobener Wohngegend mit nur wenigen Wohnungen nicht die Vermutung aufdränge, die Schaffung einer zusätzlichen Wohneinheit sei aus der Sicht aller Miteigentümer eine „bessere Benützung des Hauptstammes". Eine solche Maßnahme möge zwar den Wert des Hauses steigern, könne sich aber nachteilig auf die Wohnqualität auswirken. Insbesondere sei die Befürchtung des Antragsgegners beachtlich, dass die Schaffung einer Wohneinheit über den von ihm benützten Räumlichkeiten im ersten Stock zu einer zusätzlichen Lärmbeeinträchtigung führe, dies unabhängig davon, ob sich die auszubauenden Teile des Dachbodens über dem Wohn- oder Schlafzimmer oder über Küche, Bad und WC befinden sollen. Der klare Vorteil auch für den Gegner sei nicht ersichtlich bzw nachgewiesen. Auch der Umstand, dass der Antragsgegner den geringfügig größeren südlichen Teil des Dachbodens zur Alleinbenutzung erhalten solle, stelle für ihn gegenüber der bisherigen Situation keinen Vorteil dar. Er benütze diesen Bereich schon bisher. Ein Ausbau des südlichen Dachbodenteils durch den Antragsgegner sei jedenfalls derzeit nicht intendiert. Allfällige heizungstechnische Vorteile vermögen nicht ins Gewicht zu fallen. Das mit dem Dachbodenausbau eine teilweise Erneuerung der Dacheindeckung, wie sie ohnehin anstehe, verbunden sei, werde erst dann relevant, wenn die Sanierung des Daches tatsächlich anstehe, weil bis dahin ein allfälliger finanzieller Vorteil des Antragsgegners nicht greifbar sei.

Das Rekursgericht ließ nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil es die umfangreichen Ausführungen in der Zulassungsbeschwerde zumindest als denkbar erscheinen ließen, „dass das Höchstgericht die grundsätzlichen Wertungen, auf die das Rekursgericht im Rahmen seiner Billigkeitsentscheidung zurückgegriffen hat", anders vornehme.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 71 Abs 1 AußStrG), mangels einer im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf gemäß § 71 Abs 3 AußStrG keiner Begründung. Den Rechtsmittelausführungen sei jedoch erwidert, dass das Rekursgericht nicht - wie behauptet - feststellte, eine Dachsanierung stehe nicht an. Es ist von der Feststellung des Erstgerichts, eine Sanierung der Dachhaut stehe ohnehin kurzfristig an, nicht abgewichen, wenn es ausführte, relevant werde der Umstand, dass mit dem Dachbodenausbau eine teilweise Erneuerung der Dacheindeckung verbunden sei, erst, wenn die Sanierung des Daches tatsächlich anstehe.

Das Gesetz sieht für die vom Außerstreitrichter nach § 835 ABGB zu treffende Entscheidung keine bindenden Richtlinien vor. Sie ist eine im Wesentlichen von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung (RIS-Justiz RS0013650), die davon abhängt, ob die Veränderung offenbar vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist (4 Ob 2229/96i; 1 Ob 267/02z; RIS-Justiz RS0013665). Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls und vom Standpunkt der Gesamtheit aller Miteigentümer und nicht allein von jenem des Mehrheitseigentümers (oder Hälfteeigentümers) aus zu beurteilen (7 Ob 5/04t mwN; RIS-Justiz RS0013703; RS0013440).

Entgegen der Meinung des Antragstellers stellen die geplanten Ausbauarbeiten im Dachbodenraum (Schaffung eines Zimmers, Vorraums, Bades/WC, Dachbodens und einer Dachterrasse) einen empfindlichen Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners dar (vgl 7 Ob 184/73 = RZ 1974/73 S 138). Dass die Benützung des Dachbodens zwischen den Eigentümern nicht geregelt sei, wie der Rechtsmittelwerber ausführt, kann nicht gesagt werden, besteht doch offenbar Einvernehmen darüber, dass der Antragsteller den nördlichen Teil und der Antragsgegner den südlichen Teil des Dachbodens zu Lagerzwecken benutzen. Was die entscheidungswesentliche Frage betrifft, ob die vom Antragsteller beabsichtigten baulichen Veränderungen offenbar vorteilhaft sind, so können sich die Erwägungen des Rekursgerichts entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers auf höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Die Schaffung einer zusätzlichen Wohneinheit hängt bei einem Haus in gehobener Wohngegend mit zwei Wohnungen keineswegs die Vermutung auf, dies sei aus der Sicht aller Miteigentümer eine „bessere Benützung des Hauptstammes". Eine solche Maßnahme mag den Wert des Hauses steigern und die Interessen des einen Miteigentümers befriedigen, kann aber nachteilig für die Wohnqualität sein (vgl 5 Ob 278/04z).

Die Argumentation des Rechtsmittelwerbers übersieht, dass die zur Genehmigungsfähigkeit wichtiger Änderungen ergangene Judikatur einen Wertungsspielraum offen lässt und stets auf die Umstände des Einzelfalls abstellt. Eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs wäre daher in diesem Zusammenhang nur zulässig, wenn dem Rekursgericht eine aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (7 Ob 5/04t mwN). Eine derartige vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls wird aber nicht dargetan und ist auch nicht zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG. Der Antragsgegner wies in seiner Rechtsmittelbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hin.

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